8C_582/2023 19.06.2024
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
8C_582/2023  
 
 
Urteil vom 19. Juni 2024  
 
IV. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Wirthlin, Präsident, 
Bundesrichterin Viscione, Bundesrichter Métral, 
Gerichtsschreiberin Berger Götz. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Markus Loher, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
SWICA Versicherungen AG, 
Rechtsdienst, 
Römerstrasse 38, 8401 Winterthur, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Unfallversicherung (Invalidenrente), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 27. Juni 2023 (UV.2022.00188). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. Der 1969 geborene A.________ war als Geschäftsführer/Eventmanager im Club B.________ der C.________ AG tätig und in dieser Eigenschaft bei der SWICA Versicherungen AG (nachfolgend: SWICA) gegen die Folgen von Unfällen und Berufskrankheiten versichert. Am 20. Oktober 2011 stürzte er beim Hinuntertragen eines Blumentopfs auf der Treppe und zog sich Verletzungen am rechten Handgelenk sowie Risse und Schnittwunden an beiden Händen zu. Die SWICA erbrachte Versicherungsleistungen. Mit Verfügung vom 17. Dezember 2012 (bestätigt durch Einspracheentscheid vom 17. April 2013) stellte sie ihre Leistungen mangels unfallkausaler Restfolgen per 31. Oktober 2012 ein. In teilweiser Gutheissung der dagegen erhobenen Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons Aargau die Sache zur Vornahme weiterer Abklärungen und zum Erlass einer neuen Verfügung an die SWICA zurück (Urteil vom 28. März 2014).  
Zwischenzeitlich hatte die C.________ AG das Arbeitsverhältnis - nach Schliessung des Clubs B.________ im März 2013 - per Ende Juni 2013 aus wirtschaftlichen Gründen aufgelöst. 
 
A.b. In Nachachtung des kantonalen Gerichtsurteils holte die SWICA die Gutachten der Dres. med. D.________, Facharzt FMH für Chirurgie, speziell Handchirurgie, vom 6. Oktober 2014 und E.________, Facharzt FMH für Handchirurgie, vom 20. Februar 2015 (inklusive Ergänzung vom 20. September 2015) ein. Gestützt auf das letztere Gutachten stellte die SWICA die Versicherungsleistungen wiederum per 31. Oktober 2012 ein (Verfügung vom 28. September 2015).  
Während des nachfolgenden Einspracheverfahrens wurde die von der Invalidenversicherung veranlasste polydisziplinäre Expertise der asim, Versicherungsmedizin, Universitätsspital Basel (nachfolgend: asim), vom 16. Dezember 2016 (inklusive handchirurgischem Fachgutachten vom 5. Oktober 2016) erstattet. Das Versicherungsgericht des Kantons Aargau bestätigte die daraufhin von der IV-Stelle Aargau ergangenen Verfügungen vom 8. August 2017, mit welchen ein Anspruch auf Rente und berufliche Massnahmen verneint worden war (Urteil vom 3. April 2018). 
Die SWICA ersetzte in der Folge den Verwaltungsakt vom 28. September 2015 durch die Verfügung vom 11. November 2021, mit der sie die vorübergehenden Leistungen per 31. Oktober 2012 einstellte, einen Rentenanspruch ablehnte und eine Integritätsentschädigung, basierend auf einer Integritätseinbusse von 10 %, zusprach. Die dagegen geführte Einsprache lehnte sie ab (Einspracheentscheid vom 7. September 2022). 
 
B.  
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wies die gegen den Einspracheentscheid vom 7. September 2022 erhobene Beschwerde ab (Urteil vom 27. Juni 2023). 
 
C.  
A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und beantragen, in Aufhebung des angefochtenen Urteils vom 27. Juni 2023 sei ihm ab Juli 2013 eine Rente auf der Basis eines Invaliditätsgrades von 25 % zuzusprechen; eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an das kantonale Gericht, subeventualiter an die SWICA zurückzuweisen. 
Die SWICA - unter Verweis auf das Urteil des kantonalen Gerichts - wie auch die Vorinstanz und das Bundesamt für Gesundheit verzichten auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), doch prüft es, unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Vorbringen, sofern allfällige weitere rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 147 I 73 E. 2.1; 145 V 57 E. 4.2; je mit Hinweis).  
 
1.2. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG).  
 
2.  
Streitig ist, ob das kantonale Gericht Bundesrecht verletzte, indem es die von der Beschwerdegegnerin mit Einspracheentscheid bestätigte Verneinung eines Rentenanspruchs schützte. Das Erreichen des medizinischen Endzustandes per Ende April 2012 und die Höhe der Integritätsentschädigung waren hingegen schon im Einspracheverfahren nicht mehr umstritten. 
 
3.  
Die Vorinstanz hat die massgeblichen Grundsätze über das anwendbare Recht (BGE 141 V 657 E. 3.5.1; Abs. 1 der Übergangsbestimmungen zur Änderung des UVG vom 25. September 2015, AS 2016 4375, 4387), wonach im Zusammenhang mit dem Unfallereignis vom 20. Oktober 2011 die bis 31. Dezember 2016 geltenden Bestimmungen des UVG zur Anwendung gelangen (vgl. BGE 146 V 51 E. 2.3), zutreffend dargelegt. Gleiches gilt betreffend die Ausführungen zum Anspruch auf eine Invalidenrente der Unfallversicherung (Art. 18 Abs. 1 UVG in der bis 31. Dezember 2016 in Kraft stehenden Fassung i.V.m. Art. 8 ATSG) und zur Ermittlung des Invaliditätsgrades bei Erwerbstätigen nach der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs (Art. 16 ATSG; BGE 143 V 295 E. 2.1 ff.). Darauf wird verwiesen. 
 
4.  
 
4.1. Das kantonale Gericht stellte bezüglich der Einschätzung der Restarbeitsfähigkeit auf das handchirurgische Fachgutachten vom 5. Oktober 2016 ab. Darin wird empfohlen, bei der aktuell instabilen Handwurzelsituation auf häufige leichte manuelle Tätigkeiten zu verzichten. Nach erfolgreicher Stabilisierungsoperation wäre mit einer uneingeschränkten Arbeitsfähigkeit für Büroarbeiten zu rechnen. Bis dahin sei für einhändig durchführbare Tätigkeiten eine 100%ige Einsatzfähigkeit gegeben, wobei die rechte Hand bei leichten Tätigkeiten höchstens als Hilfshand eingesetzt werden könne. Gestützt darauf wird im angefochtenen Urteil davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer als Eventmanager oder Geschäftsführer weiterhin voll arbeitsfähig sei. Da ihm die angestammte oder eine lohnmässig vergleichbare Tätigkeit uneingeschränkt zumutbar sei, ergebe sich keine Erwerbseinbusse. Folglich erübrige sich die Durchführung eines Einkommensvergleichs. Selbst wenn ein solcher vorgenommen werde, ergebe sich nichts anderes. In diesem Fall sei bei der Bemessung des Validen- und des Invalideneinkommens auf denselben Tabellenlohn abzustellen, wie dies der Beschwerdeführer in Anlehnung an das Urteil des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau (vom 3. April 2018 im invalidenversicherungsrechtlichen Verfahren) geltend mache. Der Beschwerdeführer könne trotz des bisherigen Verzichts auf die Versteifungsoperation beispielsweise weiterhin nebenerwerblich Musik machen, was eine Beweglichkeit des (betroffenen) Handgelenks erfordere. Ausserdem habe er seinen Lohn nach dem Unfall im Jahr 2012 sogar noch steigern können, was für die Erzielbarkeit eines ähnlichen Einkommens im Krankheits-, wie auch im Gesundheitsfall spreche. Vor diesem Hintergrund sei es innerhalb des zulässigen Ermessensspielraums der Beschwerdegegnerin gelegen, von einem Abzug beim Invalideneinkommen abzusehen.  
 
4.2. Die letztinstanzlich vorgebrachten Argumente des Beschwerdeführers ändern nichts an der vom kantonalen Gericht bestätigten Rentenablehnung.  
 
4.2.1. Auf den Vorhalt, durch die Nichtdurchführung eines Einkommensvergleichs sei Art. 16 ATSG verletzt worden, ist bereits deshalb nicht weiter einzugehen, weil ein Einkommensvergleich im Rahmen der vorinstanzlichen Eventualbegründung vorgenommen wurde. Dabei hat das kantonale Gericht in Übereinstimmung mit dem Beschwerdeführer als Basis sowohl für das Validen- als auch für das Invalideneinkommen denselben Tabellenwert der Lohnstrukturerhebung des Bundesamtes für Statistik (LSE) beigezogen. Aus diesem Einkommensvergleich resultierte folglich bei einer 100%igen Arbeitsfähigkeit in der angestammten und in jeder anderen einhändig durchführbaren Tätigkeit keine Invalidität.  
 
4.2.2. Unter Bezugnahme auf den vorinstanzlich durchgeführten Einkommensvergleich macht der Beschwerdeführer sodann unter Verweis auf die erlittene Verletzung an der dominanten rechten Hand und auf die Rechtsprechung geltend, beim Invalideneinkommen hätte ein Abzug von 25 % berücksichtigt werden müssen, weshalb ein Anspruch auf eine Rente, basierend auf einem 25%igen Invaliditätsgrad, resultiere.  
 
4.2.2.1. Mit einem Abzug vom anhand statistischer Lohndaten ermittelten Invalideneinkommen soll der Tatsache Rechnung getragen werden, dass persönliche und berufliche Merkmale wie Art und Ausmass der Behinderung, Lebensalter, Dienstjahre, Nationalität oder Aufenthaltskategorie und Beschäftigungsgrad Auswirkungen auf die Lohnhöhe haben können und die versicherte Person je nach Ausprägung deswegen die verbliebene Arbeitsfähigkeit auch auf einem ausgeglichenen Arbeitsmarkt nur mit unterdurchschnittlichem erwerblichem Erfolg verwerten kann. Der Abzug soll aber nicht automatisch erfolgen. Er ist unter Würdigung der Umstände im Einzelfall nach pflichtgemässem Ermessen gesamthaft zu schätzen und darf 25 % nicht übersteigen (BGE 148 V 174 E. 6.3 mit Hinweisen).  
Wie bereits das kantonale Gericht zutreffend festgehalten hat, entspricht es der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, dass faktische Einhändigkeit oder die Beschränkung der dominanten Hand als Zudienhand einen Abzug von 20 bis 25 % zu rechtfertigen vermag (SVR 2019 UV Nr. 7 S. 27, 8C_58/2018 E. 5.3; Urteil 8C_762/2019 vom 12. März 2020 E. 5.2.3.2). Mit Urteil 8C_495/2019 vom 11. Dezember 2019 hat das Bundesgericht aber auch einen Abzug bei einer versicherten Person mit Einschränkungen der dominanten Hand verneint (E. 3.2 und E. 4.2.2). Gleich entschied es bezüglich zweier versicherter Personen, die je eine Einschränkung des adominanten Arms zu verzeichnen hatten (Urteile 8C_174/2019 vom 9. Juli 2019 E. 5.1.2 und E. 5.2.2 und 8C_151/2020 vom 15. Juli 2020 E. 6.2). 
 
4.2.2.2. Im vorliegenden Fall kann der Beschwerdeführer weiterhin zu 100 % als Geschäftsführer und Eventmanager tätig sein, wie das kantonale Gericht in Würdigung der Gesamtumstände annimmt. Ebenfalls nicht zu beanstanden ist, dass es unter Hinweis auf das handchirurgische Fachgutachten davon ausgeht, er könne seine rechte Hand noch als Hilfshand für leichte Arbeiten einsetzen, weshalb keine faktische Einhändigkeit bestehe. Ob er die letzte Tätigkeit für die C.________ AG tatsächlich weiterhin ausüben könnte, da er in diesem Rahmen auch körperlich schwerere Arbeiten zu verrichten hatte, spielt hier - entgegen seiner Ansicht - keine Rolle, da dieses Arbeitsverhältnis aus wirtschaftlichen Gründen per Ende Juni 2013 aufgelöst wurde. Relevant ist somit, dass ihm auf dem ausgeglichenen Arbeitsmarkt im angestammten Bereich als Eventmanager und Geschäftsführer genügend Stellen offenstehen, bei denen er keine Erwerbseinbusse wegen des eingeschränkten Einsatzes der rechten Hand gewärtigen muss. Damit hat die Vorinstanz mit der Verneinung eines Leidensabzugs beim Invalideneinkommen kein Bundesrecht verletzt. Kommt beim Invalideneinkommen ein solcher Abzug nicht in Frage, so führt der Vergleich mit dem Valideneinkommen zu einem rentenausschliessenden Invaliditätsgrad von 0 %. Die Beschwerde ist abzuweisen.  
 
5.  
Bei diesem Verfahrensausgang hat der Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 19. Juni 2024 
 
Im Namen der IV. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Wirthlin 
 
Die Gerichtsschreiberin: Berger Götz