M 1/05 29.04.2005
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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunal fédéral des assurances 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
 
 
 
Prozess 
{T 0/2} 
 
M 1/05  
 
 
Urteil vom 29. April 2005  
 
III. Kammer  
 
Besetzung 
Präsidentin Leuzinger; Bundesrichter Lustenberger und Kernern; Gerichtsschreiber Widmer 
 
Parteien 
M.________, 1947, Beschwerdeführer, vertreten 
durch Rechtsanwalt Dr. Ueli Kieser, Ulrichstrasse 14, 8032 Zürich, 
 
gegen  
 
Bundesamt für Militärversicherung, Schermenwaldstrasse 10, 3001 Bern, Beschwerdegegner 
 
Vorinstanz 
Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden, Chur 
 
(Entscheid vom 7. September 2004) 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Der 1947 geborene M.________ ist seit 1993 als Vorsorgeberater bei der Firma R.________ tätig. Am 7. Juni 2001 wurde er unter Hinweis auf ein im Militärdienst ca. 1987 erlittenes Knalltrauma und einen seither bestehenden, subjektiv störenden Tinnitus von Dr. med. S.________ bei der Militärversicherung angemeldet. Mit Schreiben vom 20. November 2001 anerkannte das Bundesamt für Militärversicherung (BAMV) seine Leistungspflicht für die Gehörstörung, soweit diese auf das Ereignis im Dienst zurückzuführen sei. Das BAMV holte in der Folge verschiedene Unterlagen, u.a. die von der Firma R.________ ausgefüllten Fragebögen zum mutmasslichen Verdienst des Versicherten im Jahr 2001 (vom 21. Dezember 2001) und zum Einkommen im Jahr 2002 (vom 31. Dezember 2002), ein. Gestützt auf die Auskunft der Arbeitgeberin vom 21. Dezember 2001 über den mutmasslichen Lohn des Versicherten im Jahre 2001 richtete die Militärversicherung M.________ für die ärztlich bescheinigte Arbeitsunfähigkeit von 50 % (vom 13. August 2001 bis 31. August 2002) und einem Drittel (bis Ende Dezember 2002) Taggelder aus. Nach Eingang der Lohnausweise für die Jahre 2001 und 2002 gelangte das BAMV zum Schluss, dass M.________ im Zeitraum zwischen 13. August 2001 und 31. Dezember 2002 keinen Erwerbsausfall erlitten habe, weshalb es ihm mit Vorbescheid vom 25. Juli 2003 eröffnete, dass er die zu Unrecht ausbezahlten Taggelder in der Höhe von Fr. 78'982.90 zurückzuerstatten habe, woran es mit Verfügung vom 8. Oktober 2003 und Einspracheentscheid vom 24. Februar 2004 festhielt. 
 
B.  
In teilweiser Gutheissung der hiegegen eingereichten Beschwerde hob das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden den Einspracheentscheid auf und verpflichtete M.________, dem BAMV den für das Jahr 2002 ausbezahlten Taggeldbetrag von Fr. 55'049.75 (einschliesslich Sozialversicherungsbeiträge) zurückzuerstatten (Entscheid vom 7. September 2004). Die Rückerstattungspflicht für die im Jahr 2001 ausgerichteten Taggelder im Betrag von Fr. 23'933.15 verneinte das Verwaltungsgericht mit der Begründung, dass der Anspruch des BAMV verwirkt sei. 
 
C.  
M.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit den Rechtsbegehren, in teilweiser Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides sei von jeder Rückforderung von Taggeldern abzusehen; eventuell sei die Sache zu weiteren Abklärungen und neuer Entscheidung an das kantonale Gericht zurückzuweisen. 
Das BAMV schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
 
1.  
 
1.1. Gemäss Art. 28 MVG hat der Versicherte, der infolge der Gesundheitsschädigung arbeitsunfähig ist, Anspruch auf ein Taggeld (Abs. 1). Bei vollständiger Arbeitsunfähigkeit entspricht das Taggeld 95 % des versicherten Verdienstes. Bei teilweiser Arbeitsunfähigkeit wird das Taggeld entsprechend herabgesetzt (Abs. 2). In Abweichung von Art. 6 ATSG wird der Grad der Arbeitsunfähigkeit in der Regel bestimmt nach dem Verhältnis zwischen dem Verdienst, den der Versicherte zumutbarerweise noch zu erzielen in der Lage ist, und dem Verdienst, den er ohne die Gesundheitsschädigung im bisherigen Beruf oder Tätigkeitsbereich erzielt hätte (Abs. 3 Satz 1). Die Bestimmung übernimmt das System des Einkommensvergleichs. Massgebend ist somit nicht die medizinisch-theoretische Arbeitsunfähigkeit noch die ärztliche Schätzung der Arbeitsunfähigkeit im jeweiligen Beruf oder Tätigkeitsbereich, sondern die aus der konkreten Beeinträchtigung des Leistungsvermögens resultierende Verdiensteinbusse (MAESCHI, Kommentar zum Bundesgesetz über die Militärversicherung [MVG] vom 19. Juni 1992, N 16 f. zu Art. 28).  
 
1.2. Der Einspracheentscheid des BAMV ist am 24. Februar 2004 und damit nach In-Kraft-Treten des ATSG (am 1. Januar 2003) ergangen. Die Rückerstattung betrifft indessen vor diesem Zeitpunkt ausgerichtete Taggelder. Ob unter diesen Umständen Art. 25 ATSG oder die bis Ende 2002 geltende Rückerstattungsordnung anwendbar ist, kann offen bleiben, da die nach dem ATSG für die Rückerstattung massgeblichen Grundsätze aus der früheren Regelung und Rechtsprechung hervorgegangen sind (BGE 130 V 319 Erw. 5.2). Nachfolgend werden die einschlägigen Bestimmungen des ATSG zitiert.  
 
1.3. Nach Art. 25 ATSG sind unrechtmässig bezogene Leistungen zurückzuerstatten. Wer Leistungen in gutem Glauben empfangen hat, muss sie nicht zurückerstatten, wenn eine grosse Härte vorliegt (Abs. 1). Der Rückforderungsanspruch erlischt mit dem Ablauf eines Jahres, nachdem die Versicherungseinrichtung davon Kenntnis erhalten hat, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Jahren nach der Entrichtung der einzelnen Leistung (Abs. 2 Satz 1).  
Die Rückforderung zu Unrecht ausbezahlter Leistungen ist nur zulässig, wenn die Voraussetzungen der Wiedererwägung oder der prozessualen Revision der ursprünglichen Verfügung (oder formlosen Leistungszusprechung) erfüllt sind (BGE 129 V 110 Erw. 1.1, 126 V 23 Erw. 4b, 46 Erw. 2b, 400 Erw. 2b/aa, 122 V 368 Erw. 3). Dies gilt auch unter der Herrschaft von Art. 25 ATSG, der an die Stelle der spezialgesetzlichen Rückerstattungsnormen getreten ist (vgl. BGE 130 V 319 Erw. 5.2). 
Gemäss Art. 53 Abs. 1 ATSG müssen formell rechtskräftige Verfügungen und Einspracheentscheide in Revision gezogen werden, wenn die versicherte Person oder der Versicherungsträger nach deren Erlass erhebliche neue Tatsachen entdeckt oder Beweismittel auffindet, deren Beibringung zuvor nicht möglich war. Laut Art. 53 Abs. 2 ATSG kann der Versicherungsträger auf formell rechtskräftige Verfügungen oder Einspracheentscheide zurückkommen, wenn diese zweifellos unrichtig sind und wenn ihre Berichtigung von erheblicher Bedeutung ist. 
 
2.  
Streitig und zu prüfen ist, ob das BAMV entsprechend dem angefochtenen Entscheid vom Beschwerdeführer zu Recht die für das Jahr 2002 ausbezahlten Taggelder im Betrag von Fr. 55'049.75 zurückgefordert hat. 
 
2.1. Bei der Bemessung des Grades der Arbeitsunfähigkeit, die gemäss Art. 28 Abs. 3 MVG nach der Einkommensvergleichsmethode erfolgt, stellte das kantonale Gericht für die Ermittlung des hypothetischen Valideneinkommens auf die Angaben der Firma R.________ vom 21. Dezember 2001 ab, wonach sich die Erwerbseinkünfte des Beschwerdeführers bei voller Arbeitsfähigkeit in diesem Jahr auf Fr. 122'462.- belaufen hätten.  
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen diese Betrachtungsweise, indem er zunächst geltend macht, sein Durchschnittseinkommen habe in den Jahren 1996 bis 2000 bei Fr. 154'019.- gelegen. Dieser Wert sei auch für 2002 relevant, wobei zusätzlich eine durchschnittliche Lohnentwicklung zu berücksichtigen sei. 
Diese Einwendungen sind nicht stichhaltig. Abgesehen davon, dass der Beschwerdeführer im Jahre 2000 gemäss Lohnausweis vom 31. Dezember 2000 Fr. 120'688.- verdiente und sein Lohn somit im Bereich des von der Arbeitgeberin für das Jahr 2001 geschätzten Betrages lag, ist der behauptete Durchschnittslohn von 1996 bis 2000 nicht nachvollziehbar. Wie das BAMV richtig bemerkt, ergibt sich anhand der Steuererklärungen für die betreffenden Jahre ein Durchschnittslohn von rund Fr. 149'600.-, wobei die Einkommen teilweise aus einem Nebenerwerb stammen oder Spesenersatz darstellen und daher nicht in die Berechnung des Valideneinkommens einfliessen können, wodurch sich der Durchschnittswert weiter verringern würde. Angesichts dieser Unklarheiten und mit Blick auf das tatsächliche Einkommen des Jahres 2000 von gut Fr. 120'000.- erscheint es richtig und angemessen, für das mutmassliche Einkommen des Beschwerdeführers mit der Vorinstanz auf die Schätzung der Firma R.________ vom 21. Dezember 2001 abzustellen, wonach der Beschwerdeführer als voll Leistungsfähiger im Jahre 2001 Fr. 122'462.- verdient hätte. Für ein wesentlich höheres hypothetisches Einkommen fehlen zuverlässige Anhaltspunkte. 
 
2.2. Laut Lohnausweis vom 31. Dezember 2002 belief sich das Erwerbseinkommen des Beschwerdeführers im Jahre 2002 abzüglich der Taggeldzahlungen von Fr. 62'177.- auf Fr. 139'903.-, welchen Betrag das kantonale Gericht als Verdienst, den der Versicherte im Sinne von Art. 28 Abs. 3 MVG zumutbarerweise noch zu erzielen in der Lage ist, betrachtete, und dem Valideneinkommen von Fr. 122'462.- gegenüberstellte.  
 
2.2.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, dass im Einkommen des Jahres 2002 eine Soziallohnkomponente enthalten sei, welche ausser Acht zu bleiben habe. Die Arbeitgeberin habe ihm aus sozialen Motiven Abschlüsse zugehalten, welche ihm nicht zugestanden hätten. Sodann seien in diesem Lohn Provisionen aus Geschäften enthalten, die in früheren Jahren abgeschlossen wurden.  
 
2.2.2. Es trifft zu, dass der Beschwerdeführer laut Vermerk des Generalagenten vom 30. Dezember 2002 auf der «Produktionsstatistik Dezember 2002 der Firma R.________» im Jahr 2002 von der Gesamtproduktion von 4,757 Mio. Franken ca. 1,5 Mio. von der Generalagentur Graubünden erhalten hat. Mit Schreiben vom 26. Februar 2003 wies der Generalagent das BAMV einerseits darauf hin, dass im Geschäftsergebnis 2002, das «erstaunlich gut» gewesen sei, Provisionen von Kollektivgeschäften enthalten seien, die in den Jahren 1998 bis 2000 abgeschlossen wurden. Darüber hinaus seien dem Versicherten zwei Kollektivabschlüsse von der Organisationseinheit der Generalagentur A.________ aufgrund seines grossen Engagements zugeteilt worden. Entsprechend diesen Ausführungen kann als erstellt gelten, dass es sich bei den zugeteilten Abschlüssen nicht um eine Soziallohnkomponente, sondern eine Art Leistungsprämie oder Bonuszahlung handelt, sodass kein Anlass für einen Abzug vom zumutbarerweise erzielbaren Einkommen besteht. Sodann ist es wohl richtig, dass das 2000 erwirtschaftete Einkommen teilweise auf Geschäfte aus früheren Jahren zurück geht, weshalb daraus nicht ohne weiteres auf den Grad der Einbusse an funktionellem Leistungsvermögen (vgl. die Definition der Arbeitsunfähigkeit gemäss Art. 6 ATSG) geschlossen werden kann; der Grad der Arbeitsunfähigkeit, der für die Taggeldbemessung in der Militärversicherung entscheidend ist, bestimmt sich indessen, wie dargelegt, nicht aufgrund einer medizinisch-theoretischen Schätzung, sondern anhand der erwerblichen Auswirkungen der Teilarbeitsunfähigkeit. Damit sieht der Gesetzgeber selber von einer zeitlichen Kongruenz von Leistungsfähigkeit im bisherigen Beruf und Entlöhnung ab, was, wiewohl systemwidrig (MAESCHI, a.a.O., N 17 zu Art. 28 mit Hinweis), von den rechtsanwendenden Behörden hinzunehmen ist. Die vom Beschwerdeführer angestrebte Berücksichtigung des tatsächlichen Leistungsvermögens im bisherigen Beruf liefe demgegenüber auf eine gesetzwidrige Bestimmung des Arbeitsunfähigkeitsgrades hinaus. Mit der Vorinstanz ist demnach für die Ermittlung des Arbeitsunfähigkeitsgrades vom Lohn von Fr. 139'903.- auszugehen, den der Beschwerdeführer im Jahre 2002 tatsächlich erzielt hat und der als zumutbarer Verdienst anzurechnen ist.  
 
2.3. Aus dem Vergleich der beiden Einkommen, die für das Jahr 2002 als massgebend zu erachten sind, resultiert keine Arbeitsunfähigkeit, weil der zumutbarerweise erzielbare Verdienst (Fr. 139'903.-) höher ist als das Valideneinkommen von Fr. 122'462.-. Unter diesen Umständen erweist sich die Taggeldausrichtung als offensichtlich unrichtig. Deren Berichtigung ist sodann angesichts der Höhe der Zahlungen (Fr. 55'049.75) von erheblicher Bedeutung. Die Voraussetzungen für eine Wiedererwägung der Taggeldzahlungen sind daher erfüllt.  
 
3.  
 
3.1. Mit Bezug auf die Frage der Verwirkung des Rückerstattungsanspruchs und der Einhaltung der einjährigen Verwirkungsfrist gemäss Art. 25 Abs. 2 ATSG kann auf den angefochtenen Entscheid verwiesen werden. Die Vorinstanz hat zutreffend festgestellt, dass mit Erlass der Rückerstattungsverfügung vom 8. Oktober 2003 die Frist bezüglich der im Jahre 2002 zu Unrecht ausgerichteten Taggelder gewahrt wurde, da das BAMV erst Anfang 2003 aufgrund des ihm zugestellten Lohnausweises Kenntnis von der Höhe des Invalideneinkommens 2002 hatte.  
 
3.2. Schliesslich hat das kantonale Gericht unter Hinweis auf Art. 29 Abs. 2 MVG und BGE 118 V 221 Erw. 4 richtig festgehalten, weshalb der Beschwerdeführer und nicht die Firma R.________ verpflichtet ist, die zu Unrecht ausgerichteten Taggelder zurückzuerstatten. Den entsprechenden Erwägungen ist nichts beizufügen.  
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
 
1.  
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Es werde keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden zugestellt. 
 
 
Luzern, 29. April 2005 
 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Die Präsidentin der III. Kammer: Der Gerichtsschreiber: