7B_283/2022 03.06.2024
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
7B_283/2022  
 
 
Urteil vom 3. Juni 2024  
 
II. strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Abrecht, Präsident, 
Bundesrichterin Koch, Bundesrichter Hurni, 
Gerichtsschreiberin Lustenberger. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Stephanie Selig, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
1. Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Solothurn, 
Franziskanerhof, Barfüssergasse 28, 
Postfach 157, 4502 Solothurn, 
2. B.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. David Gibor, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Versuchte eventualvorsätzliche Tötung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Solothurn, Strafkammer, vom 12. Mai 2022 (STBER.2021.36). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
B.________ werden diverse Straftaten zur Last gelegt. Mit Strafurteil vom 25. November 2020 stellte das Amtsgericht Thal-Gäu das Verfahren teilweise ein, fällte in einzelnen Anklagepunkten Freisprüche und erklärte B.________ in gewissen Anklagepunkten schuldig, namentlich der versuchten Tötung (Art. 111 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB) und der Drohung (Art. 180 StGB) zum Nachteil von A.________. Das Amtsgericht verurteilte B.________ zu einer Freiheitsstrafe von achteinhalb Jahren und einer Busse von Fr. 400.--. Weiter verpflichtete es ihn, A.________ eine Genugtuung von Fr. 10'000.-- zuzüglich 5 % Zins seit 9. Januar 2019 und Schadenersatz von Fr. 341.30 zu bezahlen. Gleichzeitig erklärte es ihn gegenüber A.________ für inskünftig aus dem Vorfall vom 9. Januar 2019 anfallende Kosten dem Grundsatz nach bei einer Haftungsquote von 100 % für haftpflichtig. 
 
B.  
In der Folge wandte sich B.________ mit Berufung ans Obergericht des Kantons Solothurn. Die Staatsanwaltschaft erhob Anschlussberufung. Das Obergericht hielt mit Urteil vom 12. Mai 2022 fest, dass die erstinstanzlichen Einstellungen sowie die Schuldsprüche wegen unbefugten Aufnehmens von Gesprächen (Art. 179ter StGB), mehrfacher Wiederhandlung gegen das AIG (SR 142.20) durch Förderung des rechtswidrigen Aufenthalts und durch Beschäftigung von Ausländerinnen und Ausländern ohne Bewilligung sowie wegen mehrfacher Übertretung des BetmG (SR 812.121) rechtskräftig seien. Während es ihn vom Vorwurf des Menschenhandels (Art. 182 StGB) und vom Vorwurf der mehrfachen Förderung der Prostitution (Art. 195 StGB) (teilweise) freisprach, erklärte das Obergericht B.________ der Drohung und einfachen Körperverletzung (Art. 123 Ziff. 1 StGB), begangen am 9. Januar 2019 zum Nachteil von A.________, sowie der mehrfachen Förderung der Prostitution und der mehrfachen versuchten Erpressung (Art. 156 StGB) zum Nachteil weiterer Frauen schuldig. Es sprach eine Freiheitsstrafe von fünfeinhalb Jahren (wie schon die Erstinstanz unter Anrechnung der ausgestandenen Untersuchungs- bzw. Sicherheitshaft und der Ersatzmassnahmen) sowie eine Busse von Fr. 400.-- (Ersatzfreiheitsstrafe vier Tage) aus. Nebst dem bestätigte es das erstinstanzliche Urteil im Zivilpunkt, wobei es die an A.________ auszurichtende Genugtuung jedoch auf Fr. 7'000.-- reduzierte. 
 
C.  
A.________ gelangt mit Beschwerde in Strafsachen ans Bundesgericht mit den Anträgen, das Berufungsurteil sei teilweise aufzuheben und B.________ sei wegen versuchter eventualvorsätzlicher Tötung zu bestrafen. Er sei zu verpflichten, ihr eine Genugtuung von Fr. 10'000.-- zuzüglich Zins von 5 % seit dem 9. Januar 2019 zu bezahlen. Eventualiter sei die Sache zur materiellen Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
Die Vorinstanz beantragt in ihrer Vernehmlassung unter Verweis auf das angefochtene Urteil die Abweisung der Beschwerde. Die Staatsanwaltschaft verzichtet auf eine Stellungnahme und B.________ liess sich innert Frist nicht vernehmen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Gemäss Art. 81 Abs. 1 BGG ist zur Beschwerde in Strafsachen berechtigt, wer vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten (lit. a) und ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat (lit. b). Legitimiert ist nach Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG insbesondere die Privatklägerschaft, wenn sich der angefochtene Entscheid auf die Beurteilung ihrer Zivilansprüche auswirken kann. 
Dies ist hier der Fall. Die der Beschwerdeführerin aufgrund des Vorfalls vom 9. Januar 2019 erstinstanzlich zugesprochene Genugtuung - eine Zivilforderung im Sinne von Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG (vgl. BGE 146 IV 76 E. 3.1 mit Hinweis) - wurde von der Vorinstanz zufolge anderer rechtlicher Würdigung des Vorgefallenen auf Fr. 7'000.-- reduziert. Die Beschwerdeführerin, die vor Bundesgericht einen Schuldspruch wegen versuchter Tötung und eine Genugtuung von Fr. 10'000.-- verlangt, ist somit zur Beschwerde legitimiert. 
Die übrigen Eintretensvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass, weshalb auf die Beschwerde grundsätzlich einzutreten ist. 
 
2.  
Streitig ist die rechtliche Qualifikation der von B.________ (nachfolgend: Beschwerdegegner 2) am 9. Januar 2019 in einem Hotelzimmer in Istanbul zum Nachteil der Beschwerdeführerin begangenen Tat. 
 
2.1. Der Tathergang gilt als erstellt: Am frühen Morgen um ca. 2.00 Uhr kam es zwischen der Beschwerdeführerin und dem stark alkoholisierten Beschwerdegegner 2 zum Streit über die Benutzung seines Mobiltelefons. Im Zuge dessen warf der Beschwerdegegner 2 die Beschwerdeführerin aufs Hotelbett und drückte sie mit dem Gesicht in die Matratze. Aufgrund ihrer Gegenwehr drehte er sie anschliessend auf den Rücken und hielt ihr mindestens drei Mal mit der Hand Mund und Nase zu, sodass sie keine Luft mehr bekam. Währenddessen schlug er ihr mindestens zweimal mit der Faust gegen den Kopf. Sie wehrte sich heftig. Zumindest einmal nahm er seine Hand weg, um sie seine Frage, ob sie sterben wolle, beantworten zu lassen, wobei sie Luft holen konnte. Daraufhin verschloss er ihre Atemwege erneut. Nebst dem drohte er ihr, sie werde in Istanbul sterben und niemand werde sich dafür interessieren und sie vermissen. Die Beschwerdeführerin hatte Todesangst und fürchtete, zu ersticken. Irgendwann schaffte sie es, sich zu befreien, und sie rannte unbekleidet zur Hotellobby, um Hilfe zu holen. Die Beschwerdeführerin erlitt aufgrund des Vorfalls Hyposphagmata, das heisst flächige Bindehautunterblutungen, an beiden Augen, eine Druckdolenz und Schwellungen am Kiefer sowie eine Rippenkontusion links. In Lebensgefahr befand sie sich nie.  
 
2.2. Die Vorinstanz erachtet die Tatbestände der Drohung und der einfachen Körperverletzung als erfüllt, nicht aber denjenigen der versuchten Tötung. Zur Begründung verweist sie zunächst auf das Gutachten von Dr. med. C.________ vom 22. Juli 2019. Laut diesem sei der zeitliche Abstand zwischen der Handlung und dem Erfolg (Aussetzen der Gehirnfunktion) bei einem Verlegen der Luftwege grösser als bei einer Kompression der Halsgefässe durch Würgen, weil das Gehirn immer noch mit Blut, wenn auch sauerstoffarmem, versorgt werde. Dieses Zeitfenster liege, ähnlich wie beim Ertrinken, bei bis zu drei Minuten. Eine solche Zeitspanne dürfte, so die Vorinstanz, vorliegend bei Weitem nicht erreicht worden sein, da sich die Beschwerdeführerin gewehrt und sich zeitweise habe befreien können. Ausserdem habe der Beschwerdegegner 2 seine Handlung einmal selbst unterbrochen. Der letztgenannte Umstand und seine damit einhergehende Frage, ob sie sterben wolle, deuteten darauf hin, dass der Beschwerdegegner 2 weder den Tod noch eine unmittelbare Lebensgefahr bei der Beschwerdeführerin in Kauf genommen habe. Er sei ihr zudem, trotz seines alkoholisierten Zustands, physisch offensichtlich deutlich überlegen gewesen. Hätte er der Beschwerdeführerin für längere Zeit die Luftzufuhr abstellen wollen, hätte er einerseits entschiedenere Gewalt anwenden können, sodass sie sich nicht mehr hätte wehren können, und andererseits hätte er sie diesfalls wohl nicht gefragt, ob sie sterben wolle. Gerade diese Frage deute vielmehr darauf hin, dass es ihm darum gegangen sei, sie in Todesangst, nicht aber in Lebensgefahr zu versetzen. Er sei offensichtlich ausgerastet, weil die Beschwerdeführerin sein Handy habe nutzen wollen und er davon ausgegangen sei, sie schreibe ihrem Freund D.________, was Gefühle der Eifersucht hervorgerufen habe. Angesichts seiner aus dem Sachverhaltskomplex "Förderung der Prostitution" bekannten Neigung zu impulsivem Verhalten und Gewalt passe es ins Bild, dass er einmal mehr gegenüber einer Frau seine Überlegenheit und Macht habe demonstrieren wollen. Ein Eventual-Tötungsvorsatz (und auch ein direkter Vorsatz hinsichtlich Gefährdung des Lebens) seien deshalb zu verneinen.  
 
2.3. Wer vorsätzlich einen Menschen tötet, ohne dass eine der besonderen Voraussetzungen der Art. 112 ff. StGB zutrifft, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft (Art. 111 StGB). Für die Erfüllung des Tatbestands von Art. 111 StGB genügt Eventualvorsatz (Urteile 6B_1246/2019 vom 8. September 2020 E. 2.3.3; 6B_675/2018 vom 26. Oktober 2018 E. 2.3.1; je mit Hinweisen).  
 
2.3.1. Ein Versuch liegt vor, wenn der Täter sämtliche subjektiven Tatbestandsmerkmale erfüllt und seine Tatentschlossenheit manifestiert hat, ohne dass alle objektiven Tatbestandsmerkmale verwirklicht sind (BGE 140 IV 150 E. 3.4; Urteile 6B_386/2023 vom 28. März 2024 E. 1.1.4; 7B_13/2021 vom 5. Februar 2024 E. 2.3.2; je mit Hinweisen).  
 
2.3.2. Vorsätzlich begeht ein Verbrechen oder Vergehen, wer die Tat mit Wissen und Willen ausführt (Art. 12 Abs. 2 Satz 1 StGB). Mit Vorsatz handelt bereits, wer die Tatbestandsverwirklichung für möglich hält, aber dennoch handelt, weil er den Erfolg für den Fall seines Eintritts in Kauf nimmt bzw. sich mit ihm abfindet, mag er ihm auch unerwünscht sein (sog. Eventualvorsatz; vgl. Art. 12 Abs. 2 Satz 2 StGB; BGE 147 IV 439 E. 7.3.1; 143 V 285 E. 4.2.2; 137 IV 1 E. 4.2.3; je mit Hinweisen).  
 
2.3.3. Ob der Täter die Tatbestandsverwirklichung in Kauf genommen hat, muss das Gericht bei Fehlen eines Geständnisses aufgrund der Umstände entscheiden. Dazu gehören die Grösse des dem Täter bekannten Risikos der Tatbestandsverwirklichung, die Schwere der Sorgfaltspflichtverletzung, seine Beweggründe und die Art der Tathandlung. Je grösser die Wahrscheinlichkeit der Tatbestandsverwirklichung ist und je schwerer die Sorgfaltspflichtverletzung wiegt, desto eher darf gefolgert werden, der Täter habe die Tatbestandsverwirklichung in Kauf genommen (BGE 147 IV 439 E. 7.3.1; 134 IV 26 E. 3.2.2; 133 IV 9 E. 4.1; je mit Hinweisen).  
Das Gericht darf vom Wissen auf den Willen schliessen, wenn sich dem Täter die Verwirklichung der Gefahr als so wahrscheinlich aufdrängte, dass die Bereitschaft, sie als Folge hinzunehmen, vernünftigerweise nur als Inkaufnahme des Erfolgs ausgelegt werden kann (BGE 147 IV 439 E. 7.3.1; 137 IV 1 E. 4.2.3; je mit Hinweis[en]). Eventualvorsatz kann indessen auch vorliegen, wenn der Eintritt des tatbestandsmässigen Erfolgs nicht in diesem Sinne sehr wahrscheinlich, sondern bloss möglich war. Doch darf nicht allein aus dem Wissen des Täters um die Möglichkeit des Erfolgseintritts auf dessen Inkaufnahme geschlossen werden. Vielmehr müssen weitere Umstände hinzukommen (BGE 133 IV 9 E. 4.1 mit Hinweisen). Solche Umstände liegen namentlich vor, wenn der Täter das ihm bekannte Risiko nicht kalkulieren und dosieren kann und das Opfer keine Abwehrchancen hat (BGE 133 IV 1 E. 4.5; zum Ganzen: Urteile 7B_252/2022 vom 2. Februar 2023 E. 4.2.3; 6B_1239/2021 vom 5. Juni 2023 E. 3.3.2; je mit Hinweisen). 
Dass für das Opfer zu keinem Zeitpunkt akute Lebensgefahr bestand und es schlussendlich nur leichte Verletzungen erlitt, schliesst die Annahme, der Täter habe den Tod billigend in Kauf genommen, nicht aus (Urteil 6B_73/2015 vom 25. November 2015 E. 1.3.3). 
 
2.3.4. Ob im Lichte der festgestellten Tatsachen auf Eventualvorsatz zu schliessen ist, ist eine Rechtsfrage (vgl. BGE 147 IV 439 E. 7.3.1; 137 IV 1 E. 4.2.3; je mit Hinweisen). Es besteht diesbezüglich jedoch eine gewisse Überschneidung zu Tatfragen, wie etwa solcher hinsichtlich innerer Tatsachen (Wissen, wollen, in Kauf nehmen), welche nur unter dem Gesichtswinkel der Willkür überprüfbar sind. Denn der Sinngehalt des Eventualvorsatzes lässt sich nur im Lichte dieser tatsächlichen Umstände erschliessen. Das Bundesgericht kann daher in einem gewissen Ausmass die richtige Bewertung dieser Umstände im Hinblick auf den Rechtsbegriff des Eventualvorsatzes überprüfen. Es tut dies indes mit einer gewissen Zurückhaltung (Urteile 7B_13/2021 vom 5. Februar 2024 E. 2.3.3; 6B_773/2021 vom 5. Oktober 2022 E. 1.2.2; je mit Hinweisen).  
 
2.4.  
 
2.4.1. Vorliegend stellt sich zunächst die Frage nach der Wahrscheinlichkeit des Todeseintritts. Laut der diesbezüglich von der Vorinstanz aufgegriffenen gutachterlichen Stellungnahme von Dr. med. C.________ vom 22. Juli 2019 unterbreche bei Strangulationshandlungen eine Kompression der Halsgefässe die Blutzufuhr zum Gehirn umgehend und es dürfte etwa eine halbe Minute gehen, bis die Hirnfunktionen gestört seien. Bei einer Verlegung der Luftwege (durch Mund zu halten, Verlegen mit einem Kissen und ähnlichem) dürfte dieses Zeitfenster bei bis zu drei Minuten liegen. Dass der Beschwerdegegner 2 derart lange auf die Beschwerdeführerin eingewirkt hätte, lässt sich dem angefochtenen Urteil nicht entnehmen und wird von der Beschwerdeführerin auch nicht behauptet. Folglich waren die Handlungen des Beschwerdegegners 2, wie auch die Vorinstanz feststellt, objektiv nicht lebensbedrohlich.  
Im Gutachten wird aber auch darauf hingewiesen, dass zur Frage, wann ein Verlust der Handlungsfähigkeit eintrete, kaum exakte Werte erhältlich seien; die Zeitangaben beruhten auf Schätzungen, beobachteten Fällen oder Selbstversuchen. Diese Einschränkung ist namentlich mit Blick auf die Argumentation der Beschwerdeführerin relevant, wonach es keine Rolle spiele, ob rückwirkend betrachtet im Tatzeitpunkt Lebensgefahr bestand, sondern nur, ob der Täter den Tod als wahrscheinliches Risiko in Kauf nehmen musste. Dem ist insofern beizupflichten, als keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass dem Beschwerdegegner 2 die im Gutachten gemachte Unterscheidung zwischen Würgen und Verlegen der Atemwege über Nase und Mund im Tatzeitpunkt bekannt gewesen ist und er sein Einwirken auf die Beschwerdeführerin entsprechend dosiert hätte. Stattdessen ist allgemein bekannt und musste auch dem Beschwerdegegner 2 bewusst sein, dass eine Unterbrechung der Luftzufuhr früher oder später zum Erstickungstod führen kann (vgl. Urteil 6B_422/2008 vom 31. Juli 2008 E. 2.2), wobei sich die relevante Zeitspanne laut Gutachten nun eben nicht exakt bestimmen lässt. Daraus folgt, dass die Wahrscheinlichkeit der Tatbestandsverwirklichung objektiv zwar nicht unmittelbar sehr hoch war, dem Beschwerdegegner 2 in subjektiver Hinsicht jedoch ein höheres Risiko anzurechnen und die Nähe des Erfolgseintritts mithin differenziert zu betrachten ist. 
 
2.4.2. Des Weiteren ist die Sorgfaltspflichtverletzung des Beschwerdegegners 2 mit der Beschwerdeführerin als schwer zu bezeichnen. So wirkte er in einer Weise auf sie ein, die zwar nicht geradewegs, aber doch zumindest nach ganz wenigen Minuten zum Tod hätte führen können. Hierbei gilt es zu berücksichtigen, dass der Beschwerdegegner 2 keine einmalige Handlung vornahm, sondern zunächst das Gesicht der Beschwerdeführerin in die Matratze drückte und, als sie sich dagegen wehren konnte, dazu überging, ihr mehrfach mit der Hand Nase und Mund zuzudrücken. Dies tat er mit einer derartigen Intensität, dass sie fürchtete, zu ersticken - wie wenn man sich mit dem Kopf unter Wasser befinde und zu spät auftauche. Angesichts dieses wiederholten Einwirkens auf die Beschwerdeführerin kann der Vorinstanz nicht gefolgt werden, wenn sie ausführt, das freiwillige Unterbrechen seiner Handlungen - zwecks Beantwortung der Frage, ob die Beschwerdeführerin sterben wolle - spreche gegen eine Inkaufnahme des Todes durch den Beschwerdegegner 2. Wäre es ihm, so die Annahme der Vorinstanz, nur darum gegangen, ihr mit dem Tod zu drohen und ihr Angst einzujagen, hätte ein einmaliges kurzes Abstellen der Luftzufuhr ausgereicht. Die Beschwerdeführerin weist sodann berechtigterweise darauf hin, dass der Beschwerdegegner 2 sie nicht nur fragte, ob sie sterben wolle, sondern dies auch als Tatsache formulierte und konkretisierend anfügte, dies werde "niemanden interessieren". Diese verbalen Drohungen während der Tatausführung sind entgegen der Vorinstanz als Indiz für Eventualvorsatz zu werten (vgl. Urteile 6B_73/2015 vom 25. November 2015 E. 1.3.3; 6B_422/2008 vom 31. Juli 2008 E. 2.2).  
 
2.4.3. Zum Gesagten kommen weitere belastende Umstände im Sinne der Rechtsprechung hinzu. So waren zwar gewisse Abwehrchancen seitens der Beschwerdeführerin noch intakt. Letzten Endes konnte der Beschwerdegegner 2 aber seine gewaltsamen Handlungen - auch dies wendet die Beschwerdeführerin zutreffend ein - aufgrund seiner körperlichen Überlegenheit und vor allem wegen seiner starken Alkoholisierung kaum mehr bewusst steuern. Er selber gab an, er sei "sturzbetrunken" gewesen, so "dicht", dass er denke, das was er getrunken habe, sei kein Wodka gewesen, oder im Wodka sei noch etwas Anderes drin gewesen. In Kombination mit seinem generellen Hang zu impulsivem, gewalttätigem und Macht demonstrierendem Verhalten gegenüber Frauen kann dem Beschwerdegegnern 2 nicht zugute gehalten werden, er habe die Gefahr, in der sich die Beschwerdeführerin befand, unter Kontrolle gehabt.  
Die dargestellten Umstände sprechen entgegen der Vorinstanz dafür, dass der Beschwerdegegner 2 den Tod der Beschwerdeführerin zumindest billigend in Kauf genommen hat. 
 
2.4.4. Gestützt wird diese rechtliche Einordnung ferner durch das Urteil 6B_902/2019 vom 8. Januar 2020 E. 2.3, 2.4.10 und 3. Auch dort ging das Bundesgericht mit der Vorinstanz davon aus, dass das wiederholte Verschliessen der Atemwege des sich heftig wehrenden Opfers mit einem Kissen sowie den Händen bei etwas längerer und konstanter Anwendung geeignet gewesen sei, den Erstickungstod herbeizuführen. Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände wurde eine eventualvorsätzliche Tötung bejaht. Dass sich die vorliegend zu beurteilende Tat im Gegensatz dazu spontan und ohne irgendwelche Vorbereitungshandlungen ereignete, rechtfertigt keine andere Beurteilung.  
 
2.4.5. Vergleichbare Elemente wie im vorliegenden Fall finden sich auch im Sachverhalt, den das Bundesgericht im Urteil 6B_818/2015 vom 8. Februar 2016 E. 3.3 zu beurteilen hatte. Dort wurde das zierliche, körperlich gänzlich unterlegene, noch dazu an Armen und Beinen gefesselte Opfer mehrfach und immer länger mit dem Gesicht ins Kissen respektive die Matratze gedrückt und auch am Hals gehalten. Dazu setzte sich der Täter auf den Rücken des Opfers und traktierte es mit Fäusten und einem Werkzeug. Auch vorliegend kam es nebst dem wiederholten Verlegen der Atemwege zu Schlägen gegen die Beschwerdeführerin, welche kräftemässig eindeutig im Nachteil war. In der Gesamtbetrachtung muss die Schlussfolgerung des zitierten Urteils vorliegend dieselbe sein: Der Beschwerdegegner 2 hatte das Geschehen nicht mehr unter Kontrolle und konnte nicht voraussehen, ob sein Handeln in seiner Dauer und Intensität zum Tod der Beschwerdeführerin führen würde. Der Todeseintritt war letztlich vom Zufall abhängig, womit Eventualvorsatz zu bejahen ist.  
 
3.  
 
3.1. Die Beschwerde ist im Grundsatz begründet und deshalb teilweise gutzuheissen. Das angefochtene Urteil ist insoweit abzuändern, als der Beschwerdegegner 2 wegen versuchter eventualvorsätzlicher Tötung anstatt einfacher Körperverletzung und Drohung zum Nachteil der Beschwerdeführerin schuldig zu sprechen ist. Die einfache Körperverletzung und die Drohung werden von der versuchten Tötung konsumiert. Die Vorinstanz wird über die Rechtsfolgen dieses Schulspruchs, namentlich die Strafzumessung und die Kosten- und Entschädigungsfolgen des Berufungsverfahrens, neu zu befinden haben. Gleiches gilt für die der Beschwerdeführerin zustehende Genugtuung. Der Entscheid darüber beinhaltet ein gewisses Ermessen, dessen Ausübung dem Sachgericht vorbehalten ist, weshalb das Bundesgericht darüber entgegen dem Antrag der Beschwerdeführerin nicht reformatorisch entscheidet (vgl. Urteil 7B_181/2022 vom 27. September 2023 E. 2.4 e contrario). In diesem Punkt ist die Beschwerde somit abzuweisen.  
 
3.2. Bei diesem Ergebnis ist die Beschwerdeführerin hinsichtlich der Prozesskosten als vollständig obsiegend anzusehen (vgl. BGE 141 V 281 E. 11.1). Folglich wird der unterliegende Beschwerdegegner 2 kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der Kanton Solothurn hat keine Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 4 BGG). Dem Beschwerdegegner 2 wird die Hälfte der anfallenden Kosten überbunden. Hinsichtlich der Parteikosten werden die Parteien im Umfang ihres Unterliegens entschädigungspflichtig (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). Der Kanton Solothurn und der Beschwerdegegner 2 werden demnach verpflichtet, die der Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren zustehende Parteientschädigung je zur Hälfte zu bezahlen.  
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. 
 
1.1. Dispositiv-Ziffer 1.6, dritter Spiegelstrich, des Urteils des Obergerichts des Kantons Solothurn vom 12. Mai 2022 wird aufgehoben und wie folgt neu gefasst:  
 
"B.________ hat sich der versuchten Tötung, begangen am 9. Januar 2019 zum Nachteil von A.________, schuldig gemacht." 
 
1.2. Dispositiv Ziffern 1.7, 3.1, 4.4, 4.5, 4.6, 5.2 und 5.3 des Urteils des Obergerichts des Kantons Solothurn vom 12. Mai 2022 werden aufgehoben und die Sache insoweit zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen.  
 
1.3. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.  
 
2.  
Dem Beschwerdegegner 2 werden Gerichtskosten von Fr. 1'500.-- auferlegt. 
 
3.  
Der Kanton Solothurn und der Beschwerdegegner 2 haben der Beschwerdeführerin eine Parteientschädigung von je Fr. 1'500.-- zu bezahlen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Solothurn, Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 3. Juni 2024 
 
Im Namen der II. strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Abrecht 
 
Die Gerichtsschreiberin: Lustenberger