8C_172/2023 21.05.2024
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
8C_172/2023  
 
 
Urteil vom 21. Mai 2024  
 
IV. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Wirthlin, Präsident, 
Bundesrichter Maillard, 
Bundesrichterin Heine, 
Gerichtsschreiberin Huber. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Wendel Hartmann, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons St. Gallen, 
Brauerstrasse 54, 9016 St. Gallen, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (medizinische Massnahmen), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 3. Februar 2023 (IV 2022/94). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Der 2014 geborene A.________ wurde am 30. August 2021 unter Hinweis auf eine Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) sowie auf eine Spracherwerbsstörung bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug angemeldet. Nach Abklärungen und durchgeführtem Vorbescheidverfahren verneinte die IV-Stelle des Kantons St. Gallen am 16. Mai 2022 den Anspruch auf Kostengutsprache für medizinische Massnahmen im Rahmen des Geburtsgebrechens gemäss Ziffer 404 des Anhangs der Verordnung über Geburtsgebrechen. 
 
B.  
Dagegen erhob A.________ Beschwerde an das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen. Mit Entscheid vom 3. Februar 2023 trat dieses auf das Begehren um Ergotherapie gestützt auf Art. 13 IVG nicht ein (Dispositiv-Ziffer 1). Im Übrigen wies es die Beschwerde ab (Dispositiv-Ziffer 2; Dispositiv-Ziffern 3 und 4 betreffen die Kostenverteilung und die Parteientschädigung). 
 
C.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt A.________, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben. Es sei festzustellen, dass er am Geburtsgebrechen Ziffer 404 des Anhangs der Verordnung über Geburtsgebrechen leide und Anspruch auf gesetzliche Leistungen (insbesondere die zur Behandlung notwendigen medizinischen Massnahmen) habe. Eventualiter sei die Angelegenheit zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ver-fahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG; zum Ganzen: BGE 145 V 57 E. 4). 
 
2.  
 
2.1. Strittig ist, ob die Vorinstanz die Verfügung der IV-Stelle, wonach kein Geburtsgebrechen im Sinne von Ziffer 404 des Anhangs der Verordnung über Geburtsgebrechen vorliege und entsprechend in diesem Zusammenhang kein Anspruch auf Kostengutsprache für medizinische Massnahmen bestehe, zu Recht bestätigt hat.  
Das Nichteintreten des kantonalen Gerichts auf das Begehren um Ergotherapie gestützt auf Art. 13 IVG steht nicht im Streit. 
 
2.2. Am 1. Januar 2022 trat das revidierte Bundesgesetz über die Invalidenversicherung (IVG; SR 831.20) in Kraft (Weiterentwicklung der IV [WEIV]; Änderung vom 19. Juni 2020, AS 2021 705, BBl 2017 2535).  
Die Übergangsbestimmungen enthalten in Bezug auf die sich hier stellende Frage (erstmalige Prüfung des Anspruchs auf medizinische Massnahmen zur Behandlung von Geburtsgebrechen) keine spezielle Vorschrift. Es sind daher die allgemeinen intertemporalrechtlichen Regeln heranzuziehen, gemäss welchen grundsätzlich diejenigen Rechtssätze massgebend sind, die bei Verwirklichung des zu Rechtsfolgen führenden Sachverhaltes galten (BGE 146 V 364 E. 7.1; 144 V 210 E. 4.3.1; 130 V 445 E. 1.2). Mithin ist im vorliegenden Fall der zu prüfende Anspruch bis zum 31. Dezember 2021 nach dem bis dahin geltenden und ab dem 1. Januar 2022 nach neuem Recht zu beurteilen. 
 
2.3.  
 
2.3.1. In der bis 31. Dezember 2021 gültigen Fassung haben Versicherte gemäss aArt. 13 IVG bis zum vollendeten 20. Altersjahr Anspruch auf die zur Behandlung von Geburtsgebrechen (Art. 3 Abs. 2 ATSG) notwendigen medizinischen Massnahmen (Abs. 1). Der Bundesrat bezeichnet die Gebrechen, für welche diese Massnahmen gewährt werden. Er kann die Leistung ausschliessen, wenn das Gebrechen von geringfügiger Bedeutung ist (aArt. 13 Abs. 2 IVG). Die Liste der Geburtsgebrechen bildet Gegenstand einer besonderen Verordnung (aArt. 3 IVV). Gemäss Ziffer 404 des Anhangs der Verordnung über Geburtsgebrechen (aGgV Anhang; SR 831.232.21) liegt ein Geburtsgebrechen vor bei Störungen des Verhaltens bei Kindern mit normaler Intelligenz, im Sinne krankhafter Beeinträchtigung der Affektivität oder Kontaktfähigkeit, bei Störungen des Antriebes, des Erfassens, der perzeptiven Funktionen, der Wahrnehmung, der Konzentrationsfähigkeit sowie der Merkfähigkeit, sofern sie mit bereits gestellter Diagnose als solche vor der Vollendung des 9. Altersjahres auch behandelt worden sind; kongenitale Oligophrenie ist ausschliesslich als Ziffer 403 zu behandeln.  
 
2.3.2. Nach der ab 1. Januar 2022 gültigen Fassung von Art. 13 IVG haben Versicherte bis zum vollendeten 20. Altersjahr Anspruch auf medizinische Massnahmen zur Behandlung von Geburtsgebrechen (Abs. 1; Art. 3 Abs. 2 ATSG). Medizinische Massnahmen nach Absatz 1 werden gewährt für die Behandlung angeborener Missbildungen, genetischer Krankheiten sowie prä- und perinatal aufgetretener Leiden, die: a. fachärztlich diagnostiziert sind; b. die Gesundheit beeinträchtigen; c. einen bestimmten Schweregrad aufweisen; d. eine langdauernde oder komplexe Behandlung erfordern; und e. mit medizinischen Massnahmen nach Artikel 14 behandelbar sind (Abs. 2). Der Bundesrat hat seine Kompetenz, die Geburtsgebrechen, für die medizinische Massnahmen gewährt werden, zu bestimmen (Art. 14 ter Abs. 1 lit. b IVG), an das Eidgenössische Departement des Innern delegiert (Art. 14 ter Abs. 4 IVG i.V.m. Art. 3 bis IVV). Gemäss Ziffer 404 des Anhangs der Verordnung des EDI über Geburtsgebrechen (GgV-EDI Anhang; SR 831.232.211) liegt ein Geburtsgebrechen vor bei angeborenen Störungen des Verhaltens bei Kindern ohne Intelligenzminderung mit kumulativem Nachweis von 1. Störungen des Verhaltens im Sinne einer krankhaften Beeinträchtigung der Affektivität oder der Kontaktfähigkeit; 2. Störungen des Antriebes; 3. Störungen des Erfassens (perzeptive Funktionen); 4. Störungen der Konzentrationsfähigkeit; 5. Störungen der Merkfähigkeit. Die Diagnosestellung und der Beginn der Behandlung müssen vor der Vollendung des 9. Lebensjahres erfolgt sein.  
 
3.  
Die Vorinstanz hat festgehalten, Dr. med. B.________, Oberärztin in der Entwicklungspädiatrie des Spitals C.________, habe in ihren Berichten eine Spracherwerbsstörung sowie eine Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung diagnostiziert. Die Frage der IV-Stelle, ob der Beschwerdeführer an einem Geburtsgebrechen leide, habe sie ausdrücklich verneint. Das kantonale Gericht hat weiter dargelegt, dass Dr. med. D.________, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, vom Regionalen Ärztlichen Dienst (RAD), die Berichte von Dr. med. B.________ sowie die übrigen Akten am 18. Februar 2022 eingehend gewürdigt, den Beschwerdeführer persönlich untersucht, entsprechende Tests durchgeführt und die Eltern befragt habe. Der RAD habe anhand des von ihm sorgfältig erhobenen medizinischen Sachverhaltes mit einer überzeugenden Begründung aufgezeigt, dass der Beschwerdeführer an einer Spracherwerbsstörung sowie an einem ADHS gelitten habe. Dies decke sich mit der von Dr. med. B.________ gestellten Diagnose. Das bedeute aber nicht, dass der Beschwerdeführer an einem Geburtsgebrechen gemäss Ziffer 404 aGgV Anhang bzw. Ziffer 404 GgV-EDI Anhang leiden würde, so die Vorinstanz. Sowohl die behandelnde Fachärztin Dr. med. B.________ als auch Dr. med. D.________ vom RAD hätten unmissverständlich festgehalten, dass das beim Beschwerdeführer diagnostizierte ADHS nicht als ein Geburtsgebrechen im Sinne der Ziffer 404 aGgV Anhang bzw. Ziffer 404 GgV-EDI Anhang zu qualifizieren sei. 
 
4.  
 
4.1. Der Beschwerdeführer macht zunächst geltend, das kantonale Gericht habe seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Es sei nicht auf seine Kritik eingegangen, dass die Verfügung der IV-Stelle konträr zur Begutachtung durch Dr. med. B.________ ausgefallen sei.  
 
4.2.  
 
4.2.1. Das rechtliche Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) dient einerseits der Sachaufklärung, anderseits stellt es ein persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungsrecht beim Erlass eines Entscheids dar, welcher in die Rechtsstellung des Einzelnen eingreift. Dazu gehört insbesondere das Recht der betroffenen Person, sich vor Erlass eines solchen Entscheids zur Sache zu äussern, erhebliche Beweise beizubringen und Einsicht in die Akten zu nehmen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör umfasst als Mitwirkungsrecht somit alle Befugnisse, die einer Partei einzuräumen sind, damit sie in einem Verfahren ihren Standpunkt wirksam zur Geltung bringen kann (BGE 144 I 11 E. 5.3; 140 I 99 E. 3.4). Sodann zählt zum Gehörsanspruch auch die Pflicht der Behörde, ihren Entscheid angemessen zu begründen. Die Vorbringen der Betroffenen sind ernsthaft zu prüfen und in der Entscheidfindung angemessen zu berücksichtigen. Dabei muss sich die Behörde nicht mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzen und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegen; vielmehr genügt es, wenn der Entscheid gegebenenfalls sachgerecht angefochten werden kann. Die Begründung muss kurz die wesentlichen Überlegungen nennen, von denen sich das Gericht hat leiten lassen und auf die es seinen Entscheid stützt (BGE 148 III 30 E. 3.1; 145 III 324 E. 6.1; 142 II 49 E. 9.2).  
 
4.2.2. Die Vorinstanz hat sich mit der in Erwägung 4.1 genannten Kritik des Beschwerdeführers insoweit befasst, als sie auf die Einschätzung von Dr. med. B.________ eingegangen ist und diese in ihren Entscheid miteinbezogen hat. Das daraus resultierende Ergebnis beschlägt die (materielle) Frage der Beweiswürdigung und nicht den Gehörsanspruch. Dessen Verletzung ist nach dem Gesagten nicht zu erkennen.  
 
5.  
In materieller Hinsicht wendet der Beschwerdeführer ein, die Vorinstanz habe Bundesrecht verletzt, indem sie das Vorliegen des Geburtsgebrechens im Sinne der Ziffer 404 aGgV Anhang bzw. Ziffer 404 GgV-EDI Anhang verneint habe. 
 
5.1. Im Bericht vom 6. September 2021 diagnostizierte Dr. med. B.________ eine Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ICD-10 F90.0) mit auditiver Merkfähigkeitsschwäche und langsamer Verarbeitungsgeschwindigkeit. Sie wies damals darauf hin, dass sie anhand der von ihr erhobenen Befunde die Erfassensstörung visuell und auditiv als gegeben erachte. In einem Schreiben an die IV-Stelle vom 8. September 2021 ("IV - Ärztliches Beiblatt für Geburtsgebrechen 404") handelte Dr. med. B.________ die von der IV-Stelle gefragten Voraussetzungen des entsprechenden Geburtsgebrechens ab und bejahte diese. Insbesondere bestätigte sie nochmals (wie bereits am 6. September 2021), dass die Erfassensstörung vorliege. Dazu führte sie aus: "Zahlen nachsprechen im WISCV Wertpunkt 5 (Normwerte 10+-3). Nickisch wurde mit 5 Fehlern abgebrochen. Deutlich pathologischer Bereich. Im Mottier-Test auditive Merkfähigkeit 13 Fehler, entsprechen einem Prozentrang von 30. Im visuellen Bereich zeigt sich in der Komplex-Dreierfigur ein Normbereich, liegende Kopie von 31 Punkten. Im Abruf dann deutlich unterdurchschnittlich mit einem halben Punkt." In Bezug auf die Störung der Konzentrationsfähigkeit legte sie dar, dass diese durch die Fragebogen der "FBB-ADHS" belegt sei. Die Aufmerksamkeit liege, durch die Eltern und den Lehrer beurteilt, deutlich im unterdurchschnittlichen Bereich. Auf die Frage hin, wann die Diagnose eines "frühkindlichen POS" (psychoorganisches Syndrom) gestellt worden sei, gab sie den 15. Juli 2021 an. Ebenfalls am 8. September 2021 kreuzte sie in einer von der IV-Stelle eingeholten Stellungnahme an, es liege kein Geburtsgebrechen vor.  
 
5.2.  
 
5.2.1. Dr. med. D.________ vom RAD berichtete am 18. Februar 2022 übereinstimmend mit Dr. med. B.________, dass der Beschwerdeführer an einem ADHS sowie an einer Spracherwerbsstörung leide. Hingegen fehle es gemäss Dr. med. D.________ an Störungen der Konzentration. Diese würden anhand von Fragebogen als unterdurchschnittlich gewertet, aber nicht testpsychologisch nachgewiesen. Störungen des Erfassens seien ebenfalls nicht ausreichend belegt. Zwar zeige der Beschwerdeführer im "WISC" beim Zahlennachsprechen unterdurchschnittliche Werte. Dabei handle es sich aber eigentlich um eine Testung der Merkfähigkeit (Kurzzeitgedächtnis). Der gleiche Test (Zahlennachsprechen) werde dann auch nochmals als Störung der Merkfähigkeit aufgeführt, wobei dies eben für eine Merkfähigkeitsstörung spreche. Das Vorliegen eines Geburtsgebrechens (Ziffer 404) sei aus versicherungsmedizinischer Sicht zu verneinen.  
 
5.2.2. Der RAD erachtete eine tiefgreifende Entwicklungsstörung (Autismus-Spektrum-Störung) allerdings nicht als vollkommen ausgeschlossen und nahm eine entsprechende Abklärung vor. Auf eine körperliche oder eigentliche neuropädiatrische Untersuchung verzichtete er und kam zum Ergebnis, dass eine tiefgreifende Entwicklungsstörung mit Blick auf die vorgenommenen Tests mit dem "Goldstandard ADOS" sowie "ADI-R" ausgeschlossen werden könne.  
 
5.3.  
 
5.3.1. In erster Linie fällt der vom Beschwerdeführer beschriebene Widerspruch in den Einschätzungen von Dr. med. B.________ auf. Es macht den Anschein, als bejahte sie durchaus die Voraussetzungen (insbesondere die einzelnen Teilleistungsstörungen; vgl. E. 2.3.1 und 2.3.2 hiervor) des Geburtsgebrechens Ziffer 404 aGgV Anhang bzw. Ziffer 404 GgV-EDI Anhang. Im Bericht an die IV-Stelle hingegen kreuzte sie an, dass kein solches vorliege. Es stellt sich die Frage, inwiefern sich diese Aussagen miteinander vereinbaren lassen. Dabei ist nicht ersichtlich, dass in dieser Angelegenheit weitere Abklärungen getroffen worden wären. Auch der RAD ging mit keinem Wort darauf ein. In dieser Hinsicht sind entgegen der Vorinstanz weder die Berichte der behandelnden Ärztin noch die Stellungnahme des Dr. med. D.________ plausibel und nachvollziehbar.  
 
5.3.2. In Bezug auf eine mögliche Störung des Erfassens (vgl. E. 2.3.1 und 2.3.2 hiervor) setzte sich der RAD nur mit der von Dr. med. B.________ durchgeführten "WISC V-Untersuchung" auseinander. Zu den übrigen Testungen, welche die Fachärztin vornahm und die letztlich dazu führten, dass diese mehr als einmal die Erfassensstörung visuell und auditiv als belegt ansah, äusserte sich der RAD nicht. Anders als das kantonale Gericht erkannt hat, ist dessen von der Fachärztin abweichende Auffassung nicht ohne Weiteres schlüssig, zumal er in diesem Bereich, wie der Beschwerdeführer vorbringt, keine ersichtlichen eigenen Abklärungen traf.  
Die Störung der Konzentrationsfähigkeit (vgl. E. 2.3.1 und 2.3.2 hiervor) wies Dr. med. B.________ zwar nicht testpsychologisch nach, wie der RAD bemängelte. Allerdings unterliess es Dr. med. D.________, die früheren Abklärungen des schulpsychologischen Dienstes vom 30. März 2020 zu prüfen, wie der Beschwerdeführer zu Recht moniert. Dieser macht geltend, aus dem entsprechenden Schreiben gehe klar hervor, dass er von der kantonalen Schulpsychologin testpsychologisch untersucht worden sei. Darin ist zu lesen, dass der Beschwerdeführer hochgradig ablenkbar sei und gegen Ende der Testung deutliche Ermüdungserscheinungen aufgetreten seien. Er hätte die Aufgaben zunehmend impulsiv und flüchtig bearbeitet. Entsprechend habe der Test vorzeitig abgebrochen werden müssen. Zu dieser Untersuchung äusserte sich Dr. med. D.________ vom RAD nicht. Dass er die Störung der Konzentrationsfähigkeit verneinte, ohne weiter auf die Aktenlage einzugehen, macht seine von derjenigen der Dr. med. B.________ abweichende Aussage unvollständig und leuchtet mithin nicht ein. 
 
5.3.3. Soweit die Vorinstanz erkannt hat, der RAD habe den Beschwerdeführer persönlich untersucht, einschlägige Tests durchgeführt und dessen Eltern befragt, ist ihr grundsätzlich beizupflichten. Allerdings trifft dies nur bedingt auf das im vorliegenden Verfahren zu diskutierende Geburtsgebrechen gemäss Ziffer 404 aGgV Anhang bzw. Ziffer 404 GgV-EDI Anhang zu. Denn wie bereits erwähnt, geht aus der Stellungnahme des RAD lediglich hervor, dass er den Beschwerdeführer auf eine tiefgreifende Entwicklungsstörung hin untersuchte (Autismus-Spektrum-Störung). Die entsprechenden Abklärungen scheinen folglich - soweit ersichtlich - nicht in einem direkten Zusammenhang mit dem Geburtsgebrechen Ziffer 404 zu stehen.  
 
5.4. Vor dem Hintergrund des Gesagten kann die sich hier stellende Frage, ob ein Geburtsgebrechen gemäss Ziffer 404 aGgV Anhang bzw. Ziffer 404 GgV-EDI Anhang vorliegt oder nicht, nicht abschliessend beantwortet werden. Indem die Vorinstanz bei dieser Aktenlage ein entsprechendes Geburtsgebrechen verneint hat, hat sie den Untersuchungsgrundsatz und damit Bundesrecht verletzt. Die Beschwerde ist begründet.  
Die Sache ist an die IV-Stelle zurückzuweisen (Art. 107 Abs. 2 BGG), damit sie die entsprechenden Abklärungen nachhole und neu entscheide. 
 
6.  
 
6.1. Die Rückweisung der Sache an die Verwaltung zu weiterer Abklärung und neuer Verfügung mit noch offenem Ausgang gilt für die Frage der Auferlegung der Gerichtskosten und den Anspruch auf Parteientschädigung als vollständiges Obsiegen im Sinne von Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG (vgl. BGE 146 V 28 E. 7; 141 V 281 E. 11.1 mit Hinweis).  
Entsprechend sind die Gerichtskosten der unterliegenden Beschwerdegegnerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Diese hat dem Beschwerdeführer überdies eine angemessene Parteientschädigung zu entrichten (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). Der Rechtsanwalt des Beschwerdeführers reicht eine Kostennote im Sinne von Art. 12 Abs. 1 des Reglements über die Parteientschädigungen und die Entschädigung für die amtliche Vertretung im Verfahren vor dem Bundesgericht (SR 173.110.210.3) ein. Sie hält sich im Rahmen des erwähnten Reglements (vgl. Art. 4). 
 
6.2. Zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des kantonalen Verfahrens ist die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen (Art. 67 und Art. 68 Abs. 5 BGG).  
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen. Die Dispositiv-Ziffern 2 bis 4 des Entscheids des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 3. Februar 2023 und die Verfügung der IV-Stelle des Kantons St. Gallen vom 16. Mai 2022 werden aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verfügung an die IV-Stelle zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt. 
 
3.  
Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 3'641.45 zu entschädigen. 
 
4.  
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des vorangegangenen Verfahrens an das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen zurückgewiesen. 
 
5.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 21. Mai 2024 
 
Im Namen der IV. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Wirthlin 
 
Die Gerichtsschreiberin: Huber