1B_213/2023 14.06.2023
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
1B_213/2023  
 
 
Urteil vom 14. Juni 2023  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Müller, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter Merz, Kölz, 
Gerichtsschreiber Schurtenberger. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwalt Daniel U. Walder, 
 
gegen  
 
1. Marie-Luise Williner, Bezirksgericht Leuk und Westlich-Raron, Rathaus, 3953 Leuk Stadt, 
2. Petra Vonschallen, 
Bezirksgericht Leuk und Westlich-Raron, Rathaus, 3953 Leuk Stadt, 
Beschwerdegegnerinnen, 
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Wallis, 
Amt der Region Oberwallis, 
Überlandstrasse 42, Postfach, 3900 Brig. 
 
Gegenstand 
Strafverfahren; Ausstand, 
 
Beschwerde gegen die Verfügung des Kantonsgerichts des Kantons Wallis, Strafkammer, vom 7. März 2023 
(P3 23 21). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Wallis, Amt der Region Oberwallis, erhob am 31. Dezember 2019 beim Bezirksgericht Leuk und Westlich-Raron Anklage gegen A.________ wegen sexueller Handlungen mit Kindern, sexueller Nötigung und Schändung. Die zunächst auf den 14. Mai 2020 angesetzte Hauptverhandlung musste aufgrund eines Wechsels der Verteidigung, mehrerer (abgewiesener) Ausstandsgesuche gegen die Präsidentin des Bezirksgerichts (vgl. Urteil 1B_227/2021 vom 17. August 2021) sowie einem stationären Klinikaufenthalt von A.________ verschoben werden. Nach seiner Entlassung aus der Klinik wurde A.________ auf den 6. September 2022 erneut zur Hauptverhandlung vorgeladen. 
 
B.  
Unter Beilage eines Arztzeugnisses beantragte A.________ am 1. September 2022 wiederum die Verschiebung der Hauptverhandlung, da er nicht verhandlungsfähig sei. Mit Verfügung vom 2. September 2022 wies die Präsidentin des Bezirksgerichts das Verschiebungsgesuch ab und ordnete an, dass A.________ am Tag der Hauptverhandlung durch Dr. med. Georg Michas zu Beginn der Hauptverhandlung im Hinblick auf seine Verhandlungsfähigkeit zu begutachten sei. Als Reaktion hierauf liess A.________ mit Schreiben vom 5. September 2022 verlauten, weder er noch sein Verteidiger würden zur Verhandlung erscheinen. Zudem stellte er ein (abermaliges) Ausstandsgesuch gegen die Präsidentin des Bezirksgerichts wie auch gegen die zuständige Gerichtsschreiberin und den aufgebotenen Gutachter. 
Das Bezirksgericht führte am 6. September 2022 die Hauptverhandlung durch und stellte dabei die Säumnis von A.________ und seines Verteidigers fest. Mit Verfügung vom 12. September 2022 lud es A.________ auf den 20. Dezember 2022 neuerlich zur Hauptverhandlung vor, wobei es wiederum seine Begutachtung durch Dr. Georg Michas anordnete. Zugleich versah es diese Vorladung mit der Androhung, im Falle der (erneuten) Säumnis ein Abwesenheitsverfahren durchzuführen. Gegen diese Vorladung erhob A.________ am 23. September 2022 Beschwerde an das Kantonsgericht des Kantons Wallis und beantragte in der Hauptsache, die Vorladung neu ohne die Androhung eines Abwesenheitsverfahrens und ohne Anordnung eines Gutachtens zu erlassen. 
Mit Verfügung vom 17. Oktober 2022 vereinigte die Strafkammer des Kantonsgerichts die bei ihm anhängigen Verfahren betreffend die Ausstandsgesuche von A.________ vom 5. September 2022 sowie seine Beschwerde vom 23. September 2022 (Dispositiv-Ziffer 1). Dabei trat es auf die Beschwerde mangels eines drohenden nicht wieder gutzumachenden Nachteils nicht ein (Dispositiv-Ziffer 2) und wies die Ausstandsgesuche als unbegründet ab (Dispositiv-Ziffer 3). Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesgericht mit Urteil 1B_599/2022 vom 18. April 2023 ab, soweit es darauf eintrat. 
 
C.  
Nachdem A.________ auch nicht zur Hauptverhandlung vom 20. Dezember 2022 erschienen war, wurde er mit neuerlicher Verfügung vom 21. Dezember 2022 auf den 10. Mai 2023 zur Hauptverhandlung vorgeladen. Die diesbezügliche Vorladung wurde erneut mit der Androhung eines Abwesenheitsverfahrens und der Anordnung einer Begutachtung versehen. 
Mit Eingabe vom 18. Januar 2023 beantragte A.________ erneut den Ausstand der Präsidentin des Bezirksgerichts sowie der zuständigen Gerichtsschreiberin. Mit Verfügung vom 7. März 2023 wies das Kantonsgericht des Kantons Wallis, Strafkammer, das Ausstandsgesuch ab, soweit es darauf eintrat. 
 
D.  
Mit Eingabe vom 24. April 2023 hat A.________ beim Bundesgericht erneut Beschwerde in Strafsachen erhoben. Er beantragt, die Verfügung des Kantonsgerichts vom 7. März 2023 aufzuheben und sein Ausstandsgesuch gutzuheissen. Eventualiter sei die Sache zum erneuten Entscheid in der Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
Die Vorinstanz, die Staatsanwaltschaft sowie die Präsidentin und Gerichtsschreiberin des Bezirksgerichts haben auf eine Vernehmlassung verzichtet. Die entsprechenden Eingaben wurden dem Beschwerdeführer zugestellt. Mit Eingabe vom 12. Juni 2023 reichte der neue Rechtsvertreter des Beschwerdeführers "Bemerkungen" zur Sache ein. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Angefochten ist ein selbstständig eröffneter Zwischenentscheid über ein Ausstandsbegehren im Rahmen eines Strafverfahrens. Dagegen steht die (direkte) Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht nach Art. 78 ff. BGG grundsätzlich offen (Art. 78 Abs. 1 BGG; Art. 59 Abs. 1 StPO i.V.m. Art. 80 BGG; Art. 92 Abs. 1 BGG). Die weiteren Eintretensvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Auf die Beschwerde ist einzutreten.  
 
1.2. Die Einreichung einer Replik kann nur dazu dienen, sich zu den von der Gegenpartei eingereichten Stellungnahmen zu äussern. Ausgeschlossen sind in diesem Rahmen dagegen Anträge und Rügen, die der Beschwerdeführer bereits vor Ablauf der Beschwerdefrist hätte erheben können (BGE 143 II 283 E. 1.2.3; vgl. dazu bereits Urteil 1B_599/2022 vom 18. April 2023 E. 2.4.2). Der Beschwerdeführer legt nicht dar, weshalb es ihm nicht möglich gewesen sein sollte, seine (ohnehin rein appellatorischen und damit auch insoweit unzulässigen) "Bemerkungen" bereits mit seiner Beschwerde vom 24. April 2023 anzubringen. Entsprechend handelt es sich hierbei um eine unzulässige Beschwerdeergänzung, die für das vorliegende Verfahren unbeachtlich bleiben muss.  
 
1.3. Schliesslich hält der Beschwerdeführer am Ende seiner "Bemerkungen" vom 11. Juni 2023 fest, "[v]or dem Hintergrund dieser skizzenhaften Ausführungen" habe es "nach unserem Empfinden wohl keinen Sinn, an diesen [vom bisherigen Rechtsvertreter] gestellten Befangenheitsanträgen festzuhalten". Unklare Begehren sind unter Berücksichtigung der Beschwerdebegründung nach dem Vertrauensprinzip auszulegen (BGE 136 V 131 E. 1.2; 133 II 409 E. 1.4.2). Angesichts der weiteren (weitschweifigen) Ausführungen in der Eingabe vom 11. Juni 2023 und mangels eindeutiger Anträge ist nicht davon auszugehen, dass der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer seine Eingabe als Beschwerderückzug verstanden haben wollte. Entsprechend ist ein Urteil in der Sache zu fällen.  
 
2.  
Die Vorinstanz begründete die Abweisung des Ausstandsbegehrens des Beschwerdeführers damit, die vorgebrachten Ausstandsgründe würden mit jenen übereinstimmen, die er bereits in seinem Ausstandsgesuch vom 5. September 2022 vorgebracht habe und die mit Entscheid vom 17. Oktober 2022 als unbegründet abgewiesen worden seien. Da keine weiteren Ausstandsgründe vorgebracht würden, sei das Gesuch abzuweisen, soweit überhaupt darauf eingetreten werden könne. 
Der Beschwerdeführer bringt dagegen vor, gemäss höchstrichterlicher Rechtsprechung könnten Verfehlungen unter Umständen auch erst in der Summierung genügend schwer wiegen, um den Anschein der Befangenheit zu begründen. Dies sei vorliegend der Fall. Die Vorinstanz setze sich zudem nicht hinreichend mit seinen Vorbringen auseinander, wodurch sie zusätzlich auch ihre Begründungspflicht sowie seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletze. 
 
3.  
Die Rügen sind unbegründet: Zwar ist es nicht ausgeschlossen, im Rahmen eines (neuen) Ausstandsgesuchs zusammen mit erst später hinzugetretenen Umständen auch auf bereits früher erfolgtes (angeblich) problematisches Verhalten zurückzukommen (vgl. etwa Urteil 1B_246/2020 vom 22. Dezember 2020 E. 5.2.2). Vorliegend behauptet der Beschwerdeführer jedoch gerade nicht, die Beschwerdegegnerinnen hätten weitere, andere Verfehlungen begangen. Dementsprechend bleibt es dabei, dass die vom Beschwerdeführer (erneut) als unzulässig gerügten Verfahrenshandlungen, zumindest unter Ausstandsgesichtspunkten, als unproblematisch zu werten sind. Es kann vollumfänglich auf Erwägung 3 des Urteils 1B_599/2022 vom 18. April 2023 verwiesen werden. Unter diesen Umständen war die Vorinstanz aber auch nicht gehalten, sich näher mit den bereits mehrfach behandelten Vorbringen des Beschwerdeführers auseinanderzusetzen, sondern durfte sich auf eine summarische Begründung der für den Entscheid wesentlichen Punkte beschränken (ausführlich dazu BGE 143 III 65 E. 5.2 f.). Die Gehörsrüge geht somit ebenfalls fehl. 
 
4.  
Die Beschwerde erweist sich als offensichtlich unbegründet, weshalb sie im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. a und Abs. 3 BGG abzuweisen ist. 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen und keine Parteientschädigungen zuzusprechen (Art. 66 und 68 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, der Staatsanwaltschaft des Kantons Wallis, Amt der Region Oberwallis, dem Kantonsgericht des Kantons Wallis, Strafkammer, Rechtsanwalt Alfred Gujer, Uster, und Rechtsanwalt Peter Pfammatter, Brig, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 14. Juni 2023 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Müller 
 
Der Gerichtsschreiber: Schurtenberger