8C_807/2023 11.06.2024
Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
8C_807/2023  
 
 
Urteil vom 11. Juni 2024  
 
IV. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Wirthlin, Präsident, 
Bundesrichter Maillard, Bundesrichterin Viscione, 
Gerichtsschreiber Jancar. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Ersatzkasse UVG, 
Allianz Versicherungsgesellschaft, 
8010 Zürich, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Caterina Nägeli, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Unfallversicherung 
(psychischer Gesundheitsschaden, 
adäquate Unfallkausalität), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 10. November 2023 
(200 23 74 UV). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die 1983 geborene A.________ absolvierte vom 16. bis 19. August 2005 eine unentgeltliche Schnupperlehre im Hundesalon B.________. Am 19. August 2005 erlitt sie bei einem Autounfall als Beifahrerin diverse Verletzungen. Die Vaudoise Allgemeine, Versicherungsgesellschaft AG, als Haftpflichtversicherer des Unfallverursachers kam für die Heilungskosten der Versicherten auf. Am 15. September 2016 teilte sie ihr mit, sie müsse den Schaden beim Unfallversicherer oder allenfalls bei der Ersatzkasse UVG geltend machen. Am 30. November 2016 meldete die Versicherte den Unfall der Letzteren. Diese holte ein polydisziplinäres Gutachten der Zentrum C.________ GmbH vom 10. Dezember 2018 ein. Am 21. Februar 2020 erliess die Ersatzkasse UVG folgende Verfügung: Der Anspruch auf Versicherungsleistungen vom 19. August 2005 bis 30. November 2011 sei verjährt. Die Taggelder und Heilbehandlungskosten würden per 31. Dezember 2012 eingestellt. Es bestünden keine Ansprüche auf eine Invalidenrente und eine Integritätsentschädigung. Dagegen erhoben der obligatorische Krankenversicherer und die Versicherte Einsprache. Während Ersterer diese in der Folge zurückzog, wies die Ersatzkasse UVG diejenige der Versicherten mit Entscheid vom 12. Dezember 2022 ab. 
 
B.  
In Gutheissung der hiergegen von A.________ geführten Beschwerde hob das Verwaltungsgericht des Kantons Bern den Einspracheentscheid auf und wies die Sache an die Ersatzkasse UVG zum weiteren Vorgehen im Sinne der Erwägungen zurück (Urteil vom 10. November 2023). 
 
C.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt die Ersatzkasse UVG die Aufhebung des kantonalen Urteils. 
A.________ schliesst auf Beschwerdeabweisung und verlangt die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Das Bundesgericht prüft die Eintretensvoraussetzungen von Amtes wegen und mit freier Kognition (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE 146 V 331 E. 1). Rückweisungsentscheide, mit denen eine Sache - wie hier - zu neuer Entscheidung an die Verwaltung zurückgewiesen wird, gelten grundsätzlich als Zwischenentscheide, weil sie das Verfahren nicht abschliessen; sie können nur unter den in Art. 93 Abs. 1 BGG genannten Voraussetzungen beim Bundesgericht angefochten werden (BGE 140 V 282 E. 2; 133 V 477 E. 4.2).  
 
1.2. Grundsätzlich ist nur das Dispositiv, nicht aber die Begründung eines Entscheides anfechtbar. Verweist das Dispositiv eines Rückweisungsentscheids ausdrücklich auf die Erwägungen, werden diese zu dessen Bestandteil und haben, soweit sie zum Streitgegenstand gehören, an der formellen Rechtskraft teil (nicht publ. E. 1.3 des Urteils BGE 137 I 327, veröffentlicht in SVR 2012 IV Nr. 26 S. 107; Urteil 8C_428/2023 vom 7. Februar 2024 E. 1.2.1).  
Mit Urteils-Dispositiv-Ziffer 1 wies die Vorinstanz die Sache an die Beschwerdeführerin zum weiteren Vorgehen im Sinne der Erwägungen zurück. Zur Begründung führte sie aus, es seien die Kriterien der Schwere oder besonderen Art der erlittenen (somatischen) Verletzungen, der ungewöhnlich langen Dauer der ärztlichen Behandlung sowie der körperlichen Dauerschmerzen erfüllt, womit der adäquate Kausalzusammenhang zwischen den psychischen Beschwerden und dem Unfall vom 19. August 2005 zu bejahen sei. Damit sei der Anspruch auf eine Rente und eine Integritätsentschädigung unter Mitberücksichtigung des psychischen Gesundheitsschadens zu prüfen. Da die Beschwerdeführerin einzig die somatischen Beschwerden berücksichtigt habe, werde sie darüber noch zu befinden haben. Die vorinstanzliche Rückweisung dient mithin in Bezug auf die Bejahung der Ansprüche auf eine Rente und eine Integritätsentschädigung der Umsetzung des oberinstanzlich Angeordneten, wobei der Beschwerdeführerin diesbezüglich kein Entscheidungsspielraum mehr bleibt. Da der darauf beruhende Endentscheid praktisch nicht angefochten und das Ergebnis nicht mehr korrigiert werden könnte, liegt ein nicht wieder gutzumachender Nachteil gemäss Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG vor (nicht publ. E. 1.2.2 des Urteils BGE 140 V 220, aber veröffentlicht in SVR 2014 UV Nr. 23 S. 73; SVR 2023 UV Nr. 32 S. 108, 8C_692/2022 E. 2.4; Urteil 8C_548/2023 vom 21. Februar 2024 E. 1.3). Auf die Beschwerde ist somit einzutreten, wie die Beschwerdeführerin zu Recht vorbringt. 
 
2.  
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG; BGE 145 V 57 E. 4.2). Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2, Art. 105 Abs. 3 BGG). 
 
3.  
Auf den 1. Januar 2017 sind die mit Bundesgesetz vom 25. September 2015 revidierten Bestimmungen des UVG in Kraft getreten. Versicherungsleistungen für Unfälle, die sich vor deren Inkrafttreten ereignet haben, und für Berufskrankheiten, die vor diesem Zeitpunkt ausgebrochen sind, werden nach bisherigem Recht gewährt (vgl. Übergangsbestimmung in Art. 118 Abs. 1 UVG; BGE 143 V 285 E. 2.1). So verhält es sich hier, wie die Vorinstanz richtig erkannt hat. Deshalb kommen das bisherige Recht und die dazu ergangene Rechtsprechung zur Anwendung. 
Die Vorinstanz hat die rechtlichen Grundlagen und die Rechtsprechung betreffend den für die Leistungspflicht des obligatorischen Unfallversicherers erforderlichen natürlichen und adäquaten Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und dem Gesundheitsschaden im Allgemeinen (BGE 134 V 109 E. 2.1) sowie bei psychischen Unfallfolgen im Besonderen (BGE 115 V 133) richtig dargelegt. Gleiches gilt betreffend die Voraussetzungen des Fallabschlusses mit Einstellung von Heilbehandlung und Taggeld sowie gleichzeitiger Prüfung der Ansprüche auf Invalidenrente und Integritätsentschädigung (Art. 19 Abs. 1 UVG; BGE 143 V 148 E. 3.1.1; 134 V 109 E. 4.3), den massgebenden Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 146 V 271 E. 4.4) sowie den Beweiswert ärztlicher Berichte und Gutachten (BGE 143 V 124 E. 2.2.2; 134 V 231 E. 5.1, 125 V 351 E. 3a). Darauf wird verwiesen. 
 
4.  
Streitig ist, ob das psychische Leiden der Beschwerdegegnerin adäquat unfallkausal ist. 
 
4.1. Die Adäquanzkriterien, die von medizinischen Faktoren abhängen, werden bei psychischen Fehlentwicklungen nach Unfall im Rahmen von BGE 115 V 133 einzig unter Berücksichtigung der somatischen Aspekte des Gesundheitsschadens geprüft (BGE 140 V 356 E. 3.2; 115 V 133 E. 6c/aa; Urteil 8C_812/2021 vom 17. Februar 2022 E. 9.3).  
 
4.2. Die Vorinstanz erwog zusammengefasst, hinsichtlich der Prüfung der Adäquanzkriterien seien die Verhältnisse bei Fallabschluss per 31. Dezember 2012 massgebend. Die Beschwerdeführerin habe den Unfall vom 19. August 2005 zu Recht als mittelschwer im engeren Sinn taxiert. Somit müsste für die Bejahung der Unfalladäquanz der psychischen Beschwerden ein einzelnes der unfallbezogenen Kriterien besonders ausgeprägt, oder es müssten drei Kriterien in einfacher Weise erfüllt sein. Es seien die drei Kriterien der Schwere oder besonderen Art der erlittenen (somatischen) Verletzungen, der ungewöhnlich langen Dauer der ärztlichen Behandlung sowie der körperlichen Dauerschmerzen erfüllt, womit der adäquate Kausalzusammenhang zwischen den psychischen Beschwerden und dem Unfall vom 19. August 2005 zu bejahen sei. Somit könne offen bleiben, ob auch das Kriterium des Grades und der Dauer der physisch bedingten Arbeitsunfähigkeit gegeben sei. Nach dem Gesagten sei der Anspruch auf eine Rente sowie eine Integritätsentschädigung unter Mitberücksichtigung des psychischen Gesundheitsschadens zu prüfen, da dessen natürliche Unfallkausalität gegeben sei.  
 
4.3. Allseits unbestritten ist die vorinstanzliche Qualifizierung des Unfalls vom 19. August 2005 als mittelschwer im engeren Sinn. Folglich kann die adäquate Unfallkausalität der psychischen Problematik nur bejaht werden, wenn mindestens drei der sieben Kriterien in einfacher Form erfüllt sind oder eines besonders ausgeprägt vorliegt (SVR 2023 UV Nr. 48 S. 169, 8C_1/2023 E. 10.3). Unstrittig ist weiter die vorinstanzliche Bejahung des Kriteriums der Schwere oder besonderen Art der erlittenen Verletzungen.  
 
5.  
Die Beschwerdeführerin rügt, entgegen der Vorinstanz seien die beiden Kriterien der ungewöhnlich langen Dauer der ärztlichen Behandlung und der körperlichen Dauerschmerzen nicht erfüllt. Gleiches gelte für das von ihr offen gelassene Kriterium des Grades und der Dauer der physisch bedingten Arbeitsunfähigkeit. Demnach sei die adäquate Unfallkausalität des psychischen Leidens zu verneinen. 
 
6.  
 
6.1. Das Kriterium der ungewöhnlich langen Dauer der ärztlichen Behandlung setzt eine länger dauernde, kontinuierliche und zielgerichtete Behandlung somatisch begründbarer Beschwerden bis zum Fallabschluss voraus (BGE 140 V 356 E. 5.6.2). Die Beurteilung hat nicht allein nach einem zeitlichen Massstab zu erfolgen. Von Bedeutung sind vielmehr auch Art und Intensität der Behandlung sowie der Umstand, inwieweit noch eine Besserung des Gesundheitszustands zu erwarten war. Es muss, gesamthaft betrachtet, eine kontinuierliche, mit einer gewissen Planmässigkeit auf die Verbesserung des Gesundheitszustands gerichtete ärztliche Behandlung von ungewöhnlich langer Dauer gegeben sein. Manualtherapeutische Massnahmen in Form von Physio- und Ergotherapie, (haus-) ärztliche Abklärungen und Verlaufskontrollen sowie medikamentöse Schmerzbekämpfung genügen diesen Anforderungen nicht (SVR 2019 UV Nr. 41 S. 155, 8C_632/2018 E. 10.1, 2018 UV Nr. 29 S. 100, 8C_860/2015 E. 4.4; Urteile 8C_596/2022 vom 11. Januar 2023 E. 4.5.4 und 8C_394/2022 vom 8. November 2022 E. 9.2).  
 
6.2. Die Vorinstanz erwog im Wesentlichen, die Beschwerdegegnerin sei zwischen dem Unfall vom 19. August 2005 und dem Zeitpunkt des Fallabschlusses (31. Dezember 2012) mehr oder weniger durchgehend in ärztlicher bzw. manualtherapeutischer Behandlung gewesen. Grössere behandlungsfreie Intervalle seien nicht ausgewiesen. Dass diese Massnahmen allein oder überwiegend der Zustandserhaltung gedient hätten, folge nicht aus den Akten. Die Femur-Fraktur rechts sei erst im Zeitpunkt der von der Vaudoise veranlassten Begutachtung durch Swiss Medical Business-Center (SMAB) AG, Bern, vom 15. April 2010 radiologisch stabil konsolidiert gewesen, wobei jedoch eine (ebenfalls operative Eingriffe sowie manualtherapeutische Behandlungen erfordernde) Innenrotationsfehlstellung verblieben sei. Von kieferchirurgischer Seite her sei gemäss dem SMAB-Gutachten auch 2010 noch eine weitere Behandlung zwecks anatomischer und funktioneller Wiederherstellung des Vorzustandes als notwendig erachtet worden, darunter nebst operativen Eingriffen auch eine Physiotherapie. Schliesslich seien im Januar 2012 in der Klinik D.________AG zwei weitere operative Eingriffe am rechten Oberschenkel (Entfernung des Osteosynthesematerials) erfolgt. Im SMAB-Gutachten seien die psychischen gegenüber den kieferchirurgischen und orthopädischen Beschwerden zwar als vorrangig taxiert worden. Indessen sei nicht erstellt, dass die unfallbedingten somatischen Beschwerden bis zum Fallabschluss namhaft durch die psychischen Beschwerden überlagert worden seien. Dagegen spreche der Umstand, dass im SMAB-Gutachten auch hinsichtlich der orthopädischen und kieferchirurgischen Befunde weitere medizinische Massnahmen (manualtherapeutischer und chirurgischer Natur) als notwendig erachtet worden seien. Demnach sei bei einer bis zum Fallabschluss gut siebenjährigen Behandlungsdauer ohne längeren Unterbruch das Kriterium in einfacher Form zu bejahen.  
 
6.3. Wie die Beschwerdeführerin richtig vorbringt wurden bei der Beschwerdegegnerin im Universitätsspital Basel am 19. und 25. August 2005 die Femurschaftfraktur rechts und am 20. August 2005 die Kieferfraktur operativ versorgt. Der stationäre Spitalaufenthalt dauerte vom 19. August bis 1. September 2005. Bezüglich des Oberschenkelbruchs wurde eine verzögerte Frakturheilung diagnostiziert, weshalb am 30. Dezember 2005 eine Dynamisierung für die Frakturheilung stattfand. Im Kieferbereich wurde am 3. November 2006 in der Klinik E.________ ein Teil der Platten operativ entfernt. Es kam zu weiteren Konsultationen bezüglich der weiteren Materialentfernung im Kiefer, die aber nie durchgeführt wurde. Der kieferchirurgische Verlauf wurde laut den Akten als komplikationslos bezeichnet. Am 10. und 17. Januar 2012 erfolgte in der Klinik D.________AG eine Ostheosynthesematerialentfernung am Femur rechts. Im Frühjahr 2013 traten erneut behandlungsbedürftige Kiefergelenkschmerzen auf.  
Der Beschwerdeführerin ist mithin beizupflichten, dass die Beschwerdegegnerin betreffend den Oberschenkel seit 30. Dezember 2005 und bezüglich des Kiefers seit 3. November 2006 nur noch in physio- bzw. manualtherapeutischer Behandlung war. Zudem nahm sie Medikamente ein. Im Übrigen fanden zahlreiche ärztliche Verlaufskontrollen und Abklärungen statt. Diese Massnahmen sind nicht zu berücksichtigen (E. 6.1 hiervor). Aus dem Umstand, dass am 10. und 17. Januar 2012 in der Klinik D.________AG die Ostheosynthesematerialentfernung am Femur rechts erfolgte, kann nichts zu Gunsten der Beschwerdegegnerin abgeleitet werden. Denn davor fanden während mehreren Jahren, keine rechtsrelevanten ärztlichen Behandlungen statt. Soweit im Frühjahr 2013 behandlungsbedürftige Kieferbeschwerden auftraten, ist dies unbeachtlich, da dies den Zeitraum nach dem Fallabschluss per 31. Dezember 2012 betraf. Nach dem Gesagten ist das Kriterium der ungewöhnlich langen Dauer der ärztlichen Behandlung entgegen der Vorinstanz nicht erfüllt. 
 
7.  
 
7.1. Beim Kriterium der körperlichen Dauerschmerzen ist massgebend, ob über den gesamten Zeitraum andauernde Beschwerden vorlagen (SVR 2022 UV Nr. 43 S. 172, 8C_528/2021 E. 7.3.2). Bei zeitweiser Besserung des Gesundheitszustands oder bei Verringerung der Frequenz bzw. Einstellung der ärztlichen Behandlung ist es nicht erfüllt. Ebenso spricht gegen die Annahme körperlicher Dauerschmerzen, wenn sich die Schmerzen stets nur belastungsabhängig auf den Gesundheitszustand auswirken (RKUV 2005 Nr. U 549 S. 236, U 380/04 E. 5.2.6). Dies zeigt sich besonders, wenn es der versicherten Person möglich ist, belastende Tätigkeiten zu unternehmen, wie z.B. regelmässig Auto zu fahren oder zu reiten und das eigene Pferd zu pflegen (Urteile 8C_137/2014 vom 5. Juni 2014 E. 7.4.4, 8C_744/2009 vom 8. Januar 2010 E. 11.4 und U 89/03 vom 4. Mai 2004 E. 4.2).  
 
7.2. Die Vorinstanz erwog, die Beschwerdegegnerin habe während nahezu des gesamten Beurteilungszeitraums über Oberschenkel- und Kiefergelenkbeschwerden geklagt, die von den Ärzten teils als belastungsabhängig, teils als chronisch oder aber generell als "Schmerzen" beschrieben worden seien. Zwar habe sich ab Juli 2007 eine allmähliche Konsolidierung der Femurfraktur eingestellt. Dennoch habe die Beschwerdegegnerin weiter über Beschwerden geklagt, wobei anfänglich eine leichte Besserung, im weiteren Verlauf jedoch festgehalten worden sei, sie sei schmerzgeplagt (Einträge der Klinik D.________AG vom 26. September 2007 und 14. Dezember 2009). Im SMAB-Gutachten vom 15. April 2010 sei die Schmerzhaftigkeit des rechten Beins bei Dauerbelastung als aktuell nicht mehr nachvollziehbar beschrieben worden. Dem sei jedoch entgegenzuhalten, dass als Folge der Operationen eine Rotationsfehlstellung des rechten Oberschenkels resultiert habe, die gemäss den Einträgen der Klinik D.________AG vom 5. Juli 2012 sowie 5. und 25. Januar 2013 und zuletzt laut dem C.________-Gutachten vom 10. Dezember 2018 weiter als ursächlich für die Knie- und Hüftbeschwerden qualifiziert worden sei. Auch die Kieferbeschwerden seien von den Experten der SMAB und des Zentrums C.________ als mehrheitlich objektivierbar und glaubhaft eingestuft worden. Erst gemäss ärztlichem Eintrag vom 2. November 2015 und somit nach dem hier relevanten Zeitraum sei die Beschwerdegegnerin von Seiten des Kiefers beschwerdefrei gewesen. Insgesamt sei das Kriterium der körperlichen Dauerbeschwerden in einfacher Form erfüllt.  
 
7.3.  
 
7.3.1. Die Beschwerdeführerin bringt im Wesentlichen vor, ärztlicherseits seien bereits am 27. Februar 2006 die Mobilisation mit Vollbelastung fürs Bein und am 3. Juli 2007 leichte sportliche Aktivitäten wie Joggen empfohlen worden. Bezüglich des Oberschenkels seien vom 25. August 2005 bis 10. Januar 2012 keine ärztlichen Behandlungen mehr, sondern Physiotherapie und Konsultationen erfolgt. Damit könne von einer Einstellung der ärztlichen Behandlung gesprochen werden. Hinzu komme, dass die Klinik F.________die Oberschenkelschmerzen im Bericht vom 3. Juli 2007 als "eindeutig belastungsabhängig" befunden und von Druckdolenzen berichtet habe. Die Kieferschmerzen seien laut den Konsultationseinträgen des Prof. Dr. med. G.________ immer mal wieder besser und schlechter gewesen. Gemäss dem Bericht von Dr. H.________ vom 10. Januar 2007 seien die fortbestehenden Kieferschmerzen auf bestimmte Situationen eingegrenzt worden. Dies zeige, dass sie belastungs- und situationsabhängig gewesen seien, was sich auch aus dem kieferchirurgischen SMAB-Gutachten vom 29. März 2010 ergebe. Gemäss dem SMAB-Gutachten vom 15. April 2010 habe die Beschwerdegegnerin situationsabhängige Oberschenkel- und Kieferschmerzen beklagt, aber keine Schmerzmedikamente eingenommen. Auch im C.________-Gutachten vom 10. Dezember 2018 seien weder durchgängige Schmerzen noch die Einnahme von Schmerzmedikamenten festgestellt worden. Zudem sei die Beschwerdegegnerin seit Frühsommer 2009 wieder selbst Auto gefahren. Unter diesen Umständen sei das Kriterium nicht erfüllt.  
 
7.3.2. Wie bereits aufgezeigt wurde, fanden bei der Beschwerdegegnerin während mehreren Jahren keine rechtsrelevanten ärztlichen Behandlungen statt (vgl. E. 6.3 hiervor). Zudem begann sie laut dem Bericht der Psychologin lic. phil. I.________ vom 5. Juni 2009 Mitte 2009 wieder selber Auto zu fahren. Im Rahmen des SMAB-Gutachtens vom 15. April 2010 bestätigte sie das Autofahren seit 2009. Gemäss dem J.________-Gutachten vom 30. August 2013 gab sie an, Autofahren als solches sei an sich kein grosses Problem. Im Weiteren hält die Beschwerdegegnerin laut dem SMAB-Gutachten vom 15. April 2010 einen Hund, mit dem sie spazieren geht, wobei sie sich drei bis vier Stunden täglich im Freien aufhält. Unter diesen Umständen ist das Kriterium entgegen der vorinstanzlichen Auffassung insgesamt nicht erfüllt (vgl. E. 7.1 hiervor), was durch die von der Beschwerdeführerin angerufenen Arztberichte bekräftigt wird (vgl. E. 7.3.1 hiervor).  
 
8.  
Da nur das Kriterium der Schwere oder besonderen Art der erlittenen (somatischen) Verletzungen in einfacher Form erfüllt ist (vgl. E. 4.2 hiervor), müsste das von der Vorinstanz offen gelassene Kriterium des Grades und der Dauer der physisch bedingten Arbeitsunfähigkeit besonders ausgeprägt vorliegen, damit die adäquate Unfallkausalität der psychischen Problematik bejaht werden kann (siehe E. 4.3 hiervor). Es wird von der Beschwerdegegnerin indessen weder geltend gemacht, der Grad und die Dauer der physisch bedingten Arbeitsunfähigkeit sei ausgeprägt erfüllt, noch ist dies ohne Weiteres ersichtlich. 
 
9.  
Somit und weil zu den vorinstanzlich verneinten Kriterien nichts vorgebracht wird, sind höchstens die zwei Kriterien der Schwere oder besonderen Art der erlittenen Verletzungen sowie des Grades und der Dauer der physisch bedingten Arbeitsunfähigkeit erfüllt, aber nicht besonders ausgeprägt. Deshalb ist die adäquate Unfallkausalität der psychischen Beschwerden per 31. Dezember 2012 zu verneinen und dementsprechend auch eine Leistungspflicht der Beschwerdeführerin in dieser Hinsicht. 
 
10.  
Die unterliegende Beschwerdegegnerin trägt die Verfahrenskosten (Art. 66 Abs. 1, Art. 68 Abs. 2 BGG). Die unentgeltliche Rechtspflege kann ihr gewährt werden (Art. 64 BGG). Sie hat der Bundesgerichtskasse Ersatz zu leisten, wenn sie später dazu in der Lage ist (Art. 64 Abs. 4 BGG). Die Beschwerdeführerin, die in ihrem amtlichen Wirkungskreis obsiegt, hat keinen Anspruch auf Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 3 BGG). Zur Neuverlegung der Parteientschädigung des vorinstanzlichen Verfahrens ist die Sache an das kantonale Gericht zurückzuweisen (Art. 67 und Art. 68 Abs. 5 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 10. November 2023 wird aufgehoben und der Einspracheentscheid der Beschwerdeführerin vom 12. Dezember 2022 wird bestätigt. 
 
2.  
Der Beschwerdegegnerin wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt und Rechtsanwältin Dr. Caterina Nägeli wird als unentgeltliche Anwältin bestellt. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt, indes vorläufig auf die Bundesgerichtskasse genommen. 
 
4.  
Der Rechtsvertreterin der Beschwerdegegnerin wird aus der Bundesgerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 1'800.- ausgerichtet. 
 
5.  
Die Sache wird zur Neuverlegung der Parteientschädigung des vorangegangenen Verfahrens an das Verwaltungsgericht des Kantons Bern zurückgewiesen. 
 
6.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 11. Juni 2024 
 
Im Namen der IV. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Wirthlin 
 
Der Gerichtsschreiber: Jancar