5A_116/2023 05.06.2023
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
5A_116/2023  
 
 
Urteil vom 5. Juni 2023  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Herrmann, Präsident, 
Bundesrichter von Werdt, 
nebenamtliche Bundesrichterin Reiter, 
Gerichtsschreiberin Lang. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Julian Burkhalter, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
B.________, 
Beschwerdegegner, 
 
C.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Oliver Bulaty, 
 
Gegenstand 
Vorsorgliche Massnahmen (Kindesschutz), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau, Zivilgericht, 5. Kammer, vom 22. Dezember 2022 (ZSU.2022.179). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. A.________ (geb. 1972) und B.________ (geb. 1973) sind die seit 2005 verheirateten Eltern von C.________ (geb. 2008).  
 
A.b. Die Eltern trennten sich. Im danach eingeleiteten Eheschutzverfahren einigten sie sich darauf, das Kind unter die Obhut des Vaters zu stellen (Entscheid vom 23. Juli 2018).  
 
A.c. Im in der Zwischenzeit eingeleiteten Scheidungsverfahren am Bezirksgericht Zofingen wurde in der Folge ein Gutachten zur Frage eingeholt, mit welcher Regelung der Obhut dem Wohl des Kindes am besten gedient ist (Gutachten vom 9. Dezember 2020). Daraufhin wurde das Kind mit Entscheid vom 29. Juni 2021 zunächst vorsorglich unter die Obhut der Mutter gestellt. Die dagegen - vom Kind - erhobene Berufung wies das Obergericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom 15. November 2021 ab. Die Umsetzung scheiterte jedoch; das Kind wohnte und wohnt weiterhin beim Vater.  
 
A.d. Mit Eingabe vom 14. Januar 2022 beantragte die Beiständin des Kindes dessen vorübergehende Fremdplatzierung. Beide Elternteile beantragten ebenfalls die Fremdplatzierung des Kindes in einer geeigneten Institution (der Vater für die Dauer eines halben Jahres ab Rechtskraft des Entscheids). Mit vorsorglichem Entscheid vom 28. Juni 2022 lehnte das Bezirksgericht die Fremdplatzierung des Kindes ab und stellte es erneut unter die Obhut des Vaters.  
 
B.  
Dagegen erhob die Mutter mit Eingabe vom 18. August 2022 Berufung beim Obergericht. Mit Entscheid vom 22. Dezember 2022 (eröffnet am 9. Januar 2023) wies das Obergericht das Rechtsmittel ab. 
 
C.  
 
C.a. Mit Beschwerde in Zivilsachen und subsidiärer Verfassungsbeschwerde vom 8. Februar 2023 gelangt A.________ (Beschwerdeführerin) an das Bundesgericht. Sie beantragt die Aufhebung des Entscheids des Obergerichts vom 22. Dezember 2022; die Obhut über das Kind solle ihr zugeteilt werden, wobei eventualiter zunächst eine Fremdplatzierung anzuordnen sei. Eventualiter sei der Entscheid des Obergerichts aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an dieses zurückzuweisen. Die Kosten für das Verfahren vor Obergericht und die Kosten des Kinderanwalts seien auf die Staatskasse zu nehmen. Für das bundesgerichtliche Verfahren ersucht die Beschwerdeführerin um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung.  
 
C.b. Das Bundesgericht hat die kantonalen Akten, indes keine Vernehmlassungen eingeholt.  
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Angefochten ist der Endentscheid (Art. 90 BGG; vgl. BGE 134 III 426 E. 2.2 mit Hinweisen) einer letzten kantonalen Instanz, die als oberes Gericht auf Rechtsmittel hin (Art. 75 BGG) über vorsorgliche Massnahmen (Kindesschutz, Obhut) für die Dauer des Scheidungsverfahrens (Art. 276 ZPO) und damit Zivilsachen nach Art. 72 Abs. 1 BGG ohne Streitwert entschieden hat. Die Beschwerde in Zivilsachen ist das zutreffende Rechtsmittel, womit die ebenfalls erhobene subsidiäre Verfassungsbeschwerde nicht zulässig und auf sie daher nicht einzutreten ist (Art. 113 BGG). Die Beschwerdeschrift ist mit einer gültigen qualifizierten elektronischen Signatur versehen (Art. 42 Abs. 4 BGG) und wurde über eine anerkannte Plattform übermittelt (Art. 42 Abs. 4 lit. b BGG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 des Reglements des Bundesgerichts vom 20. Februar 2017 über den elektronischen Rechtsverkehr mit Parteien und Vorinstanzen [ReRBGer; SR 173.110.29]). Die von der legitimierten (Art. 76 Abs. 1 BGG) Beschwerdeführerin rechtzeitig (Art. 100 Abs. 1 BGG) eingereichte Beschwerde erweist sich unter Vorbehalt der folgenden Ausführungen als zulässig.  
 
1.2. Anfechtungsobjekt bildet ausschliesslich der angefochtene Entscheid der Vorinstanz (Art. 75 Abs. 1 BGG). Soweit die Beschwerdeführerin Kritik an der Erstinstanz und am Fachrichter der Erstinstanz äussert, ist darauf daher nicht einzugehen.  
 
2.  
 
2.1.  
 
2.1.1. Massnahmenentscheide, die gestützt auf Art. 276 ZPO ergehen, unterstehen Art. 98 BGG (Urteil 5A_476/2021 vom 20. April 2022 E. 2; vgl. BGE 133 III 393 E. 5.1 und 5.2). Daher kann einzig die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden (BGE 133 III 585 E. 4.1). In Verfahren nach Art. 98 BGG kommt eine Berichtigung oder Ergänzung der Sachverhaltsfeststellungen nur in Frage, wenn die kantonale Instanz verfassungsmässige Rechte verletzt hat. Die Verletzung verfassungsmässiger Rechte prüft das Bundesgericht nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG; Rügeprinzip). Es prüft nur klar und detailliert erhobene und soweit möglich belegte Rügen, während es auf ungenügend begründete Rügen und rein appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid nicht eintritt (BGE 144 II 313 E. 5.1; 142 III 364 E. 2.4; 140 III 264 E. 2.3). Wird eine Verletzung des Willkürverbots geltend gemacht, reicht es sodann nicht aus, die Lage aus der eigenen Sicht darzulegen und den davon abweichenden angefochtenen Entscheid als willkürlich zu bezeichnen. Es ist im Einzelnen darzutun, inwiefern das kantonale Gericht willkürlich entschieden haben soll und der angefochtene Entscheid deshalb auch im Ergebnis an einem qualifizierten und offensichtlichen Mangel leidet (BGE 140 III 16 E. 2.1; 136 I 49 E. 1.4.1; 134 II 244 E. 2.2).  
 
2.1.2. Beim Entscheid über die Obhut ist der Sachrichter in vielfacher Hinsicht auf sein Ermessen verwiesen. In Verfahren, die Art. 98 BGG unterstehen, bleibt der Willkürmassstab entscheidend. Das Bundesgericht schreitet nur ein, wenn die Vorinstanz den Ermessensspielraum über- oder unterschritten oder das Ermessen missbraucht hat und damit zu einem offensichtlich unbilligen, in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken widersprechenden Ergebnis gelangt ist (BGE 143 III 140 E. 4.1.3 mit Hinweis). Missbrauch liegt namentlich dann vor, wenn die Vorinstanz grundlos von in Lehre und Rechtsprechung anerkannten Grundsätzen abgewichen ist, wenn sie Tatsachen berücksichtigt hat, die für den Entscheid im Einzelfall keine Rolle hätten spielen dürfen, oder wenn sie umgekehrt Umstände ausser Betracht gelassen hat, die zwingend hätten beachtet werden müssen. Das Bundesgericht hebt einen Ermessensentscheid allerdings nur dann auf, wenn er sich auch im Ergebnis als offensichtlich unbillig oder als in stossender Weise ungerecht erweist.  
 
2.2. Die geschilderten Anforderungen erfüllt die Beschwerdeschrift über weite Strecken nicht. Sie ist ausserdem oft unklar. So wird beispielsweise unter dem Titel "Verletzung von Art. 9 BV" wiederholt auch Art. 29 Abs. 2 BV angerufen. Auf Einzelheiten wird jeweils im Sachzusammenhang einzugehen sein. Bereits an dieser Stelle sei jedoch folgendes festgehalten: In Bezug auf die Regelung der Kostenfolgen vor den Vorinstanzen (inklusive der Kosten für die Kindesvertretung) macht die Beschwerdeführerin lediglich die Verletzung der Begründungspflicht (Art. 29 Abs. 2 BV) geltend, zulässige Verfassungs- bzw. Willkürrügen (Art. 9 BV) in Bezug auf die Anwendung der entsprechenden Regelungen der ZPO zur Verteilung der Kosten erhebt sie nicht. Dass sie die Kostenregelungen - losgelöst von konkreten Verfassungsrügen - kritisiert, genügt nach dem Gesagten nicht. Vor Bundesgericht erübrigen sich damit diesbezügliche Ausführungen. Dies gilt auch für den Vorwurf, die Vorinstanz "verkenne [...] die Verletzung von Art. 6 Ziff. 1 EMRK", denn die Beschwerdeführerin setzt sich nicht ansatzweise mit der entsprechenden Norm auseinander oder legt dar, inwiefern diese vorliegend verletzt sein soll.  
 
3.  
Geltend gemacht sind vorab Verletzungen des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV). 
 
3.1. Die Beschwerdeführerin rügt im Zusammenhang mit der in Frage stehenden Fremdplatzierung bzw. Obhutszuteilung diverse Verletzungen der Begründungspflicht.  
 
3.1.1. Sie führt aus, dass sich das Obergericht nicht zur fehlenden Erziehungsfähigkeit des Beschwerdegegners äussere und eine sachgerechte Beschwerde deshalb nicht möglich sei. Die Vorinstanz halte es offenbar für unproblematisch, die Obhut bei einer Person zu belassen, die diese Fähigkeit nicht habe; warum das so sei, begründe sie aber "mit keinem Wort". Auch begründe sie "mit keinem Wort", weshalb das Besuchsrecht zur Mutter seit Jahren nicht mehr ausgeübt werde und wie sich das auf das Kindeswohl auswirke.  
 
3.1.2. In seiner Ausprägung der Begründungspflicht verlangt der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV), dass die Behörde die Vorbringen des vom Entscheid in seiner Rechtsstellung Betroffenen auch tatsächlich hört, prüft und in der Entscheidfindung berücksichtigt. Daraus folgt die Verpflichtung der Behörde, ihren Entscheid zu begründen. Dabei ist es nicht erforderlich, dass sie sich mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzt und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegt. Vielmehr kann sie sich auf die für den Entscheid wesentlichen Punkte beschränken. Die Begründung muss so abgefasst sein, dass sich der Betroffene über die Tragweite des Entscheids Rechenschaft geben und ihn in voller Kenntnis der Sache an die höhere Instanz weiterziehen kann (BGE 146 II 335 E. 5.1; 143 III 65 E. 5.2).  
 
3.1.3. Diesen Vorgaben genügt der angefochtene Entscheid. Welche Aspekte die Vorinstanz als massgeblich erachtet hat, ergibt sich aus ihm nämlich sehr wohl (insbesondere die bisher unauffällige Entwicklung des Kindes, angesichts derer die Gefahr der Entwicklung einer Persönlichkeitsstörung im bisherigen Umfeld geringer zu gewichten sei als die Gefahr von unerwünschten Wirkungen einer Fremdplatzierung, nicht zuletzt aufgrund der plausiblen Annahme, dass das Kind die Beschwerdeführerin für die Fremdplatzierung verantwortlich machen und sich die Beziehung zwischen Mutter und Tochter damit noch weiter verhärten würde; darüber hinaus habe die Gutachterin bereits vor einiger Zeit ausgesagt, es sei vielleicht schon zu spät, weshalb ohnehin fraglich sei, ob die Fremdplatzierung die erwünschten Wirkungen noch erzielen könne). Es war der Beschwerdeführerin daher auch möglich, diese als willkürlich zu kritisieren (vgl. hinten E. 4.2). Eine Verletzung der Begründungspflicht kann demzufolge nicht festgestellt werden und die Beschwerde erweist sich insoweit als unbegründet.  
 
3.1.4. Dies gilt auch für diverse weitere "Rügen" in Bezug auf das rechtliche Gehör. Die anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin ruft Art. 29 Abs. 2 BV wiederholt im Nachgang zu einem Willkürvorwurf betreffend die Würdigung des gerichtlichen Gutachtens an. Art. 29 Abs. 2 BV kommt jedoch in diesem Zusammenhang keine selbständige Bedeutung zu; die Beschwerdeführerin vermischt die Frage nach der willkürlichen Beweiswürdigung mit den Voraussetzungen des rechtlichen Gehörs. Darauf ist nicht weiter einzugehen.  
 
3.2. Im Zusammenhang mit den Kosten vor den kantonalen Instanzen rügt die Beschwerdeführerin sodann die Verletzung verschiedener Teilaspekte des Anspruchs auf rechtliches Gehör.  
 
3.2.1. Die Erstinstanz hatte der Beschwerdeführerin die Kostennote des Kinderanwalts nicht zugestellt. Die Vorinstanz schloss daher auf die Verletzung des rechtlichen Gehörs der Beschwerdeführerin. Da diese spätestens im Zeitpunkt der Berufungserhebung von der Kostennote Kenntnis gehabt und entsprechend um Akteneinsicht ersuchen und zur Kostennote hätte Stellung nehmen können, könne diese Verletzung im Berufungsverfahren aber als geheilt gelten. Soweit die Beschwerdeführerin rügt, es verletze das rechtliche Gehör, wenn offengelassen werde, ob das rechtliche Gehör verletzt worden sei, und die Vorinstanz verkenne, dass das rechtliche Gehör nicht bloss wegen dem Verhandlungstermin, sondern auch wegen der Kostenpflicht gegenüber dem Kinderanwalt verletzt worden sei, gehen ihre Ausführungen offensichtlich fehl. Die Beschwerdeführerin beanstandet weiter, dass sich die Vorinstanz nicht dazu äussere, dass es sich auf die Kostenverteilung auswirke, wenn die erste Instanz das rechtliche Gehör verletze. Es äussere sich auch nicht dazu, warum die Beschwerdeführerin die Kosten des Kinderanwalts tragen solle und wie die Höhe der erstinstanzlich auferlegten Entschädigungen ohne Kenntnis der Kostennote hätte gerügt werden können. Eine sachgerechte Beschwerde sei nicht möglich. Auch diesbezüglich genügt der angefochtene Entscheid jedoch den Anforderungen von Art. 29 Abs. 2 BV. Die Vorinstanz schützte die erstinstanzliche Kostenregelung mit Hinweis auf Art. 107 Abs. 1 lit. c ZPO und verteilte die Kosten für das Berufungsverfahren gemäss Art. 106 Abs. 1 ZPO, wobei sie das Argument der Beschwerdeführerin verwarf, diese sei "in die Berufung gezwungen worden". Sie hat ihren Entscheid daher ausreichend begründet.  
 
3.2.2. Die Beschwerdeführerin kritisiert ausserdem, die Vorinstanz habe ihr "die Stellungnahme der Beschwerdegegnerin nicht vorab, sondern erst zusammen mit dem Endentscheid zugestellt" und ihr damit keine Möglichkeit zur Replik gelassen. Diese Ausführungen sind schlicht nicht nachvollziehbar: So fehlt es im vorliegenden Verfahren bereits an einer Beschwerdegegnerin und erklärt die Beschwerdeführerin mit keinem Wort, welche Stellungnahme ihr erst mit dem angefochtenen Entscheid zugestellt worden sein soll. Sollte sich die Beschwerdeführerin auf die Kostennote des Kindesvertreters und damit das Verfahren vor der Erstinstanz beziehen, liesse sich hieraus jedenfalls keine Verletzung des Replikrechts durch die Vorinstanz ableiten (siehe E. 1.2).  
 
4.  
In der Sache umstritten ist die Fremdplatzierung des Kindes bzw. die Zuteilung der Obhut. 
 
4.1. Die Vorinstanz erwog, Ziel der im Gutachten empfohlenen Um- oder Fremdplatzierung sei es gewesen, die Entwicklung einer Persönlichkeitsstörung beim Kind abzuwenden, welche ihm infolge des symbiotischen Zusammenlebens mit dem Beschwerdegegner drohe. Dies stelle durchaus eine Kindeswohlgefährdung dar, die Anlass zu Kindesschutzmassnahmen geben könne. Unter Würdigung aller Umstände beanstandete es die Vorinstanz allerdings nicht, dass die Erstinstanz von einer Fremdplatzierung abgesehen hatte. Die Vorinstanz begründete ihren Entscheid wie folgt:  
 
4.1.1. Die mit Entscheid vom 29. Juni 2021 angeordnete Umplatzierung des Kindes, das diese beharrlich ablehne, könne mit verhältnismässigen Vollstreckungsmitteln nicht erzwungen werden. Die Erstinstanz habe daher zu Recht nicht an dieser Regelung festgehalten.  
 
4.1.2. In Bezug auf die Frage, ob das Kind fremdplatziert werden soll, sei weiter zu beachten, dass die Gutachterin zwei wesentliche Vorbehalte zu ihrer Empfehlung vorgebracht habe. Erstens habe sie bereits bei ihrer Anhörung die Befürchtung geäussert, dass es für die empfohlenen Massnahmen schon zu spät sein könne. Da in der Zwischenzeit bald zwei Jahre vergangen seien, erscheine es höchst fraglich, ob die Massnahme heute die gewünschte Wirkung noch entfalten könne. Zweitens habe die Gutachterin selber sinngemäss ausgedrückt, dass es eine vom Gericht zu beurteilende Wertungsfrage sei, ob eine von der betroffenen Person subjektiv nicht als solche empfundene Persönlichkeitsstörung eine Gefährdung darstelle, welche die empfohlenen einschneidenden Massnahmen rechtfertige. Nachdem das Kind in der Schule unauffällig sei bzw. gute Leistungen erbringe und auch an ausserschulischen Aktivitäten teilnehme, habe sich die Befürchtung der Gutachterin, dass das Kind (schon zum Zeitpunkt der Begutachtung) eine narzisstische Störung entwickelt haben könne, im Alltag nicht manifestiert. Ausserdem sei dem autonom gebildeten Willen des Kindes bei der Ausgestaltung des Eltern-Kind-Verhältnisses mit zunehmendem Alter grösseres - und mit 14 Jahren ein relativ grosses - Gewicht beizumessen. Eine Fremdplatzierung gegen den Willen des Kindes rechtfertige sich angesichts der - abgesehen von der Kontaktverweigerung zur Mutter - unauffälligen Entwicklung nicht. Jedenfalls sei die Ermessensausübung der Erstinstanz nicht zu beanstanden, wenn diese die Gefahr der Entwicklung einer Persönlichkeitsstörung im bisherigen Umfeld geringer gewichte als die Gefahr von unerwünschten Wirkungen einer Fremdplatzierung, nicht zuletzt aufgrund der plausiblen Annahme, dass das Kind die Beschwerdeführerin für die Fremdplatzierung verantwortlich machen und sich die Beziehung zwischen Mutter und Tochter damit noch weiter verhärten würde.  
 
4.2. Die Beschwerdeführerin rügt diesbezüglich Willkür (Art. 9 BV). Die Erwägungen der Vorinstanz betreffend Abänderung der bestehenden Obhutsregelung (bei der Mutter) greift sie jedoch nicht an bzw. begründet sie nicht, weshalb die Obhut ihr (weiterhin) zugeteilt werden soll. Ihre Kritik scheint vielmehr auf die Anordnung einer Fremdplatzierung abzuzielen. Auf ihren Hauptantrag wäre daher gar nicht einzutreten. Ohnehin erschöpfen sich ihre Ausführungen mehrheitlich in einer appellatorischen Kritik am angefochtenen Entscheid. Willkür in der Beweiswürdigung oder der Ermessensausübung (siehe E. 2.1.2) vermag die Beschwerdeführerin hingegen nicht darzutun:  
 
4.2.1.  
 
4.2.1.1. Mehrfach bemängelt die Beschwerdeführerin, dass die Vorinstanz vom Gutachten abweiche bzw. dieses "ohne fundierte Begründung als unzutreffend" erkläre, weil ein Fachrichter eine andere Auffassung als die Gutachterin vertrete, obschon die Gutachterin mit der Meinung dieses Fachrichters nie konfrontiert worden sei und keine Kritik an ihrem Gutachten geübt werde. Das Abstellen auf diese im Übrigen nicht umfassend schriftlich dokumentierte Meinung des Fachrichters sei willkürlich.  
 
4.2.1.2. Die Kritik der Beschwerdeführerin in Bezug auf die Stellungnahme des Fachrichters betrifft offensichtlich nicht den vor-, sondern den erstinstanzlichen Entscheid, die Vorinstanz hat nicht auf diese Stellungnahme abgestellt. Entsprechende Rügen wären daher bereits vor Vorinstanz zu erheben gewesen, vor Bundesgericht ist dies mangels materieller Ausschöpfung des Instanzenzuges nicht mehr zulässig (BGE 143 III 290 E. 1.1 mit Hinweisen). Auf die diesbezüglichen Ausführungen der Beschwerdeführerin zum angeblich willkürlichen Abstellen auf die Stellungnahme des Fachrichters ist daher nicht weiter einzugehen (siehe auch E. 1.2).  
 
4.2.2.  
 
4.2.2.1. Ferner rügt die Beschwerdeführerin, die Vorinstanz sei willkürlich und ohne dafür Gründe zu nennen vom Gutachten abgewichen bzw. widerspreche dem Gutachten. Dies treffe auf die "Meinung" der Vorinstanz zu, die narzisstische Störung habe sich noch nicht manifestiert bzw. das Verhalten des Kindes sei - abgesehen von der Kontaktverweigerung zur Mutter - unauffällig. Die Vorinstanz habe sich mit verschiedenen Aussagen des Gutachtens hierzu, wonach das Kind bereits jetzt narzisstische Züge aufweise und es kein glückliches Leben haben werde, nicht befasst und verkenne, dass dieses "alles gut" (sehr gute Noten usw.) Teil des Problems sei bzw. sich dies erst später gegen das Kind wenden werde.  
 
4.2.2.2. Die Beschwerdeführerin ist letztlich selbst der Auffassung, dass im Moment - bis auf die Kontaktverweigerung, die die Vorinstanz explizit in ihre Beurteilung einbezogen hat, und dem altklugen Verhalten gegenüber den Klassenkameraden - "alles gut" sei und sich allfällige Probleme erst später zeigen würden. Damit lässt sich Willkür in der vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellung, wonach sich die narzisstische Störung jedenfalls im Alltag angesichts der guten schulischen Leistungen und der Teilnahme an ausserschulischen Aktivitäten nicht manifestiert habe, nicht begründen. Die drohende Entwicklung einer Persönlichkeitsstörung hat die Vorinstanz im Übrigen sehr wohl beachtet und auch die Kontaktverweigerung hat die Vorinstanz explizit als Verhaltensauffälligkeit gewertet. Eine Abweichung vom Gutachten ist nicht ersichtlich, die Kritik der Beschwerdeführerin zielt ins Leere.  
 
4.2.3.  
 
4.2.3.1. Willkürlich ist es nach Ansicht der Beschwerdeführerin auch, dem Willen des Kindes wegen dessen Intelligenz ein grosses bzw. grösseres Gewicht beizumessen. Die Gutachterin halte diesen Willen bzw. die kognitive Fitness des Kindes für unbeachtlich. Auf einen selbstschädigenden Willen sei ohnehin nicht abzustellen. Im Übrigen handle es sich gar nicht um den Willen des Kindes, da ihm dieser seit der Trennung der Parteien vom Beschwerdegegner implantiert worden sei.  
 
4.2.3.2. In diesem Zusammenhang geht die Beschwerdeführerin nicht auf den gemäss Vorinstanz wesentlichen Ausfluss dieses Willens ein, nämlich die Vollzugsproblematik, die sich angesichts des Alters des Kindes unabhängig von dessen Intelligenz stellt. Sie legt insbesondere nicht dar, wie das Kind dazu bewegt werden könnte, in einer Institution oder bei der Mutter zu bleiben, wenn es dies nicht will. Daran ändern die Behauptungen der Beschwerdeführerin zur (Un-) Durchführbarkeit des Besuchsrechts nichts, im Gegenteil belegt dies das Unvermögen äusserer Massnahmen in Anbetracht des starken Kindeswillens. Inwieweit dieser Wille allenfalls auf einer früheren oder aktuellen Instrumentalisierung gründet, ändert an der Vollzugsproblematik ebenfalls nichts.  
 
4.3. Zusammenfassend bleibt die Kritik der Beschwerdeführerin rein appellatorisch. Mit den Ausführungen der Vorinstanz, wonach die Gutachterin selber sinngemäss ausgedrückt habe, dass es eine vom Gericht zu beurteilende Wertungsfrage sei, ob eine von der betroffenen Person subjektiv nicht als solche empfundene Persönlichkeitsstörung eine Gefährdung darstelle, welche die empfohlenen einschneidenden Massnahmen rechtfertige, setzt sie sich nicht auseinander. Entsprechend gelingt es ihr auch nicht mit den Hinweisen darauf, dass gemäss der Gutachterin erst mit 25 Jahren oder später mit ernsthaften Problemen zu rechnen sei, die Ermessensausübung der Vorinstanz bzw. das Ergebnis der Abwägung zwischen den Nachteilen der Fremdplatzierung und den Nachteilen einer Obhut beim Beschwerdegegner als willkürlich auszuweisen. Daran ändert auch ihre Kritik nichts, die Beziehung zur Mutter sei dermassen verhärtet, dass eine Verschlechterung aufgrund einer Schuldzuweisung in Bezug auf die Fremdplatzierung nicht möglich sei. Willkürlich erscheint dieser Schluss jedenfalls entgegen den Ausführungen der Beschwerdeführerin nicht. Ausserdem erhebt diese keine Willkürrüge in Bezug auf die Erwägung der Vorinstanz, es sei fraglich, ob die erwünschten Wirkungen noch erzielt werden könnten; Willkür ist in diesem Schluss aber ohnehin nicht erkennbar. Schliesslich erachtet selbst die Beschwerdeführerin die Fremdplatzierung als "Schock". Inwiefern die in diesem Zusammenhang getätigten Überlegungen der Vorinstanz zur Verhältnismässigkeit einer derart einschneidenden Massnahme im Ergebnis offensichtlich stossend und damit willkürlich sein sollen, geht aus der Beschwerde nicht hervor, zumal sich die übrigen Willkürrügen als unbegründet erwiesen haben.  
 
5.  
Insgesamt ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Kosten der unterliegenden Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Da keine Vernehmlassungen eingeholt wurden, ist sie nicht entschädigungspflichtig (Art. 68 Abs. 1-3 BGG). Das Gesuch der Beschwerdeführerin um unentgeltliche Rechtspflege ist abzuweisen, da die Beschwerde aufgrund des vorstehend Ausgeführten als von Anfang an aussichtslos eingestuft werden muss (Art. 64 Abs. 1 BGG). Die zwar in Aussicht gestellte aber nicht erfolgte Einreichung aktueller Belege zur Mittellosigkeit ist damit nicht mehr relevant. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Das Gesuch der Beschwerdeführerin um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
4. 
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Obergericht des Kantons Aargau, Zivilgericht, 5. Kammer, mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 5. Juni 2023 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Herrmann 
 
Die Gerichtsschreiberin: Lang