6B_1196/2023 13.11.2023
Avviso importante:
Le versioni vecchie di Netscape non sono in grado di mostrare i grafici. La funzionalità della pagina web è comunque garantita. Se volesse utilizzare frequentemente questa pagina, le raccomandiamo di installare un browser aggiornato.
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
6B_1196/2023  
 
 
Urteil vom 13. November 2023  
 
I. strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, Präsidentin, 
Bundesrichter Muschietti 
Bundesrichterin van de Graaf, 
Gerichtsschreiberin Frey Krieger. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Zug, Leitender Oberstaatsanwalt, 
An der Aa 4, 6300 Zug, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Verfahrenskosten, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zug, Strafabteilung, vom 30. August 2023 (S 2023 6-8). 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Mit Urteil vom 30. August 2023 stellte das Obergericht des Kantons Zug die teilweise Rechtskraft des Urteils des Strafgerichts des Kantons Zug, Jugendgericht, vom 23. Februar 2023 fest, mit welchem die zu den jeweiligen Tatzeitpunkten z.T. noch minderjährige Beschuldigte (Tochter des Beschwerdeführers) der schweren Körperverletzung, der versuchten einfachen Körperverletzung, der Sachbeschädigung, der mehrfachen Nötigung, der mehrfachen Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte und der mehrfachen Widerhandlung gegen das Waffengesetz schuldig gesprochen worden war. Das Obergericht des Kantons Zug sprach die Beschuldigte zudem der versuchten vorsätzlichen Tötung, der Hinderung einer Amtshandlung und der mehrfachen Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz schuldig. Es bestrafte sie u.a. mit einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und fünf Monaten und auferlegte ihr die Kosten des Vorverfahrens und des erstinstanzlichen Hauptverfahrens von insgesamt Fr. 72'967.85, welche sie ihr im Umfang von Fr. 50'000.-- definitiv erliess und für welche sie die Eltern im Betrag von Fr. 15'000.-- für solidarisch haftbar erklärte. 
Der Beschwerdeführer (Vater der Beschuldigten) wendet sich an das Bundesgericht und moniert, für die seiner Tochter auferlegten Verfahrenskosten solidarisch haftbar erklärt worden zu sein. 
 
2.  
Nach Art. 42 Abs. 2 BGG ist in der Begründung der Beschwerde in Strafsachen in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt. Um diesem Erfordernis zu genügen, muss die beschwerdeführende Partei mit ihrer Kritik bei den als rechtsfehlerhaft erachteten Erwägungen der Vorinstanz ansetzen (BGE 146 IV 297 E. 1.2). Die Bestimmungen von Art. 95 ff. BGG nennen die vor Bundesgericht zulässigen Beschwerdegründe. Hinsichtlich der Verletzung von Grundrechten (einschliesslich der Anfechtung des Sachverhalts wegen Willkür; vgl. Art. 97 Abs. 1 BGG) besteht eine qualifizierte Rügepflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG). Die Willkürrüge ist nach Art. 106 Abs. 2 BGG in der Beschwerde anhand des angefochtenen Entscheids explizit vorzubringen und substanziiert zu begründen. Auf ungenügend begründete Rügen oder allgemeine appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 148 IV 356 E. 2.1, 39 E. 2.6; 147 IV 73 E. 4.1.2; 146 IV 114 E. 2.1). 
 
3.  
 
3.1. Gemäss Art. 44 Abs. 3 JStPO können Eltern für die Kosten solidarisch haftbar erklärt werden, wenn die Voraussetzungen für eine Kostenauflage zulasten der oder des beschuldigten Jugendlichen erfüllt sind (Art. 426 StPO).  
 
3.2. Die Vorinstanz setzt sich eingehend mit dieser Bestimmung auseinander. Sie gelangt zum Schluss, dass die Solidarhaftung der Eltern weder an die Unterhaltspflicht gemäss Art. 276 f. ZGB geknüpft sei, noch die Haftungsvoraussetzungen des Art. 333 ZGB erfüllt sein müssten. Art. 44 Abs. 3 JStPO als "Kann-Vorschrift" räume den Strafbehörden ein weites, pflichtgemäss auszuübendes Ermessen ein, das mit dem Konzept der Billigkeit eng verbunden sei. In Bezug auf die Stundung von Forderungen aus Verfahrenskosten habe das Bundesgericht im Urteil 6B_610/2014 vom 28. August 2014 E. 3 festgehalten, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse der kostenpflichtigen Partei derart angespannt sein müssten, dass eine (ganze oder teilweise) Kostenauflage unbillig erscheine. Dies sei dann der Fall, wenn die Höhe der auferlegten Kosten unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage der kostenpflichtigen Person deren Resozialisierung bzw. finanzielles Weiterkommen ernsthaft gefährden könne.  
Die Vorinstanz setzt sich sodann mit der Frage einer (gutachterlich festgestellten) erzieherischen und deliktsrelevanten Fehlentwicklung und den tatsächlichen Einflussmöglichkeiten der Eltern auf die Tochter auseinander. Sie gelangt zum Schluss, dass bei der Beschuldigten zwar eine erzieherische Fehlentwicklung bestehe, aber zu erkennen sei, dass die Eltern sich stets bemüht und sich um ihre Kinder gekümmert hätten. Eine Vernachlässigung ihrer elterlichen Pflichten könne ihnen trotz Tendenzen zur Bagatellisierung und Externalisierung nicht vorgeworfen werden. Eine kausale Verbindung zwischen der erzieherischen Fehlentwicklung und den Straftaten sei nicht nachgewiesen. Sie berücksichtigt weiter die finanziellen Verhältnisse der Eltern und schliesslich, dass die elterliche Obhut zum Teil vollständig und während längerer Zeit mehrheitlich aufgehoben und damit die Einflussmöglichkeit auf die Tochter beschränkt gewesen sei. Indes seien die Eltern während dieser Zeit gegenüber ihrer Tochter unterhaltspflichtig gewesen und umfasse der Unterhalt auch Prozesskosten. Schliesslich erachtet es die Vorinstanz aufgrund einer Gesamtbetrachtung als angemessen, die Eltern zumindest für einen Teil der Verfahrenskosten, konkret für den Betrag von Fr. 15'000.--, als solidarisch haftbar zu erklären. 
 
4.  
 
4.1. Der Beschwerdeführer zeigt nicht in einer den Formerfordernissen genügenden Weise auf, respektive vermag er nicht darzutun, inwiefern die Vorinstanz in Willkür verfallen wäre oder aber ihr eine falsche Rechtsanwendung und/oder eine fehlerhafte Ermessensausübung vorgeworfen werden könnte, wenn sie ihn für die seiner Tochter auferlegten Verfahrenskosten z.T. solidarisch haftbar erklärt.  
Aus deren Erwägungen ergibt sich, dass sie entgegen seinen Ausführungen ihren Kostenentscheid nicht deswegen "auf Ermessen stützt", weil den Eltern keine kausale Verbindung zwischen einer angeblichen erzieherischen Fehlentwicklung und den Straftaten vorgeworfen werden kann. Stattdessen leitet sie her, weshalb Art. 44 Abs. 3 JStPO aus ihrer Sicht eine voraussetzungslose Solidarhaftung der Eltern vorsieht und der entscheidenden Behörde als "Kann-Vorschrift" ein pflichtgemäss auszuübendes Ermessen einräumt, das sich u.a. an den wirtschaftlichen Verhältnissen der Eltern zu orientieren hat. Mit diesen Erwägungen setzt sich der Beschwerdeführer nicht ansatzweise auseinander und vermag damit nicht darzutun, inwiefern die Vorinstanz zu Unrecht davon ausgeht, dass sie ihren Entscheid in Ausübung eines ihr eingeräumten Ermessens zu fällen hatte. 
 
4.2. Insoweit der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen, dass das Vergewaltigungstrauma seiner Tochter ausserhalb des elterlichen Einflussbereiches gelegen sei, eine Ermessensüberschreitung geltend machen will, verkennt er, dass sich der vorinstanzliche Ermessensentscheid auf verschiedene Faktoren stützt. Konkret lässt die Vorinstanz in diesen einfliessen, dass erzieherische Fehlentwicklungen und elterliche Tendenzen zur Bagatellisierung und Externalisierung bestehen würden; sie berücksichtigt aber insbesondere auch die finanziellen Verhältnisse der Eltern und, dass diese gegenüber der Tochter auch während der Aufhebung der Obhut unterhaltspflichtig gewesen seien. Mit diesen Erwägungen setzt sich der Beschwerdeführer wiederum nicht, respektive nicht in einer den Anforderungen von Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG genügenden Weise auseinander. Mithin vermag er mit seinem Vorbringen der aus seiner Sicht unrichtigen Würdigung eines Faktors nicht aufzuzeigen, inwiefern die Vorinstanz im Rahmen der Gesamtwürdigung aller von ihr berücksichtigten Faktoren ihr Ermessen überschritten hätte. Damit einhergehend legt er ebenso wenig dar und ist auch nicht erkennbar, inwiefern der vorinstanzliche Schluss auf eine elterlichen Tendenz zur Bagatellisierung und Externalisierung schlechterdings unhaltbar wäre.  
 
4.3. Im Übrigen wiederholt der Beschwerdeführer seine bereits vor Vorinstanz gemachten Einwendungen respektive übersieht er, dass die Vorinstanz diese in ihre Erwägungen hat einfliessen lassen. So, wenn er namentlich vorbringt, dass die Tochter bei den vor Vollendung des 18. Altersjahrs vorgeworfenen Taten nicht unter der elterlichen Obhut gestanden sei und die Einflussmöglichkeiten dementsprechend beschränkt gewesen seien (vgl. oben und angefochtenes Urteil S. 81), oder aber, die Eltern hätten bereits hohe finanzielle Aufwendungen zu gewärtigen gehabt (vgl. hierzu angefochtenes Urteil S. 80). Um den Anforderungen an die Begründung einer Beschwerde gerecht zu werden, hätte die Kritik des Beschwerdeführers an den entsprechenden vorinstanzlichen Erwägungen anzusetzen. Auf rein appellatorische Kritik tritt das Bundesgericht nicht ein.  
 
5.  
Soweit die Beschwerde den Begründungsanforderungen zu genügen vermag, erweisen sich die erhobenen Rügen als offensichtlich unbegründet. Die Beschwerde ist damit im Verfahren nach Art. 109 BGG abzuweisen, soweit darauf überhaupt eingetreten werden kann. Von einer Kostenauflage kann ausnahmsweise abgesehen werden (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Es werden keine Kosten erhoben. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zug, Strafabteilung, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 13. November 2023 
 
Im Namen der I. strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Jacquemoud-Rossari 
 
Die Gerichtsschreiberin: Frey Krieger