7B_155/2023 31.10.2023
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
7B_155/2023  
 
 
Urteil vom 31. Oktober 2023  
 
II. strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Abrecht, Präsident, 
Bundesrichter Hurni, Kölz, 
Gerichtsschreiber Schurtenberger. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Petar Hrovat, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland, Hermann-Götz-Strasse 24, Postfach, 8401 Winterthur. 
 
Gegenstand 
Strafverfahren; Entsiegelung und Durchsuchung, 
 
Beschwerde gegen das Teilurteil und die Verfügung des Bezirksgerichts Dielsdorf, Zwangsmassnahmengericht, vom 30. Mai 2023 (GT230006-D/Z04/B-5/me/ss). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland führt gegen A.________ ein Strafverfahren wegen mehrfacher Sachbeschädigung im Sinne von Art. 144 Abs. 1 (evtl. i.V.m. Abs. 3) StGB durch Anbringen von Graffitis mittels Farbspray an derzeit nicht letztgültig bekannten Örtlichkeiten. Im Rahmen dieser Strafuntersuchung wurde unter anderem das Mobiltelefon von A.________ sichergestellt, welcher in der Folge die Siegelung beantragte. 
 
B.  
Mit Teilurteil und Verfügung vom 30. Mai 2023 ordnete das Bezirksgericht Dielsdorf, Zwangsmassnahmengericht, an, das sichergestellte Mobiltelefon sei "mit Blick auf die dem Anwaltsgeheimnis unterstehende Korrespondenz zwischen dem Gesuchsgegner und seinem Verteidiger" zu triagieren, wobei die Modalitäten dieser Triage den Parteien mit separater Verfügung angezeigt würden. Weiter wurden Verfügungen über die Spiegelung und Aufbereitung des Datenträgers sowie über den Beizug einer sachverständigen Person zur Vornahme der Triage erlassen. 
 
C.  
Dagegen erhob A.________ mit Eingabe vom 3. Juli 2023 beim Bundesgericht Beschwerde in Strafsachen. Er beantragt, den Entscheid der Vorinstanz aufzuheben und das Entsiegelungsgesuch der Staatsanwaltschaft abzuweisen. Eventualiter sei die Entsiegelung und Durchsuchung des Mobilitelefons lediglich im Umfang der Datenbestände zwischen dem 29. Januar 2023 und dem 2. Februar 2023 gutzuheissen. 
Die Staatsanwaltschaft hat mit Schreiben vom 24. August 2023 eine Vernehmlassung eingereicht und die Abweisung der Beschwerde beantragt. Die Vorinstanz hat auf eine Vernehmlassung verzichtet. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Angefochten ist ein Entscheid im Zusammenhang mit der Entsiegelung von Datenträgern, die in einem strafprozessualen Untersuchungsverfahren in Anwendung von Art. 246 ff. StPO sichergestellt wurden. Die Vorinstanz hat gemäss Art. 248 Abs. 3 lit. a i.V.m. Art. 380 StPO als einzige kantonale Instanz entschieden, weshalb die Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht nach Art. 78 ff. BGG grundsätzlich offensteht. 
 
2.  
 
2.1. Der angefochtene Entscheid schliesst das gegen den Beschwerdeführer geführte Strafverfahren nicht ab. Es handelt sich um einen selbstständig eröffneten Zwischenentscheid, der nur unter den Voraussetzungen von Art. 92 oder Art. 93 BGG angefochten werden kann. Der angefochtene Entscheid betrifft weder die Zuständigkeit noch den Ausstand (Art. 92 BGG). Es handelt sich somit um einen "anderen Zwischenentscheid" im Sinne von Art. 93 BGG. Gemäss Art. 93 Abs. 1 BGG ist die Beschwerde gegen einen derartigen Zwischenentscheid zulässig, wenn er einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (lit. a) oder wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde (lit. b). Die Variante nach Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG fällt hier ausser Betracht, weshalb einzig zu prüfen ist, ob der angefochtene Entscheid einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken könnte.  
 
2.2. Nach der Rechtsprechung muss es sich beim nicht wieder gutzumachenden Nachteil gemäss Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG um einen solchen rechtlicher Natur handeln. Ein derartiger Nachteil liegt vor, wenn er auch durch einen für die beschwerdeführende Person günstigen späteren Entscheid nicht mehr behoben werden kann (BGE 144 IV 127 E. 1.3.1). Ein lediglich tatsächlicher Nachteil wie die Verteuerung oder Verlängerung des Verfahrens genügt nicht (BGE 142 III 798 E. 2.2). Denn die Beschwerdevoraussetzungen nach Art. 93 Abs. 1 BGG sollen das Bundesgericht entlasten; dieses soll sich wenn möglich nur einmal mit einer Sache befassen (BGE 135 II 30 E. 1.3.2). Die beschwerdeführende Person muss, wenn das nicht offensichtlich ist, im Einzelnen darlegen, inwiefern ihr ein nicht wieder gutzumachender Nachteil rechtlicher Natur drohen soll. Andernfalls kann auf die Beschwerde mangels hinreichender Begründung (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG) nicht eingetreten werden (BGE 142 III 798 E 2.2; 137 III 324 E. 1.1; je mit Hinweisen).  
 
2.3. Wird im Entsiegelungsverfahren ausreichend substanziiert geltend gemacht, dass einer Entsiegelung geschützte Geheimhaltungsrechte entgegenstehen, droht nach der Praxis des Bundesgerichts ein nicht wieder gutzumachender Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG, weil die Offenbarung eines Geheimnisses nicht rückgängig gemacht werden kann (BGE 143 IV 462 E. 1; Urteil 7B_301/2023 vom 11. September 2023 E. 2.1). Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist dies vorliegend jedoch gerade nicht der Fall:  
Zwar hat die Vorinstanz im angefochtenen Entscheid vorfrageweise darüber befunden, ob ein für die Durchsuchung genügender Tatverdacht vorliegt und ob die Geheimnisinteressen, welche vom Beschwerdeführer angerufen werden, einer Durchsuchung durch die Staatsanwaltschaft entgegensteht. Indessen hat sie in ihrem Entscheid das Entsiegelungsgesuch der Staatsanwaltschaft weder vollständig noch teilweise gutgeheissen und insbesondere noch keinerlei Daten zur Durchsuchung freigegeben, sondern einzig prozessleitend über das weitere Vorgehen im noch hängigen Entsiegelungsverfahren befunden. 
Auf Beschwerden gegen prozessleitende Verfügungen im Entsiegelungsverfahren ist mangels drohenden nicht wieder gutzumachenden Rechtsnachteils (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG i.V.m. Art. 248 Abs. 1 StPO) grundsätzlich nicht einzutreten. Dies gilt namentlich für die Anordnung einer richterlichen Triage und deren Modalitäten vor Ausfällung eines (Teil-) Entsiegelungsentscheides (vgl. zum Ganzen: Urteil 1B_299/2022 vom 20. Januar 2023 E. 1.2 mit zahlreichen Hinweisen). 
Weshalb es (ausnahmsweise) nicht möglich sein sollte, die im vorliegenden Verfahren gerügten Verletzungen von Bundesrecht in einem allfälligen späteren (den eigentlichen Entsiegelungsentscheid betreffenden) Beschwerdeverfahren ohne Rechtsverlust vorzubringen, wird vom Beschwerdeführer nicht dargelegt und ist auch nicht ersichtlich. 
 
2.4. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der angefochtene Entscheid nicht geeignet ist, einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG zu bewirken. Inwiefern die weiteren Eintretensvoraussetzungen erfüllt sind, kann deshalb offenbleiben.  
 
3.  
Nach dem Gesagten ist auf die Beschwerde nicht einzutreten. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen und es sind keine Parteientschädigungen zuzusprechen (Art. 66 und Art. 68 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland und dem Bezirksgericht Dielsdorf, Zwangsmassnahmengericht, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 31. Oktober 2023 
 
Im Namen der II. strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Abrecht 
 
Der Gerichtsschreiber: Schurtenberger