9C_725/2023 02.05.2024
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
9C_725/2023  
 
 
Urteil vom 2. Mai 2024  
 
III. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Parrino, Präsident, 
Bundesrichter Stadelmann, 
Bundesrichterin Moser-Szeless, 
Gerichtsschreiber Nabold. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Adrian Fiechter, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons St. Gallen, 
Brauerstrasse 54, 9016 St. Gallen, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen 
vom 11. Oktober 2023 (IV 2022/178). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die 1988 geborene A.________ meldete sich im März 1992 unter Hinweis auf die Geburtsgebrechen Ziff. 390 und 404 Anh. GgV bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons St. Gallen sprach ihr zunächst heilpädagogische Betreuung zu, später erbrachte die Invalidenversicherung Leistungen in Form von beruflichen Massnahmen, zuletzt in Form eines "Job Coachings". Mit Verfügung vom 1. Dezember 2014 brach die IV-Stelle das "Job Coaching" ab und verweigerte weitere berufliche Massnahmen; zudem lehnte sie am 13. Februar 2015 einen Rentenanspruch ab. 
Im März 2018 beantragte A.________ eine Wiederaufnahme des IV-Verfahrens. Nachdem sie gegen einen ablehnenden Vorbescheid Einwand erhoben hatte, holte die IV-Stelle bei der B.________ GmbH eine polydisziplinäre Expertise ein. Nach Vorliegen des Gutachtens vom 25. Mai 2021 wies die IV-Stelle mit Verfügung vom 20. August 2021 (letztinstanzlich bestätigt mit Urteil 9C_426/2022 vom 17. März 2023) das Begehren um berufliche Massnahmen ab. Zudem lehnte die IV-Stelle mit Verfügung vom 3. Oktober 2022 einen Rentenanspruch der Versicherten ab. 
 
B.  
Die von A.________ hiergegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 11. Oktober 2023 ab. 
 
C.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt A.________, ihr sei unter Aufhebung des kantonalen Gerichtsentscheides mindestens eine halbe Rente der Invalidenversicherung zuzusprechen, eventuell sei die Angelegenheit zwecks Einholens eines neuen polydisziplinären Gutachtens an die Vorinstanz zurückzuweisen. Gleichzeitig stellt A.________ ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege. 
Die IV-Stelle und das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG; BGE 135 II 384 E. 2.2.1). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
2.  
Streitig und zu prüfen ist, ob das kantonale Gericht Bundesrecht verletzte, als es die Verfügung der IV-Stelle vom 3. Oktober 2022 bestätigte, wonach die Beschwerdeführerin (weiterhin) keinen Anspruch auf eine Rente der Invalidenversicherung hat. 
 
3.  
 
3.1. Am 1. Januar 2022 trat das revidierte Bundesgesetz über die Invalidenversicherung (IVG; SR 831.20) in Kraft (Weiterentwicklung der IV [WEIV]; Änderung vom 19. Juni 2020, AS 2021 705, BBl 2017 2535). Da die für den vorliegenden Fall relevanten Bestimmungen dadurch nicht geändert wurden, erübrigt es sich auf die Gesetzesänderungen weiter einzugehen (vgl. auch Urteil 9C_46/2023 vom 23. April 2024 E. 3.1).  
 
3.2. Der Anspruch auf Leistungen der Invalidenversicherung setzt unter anderem voraus, dass die versicherte Person invalid oder von Invalidität unmittelbar bedroht ist. Invalidität ist gemäss Art. 8 Abs. 1 ATSG die voraussichtlich bleibende oder längere Zeit dauernde ganze oder teilweise Erwerbsunfähigkeit.  
 
3.3. Eine Neuanmeldung wird nur materiell geprüft, wenn die versicherte Person glaubhaft macht, dass sich die tatsächlichen Verhältnisse seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung in einem für den Rentenanspruch erheblichen Mass verändert haben (Art. 87 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 IVV; BGE 130 V 71 E. 2.2 mit Hinweisen). Ist die anspruchserhebliche Änderung glaubhaft gemacht, hat die Verwaltung in analoger Weise wie bei einem Revisionsfall vorzugehen (vgl. dazu BGE 130 V 71). Die Zusprache einer Rente aufgrund einer Neuanmeldung setzt somit eine anspruchserhebliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse voraus, welche etwa in einer objektiven Verschlechterung des Gesundheitszustandes mit entsprechend verringerter Arbeitsfähigkeit oder in geänderten erwerblichen Auswirkungen einer im Wesentlichen gleich gebliebenen Gesundheitsbeeinträchtigung liegen kann. Demgegenüber stellt eine bloss abweichende Beurteilung eines im Wesentlichen gleich gebliebenen Sachverhaltes keine neuanmelde- bzw. revisionsrechtlich relevante Änderung dar (BGE 147 V 161 E. 4.2 mit Hinweisen).  
 
4.  
 
4.1. Es steht fest und ist unbestritten, dass ein Rentenanspruch der Beschwerdeführerin bereits am 13. Februar 2015 verneint wurde und diese Rentenablehnung - auch wenn sie nicht in Form einer formellen Verfügung erging - rechtskräftig wurde. Weiter ist festzuhalten, dass die IV-Stelle auf die Neuanmeldung der Beschwerdeführerin eingetreten ist. Entsprechend wären im kantonalen Entscheid keine Ausführungen zur Frage, ob eine erhebliche Veränderung des Gesundheitszustandes glaubhaft gemacht wurde, notwendig gewesen. Es wäre jedoch zu erwarten gewesen, dass die Vorinstanz eine explizite Feststellung zur Frage trifft, ob eine solche erhebliche Veränderung des Sachverhalts mit dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit nachgewiesen ist.  
 
4.2. Demgegenüber hat das kantonale Gericht in Würdigung der medizinischen Akten, insbesondere gestützt auf das Gutachten der B.________ GmbH vom 25. Mai 2021, für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlich festgestellt, dass die Versicherte in ihrem erlernten Beruf als Fachfrau Betriebsunterhalt uneingeschränkt arbeitsfähig ist. Was die Beschwerdeführerin gegen diese Feststellung vorbringt, vermag sie nicht als willkürlich oder sonst wie bundesrechtswidrig erscheinen zu lassen. Wie die Beschwerdeführerin bereits in dem den von ihr geltend gemachten Anspruch auf berufliche Massnahmen betreffenden Urteil 9C_426/2022 vom 17. März 2023 E. 4 aufmerksam gemacht wurde, ist rechtsprechungsgemäss auf im Verfahren nach Art. 44 ATSG eingeholte Gutachten abzustellen, wenn nicht konkrete Indizien gegen die Zuverlässigkeit der Expertise sprechen (BGE 135 V 465 E. 4.4). Solche vermag die Beschwerdeführerin weiterhin nicht darzutun; dass sie persönlich mit dem Resultat der Begutachtung nicht einverstanden ist, reicht hierfür nicht aus.  
 
4.3. Hat demnach die Vorinstanz kein Bundesrecht verletzt, als sie von einer uneingeschränkten Arbeitsfähigkeit der Beschwerdeführerin in ihrem erlernten Beruf ausging, so ist daraus der Schluss zu ziehen, dass sich ihr Gesundheitszustand seit der letzten Rentenablehnung nicht erheblich verschlechtert hat. Zudem wird auch im Gutachten der B.________ GmbH vom 25. Mai 2021 keine solche erhebliche Verschlechterung beschrieben. Damit erübrigt sich eine erneute Invaliditätsbemessung, wäre doch eine solche nur vorzunehmen, wenn eine Veränderung des Sachverhaltes mit dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit nachgewiesen wäre. Die Beschwerde der Versicherten ist demnach abzuweisen, ohne dass auf ihre Einwände zur vorinstanzlichen Invaliditätsbemessung eingegangen werden müsste.  
 
5.  
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Dem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist stattzugeben, da die entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 64 Abs. 4 BGG aufmerksam gemacht, wonach die begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie später dazu in der Lage ist. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Der Beschwerdeführerin wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt und Rechtsanwalt Adrian Fiechter wird als unentgeltlicher Anwalt bestellt. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt, indes vorläufig auf die Bundesgerichtskasse genommen. 
 
4.  
Dem Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin wird aus der Bundesgerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2'800.- ausgerichtet. 
 
5.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 2. Mai 2024 
 
Im Namen der III. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Parrino 
 
Der Gerichtsschreiber: Nabold