7B_213/2023 07.05.2024
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
7B_213/2023  
 
 
Urteil 7. Mai 2024  
 
II. strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Abrecht, Präsident, 
Bundesrichter Kölz, Hofmann, 
Gerichtsschreiberin Kern. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.A.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Ilona Zürcher, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, Spisergasse 15, 9001 St. Gallen, 
 
B.A.________, 
 
Gegenstand 
Entsiegelung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonalen Zwangsmassnahmengerichts St. Gallen, Kantonaler Zwangsmassnahmenrichter, vom 22. März 2023 (ZK.2022.297-TO1ZRK-FMÜ, ST.2022.5030). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Staatsanwaltschaft St. Gallen, kantonales Untersuchungsamt, führt ein Strafverfahren gegen B.A.________ wegen gewerbsmässigen Betrugs, versuchten unrechtmässigen Bezugs von Leistungen einer Sozialversicherung oder der Sozialhilfe und Vergehens gegen das Bundesgesetz vom 20. Dezember 1946 über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG; SR 831.10). Sie wirft ihm vor, bei Sozialversicherungsträgern, Ärzten und Therapeuten physische und psychische Beschwerden nur vorgetäuscht oder massiv übertrieben dargestellt zu haben, um den Anschein einer vollständigen Arbeitsunfähigkeit zu erwecken und Versicherungsleistungen zu erhalten. 
Am 30. September 2022 stellten die Strafverfolgungsbehörden bei einer Hausdurchsuchung am Wohnort von B.A.________ und seinen Söhnen C.A.________ und A.A.________ diverse Gegenstände und Aufzeichnungen sicher. A.A.________ machte geltend, er sei teilweise deren Inhaber, und verlangte die Siegelung seiner Gegenstände und Aufzeichnungen. Mit E-Mails vom 5. und 6. Oktober 2022 verzichtete er teilweise auf die Siegelung, die in der Folge im Umfang dieses Verzichts aufgehoben wurde. 
 
B.  
Am 6. Oktober 2022 ersuchte die Staatsanwaltschaft das kantonale Zwangsmassnahmengericht des Kantons St. Gallen um Entsiegelung der sichergestellten Aufzeichnungen und Gegenstände von A.A.________. Dieses ordnete mit Entscheid vom 22. März 2023 an, ein Mobiltelefon "iPhone X", ein USB-Stick "Intenso", ein Mobiltelefon "iPhone", ein Mobiltelefon "iPhone S5", ein Tablet "Samsung" und eine Festplatte "WD Elements" seien zu entsiegeln. 
 
C.  
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt A.A.________ vor Bundesgericht, der Entscheid vom 22. März 2023 sei aufzuheben und der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Entsiegelung abzuweisen. Die versiegelten Gegenstände seien ihm zurückzugeben und die Beschlagnahme derselben aufzuheben. Zudem sei ihm die unentgeltliche Rechtspflege für das Verfahren vor Bundesgericht zu gewähren. 
Die Vorinstanz hat auf Vernehmlassung verzichtet. Die Staatsanwaltschaft beantragt, die Beschwerde abzuweisen. A.A.________ hat nicht repliziert. 
Das präsidierende Mitglied der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichts hat der Beschwerde mit Verfügung vom 30. Mai 2023 die aufschiebende Wirkung zuerkannt. 
Am 13. Juli 2023 ist den Verfahrensbeteiligten mitgeteilt worden, dass die Beschwerde aufgrund einer internen Reorganisation des Bundesgerichts neu durch die II. strafrechtliche Abteilung behandelt wird. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Angefochten ist ein nach aArt. 248 Abs. 3 lit. a StPO kantonal letztinstanzlicher Entsiegelungsentscheid. Dagegen steht nach Art. 78 ff. BGG die Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht offen. Da der Beschwerdeführer nicht Partei des Strafverfahrens gegen den Beschuldigten B.A.________ ist, kommt der angefochtene Entscheid für ihn hinsichtlich seiner Wirkung einem End- oder Teilentscheid im Sinne von Art. 90 f. BGG gleich (vgl. Urteil 7B_128/2023 vom 14. Dezember 2023 E. 1.1 mit Hinweis). Er ist gemäss Art. 81 Abs. 1 BGG zur Beschwerde legitimiert. Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde grundsätzlich einzutreten.  
 
1.2. Die per 1. Januar 2024 in Kraft getretene Gesetzesänderung betreffend Siegelungs- bzw. Entsiegelungsverfahren hat keine Auswirkungen auf das vorliegende Urteil. Das Bundesgericht prüft im Rahmen der Beschwerde in Strafsachen nämlich nur, ob die kantonale Instanz das Bundesrecht richtig angewendet hat, mithin jenes Recht, welches die Vorinstanz im angefochtenen Entscheid anwenden musste (Urteil 7B_152/2024 vom 19. Februar 2024 E. 1.2 mit Hinweisen). Massgebend für die Beurteilung der bundesgerichtlichen Beschwerde sind damit weiterhin die Siegelungs- bzw. Entsiegelungsbestimmungen, wie sie bis zum 31. Dezember 2023 galten.  
 
2.  
 
2.1. Beschwerden an das Bundesgericht sind hinreichend zu begründen, ansonsten kann darauf nicht eingetreten werden. Nach Art. 42 Abs. 2 BGG ist unerlässlich, dass die beschwerdeführende Partei auf die Begründung des angefochtenen Entscheids eingeht und im Einzelnen aufzeigt, worin eine vom Bundesgericht überprüfbare Rechtsverletzung liegt. Die beschwerdeführende Partei soll in der Beschwerde an das Bundesgericht nicht bloss die Rechtsstandpunkte, die sie im kantonalen Verfahren eingenommen hat, erneut bekräftigen, sondern mit ihrer Kritik an den als rechtsfehlerhaft erachteten Erwägungen der Vorinstanz ansetzen (BGE 148 IV 205 E. 2.6; 146 IV 297 E. 1.2; 140 III 115 E. 2, 86 E. 2).  
 
2.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz kann vor Bundesgericht nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig bzw. willkürlich ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG; BGE 148 IV 409 E. 2.2, 356 E. 2.1, 39 E. 2.3.5). Willkür liegt nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn die vorinstanzliche Beweiswürdigung unhaltbar ist, das heisst, wenn die Behörde in ihrem Entscheid von Tatsachen ausgeht, die mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stehen oder auf einem offenkundigen Fehler beruhen. Dass eine andere Lösung ebenfalls möglich erscheint oder gar vorzuziehen wäre, genügt nicht (BGE 148 IV 356 E. 2.1, 39 E. 2.3.5; 147 IV 73 E. 4.1.2; je mit Hinweisen). Die Willkürrüge muss in der Beschwerde anhand des angefochtenen Entscheids explizit vorgebracht und substanziiert begründet werden (Art. 106 Abs. 2 BGG). Auf ungenügend begründete Rügen oder allgemeine appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 148 IV 356 E. 2.1, 39 E. 2.6; 147 IV 73 E. 4.1.2).  
 
3.  
Der Beschwerdeführer moniert, die Vorinstanz habe den hinreichenden Tatverdacht gegen den Beschuldigten zu Unrecht bejaht. 
 
3.1. Die Entsiegelung setzt gemäss Art. 197 Abs. 1 lit. b StPO unter anderem einen hinreichenden Tatverdacht voraus. Im Gegensatz zum erkennenden Sachgericht hat das für die Beurteilung von Zwangsmassnahmen im Vorverfahren zuständige Gericht bei der Überprüfung des hinreichenden Tatverdachtes keine erschöpfende Abwägung sämtlicher belastender und entlastender Beweisergebnisse vorzunehmen. Bestreitet die betroffene Person den Tatverdacht, ist vielmehr zu prüfen, ob aufgrund der bisherigen Untersuchungsergebnisse genügend konkrete Anhaltspunkte für eine Straftat und eine Beteiligung der beschuldigten Person an dieser Tat vorliegen, die Strafbehörden somit das Bestehen eines hinreichenden Tatverdachts mit vertretbaren Gründen bejahen durften (Urteile 7B_161/2022 vom 5. Oktober 2023 E. 2.2; 7B_128/2023 vom 14. Dezember 2023 E. 2.1 mit Hinweis). Hinweise auf eine strafbare Handlung müssen erheblich und konkreter Natur sein, um einen hinreichenden Tatverdacht begründen zu können (BGE 149 IV 369 E. 1.3.1; 141 IV 87 E. 1.3.1; Urteil 7B_172/2022 vom 21. März 2024 E. 3.2, zur Publikation vorgesehen; je mit Hinweisen).  
 
3.2. Die Vorinstanz verweist zur Begründung des Tatverdachts auf die Ergebnisse der von der zuständigen IV-Stelle veranlassten Observation des Beschuldigten im Jahr 2011. Sie erwägt, dessen eigene Darstellung seines Gesundheitszustands lasse sich "nicht kompromisslos" mit den Erkenntnissen aus der in diesem Zeitraum durchgeführten Observation in Einklang bringen. Hinzu kämen die anonymen Hinweise aus den Jahren 2010, 2011, 2018 und 2019. Dem letzten Hinweis sei ein Datenträger mit Videos beigelegt worden, auf denen der Beschuldigte zu sehen sei, wie er mutmasslich im Zeitraum von 2014 bis 2018 Umgebungsarbeiten verrichtet habe. Aus den Unterlagen ergebe sich ausserdem, dass er im Ausland drei Wohnungen an Touristen vermiete. Es beständen Hinweise darauf, dass für die Betreuung der Gäste hauptsächlich der Beschuldigte zuständig sei; dies, obschon er nach einem Arztbericht vom 15. April 2019 an einer "rezidivierenden depressiven Störung mit somatischem Syndrom" leiden und er trotz ambulanter Behandlung seit dem 3. Oktober 2014 nicht arbeitsfähig sein solle. Diese Widersprüche liessen darauf schliessen, dass der Beschuldigte die Sozialversicherungsanstalt St. Gallen und seine Ärzte über sein "Funktionsniveau" getäuscht haben könnte. Dass sich in den Akten auch Berichte und Unterlagen fänden, die gesundheitliche Probleme des Beschuldigten bescheinigten, ändere nichts daran, denn es sei auch möglich, dass er die Sozialversicherungsanstalt St. Gallen und seine Ärzte über das Ausmass seiner Schmerzen und psychischen Probleme getäuscht haben könnte. Da eine mehrfache Tatbegehung im Raum stehe und der Beschuldigte wohl beabsichtigt habe, damit ein Einkommen zu erlangen, werde er der gewerbsmässigen Begehung verdächtigt.  
 
3.3. Der Beschwerdeführer beschränkt sich in weiten Teilen darauf, die bereits im vorinstanzlichen Verfahren vorgebrachten Argumente vor Bundesgericht zu wiederholen. Soweit er sich überhaupt mit den Erwägungen der Vorinstanz auseinandersetzt (vgl. Art. 42 Abs. 2 BGG), kann seiner Kritik nicht gefolgt werden: Er behauptet zwar, die Vorinstanz habe die ihr vorgelegten ärztlichen Berichte und "weiteren eingebrachten Beilagen" unbeachtet gelassen bzw. nicht richtig gewürdigt, substanziiert aber nicht weiter, um welche Unterlagen es sich dabei genau handeln soll und inwiefern die Vorinstanz in Willkür verfallen sein soll, indem sie diese nicht berücksichtigt habe (vgl. Art. 97 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG). Auch sein Einwand, es seien stets Gutachten erstellt worden, bevor dem Beschuldigten Leistungen zugesprochen worden seien (womit er sinngemäss geltend macht, die Gutachten würden belegen, dass der Beschuldigte nicht simuliert habe), verfängt nicht: Dem Beschuldigten wird ja gerade vorgeworfen, unwahre Angaben gegenüber Ärzten bzw. Ärztinnen gemacht zu haben, was zur Erstellung von unzutreffenden ärztlichen Gutachten und Berichten führen kann. Soweit der Beschwerdeführer weiter vorbringt, ein Gutachten aus dem Jahr 2014 habe "eine Simulation oder gar ein [sic] Betrug" seitens des Beschuldigten deutlich verneint, findet dies im von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt keine Stütze. Ohnehin vermöchte derartiges die von der Vorinstanz angeführten konkreten Verdachtsmomente gegen den Beschuldigten nicht so stark zu entkräften, dass der hinreichende Tatverdacht verneint werden müsste. Schliesslich ist auch nicht ersichtlich, inwiefern die vom Beschwerdeführer zitierten Passagen des Entscheids der II. Abteilung des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 16. März 2023 hieran etwas ändern sollen, weshalb offenbleiben kann, ob dieser vor Bundesgericht überhaupt berücksichtigt werden kann (vgl. Art. 99 Abs. 1 BGG).  
 
4.  
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des Verhältnismässigkeitsprinzips. 
 
4.1. Strafprozessuale Zwangsmassnahmen müssen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit wahren. Der mit einer Zwangsmassnahme verbundene Eingriff in die Grundrechte einer Person muss somit geeignet, erforderlich und angemessen sein, um das angestrebte Ziel zu erreichen. Zwangsmassnahmen können demnach nur ergriffen werden, wenn die damit angestrebten Ziele nicht durch mildere Massnahmen erreicht werden können und die Bedeutung der untersuchten Straftat die Zwangsmassnahme rechtfertigt (Art. 5 Abs. 2, Art. 36 Abs. 3 BV, Art. 197 Abs. 1 lit. c und lit. d StPO). Zwangsmassnahmen, die in die Grundrechte nicht beschuldigter Personen eingreifen, sind besonders zurückhaltend einzusetzen (Art. 197 Abs. 2 StPO).  
Zunächst muss die Entsiegelung, um das Verhältnismässigkeitsgebot zu wahren, zur Klärung des Tatverdachts geeignet sein. Dies trifft zu, wenn die zu entsiegelnden Aufzeichnungen und Gegenstände für die Strafuntersuchung potentiell beweiserheblich sind (vgl. BGE 143 IV 462 E. 2.1; 141 IV 77 E. 4.3; 138 IV 225 E. 7.1; DAMIAN K. GRAF, Praxishandbuch zur Siegelung, 2022, N. 523 f.). Grundsätzlich ist ein solcher Deliktskonnex nicht für jeden Gegenstand bzw. jede Aufzeichnung einzeln, sondern gesamthaft zu prüfen. Sind jedoch gewisse Gegenstände und Aufzeichnungen offensichtlich nicht untersuchungsrelevant, ist deren Entsiegelung dementsprechend in sachlicher oder zeitlicher Hinsicht einzuschränken (vgl. BGE 142 IV 207 E. 7.1 ff.; 141 IV 77 E. 4.3 und E. 5.6; Urteil 1B_313/2022, 1B_314/2022, 1B_330/2022 vom 2. Februar 2023 E. 3.2; je mit Hinweisen). 
Weiter muss die Entsiegelung für die Klärung des Tatverdachts erforderlich sein, was grundsätzlich bedeutet, dass keine milderen Mittel zum selben Zweck führen dürfen. Die theoretische Möglichkeit, dass die Staatsanwaltschaft die auf den versiegelten Aufzeichnungen und Gegenständen gesuchten Informationen auch auf andere Weise erlangen könnte, steht der Entsiegelung allerdings nicht entgegen (so etwa Urteile 1B_208/2022 vom 14. April 2023 E. 4.1; 1B_547/2020 vom 3. Februar 2021 E. 3.2). 
Schliesslich muss die Entsiegelung, insbesondere im Verhältnis zur Bedeutung der untersuchten Straftat, angemessen sein. Im Rahmen der Beurteilung der Verhältnismässigkeit der Entsiegelung ist deshalb auch der Schwere der untersuchten Delikte Rechnung zu tragen (vgl. Art. 197 Abs. 1 lit. d StPO; Urteile 1B_208/2022 vom 14. April 2023 E. 4.1; 1B_553/2021 vom 14. Januar 2022 E. 5.1 mit Hinweis). Es ist zwischen dem öffentlichen Strafverfolgungsinteresse und den Interessen der betroffenen Person abzuwägen (vgl. BGE 141 IV 77 E. 5.5.2). Das für die Entsiegelung zuständige Gericht verfügt bei der Beurteilung der Verhältnismässigkeit über einen gewissen Ermessensspielraum (Urteil 1B_410/2022 vom 27. März 2023 E. 3.5). 
 
4.2. Die Vorinstanz erwägt, es sei zu erwarten, dass aus der Auswertung der sichergestellten Datenträger des Beschwerdeführers Rückschlüsse auf den physischen und psychischen Gesundheitszustand des Beschuldigten (bezüglich Lebensstil, Ausmass der psychischen Einschränkungen und Bewegungsfreiheit) zuliessen, und bejaht damit einen Deliktskonnex. Sie führt hierzu weiter aus, gerade bei Familienmitgliedern, die im selben Haushalt wohnten, sei davon auszugehen, dass sich auf deren Datenträgern Videos, Fotos, Korrespondenz und Kalendereinträge oder andere Daten mit Bezug zueinander finden liessen. Auch wenn es sich bei den zu erwartenden Daten nur um "Momentaufnahmen" des Gesundheitszustands des Beschuldigten handle, könnten deren Anzahl, Abfolge und Zeitabstände Hinweise auf seinen "tatsächlichen Gesundheitszustand" liefern. Das Alter der sichergestellten Datenträger (bzw. der frühesten Tatvorwürfe gegen den Beschuldigten) sei dabei irrelevant, es sei nämlich "durchaus üblich", dass sich auch ältere Dateien auf Datenträgern befänden, und die Strafbehörden seien auch an aktuellen Dateien interessiert, da "bis heute" andauernde Tathandlungen in Frage kämen. Die Entsiegelung sei auch sonst verhältnismässig. Dem Beschuldigten würden Verbrechen vorgeworfen, die mit bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe bedroht seien. Die Interessen der Strafverfolgungsbehörden an deren Aufklärung seien höher zu gewichten als die Interessen des Beschwerdeführers; die Durchsuchung der Datenträger stelle nämlich nur einen geringfügigen Eingriff in seine Persönlichkeitsrechte dar, zumal der Beschwerdeführer selbst geltend mache, bei den Mobiltelefonen handle es sich um Geräte, die mit dem bereits gespiegelten Mobiltelefon seiner Mutter synchronisiert worden seien.  
 
4.3. Der Beschwerdeführer hält die vollumfängliche Entsiegelung seiner Datenträger zu Recht für unverhältnismässig. Der Vorinstanz ist zwar zuzustimmen, dass angesichts des Zusammenlebens und der familiären Beziehung von Beschuldigtem und Beschwerdeführer untersuchungsrelevante Daten auf den sichergestellten Datenträgern zu vermuten sind, und dass die Schwere der dem Beschuldigten vorgeworfenen Delikte die Entsiegelung in grundsätzlicher Hinsicht rechtfertigt, zumal der Beschwerdeführer weder im Entsiegelungsverfahren noch im Verfahren vor Bundesgericht dargelegt hat, dass sich unter den sichergestellten Aufzeichnungen und Gegenständen höchstpersönliche private Gespräche oder Aufnahmen befänden, an denen ein besonderes überwiegendes Geheimnisschutzinteresse bestünde. Es ist jedoch nicht zu erwarten, dass alle auf den sichergestellten Datenträgern befindlichen Daten für das Strafverfahren gegen den Beschuldigten relevant sind. Soweit die Vorinstanz die Datenträger des Beschwerdeführers vollumfänglich entsiegeln möchte, kann ihr deshalb nicht gefolgt werden. Die Vorinstanz hätte die Entsiegelung der Datenträger des nicht beschuldigten Beschwerdeführers gemäss Art. 197 Abs. 2 StPO einschränken müssen (etwa auf Fotos, Videos und Korrespondenz mit dem Beschuldigten; vgl. BGE 141 IV 77 E. 4.3 und E. 5.5 ff.). Die umfassende Entsiegelung hält vor Bundesrecht nicht stand.  
 
5.  
Die Beschwerde ist gutzuheissen und der angefochtene Entscheid aufzuheben. Die Sache ist zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Vorinstanz wird die Entsiegelung auf das erforderliche Mass einschränken müssen. Nötigenfalls wird sie die Staatsanwaltschaft hierzu zur Stellungnahme auffordern. 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 Abs. 1 und 4 BGG). Der Kanton St. Gallen hat dem obsiegenden Beschwerdeführer die durch das bundesgerichtliche Verfahren verursachten notwendigen Kosten zu ersetzen (Art. 68 BGG). Da der Beschwerdeführer um unentgeltliche Rechtspflege ersucht, ist die Entschädigung praxisgemäss seiner Rechtsvertreterin zuzusprechen. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird damit gegenstandslos. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Kantonalen Zwangsmassnahmengerichts St. Gallen vom 22. März 2023 wird aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen. 
 
2.  
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.  
Der Kanton St. Gallen hat die Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers, Rechtsanwältin Ilona Zürcher, für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'000.-- zu entschädigen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, B.A.________ und dem Kantonalen Zwangsmassnahmengericht St. Gallen, Kantonaler Zwangsmassnahmenrichter, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 7. Mai 2024 
 
Im Namen der II. strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Abrecht 
 
Die Gerichtsschreiberin: Kern