5D_18/2024 13.06.2024
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
5D_18/2024  
 
 
Urteil vom 13. Juni 2024  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Herrmann, Präsident, 
Bundesrichter von Werdt, Hartmann, 
Gerichtsschreiber Möckli. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
B.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Remo Maurer, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
vorsorgliche Massnahmen (Erbrecht), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen vom 11. März 2024 (BS.2023.8-EZZ1, ZV.2023.129-EZZ1). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Zwischen den Parteien, welche Schwestern sind, ist seit dem Jahr 2007 beim Kreisgericht Rheintal ein Erbteilungsprozess hängig, in dessen Rahmen die Beschwerdeführerin immer wieder bis vor Bundesgericht gelangt. Vorliegend geht es um eine sich im Nachlass befindliche Liegenschaft in Spanien, welche nach Angaben der Beschwerdeführerin verschiedentlich von Dritten besetzt worden ist und vor weiterem Schaden geschützt werden muss. 
 
B.  
Diesbezüglich verlangte die Beschwerdeführerin mit Gesuch um Erlass vorsorglicher Massnahmen vom 31. Oktober 2019 die Verpflichtung der Beschwerdegegnerin zur Unterzeichnung eines Vergütungsauftrages zugunsten eines Handwerkers, welcher sich vor Ort um die Liegenschaft kümmert, und zur Leistung eines monatlichen Beitrages von Fr. 300.-- auf das Erbschaftskonto bis zur vollständigen "Erledigung" der Liegenschaft. Mit weiterer Eingabe vom 4. November 2019 verlangte sie zusätzlich die Verpflichtung der Beschwerdegegnerin zur Leistung einer Konventionalstrafe von Euro 5'000.-- zwecks Gefahrenabwehr für die Liegenschaft, die vordringliche Behandlung der Angelegenheit und die Verpflichtung der Beschwerdegegnerin zu einer Sicherheitsleistung von Fr. 150'000.-- für die Inanspruchnahme eines spanischen Anwalts. 
Mit Entscheid vom 10. Juli 2023 wies das Kreisgericht Rheintal das Gesuch um vorsorgliche Massnahmen mangels eines Verfügungsanspruches ab, desgleichen das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wegen Aussichtslosigkeit des Massnahmengesuches. 
Mit Entscheid vom 11. März 2024 wies das Kantonsgericht St. Gallen die hiergegen erhobene Berufung ab, ebenso das für das Berufungsverfahren gestellte Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege. 
 
C.  
Gegen diesen Entscheid wendet sich die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 16. April 2024 an das Bundesgericht. Sie verlangt die strafbewehrte Verpflichtung der Beschwerdegegnerin zur Unterzeichnung des Vergütungsauftrages und zu einer monatlichen Geldzahlung von Fr. 300.-- auf das Erbschaftskonto im Rahmen einer Konventionalstrafe. Ferner verlangt sie die unentgeltliche Rechtspflege. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Angefochten ist der kantonal letztinstanzliche Entscheid in einer Erbschaftssache (Art. 72 Abs. 1 und Art. 75 Abs. 1 BGG). Der Streitwert beträgt nach den Feststellungen im angefochtenen Entscheid für das kantonale Rechtsmittelverfahren Fr. 23'655.-- (Vergütungsauftrag über Euro 800.--; Fr. 300.-- pro Monat während einer mutmasslichen Verfahrensdauer von maximal fünf Jahren; Konventionalstrafe von Euro 5'000.--) und dieser Betrag ist grundsätzlich auch für das bundesgerichtliche Verfahren massgeblich (Art. 51 Abs. 1 lit. a BGG). Die Beschwerdeführerin macht zwar geltend, der Streitwert sei aufgrund des schwankenden Eurokurses sehr volatil und hätte vor zehn Jahren noch mehr als Fr. 30'000.-- betragen; sie stellt aber die Art der Streitwertberechnung nicht in Frage. Somit ist von den kantonalen Feststellungen auszugehen und mithin der für die Beschwerde in Zivilsachen erforderliche Mindeststreitwert von Fr. 30'000.-- nicht erreicht (Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG). Es steht deshalb grundsätzlich die subsidiäre Verfassungsbeschwerde zur Verfügung (Art. 113 BGG). Die Beschwerdeführerin betitelt ihre Eingabe denn auch als "Verfassungsbeschwerde", macht aber bereits im Titel und sodann auch bei ihren Ausführungen eine "Frage von grundsätzlicher Bedeutung" geltend. 
Die Beschwerdeführerin will damit offenkundig eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn von Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG behaupten, bei deren Vorliegen die Beschwerde in Zivilsachen ausnahmsweise auch bei einem Streitwert unter Fr. 30'000.-- offen steht. Eine solche liegt vor, wenn ein allgemeines Interesse besteht, dass eine umstrittene Rechtsfrage höchstrichterlich geklärt wird, um eine einheitliche Anwendung und Auslegung des Bundesrechts herbeizuführen und damit Rechtssicherheit herzustellen (BGE 141 III 159 E. 1.2; 144 III 164 E. 1; 146 III 237 E. 1). Keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt demgegenüber vor, wenn es lediglich um die Anwendung von Grundsätzen der Rechtsprechung auf einen konkreten Fall geht (BGE 133 III 493 E. 1.2; 134 III 115 E. 1.2; 140 I 285 E. 1.1.2; 141 II 113 E. 1.4.1). 
Die Beschwerdeführerin macht geltend, es gehe um die Frage, welche Einstimmigkeit nun gelten soll, die ehemals schriftlich vereinbarte Einstimmigkeit oder die nachträglich durch eine Erbin verweigerte Einstimmigkeit. Art. 653 Abs. 2 ZGB definiere die Einstimmigkeit im Erbrecht nicht negativ und gemäss einer Broschüre des Bundesgerichtes regle das Zivilrecht die rechtlichen Verhältnisse zwischen einander gleichgestellten Privatpersonen. Die im Erbrecht definierte übergeordnete Gleichstellung der Erben existiere aufgrund des Urteils jedoch nicht, weil die Parteien sich vor zwölf Jahren vor Gericht geeinigt hätten. Das negative Einstimmigkeitsprinzip wolle verhindern, dass etwas Positives erwirkt werden könne, was vorliegend die Grundsätze des Erbrechts verhinderten. 
Auf diese Ausführungen lässt sich kein Reim machen; es ist nicht nachvollziehbar, welche Rechtsfrage zur einheitlichen Anwendung des Bundesrechts einer höchstrichterlichen Klärung bedürfte. Mithin steht vorliegend nicht die Beschwerde in Zivilsachen, sondern die subsidiäre Verfassungsbeschwerde offen. Letztlich hat dies aber keine konkrete Auswirkung, weil es um eine vorsorgliche Massnahme geht und deshalb auch bei der Beschwerde in Zivilsachen nur Verfassungsrügen möglich wären (vgl. Art. 98 BGG). 
 
2.  
Mit der subsidiären Verfassungsbeschwerde kann einzig die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden (Art. 116 BGG), wofür das strenge Rügeprinzip gilt (Art. 106 Abs. 2 i.V.m. Art. 117 BGG). Dies bedeutet, dass anhand der Erwägungen des angefochtenen Entscheids klar und detailliert darzulegen ist, inwiefern verfassungsmässige Rechte verletzt worden sein sollen, während auf appellatorische Ausführungen nicht eingetreten werden kann (BGE 134 II 244 E. 2.2; 140 III 264 E. 2.3; 142 III 364 E. 2.4). 
 
3.  
Das Kantonsgericht hat das Vorliegen eines Verfügungsanspruches im Sinn von Art. 261 Abs. 1 lit. a ZPO verneint. Die Beschwerdeführerin könne ihre geltend gemachten Ansprüche erstens nicht auf Art. 602 ZGB stützen, weil dessen Abs. 2 nur bestimme, wie über Verwaltungshandlungen zu entscheiden sei, ohne dass aber eine klagbare Mitwirkungspflicht einzelner Miterben statuiert würde. Zweitens lasse sich aus dem Grundsatz der Naturalzuteilung nichts zugunsten der Beschwerdeführerin ableiten, da sich auch hieraus kein Anspruch auf Mitwirkung ergebe. Drittens könne die Beschwerdeführerin ihre Ansprüche ebenso wenig auf die Sicherungsmassregeln von Art. 551 ff. ZGB abstützen; zum einen wäre das Kreisgericht hierfür gemäss Art. 82 EG ZGB/SG sachlich gar nicht zuständig und zum anderen liesse sich daraus ohnehin kein Anspruch auf die beantragten vorsorglichen Massnahmen ableiten, denn selbst wenn die zuständige Behörde als Sicherungsmassnahme die Bewachung der Liegenschaft in Spanien anordnen würde, wäre die Beschwerdegegnerin nicht zur Mitwirkung daran verpflichtet und allfällige Kosten wären als Erbgangsschulden durch den Nachlass selbst, nicht durch die Erbinnen zu tragen. 
 
4.  
Die Beschwerdeführerin ruft auf S. 10-12 verschiedene Verfassungsbestimmungen an (Art. 5 Abs. 2, Art. 8 Abs. 2 sowie Art. 29 Abs. 1 und 2 BV). Sie äussert sich zu diesen aber nur abstrakt und ohne Bezugnahme auf die Erwägungen des angefochtenen Entscheides. Im Übrigen, d.h. bis S. 9 und sodann wieder ab S. 13, äussert sich die Beschwerdeführerin zwar zu grossen Teilen - am Anfechtungsgegenstand vorbei gehen hingegen die Ausführungen zur Versteigerung bzw. Übertragung der Liegenschaft u.ä.m. - zum angefochtenen Entscheid oder jedenfalls zur Angelegenheit; die weitschweifigen Ausführungen bleiben aber durchwegs appellatorisch. Die Beschwerdeführerin bringt darin zum Ausdruck, dass die Liegenschaft in Spanien gefährdet sei, dass in den vergangenen zwölf Jahren durchschnittlich dreizehn Vorfälle pro Jahr zu verzeichnen gewesen seien und die Hausbesetzungsversuche echte Noven darstellten, dass ein Handwerker, welcher sich seit drei Jahrzehnten vor Ort um die Liegenschaft kümmere und die Hausbesetzungen in der Vergangenheit habe verhindern können, seinen Lohn verdient hätte und die Beschwerdegegnerin diesen um das Entgelt betrügen wolle sowie dass die beantragten Massnahmen erforderlich seien, um den jahrzehntelangen Stillstand zu beheben. Mit all diesen Sachverhaltsvorbringen äussert sich die Beschwerdeführerin nicht zum Verfügungsanspruch im Sinn von Art. 261 Abs. 1 lit. a ZPO und schon gar nicht legt sie dar, inwiefern mit der Verneinung eines Verfügungsanspruches im angefochtenen Entscheid verfassungsmässige Rechte verletzt worden wären. 
 
5.  
In Bezug auf die erstinstanzlich verweigerte unentgeltliche Rechtspflege hat das Kantonsgericht festgehalten, der Beschwerdeführerin sei insofern beizupflichten, als eine Entscheidbegründung von 63 Seiten zumindest Zweifel an der tatsächlichen Aussichtslosigkeit der Rechtsbegehren erwecken könnte. Bei genauer Betrachtung des erstinstanzlichen Entscheides werde jedoch deutlich, dass es grösstenteils nicht um rechtliche Ausführungen gegangen, die jeweilige Subsumtion kurz und klar ausgefallen und keine vertiefte Auseinandersetzung mit den Parteivorbringen erforderlich gewesen sei. 
In Bezug auf die unentgeltliche Rechtspflege fehlt es der Beschwerde bereits am notwendigen Rechtsbegehren (Art. 42 Abs. 1 BGG). Die Beschwerdeführerin verlangt diese zwar für das bundesgerichtliche Verfahren, stellt aber hinsichtlich des kantonalen Verfahrens diesbezüglich keine Begehren. Schon daran scheitert die Beschwerde. Sodann fehlt es auch an einer Auseinandersetzung mit den Erwägungen des angefochtenen Entscheides, beschränkt sich doch die Beschwerdeführerin primär auf eine Wiederholung ihres kantonalen Vorbringens, das erstinstanzliche Urteil umfasse 65 Seiten und das Bezirksgericht habe vier Jahre bis zum Entscheid gebraucht, weshalb keinesfalls von Aussichtslosigkeit gesprochen werden könne. Wenn sie im Übrigen festhält, ihr Hauptanspruch im Zusammenhang mit der Liegenschaft in Spanien sei klar und es würden ihre von der Verfassung garantierten Rechte missachtet, ist damit nicht dargetan, inwiefern für die anbegehrten vorsorglichen Massnahmen auch nur ansatzweise von realen Prozesschancen hätte gesprochen werden können, wobei diesbezüglich zur Begründung auf die vorstehenden Erwägungen verwiesen werden kann. 
 
6.  
Zusammenfassend ergibt sich, dass die Beschwerde abzuweisen ist, soweit auf sie eingetreten werden kann. Wie die vorstehenden Erwägungen zeigen, konnte ihr von Anfang an kein Erfolg beschieden sein, weshalb es auch im bundesgerichtlichen Verfahren an den materiellen Voraussetzungen der unentgeltlichen Rechtspflege fehlt (Art. 64 Abs. 1 BGG) und das entsprechende Gesuch abzuweisen ist. 
 
7.  
Die Gerichtskosten sind ausgangsgemäss der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit auf sie einzutreten ist. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht St. Gallen mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 13. Juni 2024 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Herrmann 
 
Der Gerichtsschreiber: Möckli