7B_293/2024 23.05.2024
Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
7B_293/2024  
 
 
Urteil vom 23. Mai 2024  
 
II. strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Abrecht, Präsident, 
Bundesrichterin Koch, Bundesrichter Kölz, 
Gerichtsschreiberin Lustenberger. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Advokatin Angela Agostino-Passerini, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Bern, Region Berner Jura-Seeland, 
Postfach 1180, 2501 Biel BE. 
 
Gegenstand 
Entsiegelung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonalen Zwangsmassnahmengerichts Bern, Gerichtspräsident, vom 7. Februar 2024 (KZM 23 1758 BÜH). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Bern, Region Berner Jura-Seeland, führt eine Strafuntersuchung gegen A.________ wegen Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz. Sie wirft ihm vor, zusammen mit seinem Bruder dem Betäubungsmittelhandel nachzugehen. Am 9. Juli 2023 wurde A.________ angehalten und sein Mobiltelefon iPhone 14 sichergestellt. Anlässlich einer Hausdurchsuchung am Tag darauf wurden zwei weitere Mobiltelefone von ihm sichergestellt.  
 
A.b. Bei seiner Befragung am 10. Juli 2023 beantragte A.________ die Siegelung der sichergestellten Geräte. Noch am gleichen Tag wurden die Mobiltelefone gesiegelt.  
 
B.  
 
B.a. Am 29. Juli 2023 ersuchte die Staatsanwaltschaft um Entsiegelung der drei sichergestellten Mobiltelefone. In seiner Stellungnahme verlangte A.________ die Abweisung des Entsiegelungsgesuchs. Eventualiter sei eine Triage zwecks Aussonderung von Anwaltskorrespondenz und intimen Fotos vorzunehmen. Daraufhin beauftragte das Regionale Zwangsmassnahmengericht Berner Jura-Seeland den Fachbereich Digitale Forensik der Kantonspolizei Bern am 24. August 2022 unter anderem mit der Aussonderung von Daten mit Bezug zu Rechtsanwältin Angela Agostino (Adresse ________, Telefonnummer ________; E-Mail-Adresse.________) und zur Domain @xxx sowie von intimen Fotos und Videoaufnahmen von A.________ und seiner Ehefrau. Der Fachbereich Digitale Forensik teilte am 11. Januar 2024 mit, dass der Auftrag erledigt worden sei.  
 
B.b. Mit Entscheid vom 7. Februar 2023 hiess das zwischenzeitlich aufgrund einer Gesetzesrevision zuständig gewordene Kantonale Zwangsmassnahmengericht Bern das Entsiegelungsgesuch gut. Konkret entschied es, die auf den drei Mobiltelefonen des Beschwerdeführers enthaltenen Aufzeichnungen, welche nach erfolgter Triage gemäss Verfügung vom 24. August 2023 (Aufzeichnungen mit einem Bezug zu Rechtsanwältin Angela Agostino sowie intime Fotos und Videos des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau) vom Fachbereich Digitale Forensik auf einem separaten Datenträger gespeichert worden seien, könnten von der Staatsanwaltschaft durchsucht werden. Die Staatsanwaltschaft selbst bestimme über die weitere Behandlung der sichergestellten Mobiltelefone. Eine Durchsuchung der Geräte selbst sei nicht erlaubt.  
 
C.  
A.________ wendet sich mit Beschwerde ans Bundesgericht und beantragt, der Entscheid des Kantonalen Zwangsmassnahmengerichts sei vollumfänglich aufzuheben. Der Entsiegelungsantrag der Staatsanwaltschaft sei abzuweisen, die Mobiltelefone und SIM-Karten seien ihm ohne vorgängige Durchsuchung zurückzugeben und sämtliche allfällig bereits ausgelesene Daten seien zu vernichten. Eventualiter sei die Angelegenheit zur Durchführung einer ordentlichen Triage im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückzuweisen. In prozessualer Hinsicht ersucht er um Erteilung der aufschiebenden Wirkung und um Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung. 
Die Staatsanwaltschaft und die Vorinstanz verzichteten ausdrücklich auf eine Vernehmlassung in der Sache. 
Da die beiden Verfahrensbeteiligten hiergegen keine Einwände erhoben, wurde der Beschwerde am 12. April 2024 die aufschiebende Wirkung zuerkannt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob auf die Beschwerde eingetreten werden kann (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE 149 IV 9 E. 2; 148 IV 275 E. 1.1, 155 E. 1.1; je mit Hinweis). Die Sachurteilsvoraussetzungen sind in der Beschwerdeschrift ausreichend zu substanziieren, soweit sie nicht offensichtlich gegeben sind (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG; vgl. BGE 148 IV 155 E. 1.1; 141 IV 289 E. 1.3, 284 E. 2.3; je mit Hinweisen).  
 
1.2. Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid eines Zwangsmassnahmengerichts im Sinne von Art. 80 Abs. 2 Satz 3 BGG i.V.m. Art. 248a Abs. 1 lit. a und Abs. 4 StPO. Dagegen steht die Beschwerde in Strafsachen nach Art. 78 ff. BGG grundsätzlich offen.  
 
1.3. Der angefochtene Entscheid schliesst das gegen den Beschwerdeführer geführte Strafverfahren nicht ab und betrifft weder die Zuständigkeit noch ein Ausstandsbegehren im Sinne von Art. 92 BGG. Es handelt sich somit um einen anderen selbstständig eröffneten Vor- bzw. Zwischenentscheid gemäss Art. 93 BGG. Als solcher ist er - von der hier nicht einschlägigen Konstellation von Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG abgesehen - nur dann unmittelbar mit Beschwerde an das Bundesgericht anfechtbar, wenn er gemäss Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (BGE 148 IV 155 E. 1.1; 144 IV 127 E. 1.3, 321 E. 2.3).  
Beim drohenden nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG muss es sich um einen solchen rechtlicher Natur handeln. Nicht wieder gutzumachend bedeutet, dass er auch mit einem für die beschwerdeführende Person günstigen Endentscheid nicht oder nicht vollständig behoben werden kann (BGE 148 IV 155 E. 1.1; 147 IV 188 E. 1.3.2; 144 IV 127 E. 1.3, 321 E. 2.3; 141 IV 289 E. 1.2). Ein lediglich tatsächlicher Nachteil wie die Verteuerung oder Verlängerung des Verfahrens genügt nicht (BGE 148 IV 155 E. 1.1; 144 IV 321 E. 2.3). 
Wird im Entsiegelungsverfahren ausreichend substanziiert geltend gemacht, dass einer Entsiegelung geschützte Geheimhaltungsrechte entgegenstehen, droht nach der Praxis des Bundesgerichts prinzipiell ein nicht wieder gutzumachender Nachteil, weil die Offenbarung eines Geheimnisses nicht rückgängig gemacht werden kann (BGE 143 IV 462 E. 1; Urteile 7B_126/2023 vom 8. Dezember 2023 E. 1.2; 7B_127/2023 vom 14. August 2023 E. 2.2; je mit Hinweisen). 
 
1.4. Im Zusammenhang mit den formellen Voraussetzungen seiner Beschwerde macht der Beschwerdeführer geltend, dass auf seinen Mobiltelefonen Anwaltskorrespondenz sowie intime Fotos und Videoaufnahmen mit seiner Frau abgespeichert seien. Die Offenbarung dieser Geheimnisse stelle einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne der Rechtsprechung dar.  
 
1.5. Diese Ausführungen reichen nicht aus, um die Anfechtbarkeit des streitigen Entsiegelungsentscheids zu begründen. Wie diesem entnommen werden kann, hat der zuständige Gerichtspräsident am 29. Januar 2024 die vom Fachbereich Digitale Forensik gestützt auf die Verfügung vom 24. August 2023 vorgenommene Aussonderung überprüft. Er stellte fest, dass in den Ergebnissen, welche zur Aushändigung an die Staatsanwaltschaft vorgesehen sind, weder Aufzeichnungen mit einem Bezug zur Verteidigerin (auch nicht in der Schreibweise, in welcher der Beschwerdeführer ihre Koordinaten gespeichert hat), noch solche mit intimen Fotos oder Videos des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau enthalten sind. Damit scheint dem Geheimnisschutz grundsätzlich bereits Genüge getan. Jedenfalls müsste der Beschwerdeführer vor diesem Hintergrund zur Darlegung des nicht wieder gutzumachenden Nachteils im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG mehr vorbringen als den pauschalen Verweis auf Anwaltskorrespondenz und intime Fotos. Er hätte darzulegen, weshalb die Entsiegelung trotz der polizeilichen und von der Vorinstanz überprüften Aussonderung schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen tangieren könnte. Dies gelingt ihm auch mit dem Hinweis, dass ihm trotz entsprechender Ankündigung in der Verfügung vom 24. August 2023 keine Möglichkeit gegeben worden sei, die aufbereiteten Daten zu sichten, nicht. Er nennt keine stichhaltigen Gründe, weshalb die vorinstanzliche Feststellung, wonach die zur Entsiegelung bestimmten Daten weder Korrespondenz mit der Verteidigung noch intime Fotos oder Videos enthalte, unwahr oder fehlerhaft sein sollte. Selbst wenn die Kontrolle der zu entsiegelnden Daten durch die Vorinstanz, wie vom Beschwerdeführer behauptet, ohne Berücksichtigung der Mobiltelefonnummer der Verteidigerin geschehen sein sollte, würde dies keinen solchen Grund darstellen. Einerseits ist die Telefonnummer im Auftrag an den Fachbereich Digitale Forensik ausdrücklich unter den Daten, die auszusondern sind, aufgeführt. Andererseits müsste der Beschwerdeführer auch hier näher aufzeigen, inwiefern bzw. in welchem Kontext - im Falle einer unvollständigen Aussonderung - die isolierte Kenntnisnahme dieser Telefonnummer durch die Staatsanwaltschaft den Schutzbereich von Art. 264 Abs. 1 lit. a StPO berühren und einen nicht wiedergutzumachenden Nachteil begründen könnte. Der Beschwerdeschrift fehlt es aber an derart präzisierenden Ausführungen.  
Demnach sind die geltend gemachten schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen insgesamt nicht genügend substanziiert, was eine Bejahung des nicht wieder gutzumachenden Nachteils gemäss Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG ausschliesst. 
 
2.  
Auf die Beschwerde ist nicht einzutreten. 
Bei diesem Ausgang des bundesgerichtlichen Verfahrens sind dessen Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Er stellt zwar ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege, dieses ist jedoch zufolge Aussichtslosigkeit der Beschwerde abzuweisen (vgl. Art. 64 Abs. 1 BGG). Der finanziellen Situation des Beschwerdeführers sowie dem verhältnismässig geringen Aufwand für die Behandlung seiner Beschwerde wird nach Art. 65 Abs. 2 BGG Rechnung getragen. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 600.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons Bern, Region Berner Jura-Seeland, und dem Kantonalen Zwangsmassnahmengericht Bern, Gerichtspräsident, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 23. Mai 2024 
 
Im Namen der II. strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Abrecht 
 
Die Gerichtsschreiberin: Lustenberger