6B_953/2022 03.10.2022
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
6B_953/2022  
 
 
Urteil vom 3. Oktober 2022  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, Präsidentin, 
Bundesrichterin van de Graaf, 
Bundesrichter Hurni, 
Gerichtsschreiberin Unseld. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Johannes Hahnloser, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Schaffhausen, Bahnhofstrasse 29, 8200 Schaffhausen, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Revisionsgesuch (sexuelle Handlungen mit einem Kind etc.), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Schaffhausen vom 7. Juni 2022 (Nr. 50/2021/17). 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Das Obergericht des Kantons Schaffhausen erklärte den Beschwerdeführer mit Urteil vom 25. August 2020 in Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils der sexuellen Handlungen mit einem Kind und der versuchten sexuellen Handlungen mit einem Minderjährigen gegen Entgelt, begangen in der Nacht vom 28. auf den 29. Juli 2017 zwischen 23.50 und 00.10 Uhr, schuldig, wofür es ihn mit einer Freiheitsstrafe von acht Monaten bestrafte. Es widerrief die mit Urteil des Kantonsgerichts Schaffhausen am 11. Mai 2017 bedingt ausgesprochene Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu Fr. 30.--. Zudem verwies es den Beschwerdeführer für fünf Jahre des Landes. Weiter verbot es dem Beschwerdeführer für die Dauer von zehn Jahren jede berufliche und jede organisierte ausserberufliche Tätigkeit mit regelmässigem Kontakt zu Minderjährigen. 
Mit Entscheid vom 7. Juni 2022 wies das Obergericht des Kantons Schaffhausen ein vom Beschwerdeführer gegen das Urteil vom 25. August 2020 eingereichtes Revisionsgesuch ab, soweit es darauf eintrat. 
Der Beschwerdeführer beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, der Entscheid vom 7. Juni 2022 sei aufzuheben und die Vorinstanz sei anzuweisen, die Revision zuzulassen. Der Beschwerdeführer ersucht um aufschiebende Wirkung. Er stellt zudem ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege. 
 
2.  
Die durch ein rechtskräftiges Urteil beschwerte Person kann die Revision unter anderem verlangen, wenn neue, vor dem Entscheid eingetretene Tatsachen oder neue Beweismittel vorliegen, die geeignet sind, einen Freispruch, eine wesentlich mildere oder wesentlich strengere Bestrafung der verurteilten Person oder eine Verurteilung der freigesprochenen Person herbeizuführen (Art. 410 Abs. 1 lit. a StPO). 
Revisionsrechtlich gelten Tatsachen und Beweismittel als neu, wenn das Gericht zum Zeitpunkt der Urteilsfällung keine Kenntnis von ihnen hatte, sie ihm mithin nicht in irgendeiner Form zur Beurteilung vorlagen (BGE 137 IV 59 E. 5.1.2; 130 IV 72 E. 1; Urteile 6B_1101/2021 vom 25. August 2022 E. 2.3; 6B_1192/2020 vom 17. Januar 2022 E. 2.3.3). Die neuen Tatsachen müssen zudem erheblich sein. Dies ist der Fall, wenn sie geeignet sind, die tatsächlichen Grundlagen des zu revidierenden Urteils so zu erschüttern, dass aufgrund des veränderten Sachverhalts ein wesentlich milderes Urteil möglich ist (BGE 145 IV 197 E. 1.1; 137 IV 59 E. 5.1.4; 130 IV 72 E. 1; Urteile 6B_193/2022 vom 25. April 2022 E. 2.2.1; 6B_1192/2020 vom 17. Januar 2022 E. 2.3.3). Die Revision ist zuzulassen, wenn die Abänderung des früheren Urteils sicher, höchstwahrscheinlich oder jedenfalls wahrscheinlich ist (BGE 145 IV 197 E. 1.1; 120 IV 246 E. 2b; 116 IV 353 E. 4e und 5a; Urteil 6B_193/2022 vom 25. April 2022 E. 2.2.1). Der Nachweis einer solchen Wahrscheinlichkeit darf nicht dadurch verunmöglicht werden, dass für die neue Tatsache ein Beweis verlangt wird, der jeden begründeten Zweifel ausschliesst (BGE 116 IV 353 E. 4e; Urteil 6B_407/2022 vom 23. Mai 2022 E. 1.1). Das Revisionsverfahren dient indes nicht dazu, rechtskräftige Entscheide erneut infrage zu stellen oder gesetzliche Vorschriften über die Rechtsmittelfristen bzw. die Zulässigkeit von neuen Tatsachen im Rechtsmittelverfahren zu umgehen oder frühere prozessuale Versäumnisse zu beheben (BGE 145 IV 197 E. 1.1; 130 IV 72 E. 2.2; 127 I 133 E. 6; je mit Hinweisen). 
Ob eine Tatsache oder ein Beweismittel neu und geeignet ist, die tatsächlichen Grundlagen des zu revidierenden Urteils zu erschüttern, stellt eine Tatfrage dar, die das Bundesgericht nur auf Willkür überprüft (vgl. Art. 97 Abs. 1 BGG; BGE 130 IV 72 E. 1; Urteile 6B_1101/2021 vom 25. August 2022 E. 2.3; 6B_407/2022 vom 23. Mai 2022 E. 1.1; 6B_1192/2020 vom 17. Januar 2022 E. 2.3.3; zum Begriff der Willkür und zu den qualifizierten Begründungsanforderungen gemäss Art. 106 Abs. 2 BGG: BGE 147 IV 73 E. 4.1.2; 146 IV 114 E. 2.1). 
Blosse Verfahrensverstösse sind mittels Revision grundsätzlich nicht korrigierbar, sondern müssen im ordentlichen Rechtsmittelverfahren geltend gemacht werden (BGE 145 IV 197 E. 1.1 und 1.3.1; Urteile 6B_1101/2021 vom 25. August 2022 E. 2.3; 6B_1192/2020 vom 17. Januar 2022 E. 2.3.3). 
 
3.  
Der Beschwerdeführer macht als Revisionsgründe einen falschen Polizeibericht mit einer unvollständigen Fotodokumentation des Tatorts sowie ein veraltetes Foto des Geschädigten in den Strafverfahrensakten geltend. Die Vorinstanz legt im angefochtenen Entscheid zutreffend dar, dass es sich dabei nicht um neue Tatsachen oder Beweismittel im Sinne von Art. 410 Abs. 1 lit. a StPO handelt. Dem angefochtenen Entscheid (S. 5) und dem Urteil vom 25. August 2020 (vgl. E. 6.1.4) kann zudem entnommen werden, dass der Beschwerdeführer bereits im Berufungsverfahren vortrug, das Foto des Geschädigten in den Akten sei alt und dieser habe im Tatzeitpunkt viel älter ausgesehen, weshalb das Obergericht im Urteil vom 25. August 2020 ausdrücklich offenliess, ob das fragliche Foto zeitnah erstellt wurde. Hingegen qualifizierte es die Behauptung des Beschwerdeführers, der Geschädigte habe wie ein 18-Jähriger ausgesehen, u.a. gestützt auf einen Austrittsbericht vom 6. Dezember 2017, wonach es sich beim Geschädigten um einen "jünger entwickelten" 14-jährigen Jungen handelt, als reine Schutzbehauptung (Urteil vom 25. August 2020 E. 6.1.4). 
 
4.  
Der Beschwerdeführer beruft sich für die Revision weiter auf neue Aussagen des Zeugen B.________ im Zuge eigener Ermittlungen seines neuen Rechtsanwalts sowie die Aussagen zweier weiterer, bisher nicht einvernommener Personen, nämlich seiner Freundin und eines früheren Freundes des Geschädigten (C.________). B.________ soll gegenüber dem Rechtsanwalt des Beschwerdeführers angegeben haben, er habe auf Geheiss des Geschädigten in zentralen Punkten gelogen und sämtliche belastenden Aussagen seien frei erfunden. Gemäss C.________ habe der Geschädigte mit seiner Geschichte geprahlt und überdies eine ganz andere Geschichte erzählt, als diejenige, welche er der Polizei und der Staatsanwaltschaft später zu Protokoll gegeben habe. Seine Freundin hätte Aussagen zu seiner Wohnung und zu ihm machen können. Sie sei zudem anwesend gewesen, als er vom Geschädigten und weiteren Personen rund vier Wochen nach der Tat in seiner Wohnung überfallen worden sei. 
 
5.  
Die Vorinstanz legt willkürfrei dar, weshalb die geltend gemachten neuen Beweise nicht geeignet sind, die tatsächlichen Feststellungen im Urteil vom 25. August 2020 wesentlich zu beeinflussen, da die angerufenen Zeugen lediglich allgemeine Aussagen zum Beschwerdeführer und zum Geschädigten sowie zu deren allgemeinen Glaubwürdigkeit machen könnten (angefochtener Entscheid E. 3.3 S. 6). Der Beschwerdeführer setzt sich damit nicht rechtsgenügend auseinander. Weder B.________ noch C.________ oder die Freundin des Beschwerdeführers waren beim fraglichen Vorfall zwischen dem Geschädigten und dem Beschwerdeführer in dessen Wohnung in der Nacht des 28./29. Juli 2017 zugegen (vgl. angefochtener Entscheid E. 3.2 S. 6). Der Beschwerdeführer unterlässt es zudem, die angeblich neuen, entlastenden Erkenntnisse in Relation zu den ihn belastenden Umständen zu setzen. Dass er in der Tatnacht um Mitternacht einen 14-jährigen Jugendlichen, welcher ihm zuvor einen Porno geschickt hatte, zu sich in die Wohnung nahm, kann er mit den angerufenen neuen Beweisen nicht widerlegen. Insgesamt vermag der Beschwerdeführer nicht aufzuzeigen, weshalb die Vorinstanz Bundesrecht, insbesondere Art. 410 Abs. 1 lit. a StPO, verletzt haben könnte. 
 
6.  
Die Beschwerde ist nach dem Gesagten abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Dessen Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist zufolge Aussichtslosigkeit der Rechtsbegehren abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Der finanziellen Lage des Beschwerdeführers ist bei der Bemessung der Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG). 
Das Gesuch um aufschiebende Wirkung wird mit dem Entscheid in der Sache gegenstandslos. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1'200.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Schaffhausen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 3. Oktober 2022 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Jacquemoud-Rossari 
 
Die Gerichtsschreiberin: Unseld