8C_191/2023 30.08.2023
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
8C_191/2023  
 
 
Urteil vom 30. August 2023  
 
IV. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Wirthlin, Präsident, 
Bundesrichter Maillard, Métral, 
Gerichtsschreiber Walther. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Marco Unternährer, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
IV-Stelle Luzern, 
Landenbergstrasse 35, 6005 Luzern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Invalidenrente, Revision), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Luzern vom 15. Februar 2023 (5V 22 4 / 5V 22 14). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Der 1964 geborene A.________ meldete sich am 30. November 2005 wegen einer Kopfschmerzproblematik mit häufigen und massiven Exazerbationen bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Nachdem die IV-Stelle Luzern einen Leistungsanspruch mit Verfügungen vom 21. März 2007 und 14. Oktober 2009 verneint hatte, welche vom damaligen Verwaltungsgericht Luzern (heute: Kantonsgericht) jedoch wieder aufgehoben wurden (Urteile vom 17. September 2008 und 18. März 2011), sprach sie A.________ mit Verfügungen vom 23. Oktober und 13. November 2012 schliesslich eine halbe Invalidenrente zu, dies mit Wirkung ab 1. Dezember 2004. Auch diese Verfügungen hob das Kantonsgericht auf und sprach dem Versicherten ab 1. Dezember 2004 eine ganze Rente zu (Urteil vom 23. Dezember 2013). 
Im Februar 2016 leitete die IV-Stelle ein Revisionsverfahren ein und liess A.________ wegen eines Verdachts auf Versicherungsmissbrauch in der Zeit von Januar bis März 2017 an vier Tagen observieren. Zudem veranlasste sie eine polydisziplinäre medizinische Begutachtung durch die SMAB AG Bern (Expertise vom 31. Juli 2018). Mit Verfügung vom 9. Dezember 2021 hob die IV-Stelle die Rente rückwirkend per 30. April 2018 auf; am 6. Januar 2022 verfügte sie die Rückerstattung der vom 1. Mai 2018 bis 31. Dezember 2021 ausgerichteten Rentenleistungen im Betrag von Fr. 128'588.-. 
 
B.  
Die dagegen erhobenen Beschwerden des A.________ hiess das Kantonsgericht mit Urteil vom 15. Februar 2023 insoweit gut, als es die Rückforderung der Rentenleistungen infolge Verwirkung aufhob. In Bezug auf die Aufhebung der Rente wies es die Beschwerde ab. 
 
C.  
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und beantragen, in Aufhebung des kantonalen Urteils sei ihm rückwirkend und weiterhin mindestens eine Viertelsrente (zzgl. Verzugszinsen zu 5 %) auszurichten. Zudem sei die Beschwerdegegnerin zu verpflichten, die IV-Rente bis zum Abschluss des Revisionsverfahrens weiterhin auszurichten (zzgl. Verzugszinsen zu 5 %). 
 
Die Vorinstanz und das Bundesamt für Sozialversicherungen lassen sich nicht vernehmen. Die IV-Stelle beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei; eventualiter sei die Sache zur weiteren Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), prüft jedoch unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG) nur die vorgebrachten Argumente, falls weitere rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 147 I 73 E. 2.1).  
 
1.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Eine Berichtigung oder Ergänzung der vorinstanzlichen Feststellungen ist von Amtes wegen (Art. 105 Abs. 2 BGG) oder auf Rüge hin (Art. 97 Abs. 1 BGG) möglich. Von den tatsächlichen Grundlagen des vorinstanzlichen Urteils weicht das Bundesgericht jedoch nur ab, wenn diese offensichtlich unrichtig sind oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen und die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang zudem entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). "Offensichtlich unrichtig" bedeutet "willkürlich" (BGE 141 IV 249 E. 1.3.1). Eine entsprechende Rüge ist hinreichend zu substanziieren (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 147 I 73 E. 2.2).  
 
2.  
 
2.1. Streitig ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie die von der IV-Stelle am 9. Dezember 2021 verfügte Rentenaufhebung per 30. April 2018 bestätigte.  
 
2.2. Gegen die vorinstanzliche Aufhebung der mit Verfügung vom 6. Januar 2022 angeordneten Rückerstattung der zwischen 1. Mai 2018 und 31. Dezember 2021 ausgerichteten Rentenleistungen hat die IV-Stelle innert Frist keine Beschwerde erhoben. Soweit sie in ihrer Vernehmlassung vorbringt, die Vorinstanz habe die Verwirkungsfristen betreffend die Rückforderung bundesrechtswidrig angewandt, ist darauf nicht weiter einzugehen.  
 
3.  
Das kantonale Gericht hat die massgebenden rechtlichen Grundlagen und die Rechtsprechung zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen (Art. 109 Abs. 3 BGG). 
 
4.  
Im Rahmen einer eingehenden Prüfung und Würdigung der Aktenlage sowie der Vorbringen des Beschwerdeführers gelangte das kantonale Gericht zum Schluss, spätestens die neurologische Begutachtung durch die SMAB am 26. April 2018 habe belegt, dass sich der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers seit der Rentenzusprache vom 23. Oktober 2012 - welcher noch eine volle Arbeitsunfähigkeit in jeglichen Tätigkeiten zugrunde lag - massgeblich gebessert habe. Ausgehend von der gutachterlich festgestellten Arbeitsfähigkeit in leidensangepassten Tätigkeiten von 50 %, einem Valideneinkommen von Fr. 73'239.97 und einem Invalideneinkommen von mindestens Fr. 71'394.64, letzteres basierend auf den tatsächlichen Einnahmen der 2014 vom Beschwerdeführer aufgenommenen selbstständigen Erwerbstätigkeit, ermittelte es im Einkommensvergleich per 2018 einen rentenausschliessenden Invaliditätsgrad von gerundet 3 %. Weiter gelangte das kantonale Gericht zur Auffassung, der Beschwerdeführer habe durch die unterlassene Meldung sowohl der gesundheitlichen Verbesserung als auch der Wiederaufnahme einer selbstständigen Erwerbstätigkeit seine Meldepflicht schuldhaft verletzt. Auf Eingliederungsmassnahmen habe die IV-Stelle mangels eines entsprechenden Bedarfs des Beschwerdeführers zu Recht verzichtet. Die Rente sei rückwirkend per 30. April 2018 aufzuheben. 
 
5.  
Was der Beschwerdeführer vor Bundesgericht dagegen einwendet, ist nicht stichhaltig. 
 
5.1. Gemäss Art. 42 Abs. 2 BGG ist in der Beschwerde an das Bundesgericht in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Bundesrecht verletzt. Grösstenteils begnügt sich der Beschwerdeführer jedoch damit, seine bereits von der Vorinstanz entkräfteten Einwendungen wortwörtlich zu wiederholen, ohne auf die Erwägungen des angefochtenen Urteils einzugehen. Insoweit ist auf die Vorbringen in der Beschwerde von vornherein nicht einzugehen (BGE 145 V 161 E. 5.2). Gleiches gilt, soweit der Beschwerdeführer der - von der Vorinstanz einlässlich begründeten - Bejahung eines Revisionsgrunds einen pauschalen Verweis auf das SMAB-Gutachten entgegenhält, und, dies ebenfalls ohne (hinreichende) Begründung, den Untersuchungsgrundsatz (Art. 61 lit. c ATSG), den Gehörsanspruch (Art. 29 Abs. 2 BV) sowie die Art. 6, 8 und 14 EMRK als verletzt erachtet.  
 
5.2. Ins Leere zielt die Rüge, das kantonale Gericht habe hinsichtlich der von den SMAB-Gutachtern erhobenen Diagnose einer Ruhedyspnoe den Untersuchungsgrundsatz verletzt. Wie es vermerkte, verneinten die Gutachter einen Einfluss dieser Beschwerden auf die Arbeitsfähigkeit. Die Empfehlung des Regionalen Ärztlichen Dienstes vom 28. August 2018, zu dieser Diagnose weitere Abklärungen zu tätigen, bezog sich sodann auf den Fall, dass die Beschwerden persistierten. Letzteres ist nicht erstellt, wurde im Bericht des Kantonsspitals B.________ vom 26. Juni 2020, in welches sich der Beschwerdeführer wegen der Atembeschwerden begab, doch keine Ruhedyspnoe mehr diagnostiziert, sondern eine chronische Nasenatmungsbehinderung, ohne dass dabei Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit postuliert worden wären.  
 
5.3. Unbehelflich sind auch die Vorbringen zum Einkommensvergleich, soweit im Lichte der Begründungsanforderungen (vgl. E. 5.1 hiervor) überhaupt darauf einzugehen ist. Inwiefern der Schluss der Vorinstanz, der Beschwerdeführer hätte ohne Eintritt des Gesundheitsschadens neben seiner selbstständigen Erwerbstätigkeit weiterhin seine letzte, im Juli 2003 aufgenommene Tätigkeit bei der C.________ AG ausgeübt, geradezu willkürlich sein soll, ist nicht ersichtlich. Damit ist auch nicht zu beanstanden, dass sie das Valideneinkommen anhand der Einkommen aus diesen beiden Tätigkeiten ermittelte und das ebenfalls im Jahr 2003 beim Kanton X.________ erzielte Einkommen des Beschwerdeführers von Fr. 21'884.- unberücksichtigt liess. Einer Grundlage entbehrt auch seine Rüge, die Vorinstanz habe aus seinen strafrechtlichen Verurteilungen und den ihn betreffenden Strafverfahren aus den Jahren 2004 bis 2016 Rückschlüsse auf das Invalideneinkommen gezogen. Die diversen Strafverfügungen, Bussen, Strafbefehle und Strafverfahren, welche er diesbezüglich anführt, werden beim Einkommensvergleich im angefochtenen Urteil nirgends erwähnt. Sodann begründete die Vorinstanz ihre Auffassung, wonach der Beschwerdeführer mit seiner selbstständigen Erwerbstätigkeit seit 2014 erhebliche Einkünfte erzielt habe, und dass er betreffend deren Höhe auf seinen Lohnangaben gegenüber der Leasinggesellschaft zu behaften sei, auch nicht mit blossen Vermutungen, sondern vielmehr eingehend und überzeugend anhand der Akten. Darauf wird verwiesen (Art. 109 Abs. 3 BGG). Dass im IK-Auszug seit 2006 kein Einkommen verzeichnet wurde, lässt ihre Feststellungen zur selbstständigen Erwerbstätigkeit des Beschwerdeführers von vornherein nicht als bundesrechtswidrig erscheinen.  
 
6.  
Die Beschwerde ist offensichtlich unbegründet, weshalb sie im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG mit summarischer Begründung und unter Hinweis auf die Erwägungen im angefochtenen Entscheid (Art. 109 Abs. 3 BGG) erledigt wird. 
 
7.  
Bei dieser Ausgangslage kann dahinstehen, ob, wie von der IV-Stelle geltend gemacht, nicht nur psychische, sondern auch somatische Erkrankungen (wie das hier vorliegende SUNCT-Syndrom) einem strukturierten Beweisverfahren nach BGE 141 V 281 zu unterziehen sind. 
 
8.  
Die Gerichtskosten werden dem unterliegenden Beschwerdeführer auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Luzern und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 30. August 2023 
 
Im Namen der IV. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Wirthlin 
 
Der Gerichtsschreiber: Walther