2C_333/2023 22.06.2023
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
2C_333/2023  
 
 
Urteil vom 22. Juni 2023  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Aubry Girardin, Präsidentin, 
Gerichtsschreiberin Ivanov. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. René Bussien, 
 
gegen  
 
Migrationsamt des Kantons Zürich, 
Berninastrasse 45, 8090 Zürich, 
Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich, 
Neumühlequai 10, 8090 Zürich. 
 
Gegenstand 
Widerruf der Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 2. Abteilung, vom 12. April 2023 (VB.2023.00100). 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Der 1978 geborene algerische Staatsangehörige A.________ reiste am 26. März 2008 unter einem falschen Namen in die Schweiz ein, wo er erfolglos um Asyl ersuchte. In der Folge hielt er sich illegal im Land auf und erwirkte zwischen den Jahren 2009 und 2016 mehrere Verurteilungen.  
Am 10. Januar 2018 reiste A.________ erneut in die Schweiz ein, wo er am 8. März 2018 eine im Kanton Zürich niedergelassene deutsche Staatsangehörige heiratete. Hierauf wurde ihm eine zuletzt auf den 7. März 2023 befristete Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA zum Verbleib bei seiner Ehefrau erteilt. Aus der Beziehung gingen zwei Töchter (geb. 2016) und ein Sohn (geb. 2018) hervor. Die Familie musste bis Dezember 2019 von der Sozialhilfe unterstützt werden. 
Mit eheschutzrechtlichem Entscheid vom 11. August 2021 wurde davon Vermerk genommen, dass die Ehegatten seit Dezember 2020 getrennt leben würden. Die Kinder wurden in der gemeinsamen elterlichen Sorge ihrer Eltern belassen, jedoch der Obhut der Kindsmutter zugeteilt. A.________ wurde ein Besuchsrecht eingeräumt, welches unter anderem aufgrund der konfliktträchtigen Situation zwischen den Eheleuten mit eheschutzrechtlichen Entscheiden vom 18. März 2022 und 26. August 2022 zunehmend eingeschränkt wurde. Zudem wurde die Kindsmutter ermächtigt, mit den Kindern nach Deutschland zu ziehen. 
 
1.2. Mit Verfügung vom 8. November 2022 widerrief das Migrationsamt des Kantons Zürich die Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA von A.________ und wies ihn aus der Schweiz weg.  
Die dagegen erhobenen Rechtsmittel wiesen die Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich mit Entscheid vom 16. Januar 2023 und das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 2. Abteilung, mit Urteil vom 12. April 2023 ab. 
 
1.3. A.________ gelangt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 9. Juni 2023 an das Bundesgericht und beantragt, es sei das Urteil vom 12. April 2023 aufzuheben und es sei ihm die Aufenthaltsbewilligung zu verlängern. Prozessual ersucht er um Erteilung der aufschiebenden Wirkung sowie, eventualiter, um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung.  
Mit Eingabe vom 21. Juni 2023 (Postaufgabe) hat der Beschwerdeführer weitere Unterlagen eingereicht. 
Es wurden keine Instruktionsmassnahmen angeordnet. 
 
2.  
 
2.1. Auf dem Gebiet des Ausländerrechts ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ausgeschlossen gegen Entscheide, welche Bewilligungen, auf die weder das Bundesrecht noch das Völkerrecht einen Anspruch einräumt oder Abweichungen von den Zulassungsvoraussetzungen betreffen (Art. 83 lit. c Ziff. 2 und Ziff. 5 BGG).  
Für das Eintreten genügt, wenn der Betroffene in vertretbarer Weise dartun kann, dass ein potenzieller Anspruch auf die beantragte Bewilligung besteht (vgl. BGE 137 I 305 E. 2.5; 136 II 177 E. 1.1). Ist die Zulässigkeit eines Rechtsmittels zweifelhaft, umfasst die Begründungspflicht gemäss Art. 42 Abs. 2 BGG grundsätzlich auch die Eintretensvoraussetzungen (vgl. BGE 134 II 45 E. 2.2.3; 133 II 249 E. 1.1; Urteil 2C_682/2021 vom 3. November 2021 E. 1.1). 
 
2.2. Gegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens war der Widerruf der Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA des Beschwerdeführers, die er gestützt auf seine Ehe mit einer deutschen Staatsangehörigen erhalten hatte.  
 
2.3. Der Beschwerdeführer leitet einen Bewilligungsanspruch zunächst aus Art. 8 Abs. 1 EMRK bzw. 13 Abs. 1 BV aufgrund seiner Beziehung zu seinen drei minderjährigen Kindern aus seiner Ehe ab. Ein solcher Anspruch setzt indessen voraus, dass die Kinder in der Schweiz leben (vgl. Urteile 2C_934/2021 vom 15. Februar 2022 E. 4.3; 2C_163/2021 vom 2. Juni 2021 E. 5.2; 2C_582/2020 vom 10. Dezember 2020 E. 4.3.3).  
Vorliegend ergibt sich aus den vom Beschwerdeführer im bundesgerichtlichen Verfahren neu eingereichten Unterlagen, dass seine Ehe mit Urteil und Verfügung des Bezirksgerichts Winterthur vom 3. Mai 2023 geschieden wurde und seine Ex-Ehefrau unterdessen zusammen mit den Kindern in Deutschland wohnt. Letzteres lässt sich einem vom 23. Mai 2023 datierten Schreiben der Rechtsanwältin der Ex-Ehefrau an die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich entnehmen, welches, wie bereits erwähnt, vom Beschwerdeführer selbst eingebracht wurde. 
Bei den vom Beschwerdeführer ins Recht gelegten Unterlagen handelt es sich um neue Tatsachen, die vorliegend ausnahmsweise berücksichtigt werden können, weil sie das Eintreten auf das Rechtsmittel betreffen (vgl. BGE 136 II 497 E. 3.3; Urteil 4A_539/2020 vom 16. März 2021 E. 3.1). Daraus ergibt sich, dass die Kinder des Beschwerdeführers aus seiner inzwischen geschiedenen Ehe nicht mehr in der Schweiz leben, sodass er aus der Beziehung zu diesen keinen Bewilligungsanspruch mehr ableiten kann. 
 
2.4. Soweit er ferner behauptet, er sei am 2. April 2023 Vater eines ausserehelichen Sohnes geworden, sodass er auch gestützt auf diese Beziehung Anspruch auf eine Aufenthaltsbewilligung habe, ergibt sich aus seinen Ausführungen, dass die Kindsmutter noch verheiratet sei, wobei derzeit ein Verfahren auf Aberkennung der Vaterschaft deren Ehemanns laufe. Da die Vaterschaft des Beschwerdeführers noch nicht feststeht, fällt ein Bewilligungsanspruch gestützt auf die Beziehung zu diesem Kind derzeit ohnehin ausser Betracht. Nichts an dieser Beurteilung ändern die vom Beschwerdeführer am 21. Juni 2023 ins Recht gelegten Unterlagen (Scheidungskonvention zwischen der Ex-Ehefrau des Beschwerdeführer und ihrem aktuellen Ehemann und Klage des Letzteren auf Anfechtung der Vaterschaftsvermutung), die ohnehin ausserhalb der 30-tägigen, nicht erstreckbaren Beschwerdefrist (Art. 100 Abs. 1 i.V.m. Art. 47 Abs. 1 BGG) eingereicht wurden. Diese begann mit dem auf die Zustellung folgenden Tag, d.h. am 12. Mai 2023, zu laufen (Art. 44 Abs. 1 BGG) und endete am 12. Juni 2023 (Art. 45 Abs. 1 BGG).  
 
2.5. Ob der Beschwerdeführer mit dem blossen Hinweis auf seine angeblich 15-jährige Anwesenheit in der Schweiz einen Bewilligungsanspruch gestützt auf den Schutz seines Privatlebens (Art. 8 Abs. 1 EMRK und 13 Abs. 1 BV) geltend machen will, ist unklar. Es ist indessen festzuhalten, dass er sich erst seit 2018 und somit seit weniger als zehn Jahren rechtmässig in der Schweiz aufhält; zuvor hatte er sich während mehreren Jahren illegal in der Schweiz aufgehalten. Dass in seinem Fall eine besonders ausgeprägte Integration vorliege, die - trotz der unter zehnjährigen legalen Anwesenheitsdauer - ausnahmsweise einen Bewilligungsanspruch begründen könnte (vgl. BGE 144 I 266 E. 3.9; Urteil 2C_734/2022 vom 3. Mai 2023 E. 5.3, zur Publ. vorgesehen), legt der Beschwerdeführer nicht ansatzweise dar und entsprechende Hinweise sind auch nicht ersichtlich.  
 
2.6. Auf weitere Normen des Bundes- oder des Staatsvertragsrechts, die ihm einen Bewilligungsanspruch einräumen könnten, beruft sich der Beschwerdeführer im bundesgerichtlichen Verfahren nicht mehr und macht demzufolge auch nicht in vertretbarer Weise geltend, dass und inwiefern ein anderweitiger potenzieller Bewilligungsanspruch bestehen soll (vgl. E. 2.1 hiervor).  
Ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer, dessen Ex-Ehefrau über eine Niederlassungsbewilligung verfügte, sich grundsätzlich auf Art. 50 AIG (SR 142.20) berufen könnte (vgl. BGE 144 II 1 E. 4.8). Die Vorinstanz hat die Voraussetzungen eines nachehelichen Aufenthaltsanspruchs gestützt auf diese Bestimmung geprüft und verneint, mit der Begründung, dass das eheliche Zusammenleben weniger als drei Jahre gedauert habe (Art. 50 Abs. 1 lit. a AIG) und keine wichtigen persönlichen Gründe für einen weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers in der Schweiz vorliegen würden (Art. 50 Abs. 1 lit. b und Abs. 2 AIG). Entgegen seiner Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 2 BGG) setzt sich der Beschwerdeführer mit den diesbezüglichen Ausführungen des Verwaltungsgerichts nicht auseinander und zeigt nicht auf, inwiefern diese Recht verletzen (zur Begründungspflicht gl. BGE 140 III 86 E. 2 mit Hinweisen). 
 
2.7. Im Ergebnis tut der Beschwerdeführer nicht in vertretbarer Weise dar, inwiefern er einen potenziellen Bewilligungsanspruch habe und ein solcher ist auch nicht offensichtlich (vgl. E. 2.1 hiervor). Folglich ist das Rechtsmittel als Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten unzulässig.  
 
2.8. Auf die Eingabe kann auch nicht als subsidiäre Verfassungsbeschwerde (Art. 113 ff. BGG) eingetreten werden, da der Beschwerdeführer keine Rügen bezüglich verfahrensrechtlicher Punkte erhebt, deren Verletzung einer formellen Rechtsverweigerung gleichkommt ("Star"-Praxis; vgl. BGE 141 IV 1 E. 1.1; 137 II 305 E. 2).  
 
3.  
 
3.1. Die Beschwerde erweist sich als offensichtlich unzulässig. Es ist darauf mit Entscheid der Abteilungspräsidentin als Einzelrichterin im vereinfachten Verfahren nach Art. 108 BGG (Abs. 1 lit. a) nicht einzutreten. Damit wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung für das bundesgerichtliche Verfahren gegenstandslos.  
 
3.2. Das eventualiter gestellte Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird zufolge Aussichtslosigkeit der Beschwerde abgewiesen (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Der Beschwerdeführer trägt die umständehalber reduzierten Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BGG). Es sind keine Parteientschädigungen geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG).  
 
 
Demnach erkennt die Präsidentin:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird dem den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 2. Abteilung, und dem Staatssekretariat für Migration mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 22. Juni 2023 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: F. Aubry Girardin 
 
Die Gerichtsschreiberin: D. Ivanov