5A_113/2023 24.02.2023
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
5A_113/2023  
 
 
Urteil vom 24. Februar 2023  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Herrmann, Präsident, 
Bundesrichter Bovey, Bundesrichterin De Rossa, 
Gerichtsschreiber Möckli. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Berthold Herrmann, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
1. B.________, c/o KESB der Stadt Luzern, 
Pilatusstrasse 22, 6003 Luzern, 
2. C.________, c/o KESB der Stadt Luzern, 
Pilatusstrasse 22, 6003 Luzern, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Ausstand (Aufenthaltsbestimmungsrecht), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Luzern, 2. Abteilung, vom 4. Januar 2023 (3H 22 72). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Für die Vorgeschichte kann auf das Urteil 5A_878/2022 vom 26. Januar 2023 verwiesen werden. 
 
B.  
Mit Entscheid vom 30. August 2022 wies die KESB das von der Beschwerdeführerin am 22. und 25. Juli 2022 gegen das verfahrensleitende Behördenmitglied und den Vizepräsidenten gestellte Ausstandsgesuch ab. 
Die hiergegen erhobene Beschwerde wies das Kantonsgericht Luzern mit Urteil vom 4. Januar 2022 ab, soweit es darauf eintrat. 
 
C.  
Gegen dieses Urteil wendet sich die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 6. Februar 2023 an das Bundesgericht mit den Begehren um dessen Aufhebung, um Feststellung, dass sie vor dem 15. März 2022 gegen das verfahrensleitende Behördenmitglied ein wirksames Ausstandsgesuch gestellt habe, über welches bis dato nicht entschieden worden sei, sowie um Gutheissung der Ausstandsgesuche gegen das verfahrensleitende Mitglied und den Vizepräsidenten, eventualiter um Rückweisung der Sache an eine andere Abteilung des Kantonsgerichts. 
Es wurden keine Vernehmlassungen eingeholt, aber die kantonalen Akten beigezogen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid betreffend Ausstandsbegehren in einem KESB-Verfahren; die Beschwerde in Zivilsachen ist zulässig (Art. 72 Abs. 2 lit. b Ziff. 6, Art. 75 Abs. 1 und Art. 90 BGG). 
Allerdings ist zu beachten, dass der von der Vorinstanz festgestellte Sachverhalt für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlich ist (Art. 105 Abs. 1 BGG) und nur eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung gerügt werden kann, für welche das strenge Rügeprinzip gilt (Art. 97 Abs. 1 und Art. 106 Abs. 2 BGG), was bedeutet, dass das Bundesgericht nur klar und detailliert erhobene und belegte Rügen prüft, während es auf ungenügend substanziierte Rügen und rein appellatorische Kritik am Sachverhalt nicht eintritt (BGE 142 III 364 E. 2.4; 144 V 50 E. 4.2; 145 II 32 E. 2.1). Sodann sind vorliegend auch in rechtlicher Hinsicht nur Verfassungsrügen möglich, für welche das erwähnte Rügeprinzip gilt, weil im Bereich des Kindes- und Erwachsenenschutzes aufgrund des zuteilenden Vorbehaltes in Art. 450f ZGB das Prozessrecht (abgesehen von hier nicht interessierenden punktuellen bundesrechtlichen Normen) kantonal geregelt ist und kantonales Recht vom Bundesgericht nur auf substanziierte Verfassungsrügen hin überprüft werden kann, wobei die Rüge im Vordergrund steht, dieses sei in Verletzung des verfassungsrechtlichen Willkürverbotes und damit willkürlich ausgelegt worden (BGE 140 III 385 E. 2.3). Dass mithin insgesamt nur Verfassungsrügen erhoben werden können, ergibt sich im Übrigen auch daraus, dass das zugrunde liegende KESB-Verfahren vorsorglicher Natur war und deshalb die sich aus Art. 98 BGG ergebenden Kognitionsbeschränkungen greifen. 
 
2.  
Das Kantonsgericht hat erwogen, die Beschwerdeführerin habe in den Eingaben vom 22. und 25. Juli 2022 keine Ausstandsgründe im Sinn von § 14 Abs. 1 VRG/LU genannt und es seien auch keine ersichtlich. Wenn sie im Übrigen vorbringe, bereits am 11. bzw. 14. März 2022 Ausstandsanträge gestellt zu haben (bezüglich des verfahrensleitenden Mitgliedes), so seien diese bereits im Urteil vom 29. September 2022 behandelt worden. Gegen den Vizepräsidenten sei erst mit Eingabe vom 22. Juli 2022 ein (mit der Behandlung bzw. Nichtbehandlung der Ausstandsbegehren vom 11. bzw. 14. März 2022 gegen das verfahrensleitende Mitglied begründetes) Ausstandsgesuch gestellt worden, welches jedoch sofort hätte gestellt werden müssen und damit verspätet sei. Ohnehin fehle es insgesamt an einem Rechtsschutzinteresse im Zusammenhang mit der Beurteilung der Ausstandsbegehren, weil zwischenzeitlich kein Verfahren mehr vor der KESB Luzern hängig sei. 
 
3.  
Die weitschweifigen Ausführungen in der Beschwerde sind fast ausschliesslich appellatorisch gehalten, indem der Sachverhalt aus eigener Sicht geschildert und eine Wirksamkeit bzw. Rechtzeitigkeit der Ausstandsbegehren behauptet wird. Auf appellatorische Kritik ist indes nach dem in E. 1 Gesagten nicht einzutreten, soweit wie vorliegend Verfassungsrügen zu erheben wären. 
Solche sind - jedoch ohne dass sie explizit als Verfassungsrügen erhoben würden - höchstens auszumachen, soweit an mehreren Stellen sinngemäss eine Verletzung der Begründungspflicht geltend gemacht wird, welche ein Teilgehalt des verfassungsmässigen Anspruches auf rechtliches Gehör im Sinn von Art. 29 Abs. 2 BV ist. Daraus ergibt sich die Pflicht, ein Urteil so abzufassen, dass die betroffene Person es gegebenenfalls sachgerecht anfechten kann; daher müssen - im Sinn der entscheidwesentlichen Gesichtspunkte - wenigstens kurz die Überlegungen genannt werden, von denen sich das Gericht hat leiten lassen und auf welche sich sein Entscheid stützt (BGE 141 III 28 E. 3.2.4; 142 III 433 E. 4.3.2; 143 III 65 E. 5.2). Diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil in jeder Hinsicht vollauf. Soweit schliesslich auch eine Gehörsverletzung dahingehend gerügt sein sollte, dass das Kantonsgericht sich nicht in der Sache mit den bereits am 11. bzw. 14. März 2022 befasst habe, so würde die Rüge insofern ins Leere stossen, als das Kantonsgericht festhielt, diese Anträge bereits in seinem Urteil vom 29. September 2022 behandelt zu haben. 
 
4.  
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Ergänzend ist festzuhalten, dass das Ausstandsgesuch vom 11. bzw. 14. April 2022 gegen das verfahrensleitende Behördenmitglied in der Tat bereits im kantonsgerichtlichen Urteil vom 29. September 2022 und im weiteren Rechtsmittelzug vom Bundesgericht im Urteil 5A_878/2022 vom 26. Januar 2023 E. 3 behandelt wurde und somit auch das Bundesgericht ohnehin nicht darauf zurückkommen könnte. Im Übrigen wären auch die Ausführungen des Kantonsgerichtes zum fehlenden Rechtsschutzinteresse materiell zutreffend; die Beschwerdeführerin weist in ihrer Beschwerde selbst darauf hin, dass die Sorgerechtsfrage nunmehr vor belgischen Instanzen hängig ist, und die blosse Behauptung, entgegen der Auffassung des Kantonsgerichtes sei immer noch die Schweiz international zuständig, vermag am fehlenden Rechtsschutzinteresse insofern nichts zu ändern, als sich die Ausstandsgesuche auf abgeschlossene Verfahren bezogen und die Beschwerdeführerin für den Fall, dass sie auf ihrer Sichtweise zur weiterbestehenden schweizerischen Zuständigkeit trotz Aufenthaltswechsel des Kindes beharren und im Kanton Luzern erneut ein Verfahren einleiten sollte, ohnehin in dessen Rahmen ein neues Ausstandsgesuch einreichen müsste. 
 
5.  
Die Gerichtskosten sind der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Luzern, 2. Abteilung, D.________, E.________ und dem Openbaar Ministerie, Parket van de Procureur des Konings, Kortrijk, mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 24. Februar 2023 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Herrmann 
 
Der Gerichtsschreiber: Möckli