9C_475/2022 04.12.2023
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
9C_475/2022  
 
 
Urteil vom 4. Dezember 2023  
 
III. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Parrino, Präsident, 
Bundesrichter Stadelmann, 
Bundesrichterin Scherrer Reber, 
Gerichtsschreiberin Dormann. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Markus Stadelmann, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons Thurgau, Rechts- und Einsprachedienst, 
St. Gallerstrasse 11, 8500 Frauenfeld, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau 
vom 10. August 2022 (VV.2021.261/E). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die IV-Stelle des Kantons Thurgau verneinte mit Verfügung vom 7. Juli 2010 einen Anspruch des 1969 geborenen A.________ auf Leistungen der Invalidenversicherung infolge verweigerter Mitwirkung an Eingliederungsmassnahmen. Im April 2019 meldete sich der Versicherte erneut zum Leistungsbezug an. Nach Abklärungen und Durchführung des Vorbescheidverfahrens verneinte die IV-Stelle mit Verfügung vom 12. Oktober 2021 wiederum einen Leistungsanspruch. 
 
B.  
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau mit Entscheid vom 10. August 2022 ab. 
 
C.  
A.________ lässt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragen, der Entscheid vom 10. August 2022 sei aufzuheben und die Angelegenheit sei zu weiteren Abklärungen bzw. zur Einholung eines unabhängigen polydisziplinären Gutachtens an das kantonale Gericht zurückzuweisen. 
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das kantonale Gericht beantragt ebenfalls die Abweisung; eventualiter sei die Sache unter Aufhebung der Verfügung vom 12. Oktober 2021 an die IV-Stelle zurückzuweisen. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist ein reformatorisches Rechtsmittel (Art. 107 Abs. 2 BGG), weshalb ein Rechtsbegehren grundsätzlich reformatorisch gestellt sein muss. Ein rein kassatorisches Begehren ist jedoch zulässig, wenn das Bundesgericht ohnehin nicht in der Sache entscheiden könnte. Dies ist namentlich bei einer ungenügenden Sachverhaltsabklärung durch die Vorinstanz der Fall (Urteil 8C_109/2023 vom 5. Juni 2023 E. 1 mit Hinweis). Auf die Beschwerde, mit der diese Rüge erhoben wird und die letztlich auf die Zusprache von Invalidenleistungen (Eingliederungsmassnahme[n] und/oder Invalidenrente) zielt, ist deshalb einzutreten.  
 
1.2. Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen vor Bundesgericht nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG), was in der Beschwerde näher darzulegen ist (BGE 133 III 393 E. 3). Der vorinstanzliche Verfahrensausgang allein bildet noch keinen hinreichenden Anlass im Sinne von Art. 99 Abs. 1 BGG für die Zulässigkeit von unechten Noven, die bereits im kantonalen Verfahren ohne Weiteres hätten vorgebracht werden können (BGE 143 V 19 E. 1.2).  
Der Beschwerdeführer reicht neu die Berichte des Dr. med. B.________vom 9. Dezember 2021 und des dipl. Arzt C.________ vom 2. August 2022ein. Es ist nicht ersichtlich und wird auch nicht dargelegt, weshalb diese Berichte nicht schon im vorinstanzlichen Verfahren hätten beigebracht werden können. Sie sind daher unzulässig. Gleiches gilt für die entsprechenden neuen Behauptungen. 
 
1.3. Soweit der Beschwerdeführer auf seine vorinstanzliche Beschwerde und die damit eingereichten Akten verweist, genügt dies den Anforderungen an eine Begründung nach Art. 42 Abs. 2 BGG nicht (BGE 148 V 408 E. 4.2; 138 IV 47 E. 2.8.1; Urteil 4A_471/2023 vom 3. Oktober 2023 E. 2.1). Darauf ist von vornherein nicht einzugehen.  
 
1.4. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG; BGE 135 II 384 E. 2.2.1). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG).  
 
2.  
 
2.1. Im angefochtenen Entscheid werden die rechtlichen Grundlagen für den Anspruch auf Eingliederungsmassnahmen und eine Invalidenrente (Art. 7 f. ATSG, Art. 8 Abs. 1 und 3 sowie Art. 28 IVG, Letztere in der bis Ende 2021 geltenden und hier anwendbaren [vgl. BGE 144 V 210 E. 4.3.1] Fassung) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.  
 
2.2.  
 
2.2.1. Zu ergänzen ist Folgendes: Bei der Beurteilung der Arbeits (un) fähigkeit stützt sich die Verwaltung und im Beschwerdefall das Gericht auf Unterlagen, die von ärztlichen und gegebenenfalls auch anderen Fachleuten zur Verfügung zu stellen sind. Ärztliche Aufgabe ist es, den Gesundheitszustand zu beurteilen und dazu Stellung zu nehmen, in welchem Umfang und bezüglich welcher Tätigkeiten die versicherte Person arbeitsunfähig ist. Hinsichtlich des Beweiswertes eines Arztberichtes ist entscheidend, ob dieser für die streitigen Belange umfassend ist, auf allseitigen Untersuchungen beruht, auch die geklagten Beschwerden berücksichtigt, in Kenntnis der Vorakten (Anamnese) abgegeben worden ist, in der Beurteilung der medizinischen Zusammenhänge sowie der medizinischen Situation einleuchtet, und ob die Schlussfolgerungen der Experten begründet sind (BGE 134 V 231 E. 5.1; 125 V 351 E. 3a mit Hinweis).  
 
2.2.2. Geht es um psychische Erkrankungen wie eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, ein damit vergleichbares psychosomatisches Leiden (vgl. BGE 140 V 8 E. 2.2.1.3) oder depressive Störungen leicht- bis mittelgradiger Natur (BGE 143 V 409 und 418), sind für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit systematisierte Indikatoren (Beweisthemen, Indizien) beachtlich, die - unter Berücksichtigung leistungshindernder äusserer Belastungsfaktoren einerseits und Kompensationspotentialen (Ressourcen) anderseits - erlauben, das tatsächlich erreichbare Leistungsvermögen einzuschätzen (BGE 141 V 281 E. 2, E. 3.4-3.6 und 4.1).  
 
3.  
Die Vorinstanz hat insbesondere erwogen, der behandelnde Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, dipl. Arzt C.________, habe in den Berichten vom 31. Juli und 20. Dezember 2020 als einzige Diagnose mit Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit eine depressive Störung (ICD-10: F33.1) genannt. Der substituierten rezidivierenden Opioidabhängigkeit des Beschwerdeführers (ICD-10: F11.22) habe er keine Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit beigemessen. Er habe ausgeführt, dass die depressive Symptomatik stark von den körperlichen Beschwerden resp. von den Fussschmerzen des Versicherten abhänge. Er habe diesem keine psychisch bedingte Arbeitsunfähigkeit attestiert. Vielmehr sei er zur Überzeugung gelangt, dass die somatischen Beschwerden im Vordergrund gestanden hätten. Anlässlich eines Telefongesprächs mit der IV-Stelle im Januar 2021 habe der Arzt die Auffassung vertreten, dass der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers lediglich aus somatischer Sicht schlecht sei und sich in psychischer Hinsicht nicht mehr verändern werde. Damit erscheine eine psychisch bedingte Arbeitsunfähigkeit des Beschwerdeführers nicht überwiegend wahrscheinlich. Diesbezüglich seien keine weiteren Abklärungen angezeigt gewesen. 
Der Hausarzt Dr. med. D.________, Facharzt für Allgemeine Innere Medizin, habe in den Berichten vom 28. April 2019 und 27. Januar 2021 mehrere Diagnosen mit Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit und diesbezüglich eine "äusserst schlechte" Prognose gestellt. Er habe die Frage nach zumutbaren Tätigkeiten mit "???? nur sitzend?" beantwortet und sich nicht in der Lage gesehen, Angaben zur Arbeitsfähigkeit des Versicherten zu machen; im Widerspruch dazu habe er in Arztzeugnissen Arbeitsfähigkeiten von 0 resp. 5 % attestiert ohne diese divergierenden Angaben zu begründen. Seine Angaben zur Arbeitsunfähigkeit seien daher nicht aussagekräftig. Zudem habe er die Eingliederung des Beschwerdeführers durch dessen psychische Situation behindert gesehen. Dr. med. E.________, Facharzt für Allgemeine Innere Medizin sowie für Allergologie und klinische Immunologie, habe im Bericht vom 24. April 2019 als Diagnose mit Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit einzig eine chronische nicht induzierbare Urtikaria genannt und die Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers als "gut" beurteilt. Sodann habe Dr. med. F.________, Facharzt für Orthopädische Chirurgie und Traumatologie des Bewegungsapparates, ebenfalls mehrere Diagnosen mit Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit gestellt (Berichte vom 16. Juni und 7. Juli 2020), jedoch nicht weiter dargelegt, inwiefern diese eingeschränkt sein sollte. Zudem sei er nicht näher auf die Ergebnisse der radiologischen Abklärung eingegangen, wo lediglich ein kleiner plantarer Fersensporn ohne signifikante Entzündungsreaktion der Plantarfaszie erkannt worden sei. Da somit den Berichten des Dr. med. F.________ und auch den Akten insgesamt keine gefestigte somatische Diagnose mit Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit zu entnehmen sei, seien aus somatischer Sicht keine weiteren Abklärungen angezeigt gewesen. Sodann seien neurologische Berichte von verschiedenen Ärzten des Kantonsspitals St. Gallen aktenkundig. Im jüngsten (vom 27. Juli 2020) sei ein chronisches Schmerzsyndrom nach Gerbershagen Typ II diagnostiziert worden; gleichzeitig hätten die Ärzte aber beginnende positive Auswirkungen der Physiotherapie auf Muskelaufbau und Stimmung festgestellt. Anhaltspunkte für eine eingeschränkte Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers oder die Notwendigkeit ergänzender Abklärungen seien somit auch angesichts der neurologischen Fachberichte nicht ersichtlich. Der Terminvorschlag des lnstituts G.________ zur weiteren Untersuchung der Fussbeschwerden vermöge ebenfalls keine Arbeitsunfähigkeit zu belegen. 
Gestützt auf die Stellungnahmen der Dres. med. H.________ und I.________, Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie resp. für Physikalische Medizin und Rehabilitation beim Regionalen Ärztlichen Dienst (RAD), und in Anbetracht des Fehlens einer gefestigten (somatischen) Diagnose mit Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit seien auch unter Berücksichtigung des Untersuchungsgrundsatzes keine weiteren medizinischen Abklärungen angezeigt gewesen. Die IV-Stelle habe zu Recht eine (drohende) Invalidität und folglich einen Anspruch auf berufliche Massnahmen oder eine Invalidenrente verneint. 
 
4.  
 
4.1. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes. Er macht im Wesentlichen geltend, entgegen den Ausführungen der Vorinstanz bestehe keine hinreichende Klarheit über seinen Gesundheitszustand und seine Arbeitsfähigkeit. Er leide an einem komplexen Beschwerdebild und habe sich bei vielen Spezialisten psychiatrisch und somatisch untersuchen und behandeln lassen. Es seien diverse Diagnosen gestellt worden. Die Angaben des Hausarztes zur Arbeitsunfähigkeit seien nicht widersprüchlich; vielmehr habe er mit Bezug auf den ersten Arbeitsmarkt stets eine vollständige Arbeitsunfähigkeit attestiert. Dass die beigezogenen Spezialärzte keine Einschätzung der Arbeitsfähigkeit abgaben, dürfe nicht mit dem gänzlichen Fehlen einer relevanten Arbeitsunfähigkeit gleichgesetzt werden. Auch wenn sich die erheblichen Fussbeschwerden nicht abschliessend erklären liessen, seien sie nicht in Zweifel gezogen worden; verschiedene Ärzte hätten denn auch unklare Schmerzen resp. eine allfällige psychosomatische Problematik erkannt. Die Stellungnahmen der RAD-Ärzte hätten nicht auf eigenen Untersuchungen beruht und keine abschliessende Beurteilungsgrundlage bilden können, sofern - wie hier - die Akten keine genügenden beweistauglichen Unterlagen enthielten. Zwar sei nachvollziehbar, dass für die Arbeitsfähigkeit nicht auf die Einschätzungen seines Hausarztes abgestellt werden könne; indessen hätte zwingend ein unabhängiges medizinisches Gutachten eingeholt werden müssen. Erst auf einer solchen Basis lasse sich der Anspruch auf eine Rente oder auf Eingliederungsmassnahmen zuverlässig beurteilen.  
 
4.2. Sowohl das Verwaltungsverfahren als auch der kantonale Sozialversicherungsprozess sind vom Untersuchungsgrundsatz beherrscht (Art. 43 Abs. 1 und Art. 61 lit. c ATSG). Danach haben Verwaltung und Sozialversicherungsgericht den rechtserheblichen Sachverhalt von Amtes wegen festzustellen. Diese Untersuchungspflicht dauert so lange, bis über die für die Beurteilung des streitigen Anspruchs erforderlichen Tatsachen hinreichende Klarheit besteht. Führen die im Rahmen des Untersuchungsgrundsatzes von Amtes wegen vorzunehmenden Abklärungen den Versicherungsträger oder das Gericht bei umfassender, sorgfältiger, objektiver und inhaltsbezogener Beweiswürdigung (BGE 132 V 393 E. 4.1) zur Überzeugung, ein bestimmter Sachverhalt sei als überwiegend wahrscheinlich zu betrachten, und es könnten weitere Beweismassnahmen an diesem feststehenden Ergebnis nichts mehr ändern, so liegt im Verzicht auf die Abnahme weiterer Beweise keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (antizipierende Beweiswürdigung; BGE 144 V 361 E. 6.5; 136 I 229 E. 5.3). Bleiben jedoch erhebliche Zweifel an Vollständigkeit und/oder Richtigkeit der bisher getroffenen Tatsachenfeststellung bestehen, ist weiter zu ermitteln, soweit von zusätzlichen Abklärungsmassnahmen noch neue wesentliche Erkenntnisse zu erwarten sind (Urteile 8C_668/2022 vom 29. Juni 2023 E. 6.1.1; 8C_109/2023 vom 5. Juni 2023 E. 4.1; je mit weiteren Hinweisen).  
Frei überprüfbare Rechtsfrage ist, ob die rechtserheblichen Tatsachen vollständig festgestellt und ob der Untersuchungsgrundsatz bzw. die Beweiswürdigungsregeln nach Art. 61 lit. c ATSG beachtet wurden. Gleiches gilt für die Frage, ob den medizinischen Gutachten und Berichten im Lichte der praxisgemässen Anforderungen Beweiswert zukommt (Urteile 8C_296/2023 vom 14. November 2023 E. 1; 9C_327/2022 vom 10. Oktober 2023 E. 1.2). 
 
4.3. Aus den vorinstanzlichen Feststellungen betreffend die medizinische Aktenlage geht klar hervor, dass der Beschwerdeführer insbesondere an (Fuss-) Schmerzen und einer depressiven Symptomatik leidet und deswegen resp. aufgrund eines erheblichen Leidensdrucks über einen längeren Zeitraum verschiedene Fachärzte konsultierte. Anders als die Vorinstanz anzunehmen scheint, gab der Hausarzt stets - namentlich auch mit seiner Antwort "???? nur sitzend?" - klar zu verstehen, dass er eine Arbeitstätigkeit des Beschwerdeführers nicht resp. nur in sehr geringem Ausmass für zumutbar hielt. Damit bestehen konkrete Anhaltspunkte für eine invalidenversicherungsrechtlich relevante Arbeitsunfähigkeit (vgl. vorangehende E. 2.2.2). Fraglich ist, ob die ärztlichen Unterlagen eine solche zuverlässig ausschliessen lassen.  
Das kantonale Gericht hat zutreffend erkannt, dass die RAD-Ärzte lediglich Stellungnahmen im Sinne von Art. 59 Abs. 2bis IVG (in der bis Ende 2021 geltenden Fassung; vgl. Art. 54a Abs. 2 IVG in der aktuellen Fassung) und Art. 49 Abs.1 IVV (SR 831.201) abgegeben hatten. Solche beruhen, anders als Berichte gemäss Art. 49 Abs. 2 IVV, nicht auf eigenen Untersuchungen. Zudem enthalten die Stellungnahmen der RAD-Ärzte (zuletzt vom 5. Januar und 9. Februar 2021) keine koordinierten, sondern nur auf das jeweilige Fachgebiet beschränkte Einschätzungen. Sodann fällt auf, dass der behandelnde Psychiater davon ausging, dass die Schmerzen des Versicherten somatisch erklärbar seien und "unbedingt berücksichtigt bleiben müssten", zumal er die diagnostizierte rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, als "stark abhängig" von den Fussschmerzen bezeichnete. Demgegenüber erkannte der Hausarzt in den Beeinträchtigungen auch eine erhebliche psychische Komponente. Beide Ärzte gingen somit davon aus, dass somatische und psychische Faktoren zusammenspielen resp. sich gegenseitig beeinflussen, was grundsätzlich nachvollziehbar ist. Auch wenn radiologisch "kein eindeutiger, die Klinik erklärender pathologischer Befund" erhoben und hinsichtlich der Schmerzen in somatischer Hinsicht (noch) keine "gefestigte Diagnose" gestellt werden konnte, diagnostizierten die neurologischen Ärzte des Kantonsspitals St. Gallen ein chronisches Schmerzsyndrom. Damit bestehen mehr als nur geringe Zweifel an der Zuverlässigkeit und Schlüssigkeit der versicherungsinternen ärztlichen Feststellungen (vgl. dazu BGE 145 V 97 E. 8.5; SVR 2023 UV 26 85, 8C_427/2022 E. 3.3). Weiter ist kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, dass das vom Beschwerdeführer geltend gemachte (Schmerz-) Leiden auf Aggravation oder einer ähnlichen Konstellation gründen und daher ein Ausschlussgrund im Sinne von BGE 141 V 281 E. 2.2 vorliegen soll. Schliesslich kann - auch wenn nicht alle konsultierten Ärzte eine Arbeitsunfähigkeit attestierten - nicht gesagt werden, dass mit einem beweiswertigen fachärztlichen Bericht eine Arbeitsunfähigkeit in nachvollziehbar begründeter Weise verneint wurde und deshalb von einem strukturierten Beweisverfahren im Sinne von BGE 141 V 281 abgesehen werden konnte (vgl. BGE 143 V 409 E. 4.5.3). Solches ergibt sich insbesondere nicht daraus, dass Dr. med. F.________ die Prognose der Arbeitsfähigkeit als "unbestimmt" bezeichnete oder dass die Ärzte des Kantonsspitals St. Gallen "beginnende positive Auswirkungen der Physiotherapie hinsichtlich Muskelaufbau und Stimmung" feststellten. 
 
4.4. Nach dem Gesagten wären bei der gegebenen Aktenlage weitere Abklärungen des Gesundheitszustandes und der Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers angezeigt gewesen. Die vorinstanzliche Feststellung, wonach keine Anhaltspunkte für eine eingeschränkte Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers oder die Notwendigkeit ergänzender Abklärungen ersichtlich seien, ist unhaltbar (vgl. vorangehende E. 1.4). Indem das kantonale Gericht auf die Anordnung weiterer Erhebungen verzichtete, verletzte es den Untersuchungsgrundsatz. Die IV-Stelle wird ein medizinisches Gutachten einzuholen und anschliessend erneut über einen Anspruch auf Invalidenleistungen zu befinden haben. Die Beschwerde ist begründet.  
 
5.  
 
5.1. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdegegnerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG) und dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung zu entrichten (Art. 68 Abs. 2 BGG).  
 
5.2. Die Sache ist zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des vorangegangenen Verfahrens an die Vorinstanz zurückzuweisen (Art. 67 und Art. 68 Abs. 5 BGG).  
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom 10. August 2022 und die Verfügung der IV-Stelle des Kantons Thurgau vom 12. Oktober 2021 werden aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verfügung an die IV-Stelle des Kantons Thurgau zurückgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt. 
 
3.  
Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen. 
 
4.  
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des vorangegangenen Verfahrens an das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau zurückgewiesen. 
 
5.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 4. Dezember 2023 
 
Im Namen der III. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Parrino 
 
Die Gerichtsschreiberin: Dormann