6B_539/2023 09.05.2023
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
6B_539/2023  
 
 
Urteil vom 9. Mai 2023  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, als präsidierendes Mitglied, 
Gerichtsschreiberin Andres. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Strafrecht, 
Bahnhofplatz 16, 4410 Liestal. 
 
Gegenstand 
Kostenerlass; Nichteintreten, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung Strafrecht, vom 29. März 2023 (490 23 63 smb). 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Das Kantonsgericht Basel-Landschaft wies am 20. Dezember 2022 die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen die Nichtanhandnahmeverfügung der Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft vom 21. September 2022 ab und auferlegte ihm die Verfahrenskosten von Fr. 550.--. 
Der Beschwerdeführer ersuchte in der Folge um Erlass der Verfahrenskosten. Der Präsident des Kantonsgerichts Basel-Landschaft wies das Gesuch am 29. März 2023 ab, stundete dem Beschwerdeführer jedoch die Bezahlung der offenen Verfahrenskosten bis zum 29. Februar 2024 und verpflichtete ihn, sich nach der Stundung um eine monatliche Ratenzahlung der Verfahrenskosten zu bemühen. 
Der Beschwerdeführer gelangt an das Bundesgericht und verlangt sinngemäss die Aufhebung des kantonsgerichtlichen Entscheids. Er macht geltend, ihm seien sowohl der Status als Staatenloser als auch Asyl verweigert worden und er erhalte Nothilfe. Seine Situation sei durch die seit mehr als drei Jahren anstehende Abschiebung bestimmt, eine Integration oder Resozialisierung sei nicht vorgesehen. Er habe weder einen gültigen Personalausweis noch Arbeit oder das Recht zu arbeiten. 
 
2.  
Zur Beschwerde in Strafsachen ist gemäss Art. 81 Abs. 1 BGG berechtigt, wer vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat (lit. a) und ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids hat (lit. b). Vorausgesetzt wird ein aktuelles und praktisches Interesse an der Behandlung der Beschwerde (BGE 144 IV 81 E. 2.3.1; 140 IV 74 E. 1.3.1; je mit Hinweisen). Dieses Erfordernis stellt sicher, dass dem Bundesgericht konkrete und nicht bloss theoretische Fragen zum Entscheid vorgelegt werden (BGE 140 IV 74 E. 1.3.1; 136 I 274 E. 1.3 mit Hinweisen). Das Bundesgericht sieht indessen ausnahmsweise vom Erfordernis eines aktuellen Rechtsschutzinteresses ab, wenn sich die mit der Beschwerde aufgeworfenen Fragen jeweils unter gleichen oder ähnlichen Umständen wieder stellen könnten, an ihrer Beantwortung wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung ein hinreichendes öffentliches Interesse besteht und im Einzelfall eine rechtzeitige Prüfung kaum je möglich wäre (BGE 142 I 135 E. 1.3.1; 140 IV 74 E. 1.3.3; Urteile 6B_1145/2021 vom 4. Juli 2022 E. 4; 6B_887/2021 vom 24. Mai 2022 E. 4.1; 6B_1456/2020 vom 10. März 2021 E. 1, nicht publ. in: BGE 147 IV 209; je mit Hinweisen). 
Nach Art. 42 Abs. 2 BGG ist in der Begründung der Beschwerde in Strafsachen in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt. Hinsichtlich der Verletzung von Grundrechten (einschliesslich Verletzung des Willkürverbots) besteht eine qualifizierte Rügepflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG). Auf ungenügend begründete Rügen tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 147 IV 73 E. 4.1.2). Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen vor Bundesgericht nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG). 
 
3.  
Forderungen aus Verfahrenskosten können von der Strafbehörde gestundet oder unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse der kostenpflichtigen Person herabgesetzt oder erlassen werden (Art. 425 StPO). Art. 425 StPO ist als Kann-Bestimmung konzipiert. Die Strafbehörden verfügen bei der Frage, ob Verfahrenskosten zu stunden oder zu erlassen sind, über einen grossen Ermessens- und Beurteilungsspielraum, in welchen das Bundesgericht nur mit Zurückhaltung eingreift. Das Bundesrecht belässt die konkrete Ausgestaltung der Voraussetzungen von Stundung oder Erlass zudem weitgehend der kantonalen Ausführungsgesetzgebung. Diese Rechtslage hat zur Folge, dass das Bundesgericht eine Stundung oder den Erlass von Verfahrenskosten lediglich unter Willkürgesichtspunkten prüft, und zwar nicht nur hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen, sondern auch der massgebenden Kriterien in den kantonalrechtlichen Ausführungsgesetzgebungen (etwa Härte oder Mittellosigkeit; vgl. Urteile 6B_1523/2022 vom 16. Februar 2023 E. 4.1; 6B_1232/2021 vom 27. Januar 2022 E. 3.4.1; 6B_1180/2021 vom 19. November 2021 E. 3; je mit Hinweisen). 
 
4.  
Die Vorinstanz erwägt, Art. 425 StPO werde im Kanton Basel-Landschaft durch § 5 der Verordnung des Kantons Basel-Landschaft vom 15. November 2011 über die Gebühren der Gerichte (Gebührentarif, GebT/BL; SGS 170.31) konkretisiert. Gemäss § 5 Abs. 1 und Abs. 5 GebT/BL könnten in Härtefällen die Verfahrenskosten auf begründetes Gesuch hin vom Präsidenten desjenigen Gerichts, das den Entscheid gefällt hat, ganz oder teilweise erlassen oder gestundet werden. Ein Härtefall liege laut § 5 Abs. 2 GebT vor, wenn die gesuchstellende Person ihre materielle Bedürftigkeit nachweise und im Zeitpunkt des Kostenerlassgesuchs bereits feststehe, dass diese nicht von bloss vorübergehender Natur sei. Im konkreten Fall sei aufgrund der ausgerichteten Nothilfe von monatlich Fr. 252.30 sowie der Übernahme der Wohn- und Gesundheitskosten durch die Gemeinde für den gegenwärtigen Zeitpunkt eine materielle Bedürftigkeit des Beschwerdeführers zu bejahen. Dieser sei jedoch aufgrund seines Alters in der Lage, sich im gegebenen Zeitpunkt in einem Arbeitsmarkt zu integrieren, und der Aufnahme der Erwerbstätigkeit stünden auch keine gesundheitlichen Einschränkungen entgegen. Die im gegenwärtigen Zeitpunkt vorliegende Bedürftigkeit sei daher nicht von andauernder Natur und seine Resozialisierung erscheine aktuell nicht derart gefährdet, als dass die Verfahrenskosten bereits heute definitiv erlassen werden müssten. Folgerichtig sei das Kostenerlassgesuch abzuweisen; indessen sei die Bezahlung der Verfahrenskosten zufolge der einstweiligen Mittellosigkeit des Beschwerdeführers bis zum 29. Februar 2024 zu stunden. 
 
5.  
Verfahrensgegenstand ist vorliegend einzig der vorinstanzliche Entscheid (Art. 80 Abs. 1 BGG). Es kann vor Bundesgericht daher nur um die Frage gehen, ob die Vorinstanz das Kostenerlassgesuch des Beschwerdeführers zu Recht abgewiesen hat. Soweit der Beschwerdeführer sich zu Begebenheiten äussert, die nicht das Kostenerlassverfahren betreffen, er insbesondere die ihn betreffenden ausländerrechtlichen Entscheide kritisiert oder sich über eine angeblich nicht korrekte Behandlung durch Amtspersonen sowie Behördenmitglieder beklagt, ist darauf von vornherein nicht einzutreten. Was den eigentlichen Verfahrensgegenstand betrifft, fehlt es dem Beschwerdeführer am aktuellen rechtlich geschützten Interesse an der Behandlung der Beschwerde, da er angesichts der Stundung der Bezahlung der offenen Verfahrenskosten bis zum 29. Februar 2024 durch die formelle Abweisung des Kostenerlassgesuchs nicht beschwert ist bzw. die Abweisung zurzeit mit keinerlei Rechtsfolgen verbunden ist. Aus der Begründung des vorinstanzlichen Entscheids ergibt sich sodann, dass dem Beschwerdeführer die Kosten lediglich einstweilen nicht erlassen werden, da die Vorinstanz zwar eine materielle Bedürftigkeit des Beschwerdeführers im Entscheidzeitpunkt annimmt, jedoch davon ausgeht, diese sei vorübergehender Natur. Sollte sich die Situation des Beschwerdeführers - wie er dies geltend macht - bis zum Ablauf der Stundung nicht verändert bzw. verbessert haben, steht es ihm frei, bei der Vorinstanz erneut um Erlass der Verfahrenskosten zu ersuchen (vgl. hierzu Urteile 6B_1371/2016 vom 3. Februar 2017 und 6B_255/2018 vom 3. Mai 2018). Dabei wird er seine, soweit ersichtlich, erstmals vor Bundesgericht dargelegte rechtliche Situation der Vorinstanz schildern können. Folglich kann offenbleiben, ob es sich dabei um (unechte) Noven handelt, zu deren Geltendmachung erst der vorinstanzliche Entscheid Anlass gegeben hat (Art. 99 Abs. 1 BGG) bzw. ob die Beschwerde angesichts der unbelegten Vorbringen des Beschwerdeführers zu seiner rechtlichen Situation überhaupt den (qualifizierten) Begründungsanforderungen genügt. Auch rechtfertigt es sich vorliegend nicht, ausnahmsweise vom Erfordernis eines aktuellen Rechtsschutzinteresses abzusehen. Damit ist auf die Beschwerde mangels aktuellen Rechtsschutzinteresses im Verfahren nach Art. 108 BGG nicht einzutreten. 
 
6.  
Auf eine Kostenauflage kann ausnahmsweise verzichtet werden (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt der Einzelrichter:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Es werden keine Kosten erhoben. 
 
3.  
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Strafrecht, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 9. Mai 2023 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Denys 
 
Die Gerichtsschreiberin: Andres