8C_692/2023 04.06.2024
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
8C_692/2023  
 
 
Urteil vom 4. Juni 2024  
 
IV. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Wirthlin, Präsident, 
Bundesrichter Maillard, Métral, 
Gerichtsschreiber Hochuli. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Lukas Rast, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons Zürich, 
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 20. September 2023 (IV.2023.00145). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
A.________, geboren 1959, arbeitete zuletzt von November 2018 bis Dezember 2019 als Taxifahrer in der B.________ GmbH. Am 4. Mai 2020 meldete er sich bei der IV-Stelle des Kantons Zürich (fortan: IV-Stelle oder Beschwerdegegnerin) wegen einer Herzkrankheit mit Arbeitsunfähigkeit von 100% seit 18. November 2019 zum Leistungsbezug an. Nach medizinischen Abklärungen, insbesondere gestützt auf das bidisziplinäre, orthopädisch-psychiatrische Gutachten der PMEDA (Polydisziplinäre Medizinische Abklärungen) in Zürich vom 8. Juni 2022 (fortan: PMEDA-Gutachten), verneinte die IV-Stelle bei einer uneingeschränkten Arbeitsfähigkeit in einer angepassten Tätigkeit einen Leistungsanspruch (Verfügung vom 2. Februar 2023). 
 
B.  
Die hiergegen erhobene Beschwerde des A.________ wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich ab (Urteil vom 20. September 2023). 
 
C.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A.________ beantragen, das kantonale Urteil sei aufzuheben und die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Zudem sei ihm die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung zu gewähren. 
Während die IV-Stelle auf Beschwerdeabweisung schliesst, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 f. BGG). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG; zum Ganzen: BGE 145 V 57 E. 4).  
 
1.2. Die Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung der Vorinstanz ist nicht schon dann offensichtlich unrichtig (willkürlich), wenn sich Zweifel anmelden, sondern erst, wenn sie eindeutig und augenfällig unzutreffend ist. Es genügt somit nicht, dass eine andere Lösung ebenfalls in Betracht fällt, selbst wenn diese als die plausiblere erscheint. Willkür liegt insbesondere vor, wenn die Vorinstanz offensichtlich unhaltbare Schlüsse gezogen, erhebliche Beweise übersehen oder solche grundlos ausser Acht gelassen hat (BGE 144 V 50 E. 4.2 mit Hinweisen).  
 
1.3. Die vorinstanzlichen Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit sowie die konkrete Beweiswürdigung sind für das Bundesgericht, da sie Tatfragen betreffen, grundsätzlich verbindlich (vgl. E. 1.1 f. sowie BGE 132 V 393 E. 3.2). Dagegen betrifft die Beachtung des Untersuchungsgrundsatzes und der Beweiswürdigungsregeln Rechtsfragen, die das Bundesgericht im Rahmen der den Parteien obliegenden Begründungs- bzw. Rügepflicht frei prüft (BGE 146 V 240 E. 8.2 mit Hinweisen; SVR 2023 IV Nr. 48 S. 163, 8C_304/2022 E. 1.3).  
 
2.  
Strittig ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie die von der IV-Stelle am 2. Februar 2023 verfügte Verneinung eines Leistungsanspruchs schützte. Dabei dreht sich der Streit vor Bundesgericht einzig um die Frage des Beweiswertes des PMEDA-Gutachtens. 
 
3.  
 
3.1. Der Beschwerdeführer wiederholt vor Bundesgericht seine bereits im vorinstanzlichen Verfahren erhobene Rüge, wonach das PMEDA-Gutachten weder vollständig noch schlüssig sei. Das kantonale Gericht habe das Willkürverbot verletzt, indem es diesem Gutachten volle Beweiskraft attestiert habe. Neu macht der Beschwerdeführer erstmals vor Bundesgericht geltend, laut der gerichtsnotorisch als bekannt vorauszusetzenden, zwischenzeitlich publizierten Medienmitteilung des BSV vom 4. Oktober 2023 habe auch die Eidgenössische Kommission für die Qualität bei der medizinischen Begutachtung (EKQMB) im Zusammenhang mit der Vergabe von bi- und polydisziplinären Expertisen an die Gutachterstelle PMEDA gravierende formale und inhaltliche Mängel festgestellt (vgl. auch Urteil 8C_122/2023 vom 26. Februar 2024 Sachverhalt lit. C). Zwar sei Ende Oktober 2023 bei Beschwerdeerhebung vor Bundesgericht noch nicht bekannt gewesen, worin diese Qualitätsmängel genau lägen. Doch sei davon auszugehen, dass es sich um die vom Beschwerdeführer schon vor kantonalem Gericht gerügten Mängel handle. Dem PMEDA-Gutachten sei folglich die Beweiskraft abzusprechen.  
 
3.2. Praxisgemäss stützen sich die Verwaltung und im Beschwerdefall das Gericht bei der Beurteilung der Arbeits (un) fähigkeit auf Unterlagen, die von ärztlichen und gegebenenfalls auch anderen Fachleuten zur Verfügung zu stellen sind. Ärztliche Aufgabe ist es, den Gesundheitszustand zu beurteilen und dazu Stellung zu nehmen, in welchem Umfang und bezüglich welcher Tätigkeiten die versicherte Person arbeitsunfähig ist. Den von Versicherungsträgern im Verfahren nach Art. 44 ATSG eingeholten, den Anforderungen der Rechtsprechung entsprechenden Gutachten externer Spezialärztinnen und Spezialärzte darf das Gericht rechtsprechungsgemäss grundsätzlich vollen Beweiswert zuerkennen, solange nicht konkrete Indizien gegen die Zuverlässigkeit der Expertise sprechen (BGE 137 V 210 E. 1.3.4; 135 V 465 E. 4.4). In E. 2.3 des Urteils 8C_122/2023 vom 26. Februar 2024 erkannte das Bundesgericht in Bezug auf PMEDA-Gutachten:  
 
"Bei der Würdigung von durch die PMEDA erstellten Gutachten ist allerdings dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Invalidenversicherung gestützt auf die am 4. Oktober 2023 veröffentlichte Empfehlung der EKQMB die Vergabe von bi- und polydisziplinären Expertisen an diese Gutachterstelle beendet hat (vgl. Sachverhalt lit. C hiervor). In der Übergangssituation, in der bereits eingeholte Gutachten der PMEDA zu würdigen sind, rechtfertigt es sich, an die Beweiswürdigung strengere Anforderungen zu stellen und die beweisrechtliche Situation der versicherten Person mit derjenigen bei versicherungsinternen medizinischen Entscheidungsgrundlagen zu vergleichen (dazu BGE 139 V 225 E. 5.2; 135 V 465 E. 4). In solchen Fällen genügen bereits relativ geringe Zweifel an der Zuverlässigkeit und Schlüssigkeit der ärztlichen Feststellungen, um eine neue Begutachtung anzuordnen bzw. ein Gerichtsgutachten einzuholen (vgl. SVR 2013 IV Nr. 6 S. 13, 9C_148/2012 E. 1.4; Urteil 9C_168/2020 vom 17. März 2021 E. 3.2)." 
 
 
3.3.  
 
3.3.1. Die im Wesentlichen rein appellatorisch erhobenen Einwände gegen die vorinstanzliche konkrete Würdigung einzelner medizinischer Feststellungen (vgl. E. 1.3) des behandelnden Psychiaters Dr. med. C.________ einerseits und des psychiatrischen PMEDA-Gutachters Dr. med. D.________ andererseits sind offensichtlich unbegründet, soweit überhaupt darauf einzugehen ist (vgl. BGE 147 IV 73 E. 4.1.2 i.f. mit Hinweisen). Die unveränderte Wiedergabe eines knapp eine halbe A4-Seite langen Zitates aus der vorinstanzlichen Beschwerdeschrift vermag weder die angebliche Willkür der vorinstanzlichen Beweiswürdigung darzulegen noch geringe Zweifel am Beweiswert des PMEDA-Gutachtens zu begründen. Das kantonale Gericht hat nach einlässlicher Würdigung der medizinischen Aktenlage - insbesondere auch des ausführlichen Berichtes des Dr. med. C.________ und der davon abweichenden Untersuchungsergebnisse des psychiatrischen Gutachters - mit Blick auf die bereits im vorinstanzlichen Verfahren erhobenen Einwände bundesrechtskonform dargelegt, weshalb auf das auch in psychiatrischer Hinsicht vollumfänglich beweiskräftige PMEDA-Gutachten abzustellen und in zulässiger antizipierter Beweiswürdigung auf weitere medizinische Abklärungen zu verzichten sei.  
 
3.3.2. Die bereits vor kantonalem Gericht pauschal als angeblich "oberflächlich" kritisierte Befragung des Beschwerdeführers durch den psychiatrischen PMEDA-Gutachter vermag keine auch nur geringen Zweifel an dieser Expertise zu wecken. Welche Regeln der Kunst Dr. med. D.________ bei der Untersuchung des Beschwerdeführers in Abweichung von der Beweiswürdigung gemäss angefochtenem Urteil im Einzelnen konkret verletzt habe, zeigt Letzterer nicht in einer der qualifizierten Rügepflicht (vgl. dazu BGE 148 I 104 E. 1.5 mit Hinweisen) genügenden Weise auf und ist nicht ersichtlich. Laut psychiatrischem Teilgutachten konnte Dr. med. D.________ anlässlich seiner Exploration nicht nur Anhaltspunkte für Suizidgedanken oder -pläne explizit ausschliessen. Vielmehr stützte er sich bei seiner gutachterlichen Beurteilung auch auf die Ausführungen des behandelnden Psychiaters Dr. med. C.________, welcher dem Beschwerdeführer unter anderem auch eine geringe Therapiemotivation zuschrieb. Es ist nicht ersichtlich und wird nicht geltend gemacht, dass die anlässlich der PMEDA-Begutachtung konkret festgestellten Befunde gemäss psychiatrischem PMEDA-Gutachten tatsachenwidrig oder sonstwie nicht fachgerecht erhoben worden wären. Soweit der Beschwerdeführer auch vor Bundesgericht Gegenteiliges behauptet, vermag er nicht nur keine konkreten Indizien gegen die Beweiskraft des PMEDA-Gutachtens aufzuzeigen, sondern auch keine geringen Zweifel an dessen Schlüssigkeit zu begründen.  
 
3.4. Ist nach dem Gesagten auch nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz unter den hier gegebenen Umständen auf das beweiskräftige PMEDA-Gutachten abstellte, hat es beim angefochtenen Urteil sein Bewenden.  
 
4.  
Die Gerichtskosten werden dem unterliegenden Beschwerdeführer auferlegt (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). Seinem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege kann jedoch entsprochen werden, weil die Bedürftigkeit ausgewiesen und die Beschwerde angesichts des Umstandes, dass nach Erlass des kantonalen Urteils im Anschluss an die Publikation der Medienmitteilung vom 4. Oktober 2023 eine Präzisierung der Rechtsprechung vorgenommen wurde (E. 3.1), nicht als aussichtslos zu bezeichnen ist (vgl. Urteil 8C_574/2015 vom 4. Dezember 2015 E. 6); ferner war die Vertretung durch einen Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin geboten (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 64 Abs. 4 BGG aufmerksam gemacht, wonach die begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie später dazu in der Lage ist. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Dem Beschwerdeführer wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt und Rechtsanwalt Lukas Rast wird als unentgeltlicher Anwalt bestellt. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt, indes vorläufig auf die Bundesgerichtskasse genommen. 
 
4.  
Dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers wird aus der Bundesgerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 1'000.- ausgerichtet. 
 
5.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 4. Juni 2024 
 
Im Namen der IV. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Wirthlin 
 
Der Gerichtsschreiber: Hochuli