7B_114/2024 29.04.2024
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
7B_114/2024  
 
 
Urteil vom 29. April 2024  
 
II. strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Koch, als präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter Hurni, Hofmann, 
Gerichtsschreiber Clément. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Roger Lerf, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau, 
Frey-Herosé-Strasse 20, Wielandhaus, 5001 Aarau, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Einstellung; Ausrichtung einer Parteientschädigung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau, Beschwerdekammer in Strafsachen, vom 5. Januar 2024 (SBK.2023.212). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
A.________ und B.________ lernten sich während ihres Gefängnisaufenthaltes in der Justizvollzugsanstalt U.________ kennen. Nach seiner Entlassung nahm A.________ mit B.________s Schwester Kontakt auf und gab an, er wolle B.________ helfen, damit keine stationäre therapeutische Massnahme angeordnet werde. Er schlug vor, ein psychiatrisches Privatgutachten einzuholen, B.________ in seinem Familienunternehmen anzustellen und ihm eine Wohnung zu vermieten, um dem Gericht einen strukturierten Tagesablauf nach der Entlassung aufzuzeigen. In der Folge übergab C.________, die Mutter von B.________, A.________ im Zeitraum vom 7. Mai 2018 bis zum 9. Mai 2019 mehrfach Bargeld. Umstritten ist, ob A.________ dieses Geld als Darlehen für sich selbst erhielt oder es aber ausschliesslich im Interesse von B.________ verwenden sollte. Zur Anstellung von B.________ im Familienunternehmen von A.________ und zum Bezug der Mietwohnung kam es nicht, da das Obergericht des Kantons Aargau am 21. März 2019 eine stationäre therapeutische Massnahme anordnete, welche das Bundesgericht am 8. August 2019 schützte. 
 
B.  
 
B.a. Am 28. Mai 2021 zeigten B.________ und C.________ A.________ wegen Betrugs, eventualiter wegen Veruntreuung an. Am 18. August 2021 ergänzten sie die Strafanzeige mit dem Vorwurf der Urkundenfälschung. Die Staatsanwaltschaft erweiterte das Verfahren auf den Vorwurf des Pfändungsbetrugs.  
 
B.b. Am 19. Juni 2023 stellte die Staatsanwaltschaft Baden das Verfahren gegen A.________ wegen Veruntreuung und Urkundenfälschung ein.  
 
B.c. Die gegen die Teileinstellungsverfügung gerichtete Beschwerde von C.________ wies das Obergericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom 5. Januar 2024 ab. Auf die Beschwerde von B.________ trat es kostenpflichtig nicht ein und wies sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ab. Das Obergericht sprach A.________ für das obergerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 2'130.-- zu Lasten der Obergerichtskasse zu.  
 
C.  
A.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen vom 30. Januar 2024, die Dispositivziffer 3 des Urteils des Obergerichts des Kantons Aargau vom 5. Januar 2024 betreffend seine Parteientschädigung sei aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
Die kantonalen Akten wurden beigezogen. Die Vorinstanz und die Oberstaatsanwaltschaft verzichten mit Eingaben vom 19. bzw. 20. März 2024 auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Auf die frist- (Art. 100 Abs. 1 BGG) und grundsätzlich formgerecht (Art. 42 Abs. 1 BGG) eingereichte Beschwerde eines Beschuldigten (Art. 81 Abs. 1 lit. a und lit. b Ziff. 1 BGG) gegen einen Endentscheid (Art. 90 BGG) des Obergerichts des Kantons Aargau (Art. 80 Abs. 1 BGG) betreffend eine Strafsache (Art. 78 Abs. 1 BGG) ist einzutreten.  
 
1.2. Die Beschwerde in Strafsachen ist in erster Linie ein reformatorisches Rechtsmittel (Art. 107 Abs. 2 BGG). Die Beschwerdeschrift muss daher grundsätzlich einen Antrag in der Sache enthalten (Art. 42 Abs. 1 BGG). Aufhebungsanträge oder Anträge auf Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur neuen Entscheidung allein genügen nicht. Allerdings reicht ein Begehren ohne Antrag in der Sache aus, wenn sich aus der Begründung zweifelsfrei ergibt, was mit der Beschwerde angestrebt wird (BGE 137 II 313 E. 1.3; Urteil 6B_210/2021 vom 24. März 2022 E. 1, nicht publ. in: BGE 148 IV 205; je mit Hinweisen).  
Der Beschwerdeführer stellt einen rein kassatorischen Antrag hinsichtlich der Parteientschädigung. Der Beschwerdeführer rügt im Zusammenhang mit der Festsetzung der Parteientschädigung den Anspruch auf rechtliches Gehör als verletzt. Da das Bundesgericht nicht über eine umfassende Kognition in Sachverhaltsfragen verfügt, müsste im Falle einer Gutheissung unweigerlich eine Rückweisung an die Vorinstanz erfolgen. Insoweit ist von einem zulässigen Antrag auszugehen, selbst wenn er die Höhe der Parteientschädigung, welche er zugesprochen haben möchte, auch vor Bundesgericht nicht beziffert. 
 
2.  
 
2.1. Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz verletze den Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 29 Abs. 2 BV, Art. 3 Abs. 2 lit. c und Art. 107 StPO. Sie habe den Parteien weder den bevorstehenden Entscheid angezeigt, nachdem die Replik der Privatklägerschaft eingegangen sei, noch habe sie den Beschwerdeführer zur Einreichung einer Honorarnote aufgefordert.  
 
2.2. Gemäss Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO hat die beschuldigte Person bei Freispruch oder Einstellung des Verfahrens Anspruch auf Entschädigung ihrer Aufwendungen für die angemessene Ausübung ihrer Verfahrensrechte. Darunter fallen zum einen die Kosten der Wahlverteidigung, sofern der Beizug eines Anwalts angesichts der tatsächlichen oder rechtlichen Komplexität des Falls geboten war. Zum anderen können bei besonderen Verhältnissen auch die eigenen Auslagen der Partei entschädigt werden. Gemäss Art. 429 Abs. 2 Satz 1 StPO muss die Strafbehörde den Entschädigungsanspruch von Amtes wegen prüfen. Dies bedeutet indessen nicht, dass die Strafbehörde im Sinne des Untersuchungsgrundsatzes von Art. 6 StPO alle für die Beurteilung des Entschädigungsanspruchs bedeutsamen Tatsachen von Amtes wegen abzuklären hat. Sie hat aber die Parteien zur Frage mindestens anzuhören und gegebenenfalls gemäss Art. 429 Abs. 2 Satz 2 StPO aufzufordern, ihre Ansprüche zu beziffern und zu belegen. Die beschuldigte Person trifft insofern eine Mitwirkungspflicht. Fordert die Behörde die beschuldigte Person auf, ihre Ansprüche zu beziffern und reagiert diese nicht, kann gemäss konstanter bundesgerichtlicher Rechtsprechung von einem (impliziten) Verzicht auf eine Entschädigung ausgegangen werden (BGE 146 IV 332 E. 1.3 mit Hinweisen).  
 
2.3. Die Rüge der Gehörsverletzung erweist sich als begründet. Die Vorinstanz hat den Beschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt zur Einreichung einer Honorarnote aufgefordert. Sie hat den Abschluss des Schriftenwechsels nicht angekündigt und ihren Entscheid zu einem überraschenden Zeitpunkt eröffnet. Denn die Gegenpartei konnte im Beschwerdeverfahren zweimal Stellung nehmen, mittels Beschwerde und Replik, während der Beschwerdeführer bloss einmal die Gelegenheit zur Stellungnahme mittels Beschwerdeantwort erhielt. Darin hat der Beschwerdeführer die Einreichung seiner Honorarnote in Aussicht gestellt. Der Beschwerdeführer musste nicht erwarten, dass er bloss einmal das Wort erhält und die Vorinstanz ihren Entscheid bereits nach Eingang der Replik fällt. Es bestand für ihn kein Anlass, bereits in jenem Verfahrenszeitpunkt von sich aus eine Honorarnote einzureichen, durfte er doch darauf vertrauen, sich wie die Gegenpartei zweimal äussern zu können. Die Vorinstanz verletzt den Anspruch auf rechtliches Gehör, wenn sie den Beschwerdeführer nach der Replik nicht auffordert, eine Honorarnote einzureichen und sich zur Höhe der von ihm geltend gemachten Parteientschädigung zu äussern. Der angefochtene Entscheid ist entsprechend aufzuheben und die Sache zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.  
 
3.  
Bei diesem Ausgang sind keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Der Kanton Aargau hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren angemessen zu entschädigen (Art. 68 Abs. 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird gutgeheissen, der Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau vom 5. Januar 2024 aufgehoben und die Sache im Sinne der Erwägungen zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen. 
 
2.  
Es werden keine Kosten erhoben. 
 
3.  
Der Kanton Aargau hat dem Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 3'000.-- zu bezahlen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Beschwerdekammer in Strafsachen, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 29. April 2024 
 
Im Namen der II. strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Koch 
 
Der Gerichtsschreiber: Clément