7B_858/2023 23.04.2024
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
7B_858/2023  
 
 
Urteil vom 23. April 2024  
 
II. strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Koch, als präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter Hurni, Kölz, 
Gerichtsschreiberin Sauthier. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Michael Hochuli, 
p.A. Bezirksgericht Zürich, 10. Abteilung, 
Einzelgericht, Postfach, 8036 Zürich, 
Beschwerdegegner, 
 
Bezirksgericht Zürich, 10. Abteilung, Einzelgericht, Badenerstrasse 90, 8004 Zürich. 
 
Gegenstand 
Ausstand, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, III. Strafkammer, vom 2. Oktober 2023 (UA230044-O/U/GRO). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich führt ein Strafverfahren gegen A.________ wegen unbefugten Aufnehmens von Gesprächen, namentlich eines Gutachtergesprächs. Am 16. März 2023 erhob die Staatsanwaltschaft Anklage beim Bezirksgericht Zürich. Mit Verfügung vom 27. Juli 2023 hat das Bezirksgericht die Hauptverhandlung auf den 13. November 2023 angesetzt. A.________ stellte am 14. August 2023 ein Ausstandsbegehren gegen den zuständigen Einzelrichter. Das Ausstandsbegehren wurde zusammen mit der Stellungnahme des betroffenen Einzelrichters am 21. August 2023 an das Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, übermittelt. Mit Beschluss vom 2. Oktober 2023 wies das Obergericht das Ausstandsgesuch ab. 
 
B.  
A.________ führt mit Eingabe vom 3. November 2023 Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht gegen den Beschluss des Obergerichts vom 2. Oktober 2023 betreffend Ausstand. Er beantragt die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die Gutheissung des Ausstandsgesuchs. Zudem ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege. 
Mit Verfügung vom 7. November 2023 forderte das Bundesgericht A.________ auf, zwecks Beurteilung der finanziellen Voraussetzungen bis zum 22. November 2023 sachdienliche Dokumente einzureichen (insb. Steuerbelege usw.). Mit Eingabe vom 9. Dezember 2023 ersuchte A.________ um Wiederherstellung der Frist zur Einreichung der Belege, da ihm die Verfügung erst am 8. Dezember 2023 zugegangen sei. Er teilte mit, er werde die entsprechenden Nachweise nachsenden. Mit Verfügung vom 22. Dezember 2023 forderte das Bundesgericht A.________ auf, die erforderlichen Unterlage bis zum 23. Januar 2024 einzureichen, ansonsten aufgrund der Akten über das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege entschieden werde. Mit Schreiben vom 23. Januar 2024 teilte A.________ mit, er wolle am Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege nicht mehr festhalten, er habe zwischenzeitlich eine Finanzierungszusage eines Freundes erhalten. Er ziehe das Gesuch zurück. Mit Verfügung vom 5. Februar 2024 forderte das Bundesgericht A.________ auf, bis zum 20. Februar 2024 einen Kostenvorschuss von Fr. 3'000.-- einzureichen. Da der Kostenvorschuss innert Frist nicht eingegangen war, wurde A.________ mit Verfügung vom 27. Februar 2024 eine nicht erstreckbare Nachfrist zur Vorschussleistung bis zum 8. März 2024 angesetzt unter Androhung, dass das Bundesgericht nicht auf das Rechtsmittel eintritt, sofern der Vorschuss nicht innerhalb der Nachfrist auf dem Konto der Bundesgerichtskasse gutgeschrieben wird (Art. 62 Abs. 3 BGG). Mit Eingabe vom 9. März 2024 teilte A.________ mit, ihn habe die Verfügung vom 5. Februar 2024 erst nach Ablauf der Frist erreicht, er beantrage die Wiederherstellung der Frist und stelle ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege. Die Höhe des verlangten Gerichtskostenvorschusses übersteige seine finanziellen Möglichkeiten. Er habe die zur Beurteilung des Gesuchs notwendigen Unterlagen dem Schreiben beigelegt. Er sei wegen seines Gesundheitszustandes zur Entscheidung gelangt, das vorgängige Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege zurückzuziehen. Der aus heutiger Sicht irrationale Rückzug des Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege sei zu entschuldigen. Das Beschwerdeverfahren sei bis zum Entscheid über das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege zu sistieren. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Angefochten ist ein selbständig eröffneter Zwischenentscheid über ein Ausstandsbegehren in einer Strafsache, den die Vorinstanz als letzte und einzige kantonale Instanz gefällt hat. Dagegen steht die Beschwerde in Strafsachen offen (Art. 78 Abs. 1 und Art. 92 Abs. 1 BGG, Art. 80 BGG i.V.m. Art. 59 Abs. 1 lit. b StPO). Als beschuldigte Person ist der Beschwerdeführer nach Art. 81 Abs. 1 lit. a und lit. b Ziff. 1 BGG zur Beschwerdeführung berechtigt. Auch sonst steht einem Eintreten auf die Beschwerde grundsätzlich nichts entgegen. 
 
2.  
Nach Art. 30 Abs. 1 BV, Art. 6 Ziff. 1 EMRK und Art. 14 Abs. 1 UNO-Pakt II hat jede Person Anspruch darauf, dass ihre Sache von unparteiischen, unvoreingenommenen und unbefangenen Justizpersonen ohne Einwirken sachfremder Umstände entschieden wird. Dies soll zu der für einen korrekten und fairen Prozess erforderlichen Offenheit des Verfahrens beitragen und ein gerechtes Urteil ermöglichen (BGE 144 I 159 E. 4.3; 140 I 326 E. 5.1; 138 I 1 E. 2.2; 137 I 227 E. 2.1; je mit Hinweisen). Die grundrechtliche Garantie wird in Art. 56 StPO konkretisiert (BGE 148 IV 137 E. 2.2; 144 I 234 E. 5.2; 143 IV 69 E. 3.2). 
Eine in einer Strafbehörde tätige Person tritt, abgesehen von den in Art. 56 lit. a-e StPO genannten Fällen, in den Ausstand, wenn sie aus anderen Gründen, insbesondere wegen Freundschaft oder Feindschaft mit einer Partei oder deren Rechtsbeistand, befangen sein könnte (Art. 56 lit. f StPO). Die Garantie des verfassungsmässigen Richters wird verletzt, wenn bei objektiver Betrachtung der Anschein der Befangenheit oder die Gefahr der Voreingenommenheit besteht. Voreingenommenheit und Befangenheit werden nach der Rechtsprechung angenommen, wenn Umstände vorliegen, die geeignet sind, Misstrauen in die Unparteilichkeit des Richters oder die Richterin zu erwecken. Solche Umstände können in einem bestimmten Verhalten des betreffenden Richters oder in gewissen äusseren Gegebenheiten funktioneller und organisatorischer Natur liegen. Bei der Beurteilung solcher Gegebenheiten ist nicht auf das subjektive Empfinden einer Partei abzustellen. Das Misstrauen in die Unvoreingenommenheit muss vielmehr in objektiver Weise begründet erscheinen. Es genügt, wenn Umstände vorliegen, die bei objektiver Betrachtung den Anschein der Befangenheit bzw. der Voreingenommenheit erwecken. Für die Ablehnung wird nicht verlangt, dass der Richter oder die Richterin tatsächlich befangen ist (BGE 148 IV 137 E. 2.2; 147 I 173 E. 5.1; 143 IV 69 E. 3.2; je mit Hinweisen). 
 
3.  
 
3.1. Der Beschwerdeführer wiederholt vor Bundesgericht seine bereits vor der Vorinstanz vorgebrachte "Sorge, dass aufgrund des "politischen Backgrounds" des Richters als Parteimitglied der FDP, welche sich gegen die Aufzeichnung von Gutachtergesprächen ausgesprochen habe, Befangenheit vorliege. Er beruft sich sinngemäss auf Art. 56 lit. f StPO und macht geltend, dass das Ausstandsgesuch die Frage einer "möglichen Voreingenommenheit beschlage" und das "Terrain der Psychologie im Hinblick auf eine unbewusste Voreingenommenheit" betrete, es konkret um einen "unconscious bias" gehe.  
 
3.2. Diesen Ausführungen kann indessen nicht gefolgt werden. Wie die Vorinstanz zu Recht erwägt, stellt die Parteizugehörigkeit praxisgemäss keinen Ausstandsgrund dar (Urteile 7B_14/2021 vom 12. März 2024 E.1.1; 1B_56/2020 vom 17. März 2020 E. 3.5; 6B_1442/2017 vom 24. Oktober 2018 E. 2.1, nicht publ. in: BGE 144 I 234; je mit Hinweisen). Die Vorinstanz zeigt sodann nachvollziehbar auf, dass dem Gesuch keine Gründe entnommen werden können, weshalb der Einzelrichter im konkreten Fall, da er Mitglied der FDP ist, befangen sein sollte. Darauf kann verwiesen werden (E. 5.2 des angefochtenen Entscheids). Daran ändert auch die Behauptung des Beschwerdeführers nichts, dass der betroffene Richter "unbewusst dem Gruppenzwang unterliegen könnte". Wie die Vorinstanz erwägt, hat sich der Beschwerdegegner nicht öffentlich zur umstrittenen Thematik der Aufzeichnung von Gutachtergesprächen geäussert. Besondere Anzeichen bzw. konkrete Hinweise, wonach der Beschwerdeführer aufgrund seiner Parteizugehörigkeit befangen sein könnte, sind mithin keine ersichtlich und werden vom Beschwerdeführer auch nicht nachvollziehbar dargetan. Gemäss ständiger bundesgerichtlicher Praxis ist denn auch nicht auf das subjektive Empfinden einer Partei abzustellen. Das Misstrauen in die Unvoreingenommenheit muss vielmehr in objektiver Weise begründet erscheinen (vgl. E. 2 hiervor). Die vom Beschwerdeführer gerügte Parteizugehörigkeit und die damit seiner Ansicht möglicherweise einhergehende "unconscious bias" ist indessen nicht geeignet, Misstrauen in die Unparteilichkeit des Beschwerdegegners zu erwecken. Etwas anderes lässt sich auch aus den übrigen Vorbringen des Beschwerdeführers hinsichtlich des Berichts der GRECO, welcher die zu enge Bindung zwischen Richteramt und Partei rüge, bzw. im Zusammenhang mit Bundesrichterin Kiss nicht herleiten. Diesbezüglich hat sich die Vorinstanz ebenfalls mit den Behauptungen des Beschwerdeführers auseinandergesetzt. Darauf kann verwiesen werden (E. 5.3 des angefochtenen Entscheids). Inwiefern diese Ausführungen rechts- bzw. verfassungswidrig sein sollen, zeigt der Beschwerdeführer nicht auf. Zusammengefasst verletzt es daher kein Bundesrecht, wenn die Vorinstanz den Ausstandsgrund von Art. 56 lit. f StPO verneint hat.  
 
4.  
Die Beschwerde ist demnach abzuweisen. 
Bei diesem Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist wegen Aussichtslosigkeit abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1200.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Bezirksgericht Zürich, 10. Abteilung, Einzelgericht, und dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 23. April 2024 
 
Im Namen der II. strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Koch 
 
Die Gerichtsschreiberin: Sauthier