7B_103/2022 01.05.2024
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
7B_103/2022  
 
 
Verfügung vom 1. Mai 2024  
 
II. strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Kölz, als Einzelrichter, 
Gerichtsschreiber Schurtenberger. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Claudio Nosetti, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Nidwalden, Abteilung II Wirtschaftsdelikte, 
Kreuzstrasse 2, Postfach 1242, 6371 Stans. 
 
Gegenstand 
Strafverfahren; Entsiegelung und Durchsuchung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Nidwalden, Einzelgericht in Strafsachen als Zwangsmassnahmengericht, vom 8. August 2022 (ZM 22 11). 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Im Rahmen eines Strafverfahrens wegen Verdachts auf Verletzung des Fabrikations- und Geschäftsgeheimnisses beschlagnahmte die Staatsanwaltschaft Nidwalden das Mobiltelefon des Beschuldigten A.________ und wies den Hosting-Anbieter des E-Mail-Kontos "X._@_.ch" an, die gesamte zugehörige E-Mail-Box herauszugeben. In beiden Fällen beantragte A.________ jeweils unverzüglich die Siegelung. Das Gesuch der Staatsanwaltschaft um vollständige Entsiegelung des beschlagnahmten Mobiltelefons sowie der edierten Daten des E-Mail-Kontos wies das Kantonsgericht Nidwalden, Einzelgericht in Strafsachen als Zwangsmassnahmengericht, mit Urteil vom 5. Oktober 2021 vollumfänglich gut. Mit Urteil 1B_611/2021 vom 12. Mai 2022 hiess das Bundesgericht die dagegen erhobene Beschwerde teilweise gut, hob das angefochtene Urteil auf und wies die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurück. 
Mit Urteil vom 8. August 2022 hiess das Zwangsmassnahmengericht das Entsiegelungsgesuch der Staatsanwaltschaft teilweise gut. Dagegen erhob A.________ mit Eingabe vom 12. September 2022 erneut Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht. Mit Verfügung vom 29. September 2022 wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt. Die Staatsanwaltschaft nahm am 23. September 2022 zur Beschwerde Stellung, ohne einen formellen Antrag zu stellen, das Zwangsmassnahmengericht beantragte mit Eingabe vom 4. Oktober 2022 die Abweisung der Beschwerde. A.________ replizierte am 24. Oktober 2022. 
Mit Schreiben vom 12. April 2024 informierte die Staatsanwaltschaft das Bundesgericht über die zwischenzeitlich in Rechtskraft erwachsene Einstellung des gegen A.________ geführten Strafverfahrens und ersuchte das Bundesgericht darum, das Beschwerdeverfahren als gegenstandslos abzuschreiben sowie die Vorinstanz anzuweisen, den beschlagnahmten Gegenstand dem Beschwerdeführer auszuhändigen und die Datenkopien zu vernichten. Mit Stellungnahme vom 26. April 2024 schloss sich der Beschwerdeführer dem Gesuch der Staatsanwaltschaft an, wobei die "Abschreibung antragsgemäss unter Kosten- und Entschädigungsfolgen über sämtliche Instanzen zu Lasten der Beschwerdegegnerin, eventualiter zu Lasten der Vorinstanz oder des Staates zu erfolgen" habe. 
 
2.  
Die Beschwerde in Strafsachen setzt ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung des angefochtenen Entscheids voraus (Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG). Dieses muss aktuell, also nicht nur im Zeitpunkt der Beschwerdeeinreichung, sondern auch noch im Zeitpunkt der Urteilsfällung bestehen (BGE 137 I 296 E. 4.2). Mit diesem Erfordernis soll sichergestellt werden, dass das Gericht konkrete und nicht bloss theoretische Fragen entscheidet (BGE 140 IV 74 E. 1.3.1). Fällt das schutzwürdige Interesse im Laufe des Verfahrens dahin, wird die Sache grundsätzlich als erledigt erklärt (BGE 142 I 135 E. 1.3.1). Das Bundesgericht berücksichtigt Tatsachen, welche zur Gegenstandslosigkeit des Verfahrens führen, unabhängig vom Zeitpunkt ihres Eintretens und von Amtes wegen (Urteil 7B_717/2023 vom 1. März 2024 E. 1.2 mit Hinweisen). 
Angesichts des sinngemässen Rückzugs des Entsiegelungsbegehrens durch die Staatsanwaltschaft und des damit verbundenen Schicksals der gesiegelten Gegenstände und Daten (vgl. Art. 248 Abs. 3 StPO) ist das bundesgerichtliche Verfahren antragsgemäss vom Instruktionsrichter als Einzelrichter (Art. 32 Abs. 2 BGG) als gegenstandslos abzuschreiben (Art. 71 BGG i.V.m. Art. 72 BZP [SR 273]). Die Akten werden der Vorinstanz zur formellen Entscheidung über die sowohl von der Staatsanwaltschaft als auch dem Beschwerdeführer beantragten Freigabe bzw. Löschung der gesiegelten Gegenstände und Daten zugestellt. 
 
3.  
Bei Gegenstandslosigkeit des Verfahrens entscheidet das Bundesgericht mit summarischer Begründung über die Prozesskosten aufgrund der Sachlage vor Eintritt des Erledigungsgrundes (Art. 71 BGG i.V.m Art. 72 BZP). Bei der Beurteilung der Kosten- und Entschädigungsfolgen ist somit in erster Linie auf den mutmasslichen Ausgang des Prozesses abzustellen. Dabei geht es nicht darum, die Prozessaussichten im Einzelfall zu prüfen und dadurch weitere Umtriebe zu verursachen. Auf dem Weg über den Kostenentscheid soll nicht ein materielles Urteil gefällt und unter Umständen der Entscheid in einer heiklen Rechtsfrage präjudiziert werden (vgl. BGE 142 V 551 E. 8.2). Lässt sich der mutmassliche Ausgang eines Verfahrens nicht ohne Weiteres feststellen, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts auf allgemeine zivilprozessrechtliche Kriterien zurückzugreifen. Danach wird in erster Linie jene Partei kosten- und entschädigungspflichtig, die das gegenstandslos gewordene Verfahren veranlasst hat oder bei der die Gründe eingetreten sind, die zur Gegenstandslosigkeit des Verfahrens geführt haben (zum Ganzen: Urteil 7B_223/2024 vom 2. April 2024 E. 2). 
 
4.  
Der mutmassliche Ausgang des vorliegenden Verfahrens ist nicht ohne Weiteres feststellbar. Die Rügen des Beschwerdeführers bedürften vielmehr einer eingehenden bundesgerichtlichen Prüfung. Für die Bestimmung der Kostenfolgen ist demnach auf das Verursacherprinzip abzustellen. Vorliegend wurde das gegen den Beschwerdeführer geführte Strafverfahren rechtskräftig eingestellt. Die Gründe, die zur Gegenstandslosigkeit des Verfahrens geführt haben, sind somit durch die Strafverfolgungsbehörden des Kantons Nidwalden zu verantworten. Die Strafverfolgungsbehörden des Kantons Nidwalden handelten in ihrem amtlichen Wirkungskreis, weshalb für das bundesgerichtliche Verfahren keine Gerichtskosten zu erheben sind (Art. 66 Abs. 4 BGG). Indessen ist der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer vom Kanton Nidwalden angemessen für das bundesgerichtliche Beschwerdeverfahren zu entschädigen (Art. 68 BGG). 
 
 
Demnach verfügt der Einzelrichter:  
 
1.  
Das Verfahren 7B_103/2022 wird als gegenstandslos abgeschrieben. 
 
2.  
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.  
Der Kanton Nidwalden hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 3'000.-- zu entschädigen. 
 
4.  
Diese Verfügung wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons Nidwalden, Abteilung II Wirtschaftsdelikte, und dem Kantonsgericht Nidwalden, Einzelgericht in Strafsachen als Zwangsmassnahmengericht, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 1. Mai 2024 
 
Im Namen der II. strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Einzelrichter: Kölz 
 
Der Gerichtsschreiber: Schurtenberger