4F_14/2024 24.05.2024
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
4F_14/2024  
 
 
Urteil vom 24. Mai 2024  
 
I. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Jametti, Präsidentin, 
Bundesrichterin Kiss, 
Bundesrichter Rüedi, 
Gerichtsschreiber Widmer. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Gesuchstellerin, 
 
gegen  
 
Gemeinde B.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Jean-Marc von Gunten, 
Gesuchsgegnerin, 
 
Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer. 
 
Gegenstand 
Vollstreckung der Mieterausweisung, 
 
Revisionsgesuch gegen die Verfügung des Schweizerischen Bundesgerichts vom 25. März 2024 
(4A_86/2024 [PF230060-O/U]). 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Gesuchstellerin mietete mit Untermietvertrag vom 22. Januar 2018 von der Sozialbehörde der Gemeinde B.________ zwei Zimmer in der 3-Zimmerwohnung im Erdgeschoss an der U.________strasse in B.________ zu einem monatlichen Bruttomietzins von Fr. 1'500.--. Mit amtlich genehmigtem Formular vom 19. Mai 2022 wurde der Gesuchstellerin das Untermietverhältnis per 30. September 2022 gekündigt. Die Gesuchstellerin focht die Kündigung ohne Erfolg bis zum Bundesgericht an (vgl. Urteil 4A_ 374/2023 vom 2. August 2023).  
Mit Urteil vom 21. September 2023 verpflichtete der Einzelrichter im summarischen Verfahren des Bezirksgerichts Meilen die Gesuchstellerin in Gutheissung eines Ausweisungsbegehrens der Gemeinde B.________ (Gesuchsgegnerin), die genannte 3-Zimmerwohnung bis spätestens 15. Oktober 2023 zu räumen und der Gesuchsgegnerin ordnungsgemäss gereinigt zu übergeben, unter Androhung der Zwangsvollstreckung im Unterlassungsfall. 
Die Gesuchstellerin gelangte gegen dieses Urteil mit Beschwerde an das Obergericht des Kantons Zürich, welches dieses Rechtsmittel mit Urteil vom 14. Dezember 2023 abwies. 
 
1.2. Dagegen erhob die Gesuchstellerin mit Eingabe vom 1. Februar 2024 Beschwerde in Zivilsachen (Verfahren 4A_86/2024). Gleichzeitig stellte sie u.a. die Gesuche, es sei der Beschwerde, vorab superprovisorisch, aufschiebende Wirkung zu erteilen und es sei ihr für das bundesgerichtliche Verfahren die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren.  
Die Präsidentin der ersten zivilrechtlichen Abteilung wies das Gesuch um aufschiebende Wirkung mit Verfügung vom 6. Februar 2024 ab, da die Beschwerde als aussichtslos erscheine. 
Auf ein Gesuch der Gesuchstellerin um Wiedererwägung dieser Verfügung trat die Präsidentin der ersten zivilrechtlichen Abteilung mit weiterer Verfügung vom 20. Februar 2024 nicht ein. 
 
1.3. Mit Eingabe vom 13. März 2024 informierte die Gesuchstellerin das Bundesgericht darüber, dass ihre Ausweisung aus dem streitbetroffenen Mietobjekt vollzogen worden sei. Gleichzeitig stellte sie ein Gesuch um Wiederherstellung des vorbestehenden Zustands "demande de réintégration dans le logement en référence à la CEDH".  
Das Gemeindeammannamt C.________-B.________-D.________ bestätigte mit Schreiben vom 19. März 2024, dass die Gesuchstellerin am 4. März 2024 aus dem Mietobjekt ausgewiesen worden sei. 
In der Folge schrieb die Präsidentin der ersten zivilrechtlichen Abteilung das Beschwerdeverfahren mit Verfügung 4A_86/2024 vom 25. März 2024 als gegenstandslos ab. Sie begründete dies damit, dass mit der Räumung des Mietobjekts das Rechtsschutzinteresse an der Beurteilung der Beschwerde dahingefallen sei. Das Bundesgericht sei nicht zur Beurteilung des nach der Ausweisung gestellten Gesuchs um (wohl: vorsorgliche) Wiederherstellung des vorbestehenden Zustandes zuständig, da diese nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sei. Das Bundesgericht könne keine (vorsorgliche) Anordnung erlassen, dass bereits erfolgte Vollzugshandlungen rückgängig gemacht werden müssten. Auf die Erhebung von Gerichtskosten wurde verzichtet und der Gesuchsgegnerin wurde keine Parteientschädigung zugesprochen. 
 
2.  
Am 11. April 2024 gelangte die Gesuchstellerin mit einer als "Demande de réexamen de la décision «4A_86/2024» - Affaire classée comme «sans objet»" betitelten Eingabe an das Bundesgericht, mit der sie sinngemäss um Revision der Verfügung vom 25. März 2024 (im Folgenden: angefochtene Verfügung) gestützt auf Art. 121 lit. d BGG sowie um deren Berichtigung ("rectification") ersuchte. Gleichzeitig beantragte sie, es sei ihrem Gesuch die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen und es sei ihr für das Gesuchsverfahren die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren. 
Auf die Einholung von Vernehmlassungen zum Revisions- und Berichtigungsgesuch wurde verzichtet. 
 
3.  
Bei der angefochtenen Verfügung handelt es sich um einen verfahrensabschliessenden Entscheid des Bundesgerichts, der nach der Bestimmung von Art. 61 BGG am Tag seiner Ausfällung in Rechtskraft erwuchs (vgl. Urteil 1F_23/2014 vom 27. Juni 2014 E. B. i.V.m. E. 2; vgl. auch JEAN MAURICE FRÉSARD, in: Commentaire de la Loi sur le Tribunal fédéral, 3. Aufl. 2022, N. 2 f. zu Art. 61 BGG). Es ist deshalb nur möglich, auf die Verfügung zurückzukommen und diese aufzuheben, wenn ein Revisionsgrund nach Art. 121 ff. BGG gegeben ist (vgl. Art. 128 Abs. 1 BGG; BGE 149 III 93 E. 1.1; ELISABETH ESCHER, in: Basler Kommentar zum Bundesgerichtsgesetz, 3. Aufl. 2018, N. 1 zu Art. 121 BGG; CHRISTIAN DENYS, in: Commentaire de la Loi sur le Tribunal fédéral, 3. Aufl. 2022, N. 3 zu Art. 121 BGG). 
Für das Bundesgericht bestimmte Rechtsschriften haben die Begehren und deren Begründung zu enthalten (Art. 42 Abs. 1 BGG). In einem Gesuch um Revision oder Berichtigung eines bundesgerichtlichen Urteils muss ein vom Gesetz vorgesehener Revisionsgrund (Art. 121 ff. BGG) genannt und aufgezeigt werden, inwiefern das zu revidierende Urteil an einem entsprechenden Mangel leiden soll. Ansonsten ist auf das Gesuch nicht einzutreten (Urteile 2F_34/2022 vom 13. Dezember 2022 E. 3; 4F_12/2012 vom 18. September 2012; 2F_12/2008 vom 4. Dezember 2008 E. 2.1). 
 
4.  
Die Gesuchstellerin beruft sich auf den Revisionsgrund nach Art. 121 lit. d BGG
Nach Art. 121 lit. d BGG kann die Revision eines Entscheids des Bundesgerichts verlangt werden, wenn das Gericht in den Akten liegende erhebliche Tatsachen aus Versehen nicht berücksichtigt hat. Dies ist der Fall, wenn ein bestimmtes Aktenstück übersehen oder eine bestimmte wesentliche Aktenstelle unrichtig, insbesondere nicht mit ihrem wirklichen Wortlaut oder in ihrer tatsächlichen Tragweite, wahrgenommen wurde. Gemeint sind Aktenstücke des bundesgerichtlichen Verfahrens (Urteil 4F_2/2023 vom 16. August 2023 E. 2.1). Eine Tatsache, deren versehentliche Ausserachtlassung gerügt wird, ist erheblich, wenn der zu revidierende Entscheid bei ihrer Berücksichtigung anders hätte ausfallen müssen (statt vieler: Urteile 4F_16/2022 vom 25. November 2022 E. 3.2, nicht publ. in BGE 149 III 93; 5F_17/2020 vom 12. August 2020 E. 2.2). 
 
4.1. Die Gesuchstellerin macht in nicht leicht verständlichen Vorbringen sinngemäss geltend, das Bundesgericht habe in der angefochtenen Verfügung aus einem Versehen den Streitgegenstand des Verfahrens 4A_86/2024 nicht richtig erfasst. So sei der Streitgegenstand unter dem Rubrum der angefochtenen Verfügung als "Vollstreckung der Mieterausweisung" definiert worden. Es sei dabei übersehen worden, dass die Gesuchstellerin ihre Beschwerde im genannten Verfahren vor jeglicher Ankündigung einer Mieterausweisung und mehr als einen Monat vor ihrer Ausweisung aus dem Mietobjekt eingereicht habe und dass die Beschwerde sich gegen die Gutheissung des von der Gesuchsgegnerin gestellten Gesuchs um Ausweisung aus dem Mietobjekt ("Ausweisung - Rechtsschutz in klaren Fällen") gerichtet habe. Der Schluss, dass das Verfahren als gegenstandslos abzuschreiben gewesen sei, weil die Ausweisung vollstreckt worden war, sei unzutreffend. So sei die Vollstreckung der Ausweisung doch gerade nicht Verfahrensgegenstand gewesen. An der Beurteilung ihrer Beschwerde gegen ihre Ausweisung im Verfahren des Rechtsschutzes in klaren Fällen habe die Gesuchstellerin weiterhin ein schützenswertes Interesse.  
 
4.2. Damit vermag die Gesuchstellerin von vornherein nicht darzutun, dass das Bundesgericht im Sinne von Art. 121 lit. d BGG eine erhebliche Tatsache versehentlich nicht berücksichtigt hätte.  
Wie in der angefochtenen Verfügung festgehalten wurde, sind nach der bundesgerichtlichen Praxis Beschwerdeverfahren, welche die Anfechtung der Kündigung sowie die Ausweisung des Mieters betreffen, als gegenstandslos abzuschreiben, wenn die Mietpartei zwangsweise aus dem Mietobjekt ausgewiesen wurde oder dieses von sich aus verlassen hat, da mit der Räumung des Mietobjekts das Rechtsschutzinteresse an der Beurteilung der Beschwerde dahingefallen ist. Es ist danach in diesem Zusammenhang unerheblich, ob es sich um ein Verfahren handelt, in welchem ausschliesslich die Vollstreckung einer bereits vorher angeordneten Mieterausweisung strittig ist, oder um ein Verfahren, welches die Mieterausweisung (allenfalls verbunden mit Vollstreckungsmassnahmen) zum Gegenstand hat; in beiden Fällen ist das Verfahren wegen Dahinfallens des Rechtsschutzinteresses als gegenstandslos abzuschreiben, wenn die beschwerdeführende Partei nach der Erhebung der Beschwerde aus dem Mietobjekt ausgewiesen wurde, d.h. der Ausweisungsentscheid vollstreckt wurde, was vorliegend unbestrittenermassen der Fall war. 
Die Gesuchstellerin beruft sich damit nicht auf eine Tatsache, die erheblich ist, so dass die angefochtene Verfügung bei ihrer Berücksichtigung anders hätte ausfallen müssen. 
Das Revisionsgesuch ist damit abzuweisen. 
 
4.3. Lediglich ergänzend kann festgehalten werden, dass es auch nicht zutrifft, dass das Bundesgericht die "Tatsache", was Streitgegenstand des Verfahrens 4A_86/2024 war, versehentlich unberücksichtigt liess.  
 
Unter dem Rubrum der angefochtenen Verfügung wurde der Gegenstand des Verfahrens 4A_86/2024 zwar nicht wie im angefochtenen Entscheid des Obergerichts mit "Ausweisung (Rechtsschutz in klaren Fällen) " umschrieben, sondern mit "Vollstreckung der Mieterausweisung". Diese Umschreibung vermag zwar als unvollständig erscheinen, umfasste der Streitgegenstand des Verfahrens doch nicht bloss die Vollstreckung einer zuvor angeordneten Mieterausweisung, sondern auch die Anordnung der Ausweisung. Allerdings wurde in der angefochtenen Verfügung 4A_86/2024 E. 1.1/1.2 aber folgendes festgehalten: 
 
"Mit Urteil vom 21. September 2023 verpflichtete der Einzelrichter im summarischen Verfahren des Bezirksgerichts Meilen die Beschwerdeführerin in Gutheissung eines Ausweisungsbegehrens der Beschwerdegegnerin, die genannte 3-Zimmerwohnung bis spätestens 15. Oktober 2023 zu räumen und der Beschwerdegegnerin ordnungsgemäss gereinigt zu übergeben, unter Androhung der Zwangsvollstreckung im Unterlassungsfall. 
Die Beschwerdeführerin erhob gegen dieses Urteil beim Obergericht des Kantons Zürich Beschwerde, welches dieses Rechtsmittel mit Urteil vom 14. Dezember 2023 abwies. 
1.2 Dagegen erhob die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 1. Februar 2024 Beschwerde in Zivilsachen." 
Daraus ergibt sich klar, dass das Bundesgericht beim Erlass der angefochtenen Verfügung nicht verkannte, dass Streitgegenstand des Verfahrens 4A_86/2024 nicht nur die Vollstreckung der Mieterausweisung, sondern auch deren Anordnung an sich war ("Gutheissung eines Ausweisungsbegehrens der Beschwerdegegnerin"). Eine Nichtberücksichtigung der entsprechenden Tatsache liegt nicht vor. 
 
5.  
Die Gesuchstellerin ersucht für den Fall, dass ihr Gesuch um "réexamen" nicht gutgeheissen werde, darum, den in der angefochtenen Verfügung angegebenen Streitgegenstand zu berichtigen. 
Das Bundesgericht nimmt auf schriftliches Gesuch einer Partei oder von Amtes wegen die Erläuterung oder Berichtigung vor, wenn das Dispositiv eines bundesgerichtlichen Entscheids unklar, unvollständig oder zweideutig ist, seine Bestimmungen untereinander oder mit der Begründung im Widerspruch stehen oder wenn es Redaktions- oder Rechnungsfehler enthält (Art. 129 Abs. 1 BGG; vgl. dazu näher BGE 143 III 420 E. 2.1 S. 422 und E. 2.2 mit Hinweisen). 
Die Gesuchstellerin legt nicht dar, dass diese Voraussetzungen für eine Berichtigung der angefochtenen Verfügung im vorliegenden Fall erfüllt wären. Entsprechendes ist auch nicht ersichtlich, bezieht sich die Kritik der Gesuchstellerin an der angefochtenen Verfügung doch weder auf deren Begründung noch auf deren Dispositiv, sondern einzig auf die Umschreibung des Streitgegenstands unter dem Rubrum. 
Das Berichtigungsgesuch ist daher abzuweisen, soweit darauf überhaupt eingetreten werden kann. 
 
6.  
Die Gesuche um Revision und Berichtigung der Verfügung 4A_86/2024 vom 25. März 2024 sind abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. 
Auf die Erhebung von Gerichtskosten ist ausnahmsweise zu verzichten (Art. 66 Abs. 1 zweiter Satz BGG). Damit wird das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege für das Revisionsverfahren gegenstandslos. 
Die Gesuchsgegnerin hat keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung, da ihr aus dem bundesgerichtlichen Verfahren kein Aufwand entstanden ist (Art. 68 Abs. 1 BGG). 
Der Antrag der Gesuchstellerin um Erteilung der aufschiebenden Wirkung wird mit diesem Entscheid in der Sache selbst gegenstandslos. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Gesuche um Revision und Berichtigung der Verfügung 4A_86/2024 vom 25. März 2024 werden abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Es werden keine Gerichtskosten erhoben und es wird keine Parteientschädigung gesprochen. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 24. Mai 2024 
 
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Jametti 
 
Der Gerichtsschreiber: Widmer