2C_313/2024 19.06.2024
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
2C_313/2024, 2C_314/2024  
 
 
Urteil vom 19. Juni 2024  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Aubry Girardin, Präsidentin, 
Gerichtsschreiberin Ivanov. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch B.________, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Kanton Bern, handelnd durch die Justizleitung, Nordring 8, 3013 Bern. 
 
Gegenstand 
Staatshaftung; Rechtsverzögerung, 
 
Beschwerden gegen die Verfügungen des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, 
vom 29. Mai 2024 (100.2020.80X15) und 
vom 5. Juni 2024 (100.2020.80X16. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Mit Verfügung vom 29. Mai 2024 teilte der Instruktionsrichter am Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, A.________ mit, dass am Dienstag, 25. Juni 2024, eine öffentliche mündliche Schlussverhandlung in einem Verfahren gegen den Kanton Bern betreffend Staatshaftung angesetzt worden sei (Dispositiv-Ziff. 1). Zudem wurde den Parteien die voraussichtliche Zusammensetzung des Gerichts bekannt gegeben (Dispositiv-Ziff. 3) und sie wurden darauf hingewiesen, dass dem Kanton Bern die Teilnahme an der Verhandlung freigestellt sei (Dispositiv-Ziff. 2), dass eine Redezeit von maximal 40 Minuten einzuhalten sei, wobei die Parteivorträge nach der Verhandlung schriftlich abgegeben werden könnten (Dispositiv-Ziff. 4) und dass weder eine Parteieinvernahme noch Zeugeneinvernahmen oder eine öffentliche Urteilsberatung im Anschluss an die Schlussverhandlung vorgesehen sei (Dispositiv-Ziff. 5). In den Erwägungen wurde unter anderem ausgeführt, dass der rechtserhebliche Sachverhalt nach vorläufiger Beurteilung des Instruktionsrichters ausreichend geklärt sei und gestützt auf die Akten derzeit weder Anlass für eine Parteieinvernahme noch für die Befragung von Zeugen bestehe, sodass die entsprechenden Anträge in antizipierter Beweiswürdigung (vorläufig) abzuweisen seien.  
 
1.2. Mit Eingabe vom 1. Juni 2024 wandte sich A.________ an das Verwaltungsgericht und verlangte im Wesentlichen, dass die Erwägungen und Anordnungen gemäss prozessleitender Verfügung vom 29. Mai 2024 zu begründen seien.  
Mit Verfügung vom 5. Juni 2024 bestätigte der Instruktionsrichter die Anordnungen gemäss prozessleitender Verfügung vom 29. Mai 2024 im Sinne der Erwägungen, wobei er einzelne Ausführungen präzisierte. 
 
1.3. Gegen die Verfügungen des Instruktionsrichters vom 29. Mai 2024 und 5. Juni 2024 erhebt A.________ in einer einzigen Eingabe Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht und stellt folgende Anträge: (b) "die angefochtenen Verfügungen vom 29. Mai 2024 und vom 5. Juni 2024 seien aufzuheben und die vorliegende Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten sei gutzuheissen"; (c) "das Bundesgericht weise die Sache zur Durchführung einer öffentlichen mündlichen Hauptverhandlung nach Art. 6 Ziff. 1 EMRK und der Abnahme der per Video oder Tonband dokumentierten Beweisaussagen der Klägerin vor dem gesamten Spruchkörper an die Vorinstanz zurück"; (d) "das Bundesgericht ordne an, dass der Ehemann der Klägerin als Zeuge zu hören sei"; (e) "das Bundesgericht ordne an, dass der Gerichtspräsident des Regionalgerichts Berner Jura Seeland [...] zum rechtserheblichen Sachverhalt als Beigeladener zu vernehmen sei"; (f) "das Bundesgericht ordne an, dass der Beklagte unter Androhung von beweisrechtlichen Säumnisfolgen zu seinem Nachteil aufzufordern sei, sich an der öffentlichen Verhandlung einzufinden und zum Streitgegenstand Stellung zu nehmen"; (g) "eventualiter weise das Bundesgericht die Vorinstanz an, die Klage ohne weiteres im Grundsatz gutzuheissen und das Klageverfahren zu einem baldigen Abschluss zu bringen". Prozessual beantragt sie, es sei die öffentliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht superprovisorisch auszusetzen, bis über die vorliegenden Beschwerden entschieden worden sei.  
Das Bundesgericht eröffnete daraufhin das Verfahren 2C_313/2024 betreffend die Beschwerde gegen die Verfügung vom 29. Mai 2024 und das Verfahren 2C_314/2024 betreffend die Beschwerde gegen die Verfügung vom 5. Juni 2024. 
Es wurden keine Instruktionsmassnahmen angeordnet. 
 
2.  
Die zwei bundesgerichtlichen Verfahren 2C_313/2024 und 2C_314/2024 betreffen den gleichen Sachverhalt und werfen dieselben Fragen auf. Zudem wurden die Beschwerden in einer einzigen Eingabe eingereicht. Es rechtfertigt sich daher, die beiden Verfahren zu vereinigen und in einem einzigen Urteil zu behandeln (Art. 71 BGG i.V.m. Art. 24 BZP; vgl. auch BGE 131 V 59 E. 1; Urteil 2C_335/2019 und 2C_789/2019 vom 17. August 2020 E. 1.1). 
 
3.  
 
3.1. Angefochten sind vorliegend prozessuale Anordnungen des Verwaltungsgerichts in einem Staatshaftungsverfahren. Diese stellen Zwischenentscheide i.S.v. Art. 93 BGG dar (vgl. BGE 137 III 380 E. 1.1). Nach dem Grundsatz der Einheit des Verfahrens (vgl. BGE 143 II 425 E. 1.3; 138 II 501 E. 1.1) folgt der Rechtsweg bei Zwischenentscheiden demjenigen der Hauptsache (vgl. BGE 137 III 380 E. 1.1; Urteile 2C_477/2021 vom 24. Juni 2021 E. 1.2; 2C_1062/2020 vom 25. März 2021 E. 1.1).  
 
Angesichts der gemäss Beschwerdeschrift im Staatshaftungsverfahren geltend gemachten Forderung in der Höhe von Fr. 445'889.-- steht die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten in der Hauptsache offen (Art. 85 Abs. 1 lit. a e contrario BGG). Folglich ist dieses Rechtsmittel auch gegen die angefochtenen Zwischenentscheide zulässig.  
 
3.2. Gegen selbständig eröffnete Zwischenentscheide, die weder die Zuständigkeit noch den Ausstand betreffen (Art. 92 BGG), ist die Beschwerde - abgesehen vom hier nicht massgebenden Fall gemäss Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG - nur zulässig, wenn der angefochtene Entscheid einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (vgl. Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG). Praxisgemäss muss der Nachteil, der dem Beschwerdeführer droht, rechtlicher Natur sein und auch durch einen für den Beschwerdeführer günstigen Entscheid in der Zukunft nicht mehr behoben werden können (BGE 143 III 416 E. 1.3; 141 III 80 E. 1.2). Rein tatsächliche Nachteile reichen grundsätzlich nicht aus (BGE 142 III 798 E. 2.2; 141 III 80 E. 1.2). Dass im konkreten Fall ein nicht wieder gutzumachender Nachteil droht, ist in der Beschwerdebegründung aufzuzeigen, soweit ein solcher nicht ohne Weiteres ins Auge springt. Andernfalls ist auf die Beschwerde nicht einzutreten (BGE 144 III 475 E. 1.2; 142 III 798 E. 2.2; 141 III 80 E. 1.2; Urteil 2C_708/2022 vom 26. September 2022 E. 2.2).  
Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang die ständige Praxis des Bundesgerichts, wonach bei Streitigkeiten über die Beweiserhebung in der Regel kein Rechtsnachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG droht, sodass Beweisanordnungen grundsätzlich erst zusammen mit dem Endentscheid vor das Bundesgericht gezogen werden können (Art. 93 Abs. 3 BGG; vgl. BGE 144 IV 127 E. 1.3; 141 III 80 E. 1.2 je mit Hinweisen; Urteile 2C_652/2022 vom 23. August 2022 E. 2.3; 2C_342/2020 vom 2. Juni 2020 E. 2.2). 
 
3.3. In ihrer in weiten Teilen ausufernden, an übermässige Weitschweifigkeit angrenzende Beschwerdeschrift wirft die Beschwerdeführerin der Vorinstanz im Wesentlichen vor, die angefochtenen Verfügungen nicht hinreichend begründet und ihre Vorbringen nicht berücksichtigt zu haben. Namentlich durch die Ablehnung ihrer Anträge in antizipierter Beweiswürdigung oder durch den Umstand, dass es keine öffentliche Urteilsberatung vorgesehen hat, habe das Verwaltungsgericht in mehrfacher Hinsicht gegen die Bundesverfassung und die EMRK verstossen.  
Soweit ersichtlich, erblickt die Beschwerdeführerin einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil darin, dass die Sache ihrer Auffassung nach bereits vor der öffentlichen Verhandlung entschieden worden sei. Das Verwaltungsgericht beabsichtige, "die öffentliche Verhandlung nur formhalber durchzuführen, um danach den vorgefassten Entschluss zur Abweisung der Klage in die Tat umzusetzen". Die Beschwerdeführerin befürchte, dass die Klage ohne Abnahme von Beweisen abgewiesen und deren Tragweite für die Öffentlichkeit verschleiert werde. 
Mit diesen Ausführungen, die über blosse Mutmassungen nicht hinausgehen, vermag die Beschwerdeführerin nicht rechtsgenüglich darzutun, dass und inwiefern ihr durch die angefochtenen Zwischenverfügungen ein nicht wiedergutzumachender Nachteil im Sinne der Rechtsprechung droht (vgl. E. 3.2 hiervor) und ein solcher ist auch nicht offensichtlich. Ein nicht wieder gutzumachender Nachteil ist umso weniger ersichtlich, als sich der Verfügung vom 29. Mai 2024 entnehmen lässt, dass die Anträge der Beschwerdeführerin (Parteieinvernahme, Befragung von Zeugen) erst vorläufig bzw. gestützt auf eine vorläufige Beurteilung des Instruktionsrichters in antizipierter Beweiswürdigung abgewiesen wurden. Anlässlich der Schlussverhandlung wird die Beschwerdeführerin die Möglichkeit haben, ihren Standpunkt einzubringen und gegebenenfalls darzutun, weshalb diese oder weitere Beweisabnahmen unerlässlich wären. Schliesslich kann die Beschwerdeführerin die vorliegend geltend gemachten Verletzungen verfassungsmässiger Rechte (u.a. Art. 9, Art. 29 Abs. 2 und Art. 29a BV, Art. 6 Ziff. 1 EMRK) nach Massgabe von Art. 93 Abs. 3 BGG im Rahmen einer späteren Beschwerde gegen den Endentscheid der Vorinstanz rügen, falls letzterer zu ihren Ungunsten ausgehen sollte. Gegebenenfalls könnte der Endentscheid ganz oder teilweise aufgehoben werden. Folglich gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführerin ein nicht wiedergutzumachender Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG droht. Damit erweist sich die Beschwerde gegen die angefochtenen Zwischenentscheide als unzulässig.  
 
4.  
Die Beschwerdeführerin wirft der Vorinstanz zudem vor, das Verfahren verschleppt und eine Rechtsverzögerung begangen zu haben. 
Diesbezüglich ist festzuhalten, dass der Anspruch auf Beurteilung bzw. auf Erlass eines Entscheids innert angemessener Frist (Art. 29 Abs. 1 BV; Art. 6 Ziff. 1 EMRK) zu den Grundrechten gehört, deren Verletzung in einer den qualifizierten Anforderungen an die Begründung von Verfassungsrügen genügenden Weise geltend gemacht werden muss (Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 143 II 283 E. 1.2.2; 141 I 36 E. 1.3). Dabei genügt es nicht, wie es die Beschwerdeführerin tut, auf die bisherige Verfahrenslänge hinzuweisen, zumal für die Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer verschiedene Umstände zu berücksichtigen sind (vgl. u.a. BGE 144 II 486 E. 3.2). 
Der Eingabe der Beschwerdeführerin lässt sich bereits nicht mit hinreichender Klarheit entnehmen, ob es sich dabei um eine eigenständige Rechtsverzögerungsbeschwerde (Art. 94 BGG) handeln oder ob die Rüge der Rechtsverzögerung lediglich der Begründung ihrer Beschwerden gegen die beiden Zwischenentscheide dienen soll. Sodann ist nicht ersichtlich, inwiefern die Verfügung vom 29. Mai 2024, mit welcher eine Schlussverhandlung angesetzt wurde und welche, wie die Beschwerdeführerin vorbringt, "das Fass zum Überlaufen" gebracht und sie dazu veranlasst habe, "beim Bundesgericht Schutz zu suchen", geeignet sein soll, die von ihr behauptete Rechtsverzögerung zu begründen. 
Folglich entbehrt die Eingabe einer hinreichenden Begründung (Art. 106 Abs. 2 BGG), soweit damit Rechtsverzögerungsbeschwerde erhoben wird. 
 
5.  
 
5.1. Auf die offensichtlich unzulässigen bzw. unbegründeten Beschwerden ist mit Urteil der Abteilungspräsidentin als Einzelrichterin im Verfahren nach Art. 108 Abs. 1 BGG (lit. a und b) nicht einzutreten. Damit wird der Antrag auf Aussetzung der öffentlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht bis über die vorliegende Beschwerde entschieden wird, gegenstandslos.  
 
5.2. Die unterliegende Beschwerdeführerin trägt die Kosten der bundesgerichtlichen Verfahren (Art. 66 Abs. 1 BGG). Parteientschädigungen sind nicht geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG).  
 
 
Demnach erkennt die Präsidentin:  
 
1.  
Die Verfahren 2C_313/2024 und 2C_314/2024 werden vereinigt. 
 
2.  
Auf die Beschwerden wird nicht eingetreten. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von insgesamt Fr. 1'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 19. Juni 2024 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: F. Aubry Girardin 
 
Die Gerichtsschreiberin: D. Ivanov