5A_369/2022 18.10.2022
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
5A_369/2022  
 
 
Urteil vom 18. Oktober 2022  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Herrmann, Präsident, 
Bundesrichter von Werdt, 
nebenamtliche Bundesrichterin Arndt, 
Gerichtsschreiberin Gutzwiller. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
B.A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Matthias Steiner, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Eheschutz, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung Zivilrecht, vom 15. März 2022 (400 21 266). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
A.A.________ (geb. 1964) und B.A.________ (geb. 1964) heirateten 1997 in U.________ (Grossbritannien). Ihrer Ehe ist ein mittlerweile erwachsener Sohn (geb. 2001) entsprungen. 
 
B.  
 
B.a. Mit Gesuch vom 30. August 2021 machte die Ehefrau beim Zivilkreisgericht Basel-Landschaft West ein Eheschutzverfahren anhängig, wobei sie in ihrer Rechtsschrift für den Ehemann eine ausländische Adresse aufführte.  
 
B.b. Das Zivilkreisgericht verfügte am 31. August 2021 nebst anderem, das Gesuch samt Beilagen gehe an den Ehemann und dieser habe ein Zustelldomizil in der Schweiz zu bezeichnen. Zuhanden des Ehemanns adressierte es die Verfügung an die im Eheschutzgesuch vermerkte Adresse in Deutschland. Das rechtshilfeweise zuständige Amtsgericht Frankfurt am Main bestätigte dem Zivilkreisgericht mit Zustellungszeugnis vom 22. September 2021, dass die Verfügung am 16. September 2021 durch Einwurf in den zur Wohnung des Ehemannes gehörenden Briefkasten zugestellt worden sei.  
 
B.c. Mangels Bezeichnung eines schweizerischen Zustelldomizils lud das Zivilkreisgericht den Ehemann mittels Publikation im Amtsblatt vom 28. Oktober 2021 zur Eheschutzverhandlung vor, unter Androhung eines Säumnisentscheids bei Nichterscheinen.  
 
B.d. Am 16. November 2021 fand die Eheschutzverhandlung statt, zu welcher nur die Ehefrau mit ihrer Rechtsvertreterin erschien.  
 
B.e. Gleichentags fällte das Zivilkreisgericht sein Urteil. Namentlich stellte es fest, dass die Ehegatten seit dem 1. März 2020 getrennt leben, wies die eheliche Liegenschaft der Ehefrau zur alleinigen Benutzung zu, verpflichtete den Ehemann zur Herausgabe sämtlicher Schlüssel und erkannte, dass der Pudel der Parteien von der Ehefrau alleine betreut werde.  
 
C.  
 
C.a. Gegen diesen Entscheid reichte der Ehemann am 16. Dezember 2021 beim Kantonsgericht Basel-Landschaft Berufung ein. Er beantragte die Aufhebung des Eheschutzentscheids vom 16. November 2021 und dass die Ehefrau zur alleinigen Kostentragung der erstinstanzlichen Verfahrenskosten zu verurteilen sei. Weiter verlangte er "in verfahrensrechtlicher Hinsicht", es sei ihm unverzüglich das Bewohnen seiner im Obergeschoss der ehelichen Liegenschaft gelegenen Wohnung zu gestatten, diese Wohnung sei ihm zur alleinigen Nutzung zuzuweisen, die Ehefrau habe ihm sämtliche Schlüssel herauszugeben und der Pudel sei ihm zur alleinigen Betreuung zuzuweisen. Eventualiter sei die Betreuung des Pudels zwischen den Parteien aufzuteilen.  
 
C.b. Die Ehefrau erstattete ihre Berufungsantwort am 10. Januar 2022, mit welcher sie die Abweisung des Rechtsmittels verlangte.  
 
C.c. Mit Verfügung vom 11. Januar 2022 schloss das Kantonsgericht den Schriftenwechsel unter Hinweis auf das Replikrecht und wies die Verfahrensanträge des Ehemannes ab.  
 
C.d. Dieser replizierte am 28. Januar 2022 auf die Berufungsantwort. Er stellte mit seiner Eingabe nebst anderem den Antrag, das Eheschutzurteil sei infolge Nichtigkeit aufzuheben und die Sache an das Zivilkreisgericht zurückzuweisen.  
 
C.e. Mit Entscheid vom 15. März 2022 trat das Kantonsgericht auf die Berufung nicht ein. Das Urteil wurde der Rechtsvertreterin des Ehemannes am 21. April 2022 zugestellt.  
 
D.  
 
D.a. Mit Beschwerde vom 19. Mai 2022 wendet sich der inzwischen nicht mehr anwaltlich vertretene Ehemann (Beschwerdeführer) an das Bundesgericht. Seine Rechtsbegehren lauten wie folgt:  
 
"Ich beantrage: 
 
- Dass die vorherige Entscheidungen im 1. und 2. Instanz aufgehoben werden und die Sache an die Vorinstanz, anders als Zivilkreisgericht Basel-Landschaft West, zurückgewiesen wird. 
- Dass die Anträge im Schreiben vom 16. Dezember 2021 von meiner Anwältin, nämlich: 
 
-- dass ich wieder Zugang zu meinem Haus [...] bekomme, 
-- dass sämtliche Schlüssel zu dem Haus, Briefkaste & Garage zurückgegeben werden, und 
-- dass mein Pudel [...] mir zu alleinige Betreuung übergeben wird, 
sofort erfüllt werden. 
- Dass die Prozesskosten im 1. und 2. Instanz zur Belastung der [Ehefrau] gehen." 
 
 
D.b. Das Bundesgericht hat die kantonalen Akten, aber keine Vernehmlassungen eingeholt.  
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Angefochten ist der Endentscheid (Art. 90 BGG) einer letzten kantonalen Instanz, welche auf Rechtsmittel hin (Art. 75 BGG) über Eheschutzmassnahmen (Art. 176 ZGB) geurteilt hat. Streitig sind sowohl vermögensrechtliche als auch nicht vermögensrechtliche Belange (vgl. BGE 108 II 77 E. 1a; Urteil 5A_826/2015 vom 25. Januar 2016 E. 1), sodass für diese Zivilsache (Art. 72 Abs. 1 BGG) insgesamt kein Streitwerterfordernis gilt (BGE 137 III 380 E. 1.1 mit Hinweis). Der Beschwerdeführer ist zur Beschwerde legitimiert (Art. 76 Abs. 1 BGG) und hat diese rechtzeitig erhoben (Art. 100 Abs. 1 i.V.m. Art. 46 Abs. 2 lit. a und Art. 45 Abs. 1 BGG). Die Beschwerde in Zivilsachen ist unter Vorbehalt der nachfolgenden Ausführungen zulässig.  
 
1.2. Anfechtungsobjekt im bundesgerichtlichen Verfahren bildet allein der Entscheid der Vorinstanz (Art. 75 Abs. 1 BGG; BGE 142 I 155 E. 4.4.2 mit Hinweis). Mithin ist auf das Begehren, es sei das erstinstanzliche Urteil aufzuheben, nicht einzutreten.  
 
1.3. Soweit der Beschwerdeführer eine sofortige Abänderung der Eheschutzmassnahmen betreffend die Zuteilung der ehelichen Liegenschaft, die Rückgabe der Schlüssel sowie die Betreuung des Pudels verlangt, begründet er seine Anträge nicht. Auf diese ist mithin ebenfalls nicht einzutreten (Art. 42 Abs. 1 BGG; BGE 143 II 283 E. 1.2.2). Sollte er damit den Erlass vorsorglicher Massnahmen angestrebt haben, so wäre sein Gesuch mit dem heutigen Urteil ohnehin gegenstandslos geworden.  
 
2.  
 
2.1. Eheschutzentscheide unterstehen Art. 98 BGG (Urteil 5A_294/2021 vom 7. Dezember 2021 E. 2, nicht publ. in: BGE 148 III 95; vgl. BGE 133 III 393 E. 5.1 und 5.2). Demnach kann vorliegend nur die Verletzung verfassungsmässiger Rechte gerügt werden. In Verfahren nach Art. 98 BGG kommt zudem eine Berichtigung oder Ergänzung der Sachverhaltsfeststellungen nur infrage, wenn die kantonale Instanz verfassungsmässige Rechte verletzt hat (BGE 133 III 585 E. 4.1). Die Verletzung von verfassungsmässigen Rechten prüft das Bundesgericht nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG; Rügeprinzip). Es prüft nur klar und detailliert erhobene und soweit möglich belegte Rügen (BGE 142 III 364 E. 2.4). Dies setzt voraus, dass sich die Beschwerde mit den Erwägungen des angefochtenen Entscheids auseinandersetzt (BGE 145 I 121 E. 2.1 in fine mit Hinweis). Wird eine solche Rüge nicht vorgebracht, kann das Bundesgericht eine Beschwerde selbst dann nicht gutheissen, wenn eine Verletzung von verfassungsmässigen Rechten tatsächlich vorliegt (BGE 142 II 369 E. 2.1 in fine; 142 I 99 E. 1.7.2 mit Hinweisen; 141 I 36 E. 1.3 in fine mit Hinweis).  
 
2.2. Diesen Anforderungen genügt die Beschwerde nicht, soweit sich der Beschwerdeführer darin auf Tatsachen abstützt, die nicht aus dem angefochtenen Entscheid hervorgehen, ohne diesbezüglich Willkür in der Sachverhaltsfeststellung zu rügen. Dies betrifft namentlich seine Ausführungen zur Beschriftung der Briefkästen an der Adresse in Deutschland lediglich mit der jeweiligen Wohnungsnummer. Seine diesbezüglichen Vorbringen bleiben unberücksichtigt.  
 
3.  
 
3.1. Die Vorinstanz begründete den angefochtenen Entscheid zweierlei.  
 
3.1.1. Sie trat auf die Berufung nicht ein mit der Begründung, der Beschwerdeführer habe ein rein kassatorisches Rechtsbegehren gestellt. Aus dem Gesamtzusammenhang der Berufungsschrift ergebe sich nicht eindeutig, was der Ehemann verlange, sodass auch aus den verfahrensrechtlichen Anträgen kein reformatorisches Rechtsbegehren abgeleitet werden könne. Die mit der Replik erfolgte Ergänzung seiner Berufungsanträge könne nicht beachtet werden, da diese Eingabe verspätet erfolgt sei.  
 
3.1.2. Ohnehin wäre das Rechtsmittel abzuweisen, selbst wenn darauf eingetreten würde. Der Beschwerdeführer habe in seiner Berufungsschrift im Wesentlichen geltend gemacht, sich von seinem bisherigen schweizerischen Wohnsitz nie abgemeldet und an der Adresse in Deutschland auch nie behördlich angemeldet zu haben. Die Wohnung in Deutschland diene ihm lediglich als Aufenthaltsort für die Zeit, in welcher er sich aus beruflichen Gründen vor Ort bei seiner Arbeitgeberin aufhalten müsse. Gerichtliche Urkunden müssten indessen nicht zwingend an demjenigen Ort zugestellt werden, an welchem die Prozesspartei ihren Wohnsitz habe bzw. wo sie behördlich angemeldet sei. Die Zustellung der erstinstanzlichen Verfügung vom 31. August 2021 an die Adresse in Deutschland sei rechtsgenügend erfolgt. Demnach seien auch die nachfolgenden prozessualen Schritte, namentlich die Publikation der Vorladung im kantonalen Amtsblatt, nicht zu beanstanden.  
 
3.2. Damit tragen zwei voneinander unabhängige Begründungslinien den angefochtenen Entscheid. Sie müssen unter Nichteintretensfolge beide angefochten werden (BGE 142 III 364 E. 2.4 in fine mit Hinweisen).  
 
3.3. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV). Er habe nicht die Möglichkeit erhalten, am Eheschutzverfahren teilzunehmen, da er von diesem keine Kenntnis gehabt habe infolge Zustellung der Gerichtsurkunde an die Anschrift in Deutschland, welche nicht die Anforderungen einer Ersatzzustellung erfülle. Ferner sei die Vorinstanz zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Replik im Berufungsverfahren verspätet erfolgt sei.  
 
3.4. Die in der Beschwerdeschrift vorgetragene Kritik richtet sich ausschliesslich gegen die zweite Begründungslinie des angefochtenen Entscheids, wonach die Berufung abzuweisen gewesen wäre, wenn auf sie hätte eingetreten werden können (vgl. vorne E. 3.1.2). Der Beschwerdeführer macht zwar geltend, seine Replik sei rechtzeitig erfolgt, womit er grundsätzlich auf die in der ersten Begründungslinie angeführte Feststellung Bezug nimmt, die Replik sei verspätet gewesen (vgl. vorne E. 3.1.1). Indessen zieht er nicht die Schlussfolgerung, die Vorinstanz hätte bei Berücksichtigung der Replik auf die Berufung eintreten müssen. So stellt er sich nicht auf den Standpunkt, das in der Replik enthaltene, auf Nichtigkeit des Eheschutzurteils lautende Rechtsbegehren sei zulässig gewesen. Vielmehr hält er dafür, in der Replik habe er dargelegt, dass die Beschwerdegegnerin gewusst und bestätigt habe, dass er im Zeitpunkt des erstinstanzlichen Verfahrens seinen ordentlichen und rechtmässigen Wohnsitz an der schweizerischen Adresse gehabt habe. Damit sei auch nachgewiesen, dass die Zustellung der Verfügung vom 31. August 2021 an die Adresse in Deutschland und die nachfolgenden Ediktalzustellungen der Gerichtsurkunden falsch und unzulässig gewesen seien. Die Eintretensfrage im Berufungsverfahren berührt diese Argumentationslinie nicht. Vielmehr geht es dem Beschwerdeführer hier darum aufzuzeigen, weshalb die Berufung materiell begründet gewesen sei.  
 
3.5. Er führt weder an, sein in der Berufungsschrift enthaltenes kassatorisches Begehren sei zulässig gewesen, zumal sich aus der Rechtsschrift ergebe, dass er Nichtigkeit des Eheschutzurteils anrufe, noch vertritt er die Rechtsauffassung, unter Beizug der verfahrensrechtlichen Anträge hätte sein Hauptbegehren ohne weiteres so ausgelegt werden können und müssen, dass er eine Reformation bezüglich der Liegenschaftszuweisung, der Herausgabe der Schlüssel und der Betreuung des Pudels verlange, womit auf die Berufung einzutreten gewesen wäre. Mangels Auseinandersetzung mit der ersten Begründungslinie des angefochtenen Entscheids ist deshalb auf die Beschwerde nicht einzutreten (vgl. vorne E. 3.2).  
 
4.  
Bei diesem Verfahrensausgang wird der Beschwerdeführer kosten- (Art. 66 Abs. 1 BGG), nicht aber entschädigungspflichtig, da keine Vernehmlassungen eingeholt wurden und der obsiegenden Beschwerdegegnerin keine zu entschädigenden Kosten entstanden sind (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Zivilrecht, mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 18. Oktober 2022 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Herrmann 
 
Die Gerichtsschreiberin: Gutzwiller