2C_1040/2022 18.01.2024
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
2C_1040/2022  
 
 
Urteil vom 18. Januar 2024  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Aubry Girardin, Präsidentin, 
Bundesrichterin Ryter, 
nebenamtliche Bundesrichterin Petrik, 
Gerichtsschreiber Quinto. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführerin, 
vertreten durch Rechtsanwalt Fatih Aslantas, 
 
gegen  
 
Migrationsamt des Kantons Thurgau, 
Multiplex 1, Langfeldstrasse 53a, 8510 Frauenfeld, 
 
Departement für Justiz und Sicherheit des Kantons Thurgau, 
Regierungsgebäude, 8510 Frauenfeld. 
 
Gegenstand 
Widerruf der Niederlassungsbewilligung und der Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung (Rückstufung), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau 
vom 2. November 2022 (VG.2022.63/E). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die aus der Türkei stammende A.________ (geb. 1967) reiste am 28. Juli 1999 im Alter von 32 Jahren mit ihrem Sohn (geb. 1989) zu ihrem Ehemann in die Schweiz ein. Am 12. August 1999 wurde ihr und ihrem Sohn zwecks Familienzusammenführung Asyl gewährt. Ihre Tochter kam im Juni 2000 zur Welt. Im Juli 2001 erhielt A.________ die Aufenthaltsbewilligung. Seit Dezember 2002 bezieht sie ununterbrochen Sozialhilfe von monatlich rund Fr. 1'500.--; dieser Betrag akkumulierte sich per 18. August 2021 auf rund Fr. 550'000.--. Im Juli 2004 wurde ihr die Niederlassungsbewilligung erteilt. Ihre Ehe wurde mit Urteil vom 28. Oktober 2005 geschieden. Per 11. Juli 2012 verzichtete sie auf die Flüchtlingseigenschaft und das gewährte Asyl. 
 
B.  
 
B.a. Das Migrationsamt des Kantons Thurgau (Migrationsamt) ermahnte A.________ aufgrund ihres Sozialhilfebezugs mit Schreiben vom 7. August 2019. In dieser als "Orientierungsschreiben" bezeichneten Mitteilung wies das Migrationsamt sie auf den dannzumal aktuellen Stand der bezogenen Sozialhilfe im Umfang von Fr. 502'000.-- hin und machte sie insbesondere auf die mit Gesetzesänderung per 1. Januar 2019 eingeführte Rückstufung (Art. 63 Abs. 2 AIG) aufmerksam, welche bei Sozialhilfebezug respektive Integrationsdefiziten zur Anwendung kommen könne. Mit Schreiben vom 20. Oktober 2020 gewährte es ihr das rechtliche Gehör betreffend beabsichtigten Widerruf der Niederlassungsbewilligung und Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung (Rückstufung). Mit Entscheid vom 18. August 2021 widerrief das Migrationsamt die Niederlassungsbewilligung von A.________ und erteilte ihr im Sinne einer Rückstufung eine Aufenthaltsbewilligung. Dabei wurde ihr Aufenthalt an folgende Bedingungen geknüpft: Beachten behördlicher Auflagen und Vorgaben, Bemühen um eine Anstellung im ersten Arbeitsmarkt und Aufnahme einer dauerhaften Erwerbstätigkeit, Ablösung von der Sozialhilfe und bestmögliche Reduktion der Sozialhilfeschuld.  
 
B.b. Den dagegen erhobenen Rekurs wies das Departement Justiz und Sicherheit des Kantons Thurgau (Departement) mit Entscheid vom 20. April 2022 ab. Es ergänzte das erstinstanzliche Entscheiddispositiv mit den Elementen, dass A.________ das Integrationskriterium der Teilnahme am Wirtschaftsleben oder am Erwerb von Bildung i.S.v. Art. 58a lit. d AIG nicht erfülle und die Aufenthaltsbewilligung unter Wegweisung aus der Schweiz widerrufen werden könne, wenn die vorgenannten Bedingungen (vgl. Bst. B.a) nicht eingehalten würden. Die dagegen erhobene Beschwerde erwies sich gemäss Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom 2. November 2022 als erfolglos, wobei A.________ die unentgeltliche Rechtspflege gewährt wurde.  
 
C.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht vom 16. Dezember 2022 beantragt A.________ (Beschwerdeführerin), das vorgenannte Urteil des Verwaltungsgerichts sei aufzuheben und ihre Niederlassungsbewilligung sei nicht zu widerrufen. Eventualiter sei eine Verwarnung auszusprechen. Subeventualiter sei die Sache zur ergänzenden Sachverhaltsabklärung und erneuten Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. In prozessualer Hinsicht wird um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung ersucht. 
Während die Vorinstanz, das Departement und das Migrationsamt vernehmlassungsweise die Abweisung der Beschwerde beantragen, hat das Staatssekretariat für Migration (SEM) auf eine Vernehmlassung verzichtet. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Gegen den Widerruf einer Niederlassungsbewilligung kann mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht gelangt werden, da die entsprechende Bewilligung an sich zeitlich unbeschränkt gilt (Art. 34 AIG; BGE 135 II 1 E. 1.2.1; Urteil 2C_158/2021 vom 3. Dezember 2021 E. 1.1 mit Hinweisen). Es besteht insofern ein Rechtsanspruch auf die Beibehaltung der Bewilligung (vgl. Art. 83 lit. c Ziff. 2 e contrario BGG), als mit dem Widerruf der Niederlassungsbewilligung in ein bisher grundsätzlich auf Dauer angelegtes Rechtsverhältnis eingegriffen und die Rechtsstellung der Beschwerdeführerin dadurch verschlechtert wird. Da auch alle übrigen Sachurteilsvoraussetzungen gegeben sind (vgl. Art. 42, Art. 82 lit. a i.V.m. Art. 86 Abs. 1 lit. d i.V.m. Abs. 2, Art. 89 Abs. 1, Art. 90 und Art. 100 BGG), ist auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten einzutreten.  
 
 
1.2. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG); es prüft jedoch unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht nur die geltend gemachten Rechtsverletzungen, falls weitere rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 142 I 135 E. 1.5).  
 
1.3. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Eine Berichtigung oder Ergänzung der vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellung ist von Amtes wegen (Art. 105 Abs. 2 BGG) oder auf Rüge hin (Art. 97 Abs. 1 BGG) möglich, wobei das Bundesgericht nur bei einer offensichtlich unrichtigen bzw. willkürlichen oder rechtsverletzenden vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellung, deren Korrektur entscheidrelevant sein kann, eingreift (Art. 95, Art. 97 Abs. 1 BGG; BGE 142 I 135 E. 1.6). Entsprechende Rügen unterstehen der qualifizierten Rüge- und Begründungspflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG). Auf rein appellatorische Kritik an der vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellung bzw. Beweiswürdigung geht das Bundesgericht nicht ein (BGE 140 III 264 E. 2.3; 139 II 404 E. 10.1).  
 
2.  
 
2.1. Eine Niederlassungsbewilligung kann widerrufen und durch eine Aufenthaltsbewilligung ersetzt werden, wenn die Ausländerin oder der Ausländer die Integrationskriterien nach Art. 58a AIG nicht (oder nicht mehr) erfüllt (Art. 63 Abs. 2 AIG). Die entsprechende Regelung ist mit der Revision des AuG und dessen Umbenennung in AIG neu in das Gesetz aufgenommen worden und steht seit dem 1. Januar 2019 in Kraft (vgl. AS 2017 6521 ff., 2018 3171 f.; BBl 2013 2397 ff.; 2016 2821 ff.). Als Integrationskriterien gelten die Beachtung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (Art. 58a Abs. 1 lit. a AIG), die Respektierung der Werte der Bundesverfassung (Art. 58a Abs. 1 lit. b AIG), die Sprachkompetenz (Art. 58a Abs. 1 lit. c AIG) und die Teilnahme am Wirtschaftsleben oder am Erwerb von Bildung (Art. 58a Abs. 1 lit. d AIG). Die Art. 77a ff. VZAE (SR 142.201; in der Fassung vom 15. August 2018, in Kraft seit 1. Januar 2019) konkretisieren die Integrationskriterien und -vorgaben. Die Rückstufung kann gemäss Art. 62a VZAE mit einer Integrationsvereinbarung oder mit einer Integrationsempfehlung nach Art. 58b AIG verbunden werden (Abs. 1). Geschieht dies nicht, ist in der Rückstufungsverfügung festzuhalten, welche Integrationskriterien die betroffene Person nicht erfüllt, welche Gültigkeitsdauer die Aufenthaltsbewilligung hat, an welche Bedingungen der weitere Verbleib in der Schweiz geknüpft wird und welche Folgen deren Nichtbeachtung nach sich zieht (Abs. 2).  
 
2.2. Der Rückstufung kommt eine eigenständige, vom Widerruf der Niederlassungsbewilligung mit Wegweisung unabhängige Bedeutung zu (BGE 148 II 1 E. 2.4; Urteil 2C_181/2022 vom 15. August 2022 E. 5.2; vgl. die Weisungen und Erläuterungen des SEM, I. Ausländerbereich [Weisungen AIG], vom Oktober 2013, Stand 1. Januar 2021, Ziff. 8.3.3; dasselbe, Änderungen der Verordnung über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit, Erläuternder Bericht vom 7. November 2017 zur Inkraftsetzung der Änderung des Ausländergesetzes vom 16. Dezember 2016 [13.030; Integration], S. 13 zu Art. 62a VZAE; MARCO WEISS, Betrachtung ausgewählter Massnahmen des Ausländerrechts, in: Jusletter 17. Mai 2021 Rz. 7). Es soll damit (präventiv) erreicht werden, dass die betroffene Person zukünftig ihr Verhalten ändert und sich besser integriert; es geht jeweils darum, ein ernsthaftes Integrationsdefizit zu beseitigen, wobei den persönlichen Umständen Rechnung zu tragen ist (Art. 58a Abs. 2 AIG; Art. 77f VZAE; BGE 148 II 1 E. 2.4; Urteile 2C_723/2022 vom 30. November 2022 E. 4.2; 2C_181/2022 vom 15. August 2022 E. 5.2; ALEXANDER SUTER, Integration und Ausschluss: Folgen von Sozialhilfebezug für Ausländerinnen und Ausländer, in: Achermann et al. [Hrsg.], Jahrbuch für Migrationsrecht 2020/2021, S. 3 ff., dort S. 19; MARC SPESCHA, Ausländische Sozialhilfebeziehende im Fokus der Migrationsbehörde, in: Jusletter 8. März 2021, Ziff. 2.2, dort insbesondere Rz. 28).  
 
2.3. Die Rückstufung ist gestützt auf den Wortlaut von Art. 63 Abs. 2 AIG (bereits) zulässig, wenn ein Integrationsdefizit im Sinne von Art. 58a AIG besteht. Es ist nicht erforderlich, dass auch ein Widerrufsgrund vorliegt. Die Rückstufung muss beim Widerruf einer altrechtlich erteilten Niederlassungsbewilligung im Hinblick auf deren Unbefristetheit und Bedingungsfeindlichkeit (Art. 34 Abs. 1 AIG) sowie wegen des Grundsatzes des Vertrauensschutzes und des Rückwirkungsverbots jedoch an ein unter dem neuen Recht aktualisiertes, hinreichend gewichtiges Integrationsdefizit anknüpfen (BGE 148 II 1 E. 5.2 f. und E. 6.3 f.; Urteile 2C_723/2022 vom 30. November 2022 E. 4.3; 2C_181/2022 vom 15. August 2022 E. 5.4; SUTER, a.a.O., S. 20); nur dann besteht ein genügendes öffentliches Interesse an der Rückstufung altrechtlich erteilter Niederlassungsbewilligungen unter dem seit dem 1. Januar 2019 gültigen (neuen) Recht (BGE 148 II 1 E. 5.3; Urteile 2C_723/2022 vom 30. November 2022 E. 4.2; 2C_181/2022 vom 15. August 2022 E. 5.4; 2C_158/2021 vom 3. Dezember 2021 E. 4.3).  
 
2.4. Die Migrationsbehörden haben ihr Ermessen einzelfallbezogen auszuüben und auf nach dem 1. Januar 2019 fortdauernde Integrationsdefizite von einer gewissen Relevanz abzustellen; sie haben einem in diesem Sinn gewichteten Kontinuitätsvertrauen bei ihrer Rechtsanwendung Rechnung zu tragen (BGE 148 II 1 E. 5.3; Urteile 2C_723/2022 vom 30. November 2022 E. 4.2; 2C_181/2022 vom 15. August 2022 E. 5.5; vgl. ANNE KNEER/BENJAMIN SCHINDLER, Schutz des Kontinuitätsvertrauens in die Rechtsordnung bei Rückstufung und Widerruf von Niederlassungsbewilligungen, in: Achermann et al. [Hrsg.], Jahrbuch für Migrationsrecht 2019/2020, 2020, S. 35 ff., dort S. 53). Sie dürfen dabei vor dem 1. Januar 2019 eingetretene Sachverhaltselemente berücksichtigen, um die neue Situation im Lichte der bisherigen würdigen und in diesem Sinn die Entstehung und das Fortdauern des Integrationsdefizits umfassend klären zu können. Die Rückstufung muss sich jedoch im Wesentlichen auf Sachverhalte abstützen, die sich nach dem 1. Januar 2019 zugetragen haben bzw. nach diesem Datum fortdauern; andernfalls läge eine grundsätzlich unzulässige echte Rückwirkung vor (BGE 148 II 1 E. 5.3; Urteile 2C_723/2022 vom 30. November 2022 E. 4.3; 2C_181/2022 vom 15. August 2022 E. 5.5; 2C_158/2021 vom 3. Dezember 2021 E. 4.4).  
 
2.5. Die Rückstufung muss schliesslich, wie jedes staatliche Handeln, verhältnismässig sein (Geeignetheit, Erforderlichkeit, Respektierung des Übermassverbots [Zumutbarkeit]), was jeweils im Einzelfall zu prüfen und zu begründen ist. Die Rückstufung setzt sich aus einem Widerruf der Niederlassungsbewilligung und der Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zusammen; sie erfolgt jedoch als eine Einheit (uno actu), weshalb im kantonalen Verfahren ihre Verhältnismässigkeit jeweils als Ganzes zu beurteilen ist. Die Rückstufung kann deshalb auch als eigenständiger Akt mit einer Verwarnung angedroht werden - gegebenenfalls muss sie dies auch in Anwendung des Verhältnismässigkeitsprinzips. Nach der Rückstufung ist ein Widerruf oder eine Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung möglich, wenn die mit der Bewilligung verbundenen Bedingungen oder eine Integrationsvereinbarung ohne entschuldbaren Grund nicht eingehalten werden (vgl. Art. 62 Abs. 1 lit. d und g AIG). Eine allfällige künftige Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung muss dannzumal wiederum als Ganzes verhältnismässig sein und insbesondere dem Übermassverbot (Verhältnismässigkeit im engeren Sinn) genügen (BGE 148 II 1 E. 2.6; Urteile 2C_181/2022 vom 15. August 2022 E. 5.6; 2C_158/2021 vom 3. Dezember 2021 E. 4.5).  
 
3.  
Zu prüfen ist nachfolgend, ob die Vorinstanz den verwaltungsrechtlichen Entscheid, die Niederlassungsbewilligung der Beschwerdeführerin zu widerrufen und durch eine (bedingte) Aufenthaltsbewilligung zu ersetzen, zu Recht geschützt hat. Die Beschwerdeführerin bestreitet in diesem Zusammenhang nicht, dass ein dauerhafter und erheblicher Sozialhilfebezug und damit ein Widerrufsgrund i.S.v. Art. 63 Abs. 1 lit. c AIG sowie ein hinreichend gewichtiges Integrationsdefizit vorliegen. Sie rügt jedoch eine Verletzung von Art. 63 Abs. 2 AIG i.V.m. Art. 58a Abs. 2 AIG. Sie bemängelt, die Vorinstanz habe ihren schwerwiegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen, welche ein Abweichen vom Integrationskriterium der Teilnahme am Wirtschaftsleben ermöglichten, nicht Rechnung getragen (Art. 58a Abs. 2 AIG i.V.m. Art. 77f VZAE). Aufgrund ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigung treffe sie kein Verschulden am Integrationsdefizit und an der Sozialhilfeabhängigkeit. Die Rückstufung sei vor diesem Hintergrund nicht verhältnismässig. Abgesehen davon sei die Rückstufung auch deshalb nicht verhältnismässig, weil sie nicht vorgängig im Sinne von Art. 96 Abs. 2 AIG formell verwarnt worden sei. Die Auflagen, an welche die Fortsetzung der Aufenthaltsbewilligung geknüpft wurde, werden von der Beschwerdeführerin jedoch nicht beanstandet, womit sich diesbezügliche Ausführungen erübrigen (vgl. E. 1.2 oben). 
 
3.1. Bei der Beurteilung der Integration bzw. Rückstufung ist der Situation von Personen angemessen Rechnung zu tragen, welche sich aufgrund einer Behinderung oder Krankheit oder wegen anderer gewichtiger persönlicher Umstände nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen wirtschaftlich integrieren können (Art. 58a Abs. 2 AIG). Eine Abweichung ist diesbezüglich unter anderem möglich, wenn die ausländische Person dies wegen (b) einer schweren oder lang andauernden Krankheit (Art. 77f lit. b VZAE) nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen tun kann (Urteile 2C_181/2022 vom 15. August 2022 E. 6.3; 2C_592/2020 vom 28. April 2022 E. 5.2; 2C_158/2021 vom 3. Dezember 2021 E. 5.2). Die Berücksichtigung dieser persönlichen Umstände reflektiert nichts anderes als die Prüfung des Verschuldens an der misslungenen wirtschaftlichen Integration und stellt ein Element der Vehältnismässigkeitsprüfung dar (Urteile 2C_181/2022 vom 15. August 2022 E. 6.3; 2C_96/2021 vom 19. Oktober 2021 E. 6.1 ff.).  
Bei der Verhältnismässigkeitsprüfung bzw. Interessenabwägung bezüglich Rückstufung stehen sich das öffentliche Interesse an der Behebung des Integrationsdefizits und das private Interesse an der Beibehaltung des privilegierten ausländerrechtlichen Status (Niederlassungsbewilligung) gegenüber, wobei die betroffene Person in der Schweiz verbleiben und hier weiterhin ihr Privat- und Familienleben pflegen kann (vgl. Urteile 2C_723/2022 vom 30. November 2022 E. 4.5; 2C_1053/2021 vom 7. April 2022 E. 5.6; 2C_158/2021 vom 3. Dezember 2021 E. 7.2). In diesem Rahmen ist wie erwähnt das Verschulden am Integrationsdefizit, d.h. bei Sozialhilfeabhängigkeit deren Ursache und das Verschulden daran, zu prüfen (vgl. Art. 58a Abs. 2 AIG i.V.m. Art. 77f lit. b VZAE; vgl. betreffend Wegweisung wegen Sozialhilfeabhängigkeit Urteile 2C_56/2023 vom 31. August 2023 E. 5.3; 2C_40/2023 vom 31. Juli 2023 E. 4.2; 2C_64/2020 vom 24. Juli 2020 E. 3.2). Insbesondere im Verhältnis zur formellen Verwarnung ist zu prüfen, ob die Rückstufung geeignet, erforderlich und zumutbar ist (vgl. Urteile 2C_723/2022 vom 30. November 2022 E. 4.5; 2C_181/2022 vom 15. August 2022 E. 6.7; 2C_158/2021 vom 3. Dezember 2021 E. 7.1; 2C_96/2021 vom 19. Oktober 2021 E. 6.3). 
 
3.2.  
 
3.2.1. Die Beschwerdeführerin hat bereits eine hohe Summe an Sozialhilfegeldern bezogen. Das öffentliche Interesse an der Behebung des Integrationsdefizits bzw. an der Rückstufung ist deshalb erheblich. Es bleibt zu prüfen, ob die Vorinstanz ein Verschulden der Beschwerdeführerin an ihren Integrationsdefiziten bzw. an ihrer Sozialhilfeabhängigkeit zu Recht bejaht hat.  
 
3.2.2. In sachverhaltsmässiger Hinsicht hat die Vorinstanz festgestellt, dass in den Jahren 2009 bis 2021 mehrere Gesuche um Ausrichtung einer IV-Rente abgelehnt wurden. Nicht nur aus invalidenversicherungsrechtlicher Sicht, sondern trotz wiederholter Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit durch behandelnde Ärzte war die Beschwerdeführerin voll arbeitsfähig. Die Beschwerdeführerin hat diesbezüglich keine Rüge der willkürlichen Sachverhaltsfeststellung erhoben. Vielmehr beschränkt sie sich darauf, dem vorinstanzlich festgestellten Sachverhalt ihre eigene Version der Sachlage gegenüberzustellen, und übt damit appellatorische Sachverhaltskritik, was vor Bundesgericht nicht zu hören ist. Die willkürfreie, vorinstanzliche Feststellung, wonach die Beschwerdeführerin seit langem, sowohl vor dem 1. Januar 2019 (gesetzliche Einführung der Rückstufung; vgl. E. 2.1 oben) als auch danach, voll arbeitsfähig war und ist, ist für das Bundesgericht verbindlich (Art. 105 Abs. 1 BGG; vgl. E. 8.4.2 angefochtenes Urteil).  
 
3.2.3. Im Weiteren hat die Vorinstanz in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, die Beschwerdeführerin beziehe seit Dezember 2002 Leistungen der Sozialhilfe. Dieser Bezug sei fortgesetzt worden, auch nachdem die in den Jahren 1989 und 2000 geborenen Kinder selbständig geworden und nicht mehr auf eine umfassende Betreuung angewiesen gewesen seien. Selbst nach der Ermahnung vom August 2019 sei der Sozialhilfebezug fortgesetzt worden. Erst ab Mai 2021 seien gewisse Bemühungen im Hinblick auf eine Arbeitstätigkeit ersichtlich (Anmeldung bei der Arbeitslosenversicherung, Tätigkeit im Dienstleistungszentrum Arbeitsintegration mit einem 30%-Pensum). Diese belegten jedoch noch in keiner Weise eine genügende Teilnahme am Wirtschaftsleben (E. 8.3 vorinstanzliches Urteil). Medizinische Gründe für ihre mangelnde Integration und ihren Sozialhilfebezug seien nicht - oder höchstens in sehr untergeordnetem Rahmen - ausgewiesen (E. 8.4.3 vorinstanzliches Urteil).  
 
3.2.4. Aus dem Gesagten ergibt sich, dass sich die Beschwerdeführerin über einen langen Zeitraum vor dem 1. Januar 2019 nicht um die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gekümmert hat. Auch danach und selbst nach der Ermahnung vom August 2019 war keine wesentliche Verhaltensänderung erkennbar und der Sozialhilfebezug wurde über Jahre fortgesetzt. Eine schwere oder lang andauernde Krankheit im Sinne von Art. 77f lit. b VZAE, welche ein Abweichen vom Integrationskriterium der Teilnahme am Wirtschaftsleben (Art. 58a Abs. 1 lit. d AIG) ermöglichen würde, liegt aufgrund der vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellung nicht vor. Damit ist die Nichterfüllung dieses Integrationskriteriums respektive der Sozialhilfebezug auf das Verschulden der Beschwerdeführerin zurückzuführen.  
 
3.2.5. Die Rückstufung ist geeignet, die Beschwerdeführerin zur Behebung des Integrationsdefizits zu bewegen. Sie ist zwar bereits 56 Jahre alt, steht jedoch noch nicht kurz vor der Pensionierung, sodass die Rückstufung nach wie vor ihren Zweck erfüllen kann (vgl. Urteile 2C_181/2022 vom 15. August 2022 E. 6.7; 2C_158/2021 vom 3. Dezember 2021 E. 7.1). Bezüglich der Erforderlichkeit der Rückstufung hat die Vorinstanz erwogen, die schriftliche Ermahnung vom 7. August 2019 habe keinerlei Wirkung gezeitigt, weshalb eine formelle Verwarnung als mildere Massnahme nicht ausgereicht habe (E. 8.3 vorinstanzliches Urteil). Mit Schreiben vom 7. August 2019 hat das Migrationsamt die Beschwerdeführerin explizit und konkret auf die bereits bezogene, hohe Sozialhilfe hingewiesen und festgehalten, dass ein weiterer Bezug von Sozialhilfe zur Rückstufung führen kann (vgl. Bst. B.a oben). Ausserdem hat die Vorinstanz in diesem Zusammenhang festgestellt, dass die Beschwerdeführerin aufgrund dieses Schreibens am 9. August 2019 mit dem Migrationsamt telefonisch Kontakt aufgenommen hat, worauf ihr die Gesetzesänderung bezüglich Rückstufung sowie die Notwendigkeit, die Sozialhilfeschuld nicht weiter ansteigen zu lassen und eine Arbeitstätigkeit aufzunehmen, mündlich erläutert wurde (vgl. E. 6.2 vorinstanzliches Urteil). Vor diesem Hintergrund ist nicht zu beanstanden, dass das Migrationsamt vor der Rückstufung nicht noch eine formelle Verwarnung (Art. 96 Abs. 2 AIG) gegenüber der Beschwerdeführerin erlassen hat (vgl. Urteil 2C_96/2021 vom 19. Oktober 2021 E. 6.3). Vielmehr erweist sich die Rückstufung auch als erforderlich und eine formelle Verwarnung als milderes Mittel war nicht angezeigt. Im Weiteren kann von der Beschwerdeführerin erwartet werden, dass sie sich angesichts der erheblichen, bezogenen Sozialhilfe um eine Arbeitstätigkeit und eine Ablösung von der Sozialhilfe bemüht, sodass die Rückstufung auch zumutbar ist.  
 
3.2.6. Insgesamt überwiegt vorliegend das öffentliche Interesse an der Behebung des Integrationsdefizits das entgegenstehende private Interesse der Beschwerdeführerin an der Beibehaltung der Niederlassungsbewilligung, zumal die Beschwerdeführerin in der Schweiz verbleiben kann. Die Schlussfolgerung der Vorinstanz, wonach die Rückstufung insgesamt verhältnismässig ist, erweist sich somit als bundesrechtskonform. Der Hauptantrag der Beschwerde, nämlich das vorinstanzliche Urteil aufzuheben und die Niederlassungsbewilligung nicht zu widerrufen, ist deshalb abzuweisen.  
 
4.  
 
4.1. Aufgrund der vorstehenden Erwägungen sind auch der Eventualantrag, nämlich gegenüber der Beschwerdeführerin eine Verwarnung auszusprechen, sowie der Subeventualantrag betreffend Rückweisung an die Vorinstanz zur ergänzenden Sachverhaltsabklärung und Neubeurteilung abzuweisen.  
 
4.2. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erweist sich somit als unbegründet und ist abzuweisen.  
 
4.3. Die Beschwerdeführerin ist bedürftig und ihre Beschwerde aufgrund des Umstandes, dass sie bereits seit dem Jahr 2004 über eine Niederlassungsbewilligung verfügte, nicht als von vornherein aussichtslos zu qualifizieren. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren ist deshalb gutzuheissen (Art. 64 BGG). Insofern ist auf die Erhebung von Gerichtskosten zu verzichten und der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin ist aus der Bundesgerichtskasse angemessen zu entschädigen (Art. 64 Abs. 1 und Abs. 2, Art. 66 Abs. 1 BGG). Eine Parteientschädigung ist nicht geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG).  
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird abgewiesen. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird gutgeheissen. 
 
3.  
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
4.  
Der Beschwerdeführerin wird Rechtsanwalt Fatih Aslantas als unentgeltlicher Rechtsbeistand beigegeben. Diesem wird aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2'500.-- ausgerichtet. 
 
5.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau und dem Staatssekretariat für Migration mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 18. Januar 2024 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: F. Aubry Girardin 
 
Der Gerichtsschreiber: C. Quinto