7B_772/2023 11.12.2023
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
7B_772/2023  
 
 
Urteil vom 11. Dezember 2023  
 
II. strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Abrecht, Präsident, 
Bundesrichterin Koch, Bundesrichter Hurni, 
Gerichtsschreiber Hahn. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau, 
Seetalplatz, Bahnhofstrasse 4, 5600 Lenzburg 1, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Ausstand, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau, Beschwerdekammer in Strafsachen, vom 5. September 2023 (SBK.2023.165). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau führt ein Verfahren wegen Veruntreuung gegen A.________ als beschuldigte Person. Dieses hat sie zuständigkeitshalber von der Staatsanwaltschaft Muri-Bremgarten übernommen. 
 
B.  
Am 8. Mai 2023 machte A.________ die Befangenheit der Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau geltend und beantragte die Rückübertragung des Verfahrens an die Staatsanwaltschaft Muri-Bremgarten. 
Das Obergericht des Kantons Aargau wies das Ausstandsgesuch mit Entscheid vom 5. September 2023 ab, soweit es darauf eintrat, und auferlegte A.________ die Kosten des Verfahrens. 
 
C.  
A.________ führt Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht. Er beantragt, den Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau vom 5. September 2023 aufzuheben und das Ausstandsgesuch gutzuheissen, unter Kosten- und Entschädigungsfolgen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Der angefochtene Entscheid stellt einen selbstständig eröffneten Zwischenentscheid über ein Ausstandsbegehren dar. Dagegen steht die Beschwerde in Strafsachen zur Verfügung (Art. 78 Abs. 1 und Art. 92 BGG). Das Obergericht hat nach Art. 59 Abs. 1 lit. b i.V.m. Art. 380 StPO als einzige kantonale Instanz entschieden. Die Beschwerde ist somit gemäss Art. 80 BGG zulässig. Der Beschwerdeführer ist als beschuldigte Person zur Erhebung einer Beschwerde in Strafsachen berechtigt (Art. 81 BGG). Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Auf die Beschwerde ist einzutreten.  
 
1.2. Die kantonalen Akten wurden eingeholt, dem betreffenden prozessualen Antrag des Beschwerdeführers wurde Genüge getan. Vernehmlassungen wurden keine eingeholt. Insoweit erübrigt es sich, dem Beschwerdeführer eine Frist zur Erstattung einer Replik einzuräumen.  
 
2.  
 
2.1. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 58 StPO sowie des Anspruchs auf ein faires Verfahren. Er macht geltend, die gesamte Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau sei befangen, weil er als Parteivertreter verschiedene Strafverfahren im betreffenden Gerichtskreis führe und in gewissen Verfahren Verfügungen beschwerdeweise angefochten habe.  
Er bringt vor, "sollte die gleiche Untersuchungsbehörde gegen ihn ermitteln, bei der er selbst als Partei fungiere und somit von dieser Behörde Objektivität, Neutralität und Einhaltung der rechtsstaatlichen Grundsätze gemäss StPO Art. 4 erwarten dürfe, so seien bei gleichzeitiger Zuständigkeit die strafrechtlichen und strafprozessualen Verfahrensgrundsätze gemäss StPO Art. 3 nicht mehr garantiert. Es müsse davon ausgegangen werden, dass diese involvierte Untersuchungsbehörde nicht mehr objektiviert belastende und entlastende Momente mit gleicher Sorgfalt gemäss Art. 6 StPO untersuche." Analog zur zivilrechtlichen Konstellation sei eine zu seinem Arbeits- und Wirkungskreis benachbarte Untersuchungsbehörde zu bestimmen. 
 
2.2.  
 
2.2.1. Die Ausstandsgründe für die in einer Strafbehörde tätigen Personen sind in Art. 56 StPO geregelt.  
Art. 56 StPO konkretisiert Art. 6 Ziff. 1 EMRK sowie Art. 29 Abs. 1 und Art. 30 Abs. 1 BV. Zu den Strafbehörden gehören neben den Gerichten (Art. 13 StPO) die Strafverfolgungsbehörden, darunter die Organe der Staatsanwaltschaft (Art. 12 lit. b StPO). 
 
2.2.2. Will eine Partei den Ausstand einer in einer Strafbehörde tätigen Person verlangen, so hat sie der Verfahrensleitung ohne Verzug ein entsprechendes Gesuch zu stellen, sobald sie vom Ausstandsgrund Kenntnis hat; die den Ausstand begründenden Tatsachen sind glaubhaft zu machen (Art. 58 Abs. 1 StPO).  
 
2.2.3. Die Rechtsprechung nimmt Voreingenommenheit und Befangenheit an, wenn Umstände vorliegen, die bei objektiver Betrachtung geeignet sind, Misstrauen in die Unparteilichkeit der untersuchungsleitenden Person zu erwecken. Solche Umstände können namentlich in einem bestimmten Verhalten der untersuchungsleitenden Person oder in gewissen äusseren Gegebenheiten funktioneller oder organisatorischer Natur bestehen. Dabei ist nicht auf das subjektive Empfinden einer Partei abzustellen. Das Misstrauen in die Unvoreingenommenheit muss vielmehr in objektiver Weise begründet erscheinen. Es genügt, wenn Umstände vorliegen, die bei objektiver Betrachtung den Anschein der Befangenheit und Voreingenommenheit erwecken. Für die Ablehnung ist nicht erforderlich, dass die untersuchungsleitende Person tatsächlich befangen ist (BGE 141 IV 178 E. 3.2.1; Urteil 1B_577/2021 vom 25. Januar 2022 E. 2.2 f.).  
 
2.2.4. Ein Ausstandsbegehren kann sich stets nur gegen Personen und nicht gegen Behörden richten. Nur die für eine Behörde tätigen Personen können befangen sein (BGE 139 I 121 E. 4.3; 137 V 210 E. 1.3.3; Urteil 1B_548/2019 vom 31. Januar 2020 E. 3.2; je mit Hinweisen). Ein formal gegen eine Gesamtbehörde gerichtetes Ersuchen kann jedoch unter Umständen als Ausstandsbegehren gegen alle Einzelmitglieder der Behörde entgegengenommen werden (Urteil 1B_548/2019 vom 31. Januar 2020 E. 3.2 mit Hinweisen). Voraussetzung ist, dass aufgezeigt wird, weshalb jedes Mitglied der Behörde einzeln im konkreten Fall befangen sein soll (Urteile 1C_647/2021 vom 15. September 2022 E. 2.2; 4A_326/2014 vom 18. September 2014 E. 2.3, je mit Hinweisen).  
 
2.3. Der Beschwerdeführer macht den Ausstand der gesamten Behörde geltend. Dieses Vorgehen ist nicht erfolgversprechend (vgl. E. 2.2.4 hiervor), denn damit werden keine konkreten und objektiven Gründe gegen eine bestimmte in einer Strafbehörde tätige Person nach Art. 56 lit. a bis f StPO genannt, die Befangenheit begründen könnten.  
Soweit sein Gesuch allenfalls als ein Ausstandsbegehren gegen jedes einzelne Behördenmitglied zu verstehen sein könnte, genügt der Beschwerdeführer den Begründungsanforderungen nach Art. 42 Abs. 2 BGG offensichtlich nicht. Er nennt weder die einzelnen Behördenmitglieder, noch die sie betreffenden, in Art. 56 StPO geregelten Gründe, welche seiner Auffassung nach deren individuelle Befangenheit begründen könnten. 
Befangenheit ist denn auch nicht im blossen Umstand zu erblicken, dass der Beschwerdeführer als Parteivertreter (er bezeichnet sich selbst unzutreffenderweise als Partei) in mehreren anderen Verfahren gegenüber der betreffenden Staatsanwaltschaft auftritt, welche mit der vorliegenden Rechtssache nichts zu tun haben. 
Nicht stichhaltig ist schliesslich der vom Beschwerdeführer gezogene Vergleich zu anderen Rechtsgebieten, zumal im Strafverfahren eigene Regeln zur Befangenheit und zum Ausstand gelten. 
 
3.  
Die Beschwerde ist abzuweisen. Die Kosten des Verfahrens sind dem unterliegenden Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Beschwerdekammer in Strafsachen, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 11. Dezember 2023 
 
Im Namen der II. strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Abrecht 
 
Der Gerichtsschreiber: Hahn