7B_344/2023 07.09.2023
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
7B_344/2023  
 
 
Urteil vom 7. September 2023  
 
II. strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Abrecht, Präsident, 
Bundesrichter Hurni, Hofmann 
Gerichtsschreiber Eschle. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, vertreten durch Rechtsanwalt Julian Burkhalter, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
1. Sicherheitsdirektion des Kantons Bern (SID), Kramgasse 20, 3011 Bern, 
2. Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern, 
Nordring 8, Postfach, 3001 Bern, 
Beschwerdegegnerinnen. 
 
Gegenstand 
Kosten- und Entschädigungsfolgen (Verwahrungsvollzug), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Bern, 2. Strafkammer, vom 9. Juni 2023 (SK 23 112). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. Das damalige Kreisgericht VIII Bern-Laupen verurteilte A.________ am 21. November 2000 wegen mehrfach versuchter schwerer Körperverletzung, Gewalt und Drohung gegen Beamte, Sachbeschädigung und mehrfacher Widerhandlung gegen das BetmG (SR 812.121) zu 24 Monaten Gefängnis, abzüglich 155 Tage Untersuchungshaft, unter Aufschub des Strafvollzugs zugunsten einer stationären Massnahme für Rauschgiftsüchtige nach Art. 44 Ziff. 1 und 6 aStGB.  
 
A.b. Die damalige Abteilung Straf- und Massnahmenvollzug des Amts für Freiheitsentzug und Betreuung des Kantons Bern (heute Bewährungs- und Vollzugsdienste [nachfolgend: BVD] des Amts für Justizvollzug des Kantons Bern) stellte den Vollzug der Massnahme am 5. März 2002 wegen Unzweckmässigkeit ein. Daraufhin ordnete das Obergericht des Kantons Bern am 24. Oktober 2002 in Abänderung des Urteils vom 21. November 2000 die Verwahrung von A.________ nach Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 i.V.m. Art. 44 Ziff. 3 aStGB an.  
 
A.c. Am 13. Dezember 2007 entschied das Obergericht, dass die im Urteil vom 24. Oktober 2002 angeordnete Verwahrung gemäss Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 i.V.m. Art. 44 Ziff. 3 aStGB als neurechtliche Verwahrung im Sinne von Art. 64 StGB weitergeführt wird.  
 
B.  
 
B.a. Mit Verfügung vom 9. Januar 2020 wiesen die BVD das Gesuch von A.________ um bedingte Entlassung aus der Verwahrung bzw. Umwandlung der Verwahrung in eine stationäre Massnahme ab.  
Die dagegen erhobene Beschwerde wies die Sicherheitsdirektion des Kantons Bern (nachfolgend: SID) am 11. Juni 2020 ebenfalls ab. 
 
B.b. Mit Beschluss vom 8. März 2021 hiess das Obergericht des Kantons Bern die von A.________ gegen den Entscheid der SID erhobene Beschwerde insofern gut, als es ihm für das Beschwerdeverfahren vor der SID teilweise die unentgeltliche Rechtspflege gewährte und Rechtsanwalt Julian Burkhalter in diesen Teilen als amtlichen Anwalt beiordnete. Weitergehend wies das Obergericht die Beschwerde ab, soweit es darauf eintrat (Verfahren SK 20 305).  
 
B.c. Gegen diesen Beschluss erhob A.________ Beschwerde in Strafsachen, die das Bundesgericht mit Urteil vom 27. Mai 2021 guthiess, soweit es darauf eintrat. Es hob den Beschluss des Obergerichts auf und wies die Sache zur neuen Entscheidung an dieses zurück (Verfahren 6B_280/2021 und 6B_419/2021).  
 
B.d. Mit Beschluss vom 18. Juli 2022 (Verfahren SK 21 226) stellte das Obergericht des Kantons Bern vorab fest, dass im ersten obergerichtlichen Verfahren (SK 20 305) das Beschleunigungsgebot verletzt worden war und richtete A.________ gestützt darauf eine Entschädigung von Fr. 2'000.-- aus (Ziff. 1 und 2). Im Weiteren wurde die Beschwerde abgewiesen, soweit darauf einzutreten war (Ziff. 3). Das Obergericht wies die BVD an, umgehend die Voraussetzungen für eine stationäre therapeutische Massnahme nach Art. 59 StGB zu prüfen (Ziff. 4). Schliesslich regelte es die Kosten- und Entschädigungsfolgen. Unter anderem bestimmte es die Kosten für das zweite obergerichtliche Verfahren (SK 21 226) auf CHF 20'191.80 (inkl. Gutachterkosten von CHF 18'691.80). Das Obergericht hielt fest, dass diese vorab durch den Kanton Bern zu tragen seien, unter Vorbehalt von A.________s Nachzahlungspflicht gemäss Art. 113 Abs. 1 des Gesetzes des Kantons Bern vom 23. Mai 1989 über die Verwaltungsrechtspflege (VRPG; BSG 155.21) i.V.m. Art. 123 Abs. 1 ZPO (Ziff. 8). Ferner legte es die Entschädigung von Rechtsanwalt Julian Burkhalter für die amtliche Vertretung im obergerichtlichen Neubeurteilungsverfahren auf CHF 3'400.-- fest, wobei A.________ zur Rückzahlung an den Kanton Bern verpflichtet wurde, sobald er dazu in der Lage ist (Ziff. 11).  
 
B.e. Gegen diesen Beschluss erhob A.________ wiederum Beschwerde in Strafsachen beim Bundesgericht.  
Mit Urteil 6B_1068/2022 vom 8. Februar 2023 wies das Bundesgericht die Beschwerde in Bezug auf die Verweigerung der bedingten Entlassung aus der Verwahrhung ab. Es hiess die Beschwerde demgegenüber insoweit gut, als es die Ziffern 1, 2, 8 und 11 des Beschlusses des Obergerichts vom 18. Juli 2022 aufhob und die Sache zur neuen Entscheidung an dieses zurückwies. 
 
B.f. Mit Beschluss vom 9. Juni 2023 (Verfahren SK 23 112) stellte das Obergericht des Kantons Bern fest, dass das Beschleunigungsgebot im ersten und zweiten obergerichtlichen Verfahren (SK 20 305 und SK 21 226) verletzt worden war und richtete A.________ gestützt darauf eine Entschädigung von Fr. 2'000.-- aus (Ziff. 1 und 2). Die Kosten für das zweite obergerichtliche Beschwerdeverfahren (SK 21 226) von CHF 20'191.80 (inkl. Gutachterkosten von CHF 18'691.80) auferlegte es A.________ im Umfang von CHF 18'691.80, die unter Vorbehalt der Nachzahlungspflicht von A.________ durch den Kanton Bern zu tragen sind. Zur Zahlung der übrigen Verfahrenskosten von CHF 1'500.-- verpflichtete es den Kanton Bern, im Umfang von CHF 1'000.-- gestützt auf die festgestellte Verletzung des Beschleunigungsgebots (Ziff. 3). Die Kosten des dritten obergerichtlichen Verfahrens (SK 23 112) auferlegte das Obergericht A.________ zur Hälfte. Auch diese Kosten hat unter Vorbehalt der Nachzahlungspflicht der Kanton Bern zu tragen (Ziff. 4). A.________s Rückzahlungspflicht der Entschädigung des amtlichen Vertreters Julian Burkhalter von CHF 3'400.-- im zweiten obergerichtlichen Verfahren (SK 21 226) beschränkte das Obergericht auf CHF 2'266.65 (Ziff. 5). Schliesslich verpflichtete es den Kanton Bern, A.________ für das dritte obergerichtliche Verfahren (SK 23 112) eine Entschädigung von CHF 1384.90 zu bezahlen, die dieser zur Hälfte zurückzuzahlen hat, sobald er dazu in der Lage ist (Ziff. 6).  
 
C.  
Mit als "Beschwerde in Strafrechtssachen" betitelter Eingabe beantragt A.________ dem Bundesgericht, die Dispositivziffern 2-6 des Beschlusses vom 9. Juni 2023 (SK 23 112) sowie die Dispositivziffern 2, 8 und 11 des Beschlusses vom 18. Juli 2022 (SK 21 226) aufzuheben. Ihm sei eine Genugtuung von CHF 25'000.-- zuzüglich Zins auszurichten und die Kosten des zweiten obergerichtlichen Verfahrens (SK 21 226) seien auf die Staatskasse zu nehmen. Von einer Rückerstattungspflicht für die Kosten des dritten obergerichtlichen Verfahrens und für die Entschädigung seines amtlichen Verteidigers in beiden Verfahren sei abzusehen. A.________ ersucht um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung. 
Es wurden die kantonalen Akten, nicht aber Vernehmlassungen eingeholt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Angefochten ist ein Endentscheid (Art. 90 BGG) über den Vollzug einer Massnahme (Art. 78 Abs. 2 lit. b BGG) einer letzten kantonalen Instanz, die als oberes Gericht auf ein Rechtsmittel hin (Art. 80 BGG) geurteilt hat. Der Beschwerdeführer ist zur Beschwerde legitimiert (Art. 81 Abs. 1 lit. a und lit. b BGG) und hat die Beschwerdefrist eingehalten (Art. 100 Abs. 1 BGG).  
 
1.2. Gemäss Art. 42 Abs. 2 BGG ist in der Beschwerdebegründung in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt, wobei für die Anfechtung des Sachverhalts sowie die Geltendmachung von Grundrechtsverletzungen qualifizierte Begründungsanforderungen gelten (vgl. Art. 97 Abs. 1 und Art. 106 Abs. 2 BGG). Um den Begründungsanforderungen zu genügen, muss die beschwerdeführende Partei mit ihrer Kritik bei den als rechtsfehlerhaft erachteten Erwägungen der Vorinstanz ansetzen (BGE 148 IV 205 E. 2.6; 146 IV 297 E. 1.2). Das bedeutet, dass die Rechtsschrift auf den angefochtenen Entscheid und seine Begründung Bezug nehmen und sich damit auseinandersetzen muss (BGE 140 III 86 E. 2; Urteile 7B_183/2023 vom 26. Juli 2023 E. 1.3; 6B_1500/2021 vom 13. Januar 2023 E. 2.1; je mit Hinweisen). Auf ungenügend begründete Rügen oder allgemein gehaltene appellatorische Kritik am angefochtenen Urteil tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 148 IV 356 E. 2.1; 147 IV 73 E. 4.1.2).  
 
2.  
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung seines rechtlichen Gehörs, weil die Vorinstanz nicht angegeben habe, welche gesetzlichen Bestimmungen sie geprüft habe, um die Höhe der Genugtuung zu bestimmen. Weiter liege Willkür vor, weil die Vorinstanz die Höhe der Genugtuung "nicht sachgerecht" begründe. 
Die Rügen gehen fehl: In E. 14 des angefochtenen Beschlusses äussert sich die Vorinstanz einlässlich und nachvollziehbar zur Höhe der Genugtuung. Ein Verstoss gegen das Willkürverbot liegt nicht vor, geschweige denn eine Verletzung der gehörsrechtlichen Begründungspflicht. 
 
3.  
Weiter moniert der Beschwerdeführer unter dem Titel "Verletzung von Art. 164 BV sowie von Art. 69 Abs. 4 KV/BE [SR 131.212] i.V.m. Art. 9 BV sowie von Art. 68 EGZSJ/BE [Einführungsgesetz vom 11. Juni 2009 zur Zivilprozessordnung, zur Strafprozessordnung und zur Jugendstrafprozessordnung; BSG 271.1] i.V.m. Art. 9 BV sowie Art. 103 Abs. 2 VRPG/BE i.V.m. Art. 9 BV" eine Verletzung des abgaberechtlichen Legalitätsprinzips. 
Mit der diesbezüglich pertinenten, ausführlichen E. 18 des angefochtenen Beschluss setzt er sich in der Beschwerde aber nicht auseinander. Die Rüge verfehlt die strengen Begründungsanforderungen nach Art. 106 Abs. 2 BGG
 
4.  
Schliesslich rügt der Beschwerdeführer, es sei willkürlich, wenn die Vorinstanz ihm auch die Kosten des Neubeurteilungsverfahrens zur Hälfte auferlege. 
Auch auf diese Rüge ist mangels hinreichender Auseinandersetzung mit der ausführlichen vorinstanzlichen Begründung in E. 22 des angefochtenen Beschlusses nicht weiter einzugehen. 
 
5.  
Im Übrigen ist Anfechtungsobjekt im bundesgerichtlichen Beschwerdeverfahren allein der Beschluss der Vorinstanz vom 9. Juni 2023. Soweit der Beschwerdeführer (erneut) die Aufhebung von Dispositivziffern des Beschlusses vom 18. Juli 2022 verlangt, die bereits Gegenstand des Verfahrens 6B_1068/2022 bildeten (vgl. Sachverhalt B.e), ist darauf nicht einzutreten. 
 
6.  
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf mit Blick auf die nicht erfüllten Begründungsanforderungen überhaupt eingetreten werden kann. 
Die Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist wegen Aussichtslosigkeit abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Den finanziellen Verhältnissen des Beschwerdeführers ist bei der Festsetzung der Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1'200.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, 2. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 7. September 2023 
 
Im Namen der II. strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Abrecht 
 
Der Gerichtsschreiber: Eschle