2C_124/2024 27.02.2024
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
2C_124/2024  
 
 
Urteil vom 27. Februar 2024  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Aubry Girardin, Präsidentin, 
Gerichtsschreiberin Ivanov. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch BUCOFRAS, Juristische Beratung für Ausländer, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Bereich Bevölkerungsdienste und Migration Migrationsamt, Spiegelgasse 12, 4051 Basel, 
Justiz- und Sicherheitsdepartement des Kantons Basel-Stadt, Spiegelgasse 6, 4001 Basel. 
 
Gegenstand 
Aufenthaltsbewilligung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht, Dreiergericht, vom 9. Januar 2023 [recte: 2024] (VD.2023.83). 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. A.________ (geb. 1986), aus der Demokratischen Republik Kongo, heiratete am 19. Mai 2018 einen Schweizer Bürger und reiste am 3. März 2019 in die Schweiz ein. Am 26. März 2019 erhielt sie eine Aufenthaltsbewilligung zum Verbleib bei ihrem Ehemann.  
Am 1. November 2020 ist A.________ nach Saint-Louis (Frankreich) umgezogen (Art. 105 Abs. 2 BGG). Nachdem sie am 27. September 2021 nach Basel zurückgekehrt war, verliess sie die gemeinsame eheliche Wohnung und trat gleichentags in das Frauenhaus beider Basel ein. 
 
1.2. Am 3. August 2022 verfügte der Bereich Bevölkerungsdienste und Migration, Migrationsamt, des Kantons Basel Stadt das Erlöschen der Aufenthaltsbewilligung von A.________ und wies sie aus der Schweiz und dem Schengen-Raum weg.  
Einen dagegen erhobenen Rekurs wies das Justiz- und Sicherheitsdepartement Basel-Stadt mit Entscheid vom 29. März 2023 ab. 
 
1.3. Mit Urteil vom 9. Januar 2023 [recte: 2024] wies das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht, Dreiergericht, einen gegen diesen Entscheid erhobenen Rekurs ab.  
 
1.4. Mit einer in französischer Sprache verfassten Eingabe vom 22. Februar 2024 (Postaufgabe) erhebt A.________ Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten sowie subsidiäre Verfassungsbeschwerde an das Bundesgericht und beantragt, es sei das Urteil vom 9. Januar 2024 aufzuheben und es sei ihr eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen; eventualiter sei die Sache zu neuem Entscheid im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückzuweisen. Prozessual ersucht sie um Erteilung der aufschiebenden Wirkung sowie um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.  
Es wurden keine Instruktionsmassnahmen angeordnet. 
 
2.  
Die Beschwerdeführerin hat ihre Eingabe in französischer Sprache verfasst, wozu sie befugt ist (Art. 42 Abs. 1 BGG). Das bundesgerichtliche Verfahren wird allerdings in der Regel in der Sprache des angefochtenen Entscheids geführt (Art. 54 Abs. 1 BGG), d.h. im vorliegenden Fall auf Deutsch. Davon abzuweichen besteht vorliegend kein Anlass, da die Beschwerdeführerin nicht behauptet, dass sie die deutsche Sprache nicht beherrscht. 
 
3.  
 
3.1. Auf dem Gebiet des Ausländerrechts ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten im Zusammenhang mit Bewilligungen ausgeschlossen, auf die weder das Bundesrecht noch das Völkerrecht einen Anspruch einräumen oder Abweichungen von den Zulassungsvoraussetzungen betreffen (Art. 83 lit. c Ziff. 2 und Ziff. 5 BGG). Sie ist ebenfalls ausgeschlossen gegen Wegweisungsentscheide (Art. 83 lit. c Ziff. 4 BGG). Ist die Zulässigkeit eines Rechtsmittels zweifelhaft, umfasst die Begründungspflicht gemäss Art. 42 Abs. 2 BGG grundsätzlich auch die Eintretensvoraussetzungen (vgl. BGE 134 II 45 E. 2.2.3; 133 II 249 E. 1.1; Urteil 2C_682/2021 vom 3. November 2021 E. 1.1).  
 
3.2. Gemäss dem angefochtenen Urteil hat das Justiz- und Sicherheitsdepartement festgehalten, dass die Aufenthaltsbewilligung der Beschwerdeführerin aufgrund der zwischenzeitlichen Verlagerung ihres Lebensmittelpunkts nach Frankreich für mehr als sechs Monate (vom 1. November 2020 bis zum 27. September 2021) erloschen sei (Art. 61 Abs. 2 AIG [SR 142.20]). Diese Schlussfolgerung wurde im vorinstanzlichen Verfahren explizit anerkannt. Auch im vorliegenden bundesgerichtlichen Verfahren bestreitet die Beschwerdeführerin nicht, dass ihre Aufenthaltsbewilligung erloschen sei und erhebt in diesem Zusammenhang auch keine Rügen.  
Sie macht indessen geltend, sie habe Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gestützt auf Art. 50 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 AIG, da sie Opfer ehelicher Gewalt gewesen sei. 
 
3.3. Art. 50 AIG regelt das "Weiterbestehen" der Bewilligungsansprüche nach Art. 42 und 43 AIG. Ist der originäre Bewilligungsanspruch einmal untergegangen, kommt ein Wiederaufleben dieses Anspruchs gestützt auf Art. 50 AIG nicht in Betracht (BGE 137 II 345 E. 3.2.3; Urteil 2C_973/2011 vom 21. Dezember 2011 E. 2.2.2). Voraussetzung für eine Neuerteilung der Aufenthaltsbewilligung bei einer Wiedereinreise wäre, dass in jenem Moment ein Anknüpfungspunkt zur früheren Bewilligung besteht. An einem Anknüpfungspunkt fehlt es hingegen, wenn während des die Bewilligung zum Erlöschen bringenden Auslandsaufenthalts die seinerzeit anspruchsbegründende Ehegemeinschaft dahingefallen ist bzw. diese gar schon zum Zeitpunkt der Ausreise nicht mehr Bestand hatte (vgl. Urteil 2C_483/2014 vom 26. Mai 2014 E. 2.3).  
Vorliegend ist die Aufenthaltsbewilligung der Beschwerdeführerin, wie bereits ausgeführt, aufgrund ihrer Auslandsabwesenheit von mehr als sechs Monaten von Gesetzes wegen erloschen (vgl. auch BGE 149 I 66 E. 4.7). Gemäss den vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen, die von der Beschwerdeführerin nicht substanziiert bestritten werden (Art. 105 Abs. 2 i.V.m. Art. 106 Abs. 2 BGG; zur qualifizierten Rüge- und Begründungspflicht vgl. u.a. BGE 140 III 264 E. 2.3; 137 I 58 E. 4.1.2) und somit für das Bundesgericht verbindlich sind (Art. 105 Abs. 1 BGG), bestand die anspruchsbegründende Ehegemeinschaft der Beschwerdeführerin bereits zum Zeitpunkt der Ausreise nicht mehr. Eine Berufung auf Art. 50 AIG fällt in dieser Konstellation ausser Betracht (vgl. Urteile 2C_404/2022 vom 4. August 2022 E. 6.3 mit Hinweisen; 2C_483/2014 vom 26. Mai 2014 E. 2.3). 
 
3.4. Ein anderweitiger potenzieller Bewilligungsanspruch ist nicht ersichtlich und wird nicht in vertretbarer Weise geltend gemacht. So kann die Beschwerdeführerin, deren ursprüngliche Bewilligung erloschen ist und sich erst seit September 2021 (erneut) in der Schweiz aufhält, aus BGE 144 I 266 und der darin aufgestellten Vermutung, dass eine ausländische Person nach einem zehnjährigen rechtmässigen Aufenthalt als integriert gelten könne (vgl. dort E. 3.9), keinen Bewilligungsanspruch gestützt auf den Schutz des Privatlebens (Art. 8 Ziff. 1 EMRK und Art. 13 Abs. 1 BV) ableiten (vgl. auch vgl. BGE 149 I 66 E. 4.5-4.8). Besondere Umstände, wonach in ihrem Fall - trotz kürzerer Aufenthaltsdauer - eine besonders ausgeprägte Integration vorliegen soll (vgl. hierzu BGE 149 I 207 E. 5.3), werden nicht dargetan. Im Übrigen ist die Berufung auf den Schutz des Familienlebens gemäss Art. 8 Ziff. 1 EMRK bzw. Art. 13 Abs. 1 BV von vornherein ausgeschlossen, zumal die Beschwerdeführerin über keine Kernfamilie in der Schweiz verfügt.  
Keinen Anspruch auf Erteilung einer Bewilligung räumen schliesslich Art. 30 Abs. 1 lit. k AIG (Wiederzulassung von Ausländerinnen und Ausländern) und Art. 30 Abs. 1 lit. b AIG (Härtefallbewilligung) ein. Diese Bestimmungen betreffen die Abweichungen von den Zulassungsvoraussetzungen, die unter den Ausnahmetatbestand von Art. 83 lit. c Ziff. 5 BGG fallen (vgl. u.a. Urteile 2C_502/2023 vom 25. September 2023 E. 2.2; 2C_361/2023 vom 4. Juli 2023 E. 2.5; 2C_16/2022 vom 13. Januar 2022 E. 2.3; jeweils mit Hinweisen). 
 
3.5. Im Ergebnis ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ausgeschlossen.  
 
4.  
Zu prüfen ist die Zulässigkeit der gleichzeitig erhobenen subsidiären Verfassungsbeschwerde (Art. 113 ff. BGG). 
 
4.1. Mangels Aufenthaltsanspruchs in der Schweiz sind in diesem Rahmen ausschliesslich Rügen bezüglich verfahrensrechtlicher Punkte zulässig, deren Verletzung einer formellen Rechtsverweigerung gleichkommt und die das Gericht von der Prüfung der Sache bzw. der Bewilligungsfrage getrennt beurteilen kann ("Star"-Praxis; vgl. BGE 141 IV 1 E. 1.1; 137 II 305 E. 2; Urteil 2D_24/2022 vom 16. Juni 2022 E. 5.2). Unzulässig sind Vorbringen, die im Ergebnis wiederum auf eine materielle Überprüfung des angefochtenen Entscheids abzielen, wie die Behauptung, die Begründung sei unvollständig oder zu wenig differenziert bzw. die Vorinstanz habe sich nicht oder in willkürlicher Weise mit den Argumenten der Partei auseinandergesetzt und Beweisanträge in offensichtlich unhaltbarer antizipierter Beweiswürdigung abgelehnt (vgl. BGE 137 II 305 E. 2; Urteil 2D_32/2022 vom 25. November 2022 E. 2.2 mit Hinweisen).  
Die Beschwerdeführerin rügt Verletzungen des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV). Sie bringt in diesem Zusammenhang im Wesentlichen vor, die Vorinstanz habe bei der Beurteilung des Härtefalls verschiedene Aspekte nicht berücksichtigt, wie namentlich ihren gesundheitlicher Zustand, ihre berufliche Integration oder den Umstand, dass sie die Rechtsordnung beachte. Ihre Vorbringen zielen indessen auf eine materielle Überprüfung der Rechtmässigkeit der Verweigerung der Härtefallbewilligung gemäss Art. 30 Abs. 1 lit. b AIG ab. Die erhobenen Rügen können nicht getrennt von der Bewilligungsfrage geprüft werden, sodass sie unzulässig sind. 
 
4.2. Die von der Beschwerdeführerin ebenfalls beanstandete Wegweisung lässt sich einzig unter Berufung auf besondere verfassungsmässige Rechte anfechten, die der betroffenen Person unmittelbar ein rechtlich geschütztes Interesse im Sinne von Art. 115 lit. b BGG verschaffen, wie dies für Art. 10 Abs. 3 BV bzw. Art. 2 und 3 EMRK oder Art. 25 Abs. 2 und Abs. 3 BV der Fall ist (vgl. BGE 137 II 305 E. 3.3). Solche Rügen müssen in der Beschwerde vorgebracht und begründet werden (Art. 106 Abs. 2 i.V.m. Art. 117 BGG; sog. qualifizierte Rüge- und Begründungspflicht, vgl. BGE 147 I 73 E. 2.1; 142 II 369 E. 2.1; 141 I 36 E. 1.3).  
Die Beschwerdeführerin beruft sich im diesem Zusammenhang auf keine verfassungsmässigen Rechte, sondern beschränkt sich im Wesentlichen auf Ausführungen allgemeiner Art und Verweise auf die Rechtsprechung betreffend die Unzumutbarkeit des Vollzugs von Wegweisungen. Pauschale, nicht weiter substanziierte Hinweise auf ihre psychische Gesundheit sowie auf ihre Situation als alleinstehende Frau genügen nicht, um eine ernsthafte und konkrete Lebensgefahr oder das Risiko einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Falle einer Rückkehr in ihr Heimatland konkret darzutun. Ihre Vorbringen genügen den qualifizierten Anforderungen an die Begründung von Verfassungsrügen (Art. 106 Abs. 2 i.V.m. Art. 117 BGG) nicht. 
 
4.3. Folglich ist auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde ebenfalls nicht einzutreten.  
 
5.  
 
5.1. Die Eingabe der Beschwerdeführerin erweist sich sowohl als Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten als auch als subsidiäre Beschwerde als offensichtlich unzulässig bzw. unbegründet (Art. 42 Abs. 2 BGG; Art. 106 Abs. 2 i.V.m. Art. 117 BGG). Es ist darauf mit Entscheid der Abteilungspräsidentin als Einzelrichterin im vereinfachten Verfahren nach Art. 108 (Abs. 1 lit. a und b) nicht einzutreten. Damit wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos.  
 
5.2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird zufolge Aussichtslosigkeit des Rechtsmittels abgewiesen (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Auf die die Erhebung von Gerichtskosten wird umständehalber verzichtet (Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BGG). Es sind keine Parteientschädigungen geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG).  
 
 
Demnach erkennt die Präsidentin:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.  
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt als Verwaltungsgericht, Dreiergericht, und dem Staatssekretariat für Migration mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 27. Februar 2024 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: F. Aubry Girardin 
 
Die Gerichtsschreiberin: D. Ivanov