8C_727/2022 16.03.2023
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
8C_727/2022  
 
 
Urteil vom 16. März 2023  
 
IV. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Wirthlin, Präsident, 
Bundesrichterin Viscione, Bundesrichter Abrecht, 
Gerichtsschreiber Wüest. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Zürich Versicherungs-Gesellschaft AG, 
Litigation, Hagenholzstrasse 60, 8050 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Unfallversicherung (Kausalzusammenhang), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug vom 31. Oktober 2022 (S 2022 12). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die 1972 geborene A.________ arbeitete als Office Managerin für die B.________ GmbH und war dadurch bei der Zürich Versicherungs-Gesellschaft AG (im Folgenden: Zürich) gegen die Folgen von Unfällen versichert. Gemäss Schadenmeldung vom 4. Juni 2019 stürzte sie am 24. Mai 2019 mit dem Fahrrad, wobei sie mit dem Kopf und der ganzen rechten Körperseite auf dem Asphalt aufschlug. Dabei trug sie nach Angaben des Hausarztes unter anderem eine Beule und eine Kontusion rechts supraorbital, Hämatome und Schürfungen sowie eine Gehirnerschütterung davon. Die Zürich erbrachte die gesetzlichen Leistungen (Heilbehandlung und Taggelder). Ab 1. November 2019 war A.________ wieder zu 100 % arbeitsfähig. Mit Schreiben vom 3. März 2020 teilte die Zürich ihr mit, dass sie den Fall abschliesse. Nach Einholung einer versicherungsmedizinischen Beurteilung ihres beratenden Arztes, Dr. med. C.________, Facharzt für Innere Medizin und Rheumatologie, vom 2. Juni 2021 bestätigte sie dies; mit Verfügung vom 22. Juli 2021 stellte sie ihre Leistungen infolge Wegfalls des natürlichen Kausalzusammenhangs per 1. November 2019 ein. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 17. Dezember 2021 fest. 
 
B.  
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Zug mit Urteil vom 31. Oktober 2022 ab. 
 
C.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt A.________, es sei das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug vom 31. Oktober 2022 aufzuheben und die Zürich zu verpflichten, die Behandlungskosten bis zum 9. Dezember 2022 zu übernehmen. 
Während die Zürich auf Abweisung der Beschwerde schliesst, verzichten die Vorinstanz und das Bundesamt für Gesundheit (BAG) auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss den Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG) prüft es grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (vgl. BGE 145 V 304 E. 1.1).  
 
1.2. Im Beschwerdeverfahren um die Zusprechung oder Verweigerung von Geldleistungen der Militär- oder Unfallversicherung ist das Bundesgericht nicht an die vorinstanzliche Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden (Art. 97 Abs. 2 und Art. 105 Abs. 3 BGG). Stehen aber - wie vorliegend - keine Geldleistungen, sondern einzig Heilbehandlungen und damit Sachleistungen (vgl. Art. 14 ATSG) zur Diskussion, kommt die Ausnahmeregelung des Art. 105 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 97 Abs. 2 BGG nicht zur Anwendung. Bezüglich Sachverhaltsfeststellungen gilt deshalb hier die eingeschränkte Kognition (BGE 135 V 412). Das Bundesgericht kann demnach eine - für den Ausgang des Verfahrens entscheidende (vgl. Art. 97 Abs. 1 BGG) - Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder aber auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG; Urteile 8C_765/2020 vom 4. März 2021 E. 1.2; 8C_620/2020 vom 3. Februar 2021 E. 1; 8C_281/2018 vom 25. Juni 2018 E. 1.2; je mit Hinweisen).  
 
2.  
 
2.1. Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie die Leistungseinstellung der Zürich per 1. November 2019 bestätigte.  
 
2.2. Das kantonale Gericht legte die rechtlichen Grundlagen betreffend den für die Leistungspflicht des obligatorischen Unfallversicherers (Art. 6 UVG) vorausgesetzten natürlichen Kausalzusammenhang zwischen Unfall und Gesundheitsschaden (BGE 142 V 435 E. 1; 134 V 109 E. 2.1; 129 V 177 E. 3.1 f.) zutreffend dar. Gleiches gilt bezüglich der Ausführungen zum Dahinfallen der Leistungspflicht bei Erreichen des Zustands, wie er sich auch ohne den Unfall ergeben hätte oder vor diesem bestand (Status quo sine vel ante; BGE 146 V 51 E. 5.1) sowie zum im Sozialversicherungsrecht massgebenden Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 146 V 271 E. 4.4). Richtig sind sodann die Erwägungen zum Beweiswert und zur Beweiswürdigung von Berichten von beratenden Ärzten und Ärztinnen, welche, was den Beweiswert ihrer Beurteilung betrifft, versicherungsinternen Ärztinnen und Ärzten gleichzusetzen sind (statt vieler: SVR 2021 UV Nr. 34 S. 154, Urteil 8C_672/2020, E. 2.3; zum Beweiswert versicherungsinterner Beurteilungen: vgl. BGE 145 V 97 E. 8.5; 142 V 58 E. 5.1; 139 V 225 E. 5.2). Darauf wird verwiesen.  
 
3.  
 
3.1. Die Vorinstanz stellte nach Würdigung der medizinischen Akten fest, spätestens ab dem 1. November 2019 habe zwischen dem Unfallereignis vom 24. Mai 2019 und den fortbestehenden Beschwerden kein natürlicher Kausalzusammenhang mehr bestanden. Insbesondere habe keine richtunggebende Verschlimmerung vorgelegen. Sie stützte sich dabei auf die Aktenbeurteilung des beratenden Arztes der Zürich, Dr. med. C.________, vom 2. Juni 2021. Darin kam dieser zum Schluss, dass der Status quo sine ca. vier Monate nach dem Unfall vom 24. Mai 2019 erreicht gewesen sei. Er begründete dies damit, dass radiologisch bereits am 15. Juli 2019 nur mehr degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule (HWS) ohne traumatisch bedingte strukturelle Veränderungen sichtbar gewesen seien. Eine vorübergehende Aktivierung der degenerativen Vorzustände durch den Unfall erachtete er als nachvollziehbar. Bei insgesamt regelrechter Regredienz der Beschwerden und dem Erreichen der vollen Arbeitsfähigkeit per 1. November 2019 könnten die länger anhaltenden Beschwerden aber nicht mit dem Unfall vom 24. Mai 2019 in Zusammenhang gebracht werden. Das kantonale Gericht stellte fest, die Aktenbeurteilung des Dr. med. C.________ stehe im Einklang mit den Akten des Hausarztes, der zunächst einen Fallabschluss innert zwölf Wochen ab Unfall prognostiziert und bereits im Juli 2019 eine Serie Physiotherapie aufgrund von Krankheit - nicht Unfall - verordnet habe, obwohl er den Fahrradsturz im Verordnungsdokument sogar erwähnt habe. Der Schmerzspezialist Dr. med. D.________, Facharzt für Anästhesiologie, habe sich sodann nicht zur Kausalität der Beschwerden geäussert. Insgesamt lägen keine abweichenden medizinischen Einschätzungen vor, welche die Aktenbeurteilung des Dr. med. C.________ in Zweifel ziehen könnten. Das kantonale Gerichte bestätigte folglich die Leistungseinstellung der Zürich per 1. November 2019.  
 
3.2. Was die Beschwerdeführerin dagegen vorbringt, führt zu keinem anderen Ergebnis.  
 
3.2.1. Soweit sie geltend macht, auf den Bericht des beratenden Arztes könne bereits deshalb nicht abgestellt werden, weil dieser nicht unabhängig sei, ist darauf hinzuweisen, dass gemäss ständiger Rechtsprechung ein Anstellungsverhältnis der Arztperson zum Versicherungsträger alleine nicht schon auf mangelnde Objektivität und Befangenheit schliessen lässt (statt vieler: BGE 135 V 465 E. 4.4 mit Hinweis). Soll ein Versicherungsfall jedoch ohne Einholung eines externen Gutachtens entschieden werden, so sind an die Beweiswürdigung strenge Anforderungen zu stellen. Bestehen auch nur geringe Zweifel an der Zuverlässigkeit und Schlüssigkeit der versicherungsinternen ärztlichen Feststellungen, so sind ergänzende Abklärungen vorzunehmen (BGE 145 V 97 E. 8.5 mit Hinweis). Solche geringen Zweifel hat die Vorinstanz nach willkürfreier Beweiswürdigung verneint, wie sich aus dem Folgenden ergibt.  
 
3.2.2. Es ist zwar richtig, dass die Radiologin Dr. med. E.________ in ihrem Bericht vom 15. Juli 2019 über die gleichentags erfolgte MRT (Magnetresonanztomographie) -Untersuchung des Schädels und der HWS (nativ und mit intravenösem KM) einen subchondralen "Bone bruise" in den rechtsseitigen Halswirbelkörpern (HWK) 5 und 6 erwähnt. Es mag auch sein, dass damit grundsätzlich eine Verletzung des Knochens durch eine direkte stumpfe Gewalteinwirkung beschrieben wird, wie die Beschwerdeführerin geltend macht. Daraus kann diese aber nichts zu ihren Gunsten ableiten. Denn die Radiologin hielt gleichzeitig auch fest, dass der "Bone bruise" Ausdruck einer Aktivierung der degenerativen Vorzustände (Chondrose/Osteochondrose und rechtsbetonte Unkarthrosen) sei. Sie und der beratende Arzt gehen somit übereinstimmend von einer Aktivierung eines krankhaften Vorzustandes aus. Dass Dr. med. C.________ die Aktivierung als lediglich vorübergehend betrachtet, wird durch die übrigen medizinischen Akten nicht in Frage gestellt. Vielmehr ging offenbar auch der Hausarzt von einer bloss vorübergehenden Verschlimmerung aus (vgl. E. 3.1 hiervor). Zwar handelte es sich dabei um eine prognostische Einschätzung. Diese bestätigte sich in der Folge aber offenbar, kreuzte der Hausarzt doch im Juli 2019 als Grund für die verordnete Physiotherapie das Kästchen "Krankheit" und nicht "Unfall" an. Dass es sich dabei um ein Versehen gehandelt haben soll, wie die Beschwerdeführerin mit Verweis auf die späteren Verordnungen mit angegebenem Behandlungsgrund "Unfall" geltend macht, überzeugt nicht. Vielmehr drängt sich der Schluss auf, dass der Hausarzt den Behandlungsgrund erst auf die von der Beschwerdeführerin erwähnte Intervention ihrerseits hin änderte.  
 
3.2.3. Im Übrigen erschöpfen sich die Vorbringen der Beschwerdeführerin weitestgehend in einer beweisrechtlich unzulässigen "Post-hoc-ergro-propter-hoc"-Argumentation (vgl. dazu SVR 2021 UV Nr. 34 S. 154, 8C_672/2020 E. 4.2 mit Hinweisen), indem sie geltend macht, dass sie vor dem Unfall vom 24. Mai 2019 nicht an Schmerzen im Bereich der HWS gelitten habe.  
 
3.2.4. Weiter ist die Beschwerdeführerin darauf hinzuweisen, dass die Zürich zwar die Beweislast trägt für einen behaupteten Wegfall der Kausalität aufgrund des Erreichens des Zustands, wie er vor dem Unfall bestand oder sich ohne diesen ergeben hätte (Urteil 8C_410/2022 vom 23. Dezember 2022 E. 4.2 mit Hinweisen). Dabei hat sie aber nicht den Beweis für unfallfremde Ursachen zu erbringen. Welche Ursachen (Krankheit, Geburtsgebrechen oder degenerative Veränderungen) ein nach wie vor geklagtes Leiden hat, ist an sich unerheblich. Entscheidend ist allein, ob die unfallbedingten Ursachen eines Gesundheitsschadens ihre kausale Bedeutung verloren haben, also dahingefallen sind, was vorliegend nach der beweiskräftigen Beurteilung des Dr. med. C.________ spätestens am 1. November 2019 der Fall war. Die Beschwerdeführerin vermag sich auf keinen ärztlichen Bericht zu stützen, der Gegenteiliges belegen würde.  
 
3.3. Soweit die Beschwerdeführerin vorträgt, ihr sei durch die späte Mitteilung der Leistungseinstellung am 3. März 2020 insofern ein Schaden entstanden, als es ihr zu diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich gewesen sei, die Franchise bei ihrer obligatorischen Krankenversicherung entsprechend anzupassen, ist darauf nicht weiter einzugehen. Denn Streitgegenstand ist vorliegend die Leistungseinstellung der Zürich per 1. November 2019, wovon es allfällige Schadenersatzansprüche gegenüber dem Unfallversicherer (vgl. Art. 78 Abs. 1 ATSG) abzugrenzen gilt.  
 
3.4. Ebenfalls nicht weiter einzugehen ist auf die angebliche Aussage des Versicherungsberaters der Zürich, wonach die Unfallversicherung kaum mehr bezahlen werde, als sie durch die Prämien erhalten habe, ansonsten sie Verlust machen würde. Denn es ist unklar, was die Beschwerdeführerin aus dieser - ohnehin nicht weiter belegten - Aussage für sich ableiten will.  
 
 
4.  
Zusammenfassend hat die Vorinstanz weder Beweise willkürlich gewürdigt noch sonstwie Bundesrecht verletzt, indem sie die Leistungseinstellung der Zürich per 1. November 2019 bestätigt hat. Die Beschwerde ist unbegründet. 
 
5.  
Die unterliegende Beschwerdeführerin trägt die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zug und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 16. März 2023 
 
Im Namen der IV. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Wirthlin 
 
Der Gerichtsschreiber: Wüest