5A_974/2022 28.03.2023
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
5A_974/2022  
 
 
Urteil vom 28. März 2023  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Herrmann, Präsident, 
Bundesrichter von Werdt, Bovey, 
Gerichtsschreiberin Gutzwiller. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Verein B.________, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Vorsorgliche Massnahme (Nichtigkeit, eventualiter Aufhebung von Vereinsbeschlüssen), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Nidwalden, Zivilabteilung, vom 21. Juli 2022 (ZA 22 4). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. Der Verein B.________ ist ein Verein im Sinn von Art. 60 ff. ZGB. Mit Beschluss vom 30. Juni 2021 schloss die Vereinsversammlung A.________ aus dem Verein aus. Bereits zuvor war es zu Verwerfungen zwischen den Parteien gekommen, die zu gerichtlichen Auseinandersetzungen geführt haben. So hat sich das Bundesgericht bereits in den Verfahren 5A_693/2021, 5A_694/2021 und 5A_951/2021 mit den Parteien befasst.  
 
A.b. Mit Klage vom 5. Januar 2022 focht A.________ die an der (Online-) Versammlung des Vereins vom 30. Juni 2021 gefassten Beschlüsse beim Kantonsgericht Nidwalden an. Am 10. Februar 2022 ersuchte er um Anordnung von vorsorglichen Massnahmen im Sinn von Art. 261 f. ZPO. Er beantragte im Wesentlichen die Aussetzung des Vollzugs der angefochtenen Vereinsbeschlüsse. Das Kantonsgericht wies die Massnahmebegehren mit Entscheid vom 3. März 2022 ab.  
 
B.  
Dagegen erhob A.________ am 12. März 2022 beim Obergericht Nidwalden Berufung und verlangte die definitive Anordnung der beantragten vorsorglichen Massnahmen. Mit Entscheid vom 21. Juli 2022 (versandt am 15. November 2022) trat das Obergericht auf das Rechtsmittel nicht ein. Es auferlegte A.________ die Gerichtskosten von Fr. 800.-- und verpflichtete diesen, dem Verein eine Parteientschädigung von Fr. 1'000.-- zu bezahlen. 
 
C.  
 
C.a. Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 16. Dezember 2022 gelangt A.________ (Beschwerdeführer) an das Bundesgericht, dem er beantragt, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und es sei die Sache zur materiellen Beurteilung seiner Berufung an das Obergericht zurückzuweisen; unter Kosten- und Entschädigungsfolgen.  
 
C.b. Ausserdem ersucht der Beschwerdeführer das Bundesgericht, den Verein B.________ (Beschwerdegegner) im Rahmen vorsorglicher Massnahmen unter Androhung der üblichen Straffolgen zu verpflichten, ihn (den Beschwerdeführer) umgehend wieder als Vereinsmitglied zuzulassen und ihn in seinen Mitgliedschaftsrechten bis zum Vorliegen des Entscheids im ordentlichen Verfahren nicht weiter einzuschränken oder von diesen auszuschliessen.  
 
C.c. Das Bundesgericht hat die kantonalen Akten, hingegen keine Vernehmlassungen eingeholt.  
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Der Beschwerde liegt eine Zivilsache zugrunde und der angefochtene Entscheid ist letztinstanzlich (Art. 72 Abs. 1 und Art. 75 Abs. 1 BGG).  
 
1.2. Vor der ersten Instanz ging es um vorsorgliche Massnahmen, die im Rahmen eines Hauptverfahrens beantragt worden sind und die auf eine Regelung der Verhältnisse während der Dauer dieses Verfahrens abzielen.  
 
1.2.1. Entscheide, welche Massnahmen für die Dauer eines hängigen Verfahrens betreffen, schliessen das Hauptsacheverfahren nicht ab und gelten deshalb - von hier nicht gegebenen Ausnahmen abgesehen - als Zwischenentscheide im Sinn von Art. 93 BGG (BGE 144 III 475 E. 1.1.1 mit Hinweisen). Dasselbe gilt für den Entscheid, der auf ein gegen einen erstinstanzlichen Zwischenentscheid gerichtetes Rechtsmittel nicht eintritt (BGE 142 III 653 E. 1.1 mit Hinweis).  
 
1.2.2. Gegen Zwischenentscheide, die vorsorgliche Massnahmen zum Gegenstand haben, ist die Beschwerde in Zivilsachen nur zulässig, wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können (Art. 93 Abs. 1 Bst. a BGG). Der Nachteil bemisst sich an den Auswirkungen auf das Hauptverfahren, d.h. vorliegend anhand der erstinstanzlichen Verfügung und nicht anhand des Nichteintretensentscheids des Obergerichts (BGE 141 III 80 E. 1.2; 137 III 380 E. 1.2.2 mit Hinweisen). Beim nicht wieder gutzumachenden Nachteil muss es sich um einen Nachteil rechtlicher Natur handeln, der auch durch einen für die beschwerdeführende Partei günstigen Entscheid in der Zukunft nicht mehr behoben werden kann. Rein tatsächliche Nachteile reichen nicht aus (BGE 147 III 159 E. 4.1; 144 III 475 E. 1.2; je mit Hinweisen).  
 
1.2.3.  
 
1.2.3.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, während des hängigen Hauptverfahrens könne er seine Mitgliedschaftsrechte nicht wahrnehmen; dieser Nachteil könne nicht wieder gutgemacht werden.  
 
1.2.3.2. Die Anfechtungsklage nach Art. 75 ZGB bewirkt keine Aufschiebung der Wirksamkeit des angefochtenen Vereinsbeschlusses; bis zum rechtskräftigen Entscheid in der Hauptsache befindet sich die Frage, ob der Beschwerdeführer noch Vereinsmitglied ist oder nicht, gewissermassen in einem Schwebezustand (SCHERRER/BRÄGGER, in: Basler Kommentar, Zivilgesetzbuch, 7. Aufl. 2022, N. 31b zu Art. 75 ZGB). Insofern kann der Beschwerdeführer, der gemäss dem in der Hauptsache angefochtenen Vereinsbeschluss aus dem Verein ausgeschlossen wurde, seine Mitgliedschaftsrechte, die ihm kraft seiner (bisherigen) Mitgliedschaft zustanden, vorläufig nicht mehr ausüben. Dieser Umstand allein begründet indes keinen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinn von Art. 93 Abs. 1 Bst. a BGG (vgl. SPRECHER, in: Basler Kommentar, Schweizerische Zivilprozessordnung, 3. Aufl. 2017, N. 35 zu Art. 261 ZPO, der unter Hinweis auf ZR 1986 Nr. 105 darin sogar keinen nicht leicht wiedergutzumachenden Nachteil zu erblicken vermag). Zum einen behauptet der Beschwerdeführer nicht und zeigt nicht auf, inwiefern der angefochtene Entscheid einen präjudizierenden Charakter für den Entscheid in der Hauptsache haben könnte. Zum anderen benennt er keine konkreten Nachteile, die ihm zufolge des - gegebenenfalls vorübergehenden - Ausschlusses von seiner Mitgliedschaft drohen, die nachträglich nicht mehr rückgängig gemacht werden könnten; dass er nicht an einer Vereinsversammlung teilnehmen kann, begründet wie gesagt keinen nicht wieder gutzumachenden Nachteil.  
 
1.2.4. Bei diesem Ergebnis kann das Bundesgericht auf die Beschwerde, soweit diese die vorsorglichen Massnahmen betrifft, nicht eintreten. Die Kostenregelung kann der Beschwerdeführer gestützt auf Art. 93 Abs. 3 BGG nach dem Endentscheid in der Hauptsache bzw. gegebenenfalls mit diesem noch anfechten (BGE 142 II 363 E. 1.1; 137 V 57 E. 1.1; 135 III 329 E. 1.2.2; 133 V 645 E. 2.2).  
 
1.3. Das Bundesgericht könnte ausserdem aus einem weiteren Grund nicht auf die Beschwerde eintreten.  
 
1.3.1. Mit der Beschwerde gegen Entscheide über vorsorgliche Massnahmen kann nur die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden (Art. 98 BGG), wofür das strenge Rügeprinzip im Sinn von Art. 106 Abs. 2 BGG gilt. Das bedeutet, dass das Bundesgericht nur klar und detailliert erhobene und soweit möglich belegte Rügen prüft, während es auf ungenügend begründete Rügen und appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid nicht eintritt (BGE 142 III 364 E. 2.4 mit Hinweisen; 134 II 244 E. 2.2).  
 
1.3.2. Das Kantonsgericht hat das Gesuch aus zwei voneinander unabhängigen Gründen abgewiesen, indem es sowohl die Befürchtung einer Anspruchsverletzung (Hauptsachenprognose; Art. 261 Abs. 1 Bst. a ZPO) als auch einen hieraus drohenden, nicht leicht wieder gutzumachenden Nachteil (Nachteilsprognose; Art. 261 Abs. 1 Bst. b ZPO) als nicht glaubhaft getan erachtete. Das Obergericht erwog, der Beschwerdeführer befasse sich hauptsächlich mit den Erwägungen des Kantonsgerichts zur Hauptsachenprognose. Demgegenüber genügten seine Ausführungen hinsichtlich der Nachteilsprognose den Begründungsanforderungen nicht, weshalb darauf nicht eingetreten werden und folglich offenbleiben könne, wie es sich mit den Rügen betreffend das Scheitern der Hauptsachenprognose verhalte.  
 
1.3.3. Dazu führt der Beschwerdeführer lediglich aus, das Obergericht habe "die Aspekte der Hauptsachen- und Nachteilsprognose einfach mit pauschalen Schlagworten und völlig unsubstantiiert und mit unzutreffenden Rechtsauffassungen" abgetan, und wenn "dann noch der Rettungsanker der 'Nicht-Substantiierung' bemüht werde", sei dies "geradezu peinlich und prozesswidrig". In seinen Ausführungen ruft der Beschwerdeführer weder eine Verfassungsbestimmung an, die verletzt sein soll, noch kann von klar und detailliert vorgetragenen Rügen ausgegangen werden. Sie sind offensichtlich ungenügend begründet, weshalb das Bundesgericht darauf nicht eintritt.  
 
1.4. Gemäss Art. 104 BGG kann das Bundesgericht von Amtes wegen oder auf Antrag einer Partei vorsorgliche Massnahmen treffen, um den bestehenden Zustand zu erhalten oder bedrohte Interessen einstweilen sicherzustellen. Grundsätzlich gelten vom Bundesgericht angeordnete Massnahmen für die Dauer des bundesgerichtlichen Verfahrens. Soweit der Beschwerdeführer beantragt, er sei bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens wieder als Vereinsmitglied zuzulassen, kann auf sein Gesuch deshalb nicht eingetreten werden.  
 
2.  
Einzutreten ist hingegen auf die Rüge, das Obergericht habe im Sinn von Art. 29 Abs. 1 BV das Recht verzögert, und zwar ungeachtet des Umstands, dass der Beschwerdeführer kein diesbezügliches Feststellungsbegehren stellt; aus der Beschwerdebegründung ergibt sich mit genügender Klarheit, was er verlangt (vgl. BGE 137 II 313 E. 1.3). 
 
2.1. Art. 29 Abs. 1 BV gewährleistet - bei gegebenen Voraussetzungen - einen Anspruch auf Erlass eines im Rahmen eines rechtsstaatlichen Verfahrens zustande gekommenen Entscheids und dies "innert angemessener Frist". Die angemessene Frist lässt sich nicht absolut bestimmen. Eine Rechtsverzögerung liegt vor, wenn das zuständige Gericht seinen Entscheid nicht binnen der Frist fällt, welche nach der Natur der Sache und der Gesamtheit der übrigen Umstände (u.a. Bedeutung für den Betroffenen und Berücksichtigung der fallspezifischen Entscheidungsabläufe) als angemessen erscheint. Es spielt keine Rolle, auf welche Gründe die Verzögerung zurückzuführen ist; entscheidend ist, dass das Gericht nicht fristgerecht handelt (zum Ganzen BGE 144 II 486 E. 3.2 mit Hinweisen; 135 I 265 E. 4.4; Urteil 5A_152/2020 vom 7. April 2020 E. 2).  
 
2.2. Das Obergericht hat seinen Entscheid am 21. Juli 2022, also etwas mehr als vier Monate nach Ergreifung der Berufung gefällt. Diese Verfahrensdauer beanstandet der Beschwerdeführer nicht. Er beklagt sich vielmehr über die knapp vier Monate, die das Obergericht anschliessend für die Abfassung der schriftlichen Begründung und den Versand derselben gebraucht hat.  
 
2.3. Vorliegend ist vor Kantonsgericht das Hauptsacheverfahren hängig. Das während der Rechtshängigkeit desselben eingeleitete Verfahren um Erlass einer vorsorglichen Massnahme hemmt den Fortgang des Hauptsacheverfahrens nicht. Der Beschwerdeführer behauptet auch nicht, dieses sei seither oder aber für die Dauer des Rechtsmittelverfahrens stillgestanden. Wie ausgeführt, droht dem Beschwerdeführer aus dem Umstand, dass er während der Dauer des Hauptsacheverfahrens von der Ausübung seiner Rechte als Mitglied des Vereins ausgeschlossen ist, kein nicht wieder gutzumachender Nachteil. Mithin kann bei objektiver Betrachtung nicht gesagt werden, der Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens sei von besonderer Bedeutung für den Beschwerdeführer. Die Sache kann auch nicht als besonders dringlich eingestuft werden. Deshalb war das Obergericht nicht gehalten, das Dossier ausserhalb der Reihe zu bearbeiten. Ausserdem müssen sich die Richterinnen und Richter, die - wie hier - als Spruchkörper mitwirken, nicht nur in Bezug auf das Ergebnis (d.h. das Dispositiv), sondern auch hinsichtlich der Begründung einigen, was erfahrungsgemäss wiederum einige Zeit in Anspruch nehmen kann. In Anbetracht sämtlicher Umstände kann nicht gesagt werden, das Obergericht habe ungebührlich lange gebraucht, um die Begründung seines Entscheids vom 21. Juli 2022 abzufassen. Die Rüge der Rechtsverzögerung ist unbegründet.  
 
3.  
Nach dem Ausgeführten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. 
 
3.1. Mit dem Entscheid in der Hauptsache wird das Gesuch um Erlass vorsorglicher Massnahmen, welches das Bundesgericht von vornherein nur für die Dauer des bundesgerichtlichen Verfahrens erlassen könnte, gegenstandslos.  
 
3.2. Der Beschwerdeführer unterliegt und wird kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Hingegen ist keine Entschädigung geschuldet, zumal sich der Beschwerdegegner nicht vernehmen lassen musste und ihm folglich kein entschädigungspflichtiger Aufwand entstanden ist (Art. 68 Abs. 1 BGG).  
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Nidwalden, Zivilabteilung, mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 28. März 2023 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Herrmann 
 
Die Gerichtsschreiberin: Gutzwiller