5D_6/2024 20.03.2024
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
5D_6/2024  
 
 
Urteil vom 20. März 2024  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Herrmann, Präsident, 
Bundesrichter Hartmann, Bundesrichterin De Rossa, 
Gerichtsschreiber Möckli. 
 
Verfahrensbeteiligte 
1. A.A.________, 
2. B.A.________, 
beide vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Thomas A. Müller, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
C.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Claudia Trösch-Ziegler, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Prozesskosten (Beseitigung von Immissionen), 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Solothurn, Zivilkammer, vom 18. Januar 2024 (ZKBES.2023.55). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Beschwerdeführer bewohnen die Liegenschaft U.________-GBB-xxx. Der Beschwerdegegner bewohnt die benachbarte Liegenschaft U.________-GBB-yyy. 
 
B.  
Mit privatrechtlicher Immissionsklage vom 3. Oktober 2016 verlangten die Beschwerdeführer von ihrem Nachbarn die Begrenzung der von dessen Grundstück ausgehenden WLAN-Emissionen derart, dass keine Immissionen in die Innenräume ihrer eigenen Liegenschaft eindrängen. Überdies verlangten sie vorsorglich, dass eine derartige Begrenzung bereits für die Zeit während des Hauptverfahrens zu verfügen sei, und zwar täglich zwischen 22:00 und 07:00 Uhr. 
An der Hauptverhandlung modifizierten sie ihre Begehren dahin, dass die WLAN-Emissionen zwischen 22:00 und 07:00 Uhr abzuschalten und der Beschwerdegegner zu verpflichten sei, seinen WLAN-Router örtlich vom Büro in das Wohnzimmer zu verschieben und keine zusätzlichen Dauersender zur Versorgung mit Funkinternet in Betrieb zu nehmen. 
Mit Urteil vom 1. März 2023 wies die Amtsgerichtsstatthalterin von Olten-Gösgen die Klage ab; sie auferlegte den Beschwerdeführern die Gerichtskosten von Fr. 16'500.-- unter solidarischer Haftbarkeit und verpflichtete sie, dem Beschwerdegegner eine Parteientschädigung von Fr. 31'877.85 zu bezahlen. 
Dagegen gelangten die Beschwerdeführer an das Obergericht des Kantons Solothurn. Sie stellten materiell die bereits erstinstanzlich erfolgten Begehren und verlangten überdies, dass die Gerichtskosten den Parteien hälftig aufzuerlegen und die Parteikosten wettzuschlagen seien. 
Nachdem der Beschwerdegegner seine Liegenschaft veräussert hatte, trat das Obergericht mit Beschluss vom 18. Januar 2024 auf die Beschwerde nicht ein, auferlegte den Beschwerdeführern die Kosten des Beschwerdeverfahrens von Fr. 1'000.-- und verpflichtete sie zu einer Parteientschädigung von Fr. 2'795.25 an den Beschwerdegegner. 
 
 
C.  
Mit subsidiärer Verfassungsbeschwerde vom 21. Februar 2024 verlangen die Beschwerdeführer, der Kostenentscheid des erstinstanzlichen Urteils und derjenige des zweitinstanzlichen Beschlusses seien aufzuheben, die Gerichtskosten des erstinstanzlichen Verfahrens seien den Parteien hälftig aufzuerlegen, die erstinstanzlichen Parteikosten seien wettzuschlagen, die Gerichtskosten der zweiten Instanz seien dem Beschwerdegegner aufzuerlegen und dieser habe für das zweitinstanzliche Verfahren nach Ermessen des Bundesgerichts eine Parteientschädigung zu leisten. Ferner verlangen sie den Ausstand sämtlicher Bundesrichterinnen und Bundesrichter, welche an den Urteilen 4A_13/2019, 5D_56/2017 und 5D_6/2023 teilgenommen hätten und noch im Amt seien. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Vorab sind die Ausstandsbegehren zu behandeln. Zu diesen ist Folgendes zu bemerken: Das Urteil 4A_13/2019, bei welchem der Beschwerdeführer geltend gemacht hatte, die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses im Zusammenhang mit seiner Elektrosensibilität sei missbräuchlich, wurde von der I. zivilrechtlichen Abteilung gefällt. Auf die gegen die betreffenden Richterinnen gestellten Ablehnungsbegehren ist damit von vornherein nicht näher einzugehen. Das Urteil 5D_56/2017, bei welchem es um vorsorgliche Massnahmen im vorliegenden Kontext ging, und das Urteil 5D_6/2023, welches die Abweisung zusätzlicher Beweisanträge (weitere Stellungnahmen, Konzepte und Gutachten) in der vorliegenden Angelegenheit betraf, wurden zwar von der II. zivilrechtlichen Abteilung gefällt. Indes sind die Ausstandsbegehren ebenfalls gegenstandslos, soweit am vorliegenden Urteil andere Richter mitwirken. Ohnehin bildet die Mitwirkung an einem früheren Urteil für sich genommen keinen Ausstandsgrund (Art. 34 Abs. 2 BGG). Insofern spricht nichts dagegen, dass vorliegend der Präsident der II. zivilrechtlichen Abteilung, welcher bereits am Urteil 5D_6/2023 als Abteilungspräsident beteiligt war, erneut mitwirkt, zumal sich die Begründung für das gegen ihn gestellte Ablehnungsbegehren auf eine Schelte am Urteil 5D_6/2023 beschränkt. 
 
2.  
Angefochten ist der kantonal letztinstanzliche Entscheid in einer Zivilsache mit einem - kantonal festgestellten und beschwerdeweise nicht in Frage gestellten - Streitwert von Fr. 1'500.--. Somit ist nicht die Beschwerde in Zivilsachen, sondern die subsidiäre Verfassungsbeschwerde gegeben (Art. 72 Abs. 1, Art. 74 Abs. 1 lit. b, 75 Abs. 1 und Art. 113 BGG). Daran ändert nichts, dass es vorliegend einzig (noch) um die Kosten geht und diese mehr als Fr. 30'000.-- betragen, denn im Streit um Nebenpunkte, namentlich hinsichtlich der Gerichtskosten und Entschädigungen, folgt der Rechtsweg an das Bundesgericht demjenigen der Hauptsache (BGE 134 I 159 E. 1.1; 138 III 94 E. 2.2). 
 
3.  
Mit der subsidiären Verfassungsbeschwerde kann einzig die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden (Art. 116 BGG), wofür das strenge Rügeprinzip gilt (Art. 106 Abs. 2 i.V.m. Art. 117 BGG). Dies bedeutet, dass anhand der Erwägungen des angefochtenen Entscheids klar und detailliert darzulegen ist, inwiefern verfassungsmässige Rechte verletzt worden sein sollen, während auf appellatorische Ausführungen nicht eingetreten werden kann (BGE 140 III 264 E. 2.3; 142 III 364 E. 2.4). 
 
4.  
Inhaltlich geht es um die Verteilung der kantonalen Prozesskosten. Das Obergericht hat festgehalten, der Verkauf der Liegenschaft während des Beschwerdeverfahrens sei ein echtes Novum, das nicht berücksichtigt werden könne. Indes hätten die Beschwerdeführer nach dem Verkauf kein schutzwürdiges Interesse an der Überprüfung des angefochtenen Urteils mehr. Für die Prozessvoraussetzungen gelte das Novenverbot nicht. Insofern sei auf die Beschwerde nicht einzutreten und lediglich noch über die erst- und zweitinstanzlichen Kosten zu befinden. 
Das Obergericht hat weiter ausgeführt, dass die Beschwerdeführer diesbezüglich vorbringen würden, ihre Beschwerde hätte gutgeheissen werden müssen und der Beschwerdegegner habe den anderen Prozessausgang durch den Verkauf der Liegenschaft provoziert. Demgegenüber mache der Beschwerdegegner geltend, dass das Rechtsschutzinteresse bereits vorher entfallen sei, da spätestens ab 1. Mai 2023 und damit vor Einreichung der Beschwerde in seiner Liegenschaft kein WLAN-Router mehr in Betrieb gewesen sei, was er den Beschwerdeführern mit Schreiben vom 20. März 2023 mitgeteilt habe; überdies sei die Beschwerde offensichtlich aussichtslos gewesen. 
Im Anschluss hat das Obergericht erwogen, grundsätzlich seien die Kosten nach Art. 106 Abs. 1 ZPO zu verteilen. Für ein ausnahmsweises Abweichen vom Unterliegerprinzip könne vorliegend selbst der Auffangstatbestand von Art. 107 Abs. 1 lit. f ZPO nicht greifen, bei welchem es typischerweise um ein ungleiches wirtschaftliches Kräfteverhältnis, um das Verhältnis zwischen Obsiegen und einem Vergleichsangebot, um den Geltungsbereich der Untersuchungsmaxime, um erbrechtliche Prozesse, um Rechtsmissbrauch bzw. rechtsmissbräuchliche Provokation des Prozesses oder um die freiwillige Gerichtsbarkeit gehe. Vielmehr sei es so, dass der Beschwerdeführer 1 die Klage mit der von ihm behaupteten und geltend gemachten Elektrosensibilität begründet habe; der Anlass der Klage liege mithin in seiner Person. Der Betrieb von WLAN-Netzen sei in der Schweiz verbreitet und üblich, würden doch 97,9% der Haushalte über einen Internetzugang verfügen und sei davon auszugehen, dass der überwiegende Teil dieser Haushalte ein hausinternes WLAN-Netz betreibe; dazu kämen zahlreiche WLAN-Netze im öffentlichen Raum. Bereits im Rahmen der vorsorglichen Massnahmen sei eine übermässige Einwirkung auf das Eigentum der Beschwerdeführer verneint worden und das Bundesgericht habe dies geschützt. Ebenso sei im weiteren Beschwerdeverfahren betreffend zusätzliche Beweismassnahmen festgehalten worden, dass keine vom Grundstück des Beschwerdegegners ausgehenden gesundheitsschädigenden elektromagnetischen Felder glaubhaft gemacht seien. Vor diesem Hintergrund sei der Beschwerdegegner weder nach dem Vorsorgeprinzip noch nach Treu und Glauben gehalten gewesen, die Reichweite seiner Geräte zu reduzieren, eine Nachtabschaltung zu aktivieren oder von der Inbetriebnahme eines weiteren Wifi-Funk-Senders abzusehen. Sei ein Nachteil nicht glaubhaft gemacht, laufe die Forderung nach einer schonenden Rechtsausübung ins Leere. Gestützt auf das Gutachten, die eingereichten Urkunden und die Befragung der Beschwerdeführerin 2 sei das Amtsgericht zum Schluss gekommen, dass angesichts der massiven Unterschreitung der geltenden Grenzwerte das WLAN des Beschwerdegegners keine übermässige Einwirkung auf die Liegenschaft der Beschwerdeführer erkennen lasse. Weiter fehle es an einem stringenten Beweis für die behauptete Elektrosensibilität des Beschwerdeführers 1. Der mutmassliche Ausgang des Beschwerdeverfahrens wäre demnach eine Abweisung der Beschwerde gewesen. All diese Überlegungen würden dagegen sprechen, in Bezug auf die Kostenverteilung vom Grundsatz gemäss Art. 106 Abs. 1 ZPO abzuweichen. 
 
5.  
In diesen (stark zusammengefasst wiedergegebenen) Erwägungen liegt keine Verletzung der Begründungspflicht als Teilgehalt des rechtlichen Gehörs gemäss Art. 29 Abs. 2 BV begründet: Ein Entscheid ist so abzufassen, dass der Betroffene ihn gegebenenfalls sachgerecht anfechten kann. Daher müssen - im Sinn der entscheidwesentlichen Gesichtspunkte - wenigstens kurz die Überlegungen genannt werden, von denen sich das Gericht hat leiten lassen und auf welche sich sein Entscheid stützt (BGE 141 III 28 E. 3.2.4; 142 III 433 E. 4.3.2; 143 III 65 E. 5.2). Diesen Anforderungen ist das Obergericht nachgekommen; die 24-seitige Beschwerde zeigt denn auch, dass die Beschwerdeführer die Entscheidbegründung umfassend verstanden haben und somit eine sachgerechte Anfechtung ohne Weiteres möglich wäre. Die Gehörsrüge ist mithin unbegründet. 
 
6.  
Die Willkürrügen erschöpfen sich in einer blossen Wiederholung der bereits vor beiden kantonalen Instanzen vorgetragenen Standpunkte und von der Sache her in appellatorischer Kritik: Der Beschwerdegegner habe mehrfach behauptet, dass er das Funk-Internet während der Nacht abschalte, und er wäre folglich nach Treu und Glauben verpflichtet gewesen, sein Wort zu halten; die Inbetriebnahme zusätzlicher Internet-Funksender wäre als vexatorisch und rechtsmissbräuchlich einzustufen gewesen; bei Immissionsprozessen sei stets die gegenseitige Interessenlage der Parteien zentral und diesbezüglich hätte die Beschwerde gutgeheissen werden müssen, zumal der Beschwerdeführer 1 elektrosensibel sei und der Beschwerdegegner darauf nicht habe Rücksicht nehmen wollen; das Gutachten habe bestätigt, dass das Versetzen des Routers vom Büro ins Wohnzimmer die technisch wirksamste Variante gewesen wäre, um die Immissionen abzuschwächen; der Beschwerdegegner hätte dadurch keine entscheidenden Nachteile erlitten; das Vorsorgeprinzip sei im Sachenrecht analog anzuwenden und die Einhaltung der Grenzwerte spreche nicht gegen eine entsprechende Prüfung, zumal kein Bagatellfall vorliege; insofern sei auch im Privatrecht das subjektive Empfinden der Belästigung zu berücksichtigen; gerade bei fehlender Übermässigkeit greife das Gebot der schonenden Rechtsausübung, was das Obergericht ebenfalls verkannt habe; die Elektrosensibilität des Beschwerdeführers 1 sei durch den Facharzt Dr. med. D.________ ausgewiesen, habe dieser doch eine solche aufgrund der geschilderten Symptome als plausibel eingestuft; der angefochtene Entscheid sei auch im Ergebnis willkürlich, denn es wäre ansonsten generell möglich, grund- und sinnlos Funksender in Betrieb zu nehmen und in Nachbarhäusern WLAN-Immissionen zu verursachen, was nicht im Sinn der Rechtsordnung liegen könne. 
All dies ist nicht im Ansatz geeignet, Willkür darzutun. Der Betrieb von WLAN-Netzen in privaten Haushalten ist üblich und die Emissionen beim Beschwerdegegner liegen bzw. lagen weit unterhalb der relevanten Grenzwerte, so dass nicht zu sehen ist, inwiefern übermässige Einwirkungen im Sinn von Art. 684 ZGB, bei welchen es auf einen objektiven Massstab ankommt (BGE 132 III 49 E. 2.1; Urteile 5A_884/2012 vom 16. Mai 2013 E. 5.1; 5D_91/2020 vom 7. September 2020 E. 3.1; sodann Urteil 5A_47/2016 vom 26. September 2016 E. 4.3 spezifisch betreffend Angst vor Gesundheitsschäden aufgrund einer Mobilfunkanlage und daraus abgeleitete nachbarrechtliche Abwehransprüche), vorliegen könnten. Wenn ausgehend von einer darauf basierenden Hauptsachenprognose die Kosten gemäss dem Grundsatz von Art. 106 Abs. 1 ZPO verteilt wurden, sind sachliche Kriterien zur Anwendung gelangt und folglich im Zusammenhang mit der Kostenverlegung keine Anhaltspunkte für eine Verletzung des Willkürverbotes auszumachen. 
 
7.  
Die Gerichtskosten sind den Beschwerdeführern unter solidarischer Haftbarkeit aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 und 5 BGG). Da keine Vernehmlassungen eingeholt worden sind, ist der Gegenseite kein entschädigungspflichtiger Aufwand entstanden. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Ausstandsgesuche werden abgewiesen, soweit sie nicht gegenstandslos sind. 
 
2.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit auf sie einzutreten ist. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden den Beschwerdeführern unter solidarischer Haftbarkeit auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Solothurn, Zivilkammer, mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 20. März 2024 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Herrmann 
 
Der Gerichtsschreiber: Möckli