1B_121/2023 02.06.2023
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
1B_121/2023  
 
 
Urteil vom 2. Juni 2023  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Müller, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter Haag, Kölz, 
Gerichtsschreiber Forster. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, Untersuchungsamt Gossau, 
Sonnenstrasse 4a, 9201 Gossau SG, 
 
Gegenstand 
Strafverfahren; Vollzug der Untersuchungshaft 
(Besuche unter Aufsicht), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid der Anklagekammer des Kantons St. Gallen vom 25. Januar 2023 (AK.2022.481-AK [ST.2022.14934]). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen führt eine Strafuntersuchung gegen A.________ wegen des Verdachts des gewerbsmässigen Betruges, der Fälschung von Ausweisen, der Erschleichung einer falschen Beurkundung und der unwahren Angaben gegenüber Handelsregisterbehörden. Am 1. Oktober 2022 ordnete das Regionale Zwangsmassnahmengericht am Kreisgericht St. Gallen die Untersuchungshaft gegen den Beschuldigten an. 
 
B.  
Die Staatsanwaltschaft bewilligte am 28. Oktober 2022 Haftbesuche für die Ehefrau und die Tochter des Beschuldigten, indem sie verfügte, dass die Besuche unter Aufsicht stattzufinden hätten. Am 10. November 2022 stellte der Beschuldigte bei der Staatsanwaltschaft den Antrag, seiner Ehefrau und seiner Tochter seien Haftbesuche von wöchentlich einer Stunde oder alle zwei Wochen zwei Stunden Dauer zu gestatten, ohne Trennscheibe und ohne Aufsicht. Am 22. November 2022 verfügte die Staatsanwaltschaft, dass die fraglichen Besuche unter Aufsicht stattzufinden hätten. Eine vom Beschuldigten am 2. Dezember 2022 dagegen erhobene Beschwerde wies die Anklagekammer des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 25. Januar 2023 ab, soweit sie darauf eintrat. 
 
C.  
Gegen den Entscheid der Anklagekammer vom 25. Januar 2023 gelangte der Beschuldigte mit Beschwerde vom 26. Februar (Postaufgabe: 27. Februar) 2023 an das Bundesgericht. Er beantragt zur Hauptsache die Aufhebung des angefochtenen Entscheides. 
Mit Verfügung vom 7. März 2023 forderte das Bundesgericht den Beschwerdeführer auf, bis am 20. März 2023 einen Prozesskostenvorschuss von Fr. 1'000.-- zu leisten. Am 13. März 2023 übermittelte die Anklagekammer dem Bundesgericht die vorinstanzlichen Akten. Eine Stellungnahme zur Beschwerde reichte die Vorinstanz nicht ein. Das Aktenübermittlungsschreiben vom 13. März 2023 wurde dem Beschwerdeführer zur Kenntnisnahme zugestellt. Am 20. März 2023 stellte der Beschwerdeführer ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege. Innert der auf den 22. März 2023 angesetzten Frist liess sich auch die Staatsanwaltschaft nicht vernehmen. Nach Abschluss des Schriftenwechsels reichte der Beschwerdeführer am 15. Mai 2023 unaufgefordert eine weitere Eingabe ("Vernehmlassung") ein. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid betreffend Haftbesuche (Art. 80 BGG i.V.m. Art. 235 Abs. 2 und Art. 393 Abs. 1 lit. a StPO). Nicht einzutreten ist auf die Rechtsbegehren des Beschwerdeführers, die den Gegenstand des angefochtenen Entscheides nicht betreffen, etwa auf seinen Antrag, die Vorinstanz sei "anzuweisen, ein effektives Untersuchungsverfahren durch unabhängige Ermittlungsbeamte durchzuführen". 
Dem Gesuch des Beschwerdeführers um Akteneinsicht und Ansetzung einer Frist zur nachträglichen Beschwerdebegründung ist nicht stattzugeben. Er hatte bereits im vorinstanzlichen Verfahren und nochmals während der 30-tägigen Beschwerdefrist (Art. 100 Abs. 1 BGG) die Gelegenheit, bei der Anklagekammer Einsicht in die Akten des vorinstanzlichen Verfahrens zu nehmen. Wie die Vorinstanz feststellt, wurden ihm die gewünschten Akten am 3. Januar 2023 zugestellt. Die gesetzliche Beschwerdefrist, die am 28. Februar 2023 abgelaufen ist (Art. 44 f. BGG), kann nicht erstreckt werden (Art. 47 Abs. 1 BGG). Der Beschwerdeführer hatte seine Rügen daher innert der Beschwerdefrist zu begründen und nötigenfalls auf die vorinstanzlichen Akten (oder auf von ihm neu eingereichten Akten) zu verweisen (Art. 42 Abs. 1-3 BGG). Nach Ablauf der Beschwerdefrist kann er dies nicht mehr nachholen, zumal er das Akteneinsichtsgesuch erst einen Tag vor Ablauf der Beschwerdefrist gestellt hat. Die nach Abschluss des Schriftenwechsels unaufgefordert eingereichte "Vernehmlassung" des Beschwerdeführers vom 15. Mai 2023 ist verspätet und unbeachtlich. Das Verfahren ist spruchreif. 
 
2.  
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV) und eine formelle Rechtsverweigerung (Art. 29 Abs. 1 BV). Die Vorinstanz habe ihn zwar zur Stellungnahme eingeladen und über die Aktenzustellung orientiert. Hingegen habe sie ihn nicht über den "Verfahrensstoff" und "rechtliche Aspekte etc." informiert. Ausserdem habe sie den Beschwerdegegenstand zu Unrecht auf das Thema Besuche unter Aufsicht "reduziert". 
Wie sich aus den Akten ergibt, hat der Beschwerdeführer am 2. Dezember 2022 bei der Vorinstanz Beschwerde gegen die Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 22. November 2022 betreffend Haftbesuche erhoben. Er bestreitet die Feststellungen der Vorinstanz nicht, wonach die Staatsanwaltschaft am 14. Dezember 2022 die Strafakten eingereicht und mit Stellungnahme vom 16. Dezember 2022 die kostenfällige Abweisung der Beschwerde beantragt hat. Am 28. Dezember 2022 reichte er eine weitere Eingabe ein und ersuchte um Zustellung der Strafakten ab 14. Oktober 2022. Diese wurden ihm am 3. Januar 2023 von der Vorinstanz zugestellt, worauf er am 16. Januar 2023 eine weitere Rechtsschrift folgen liess. Diese willkürfreien tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz sind für das Bundesgericht verbindlich (Art. 105 Abs. 1 i.V.m. Art. 97 Abs. 1 BGG). 
Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, des Akteneinsichtsrechts oder des Replikrechts ist in diesem Zusammenhang weder dargetan noch ersichtlich. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers hatte ihm die Vorinstanz - über die genannten prozessleitenden Informationen und Vorkehren hinaus - von Bundesrechts wegen keine zusätzlichen Rechtsauskünfte zu erteilen. Den "Verfahrensstoff" konnte er der von ihm angefochtenen Verfügung vom 22. November 2022 betreffend Haftbesuche entnehmen. Der Beschwerdeführer räumt ausdrücklich ein, dass er am 3. Januar 2023 die von ihm gewünschten Strafakten (ab 14. Oktober 2022, "212 Blatt") zur Einsicht erhalten hat. Sein Vorbringen, die gewünschten Akten hätten ihm "fast alle unrelevant" erschienen für die Thematik der "Kontakte zur Aussenwelt", ist unbehelflich. Weder begründet dies eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, noch wäre die Tatsache, dass er in den angeforderten Akten angeblich wenig Relevantes zur Thematik der Besuchsbewilligungen gefunden habe, der Vorinstanz anzulasten. 
Ebenso wenig ist der Anklagekammer eine formelle Rechtsverweigerung vorzuwerfen, weil sie ihren Entscheid auf den Sachgegenstand der angefochtenen Verfügung beschränkte und nicht auf weitere haftvollzugsrechtliche Vorbringen des Beschwerdeführers eintrat, die damit nichts zu tun hatten (insbes. Briefzensur, Telefonkontakte, Konsum von Zeitungen und Fernsehen, Computerbenutzung usw.). 
Die Vorinstanz hat die Beschwerde abgewiesen, soweit sie darauf eintrat. In materieller Hinsicht erwog sie im Wesentlichen, die Auflage, dass die fraglichen Haftbesuche derzeit unter Aufsicht stattzufinden hätten, sei bundesrechtskonform, da im gegenwärtigen Verfahrensstadium noch Kollusionsgefahr bestehe. Das Gesetz bestimmt, dass die Kontakte zwischen der inhaftierten beschuldigten Person und anderen Personen der Bewilligung der Verfahrensleitung bedürfen; Besuche finden wenn nötig unter Aufsicht statt (Art. 235 Abs. 2 StPO). Weder setzt sich der Beschwerdeführer mit den betreffenden materiellen Erwägungen der Vorinstanz auseinander, noch erhebt er diesbezüglich Rügen (vgl. Art. 42 Abs. 2 Satz 1 BGG). Dementsprechend ist darauf nicht weiter einzugehen. 
 
3.  
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. 
Das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Prozessführung ist wegen Aussichtslosigkeit der Beschwerde abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Im vorliegenden Fall kann jedoch noch ausnahmsweise auf die Erhebung von Gerichtskosten verzichtet werden (Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit auf sie einzutreten ist. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Prozessführung wird abgewiesen. 
 
3.  
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und der Anklagekammer des Kantons St. Gallen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 2. Juni 2023 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Müller 
 
Der Gerichtsschreiber: Forster