7B_165/2022 20.07.2023
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
7B_165/2022  
 
 
Urteil vom 20. Juli 2023  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Abrecht, Präsident, 
Bundesrichter Hurni, Kölz, 
Gerichtsschreiberin Sauthier. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Andreas Dudli, 
 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, Untersuchungsamt Gossau, 
Sonnenstrasse 4a, 9201 Gossau SG. 
 
Gegenstand 
Strafverfahren; verdeckte Zwangsmassnahmen, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid der Anklagekammer des Kantons St. Gallen vom 30. März 2022 
(AK.2022.49-AK, AK.2022.50-AP). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Staatsanwaltschaft, Untersuchungsamt Gossau SG, führt ein Strafverfahren gegen A.________ wegen des Verdachts der mehrfachen Verbrechen gegen das Betäubungsmittelgesetz und der mehrfachen Vergehen gegen das Heilmittelgesetz. A.________ wird vorgeworfen, im Zeitraum vom November 2018 bis Januar 2019 insgesamt mindestens rund 100 g Kokaingemisch an einen verdeckten Fahnder und an verschiedene unbekannte Kleinabnehmer verkauft zu haben. Zudem soll er am 14. Januar 2019 an seinem Wohnort 29,5 g Kokaingemisch besessen haben. Weiter soll er von November 2017 bis Januar 2019 verschiedene Aufbaupräparate und Arzneimittel (Anabolika/Potenzmittel) an mindestens vier Abnehmer verkauft haben. 
 
B.  
Mit Verfügung vom 2. Februar 2022 teilte die Staatsanwaltschaft A.________ mit, dass folgende Überwachungsmassnahmen und Handlungen durch einen verdeckten Fahnder angeordnet bzw. vorgenommen worden seien: Mit Verfügung vom 14. September 2018 habe die Polizei eine verdeckte Fahndung auf den Benutzer der Nummer xxx und mit Verfügung vom 22. Oktober 2018 auf den Benutzer der Nummer yyy angeordnet. Die Staatsanwaltschaft habe sodann am 9. November 2018 eine verdeckte Fahndung und eine Observation auf A.________ für einen Monat angeordnet. Zudem sei gleichentags für den Zeitraum vom 9. Mai 2018 bis zum 9. November 2018 eine rückwirkende Randdatenerhebung auf die Nummern yyy und xxx angeordnet worden. Mit Verfügung vom 5. Dezember 2018 sei die Verlängerung der verdeckten Fahndung auf A.________ für den Zeitraum vom 5. Dezember 2018 bis zum 5. Februar 2019 bewilligt worden. Zwischen dem 19. und 23. September 2018 seien Kontaktversuche per Whatsapp auf die Nummer xxx erfolgt. Am 27. Oktober 2018 sei per WhatsApp mit der Nummer yyy Kontakt aufgenommen worden und am 6. November 2018 habe eine weitere Kontaktaufnahme sowie eine telefonische Unterhaltung mit der Nummer yyy stattgefunden. Am nächsten Tag sei ein Treffen erfolgt mit anschliessendem WhatsApp-Kontakt. In den nächsten Tagen bzw. Wochen hätten weitere Kontaktaufnahmen stattgefunden und am 14. Januar 2019 sei der Kauf von Kokain beim Subway erfolgt. 
Gegen diese Mitteilungsverfügung erhob A.________ am 14. Februar 2022 Beschwerde an die Anklagekammer des Kantons St. Gallen. Diese wies die Beschwerde mit Entscheid vom 30. März 2022 ab (Ziff. 1) und auferlegte A.________ die Kosten des Verfahrens (Ziff. 2). 
 
C.  
Mit Eingabe vom 3. Mai 2022 führt A.________ Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht. Er beantragt, Ziff. 1 und Ziff. 2 des Entscheids der Anklagekammer vom 30. März 2022 seien aufzuheben. Weiter sei die Verfügung der Kriminalpolizei vom 14. September 2018 vollumfänglich aufzuheben und die Nichtigkeit der Verfügung der Kriminalpolizei vom 22. Oktober 2018 festzustellen; eventualiter sei Letztere vollumfänglich aufzuheben. Sodann seien auch die Verfügungen der Staatsanwaltschaft vom 9. November 2018 und vom 5. Dezember 2018 vollumfänglich aufzuheben. Eventualiter sei die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
Die Staatsanwaltschaft sowie das Untersuchungsamt haben sich nicht vernehmen lassen. Die Anklagekammer hat auf eine Vernehmlassung verzichtet. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Gegen den angefochtenen Entscheid ist gemäss Art. 78 Abs. 1 BGG die Beschwerde in Strafsachen gegeben.  
Der angefochtene Entscheid schliesst das Strafverfahren indessen nicht ab. Er stellt einen Zwischenentscheid dar, der weder die Zuständigkeit noch den Ausstand betrifft. Gemäss Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG ist er nur dann unmittelbar mit Beschwerde anfechtbar, wenn er einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann. Beim drohenden nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne dieser Bestimmung muss es sich um einen solchen rechtlicher Natur handeln. Nicht wieder gutzumachend bedeutet, dass er auch mit einem für die beschwerdeführende Person günstigen Endentscheid nicht oder nicht vollständig behoben werden kann. Ein lediglich tatsächlicher Nachteil wie die Verteuerung oder Verlängerung des Verfahrens genügt nicht (BGE 148 IV 155 E. 1.1; 144 IV 321 E. 2.3; je mit Hinweisen; Urteil 1B_404/2021 vom 19. Oktober 2021 E. 1.3, nicht publ. in: BGE 148 IV 82). Woraus sich der nicht wieder gutzumachende Nachteil ergeben soll, ist in der Beschwerdeschrift darzulegen, sofern dies nicht offensichtlich ist (BGE 141 IV 284 E. 2.3, 289 E. 1.3; Urteil 1B_170/2017 vom 9. Juni 2017 E. 1.3; je mit Hinweisen). 
 
1.2. Der Beschwerdeführer äussert sich nicht dazu, ob und inwiefern ihm durch den angefochtenen Entscheid ein nicht wieder gutzumachender Nachteil droht. Damit kommt er seiner Begründungspflicht gemäss Art. 42 Abs. 2 BGG nicht nach. Auf die Beschwerde könnte unter diesen Umständen nur eingetreten werden, wenn der nicht wieder gutzumachende Nachteil offensichtlich wäre (vgl. BGE 141 IV 284 E. 2.3; 289 E. 1.3; Urteil 1B_170/2017 vom 9. Juni 2017 E. 1.3; je mit Hinweisen).  
Dies trifft hier nicht zu. Der alleinige Umstand, dass ein Beweismittel, dessen Verwertbarkeit der Beschwerdeführer bestreitet, in den Akten bleibt, stellt grundsätzlich keinen Nachteil rechtlicher Natur dar, da der Beschwerdeführer seinen Einwand bis zum Abschluss des Strafverfahrens erneut vorbringen kann. Er kann die Frage der Verwertbarkeit des Beweismittels namentlich dem Sachgericht unterbreiten. Von diesem kann erwartet werden, dass es in der Lage ist, die unzulässigen Beweise von den zulässigen zu unterscheiden und sich bei der Würdigung ausschliesslich auf Letztere zu stützen (BGE 144 IV 90 E. 1.1.3; 141 IV 289 E. 1.2; je mit Hinweisen). 
Von dieser Regel bestehen jedoch Ausnahmen. Eine solche liegt insbesondere vor, wenn das Gesetz ausdrücklich die sofortige Rückgabe aus den Akten bzw. Vernichtung rechtswidriger Beweise vorsieht. Ebenso verhält es sich, wenn aufgrund des Gesetzes oder der Umstände des Einzelfalles die Rechtswidrigkeit des Beweismittels ohne Weiteres feststeht. Derartige Umstände können nur angenommen werden, wenn der Betroffene ein besonders gewichtiges rechtlich geschütztes Interesse an der unverzüglichen Feststellung der Unverwertbarkeit des Beweises geltend macht (BGE 143 IV 387 E. 4.4; 141 IV 289 E. 1.3; je mit Hinweisen). 
Wie das Bundesgericht in BGE 148 IV 82 E. 5.3.3 und E. 5.4 ausführlich dargelegt hat, ist bei der verdeckten Fahndung gemäss Art. 298a f. StPO ein nicht wieder gutzumachender Nachteil grundsätzlich zu verneinen. Bei der verdeckten Fahndung, wie auch bei der Observation gemäss Art. 282 f. StPO, mangelt es an einer spezifischen Regelung im Gesetz, welche aufzeigt, was mit Beweisen geschieht, die im Rahmen einer unzulässigen verdeckten Fahndung bzw. rechtswidrigen Observation erlangt wurden (anders z.B. bei der verdeckten Ermittlung, vgl. Art. 289 Abs. 6 StPO). Sowohl bei der verdeckten Fahndung als auch bei der Observation kommen mithin die allgemeinen Bestimmungen über die Verwertung rechtswidrig erlangter Beweise, insbesondere Art. 141 Abs. 2 StPO zur Anwendung. In diesem Zusammenhang verneint die Rechtsprechung grundsätzlich den nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG (vgl. zur Observation: Urteile 1B_49/2022 vom 29. August 2022 E. 1; 1B_42/2021 vom 2. Dezember 2021 E. 1; je mit Hinweisen). 
Weshalb ein nicht wieder gutzumachender Nachteil hier ausnahmsweise zu bejahen sein sollte, legt der Beschwerdeführer, wie erwähnt, nicht dar und ist auch nicht erkennbar. Folglich kann auf die Beschwerde nicht eingetreten werden. 
 
2.  
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer grundsätzlich kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Er ersucht indessen um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung für das Verfahren vor Bundesgericht. Das Gesuch ist jedoch wegen Aussichtslosigkeit abzuweisen (vgl. Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Dem Beschwerdeführer sind ausgangsgemäss die Gerichtskosten aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 i.V.m. Art. 65 Abs. 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 600.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, Untersuchungsamt Gossau, und der Anklagekammer des Kantons St. Gallen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 20. Juli 2023 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Abrecht 
 
Die Gerichtsschreiberin: Sauthier