7B_117/2022 24.07.2023
Avis important:
Les versions anciennes du navigateur Netscape affichent cette page sans éléments graphiques. La page conserve cependant sa fonctionnalité. Si vous utilisez fréquemment cette page, nous vous recommandons l'installation d'un navigateur plus récent.
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
7B_117/2022  
 
 
Urteil vom 24. Juli 2023  
 
II. strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Abrecht, Präsident, 
Bundesrichter Kölz, Hofmann, 
Gerichtsschreiber Schurtenberger. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Karin Bürgi Locatelli, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl, 
Büro F-3, Stauffacherstrasse 55, Postfach, 8036 Zürich. 
 
Gegenstand 
Strafverfahren; Rechtsverweigerung, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, III. Strafkammer, vom 26. Januar 2022 (UV210018-O/U/HON). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl führt ein Strafverfahren gegen Rechtsanwalt A.________ wegen Betrugs und weiterer Delikte. Ihm wird zusammengefasst vorgeworfen, vor seinem Weggang aus der Kanzlei B.________ Honorarrechnungen für Leistungen in den von ihm betreuten Mandaten im Gesamtbetrag von Fr. 774'464.60 lediglich zum Schein erstellt zu haben, um die Aufwände den betroffenen Klienten nach seinem Weggang unter eigenem Namen in Rechnung zu stellen. 
 
B.  
Die Staatsanwaltschaft erhob am 7. Juli 2021 beim Bezirksgericht Zürich Anklage gegen A.________ wegen Betrugs und weiterer Delikte zum Nachteil der Kanzlei B.________ respektive Rechtsanwalt C.________. Daraufhin erhob A.________ mit Eingabe von 15. Juli 2021 beim Obergericht des Kantons Zürich Beschwerde wegen Rechtsverweigerung. Er stellte dem Obergericht den Antrag, die Staatsanwaltschaft anzuweisen, "das nicht zur Anklage gebrachte Verfahren betreffend des Tatvorwurfs auf Betrug zum Nachteil der Klienten des Beschwerdeführers abzutrennen und ohne unbegründete Verzögerung zum formellen Abschluss durch Erlass einer Einstellungsverfügung zu bringen". Weiter sei die Staatsanwaltschaft anzuweisen, "die Nichtzulassung des Anzeigeerstatters, C.________, [...] als Privatkläger im Verfahren zu verfügen, insoweit der Tatvorwurf auf Betrug zum Nachteil der Klienten des Beschwerdeführers lautet". Das Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, wies die Beschwerde mit Beschluss vom 26. Januar 2022 ab, soweit es darauf eintrat. 
 
C.  
Dagegen hat A.________ mit Eingabe vom 26. Februar 2022 beim Bundesgericht Beschwerde in Strafsachen erhoben. Er beantragt, den angefochtenen Entscheid aufzuheben und die Vorinstanz zu verpflichten, seinen bei ihr gestellten Anträgen stattzugeben. 
Die Staatsanwaltschaft und die Vorinstanz haben auf eine Vernehmlassung verzichtet. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid, mit welchem eine kantonale Rechtsverweigerungsbeschwerde abgewiesen wurde. Das gegen den Beschwerdeführer geführte Strafverfahren wird mit dem angefochtenen Entscheid folglich nicht abgeschlossen, weshalb es sich entgegen seiner Ansicht nicht um einen Endentscheid im Sinne von Art. 90 BGG, sondern lediglich um einen Zwischenentscheid handelt (BGE 141 V 330 E. 1.1 mit Hinweisen). Die Beschwerdeerhebung an das Bundesgericht ist daher grundsätzlich nur unter den restriktiven Voraussetzungen von Art. 92 BGG (der hier offensichtlich ausser Betracht fällt) und Art. 93 BGG zulässig. Ob auf die Beschwerde einzutreten ist, kann vorliegend indessen offenbleiben, da die Beschwerde ohnehin abzuweisen ist. 
 
2.  
Der Beschwerdeführer rügt in erster Linie eine Verletzung von Art. 2 Abs. 2 und Art. 319 StPO. Zusammengefasst wirft er der Staatsanwaltschaft vor, sie habe den (ihm ursprünglich ebenfalls vorgeworfenen und untersuchten) Betrug zulasten seiner ehemaligen Klientschaft nicht eingestellt, obwohl sie diesbezüglich nicht Anklage erhoben habe und daher zu einer Teileinstellung des Verfahrens verpflichtet gewesen wäre. 
 
2.1. Die Vorinstanz hat dazu zusammengefasst festgehalten, eine Teileinstellung komme grundsätzlich nur in Betracht, wenn mehrere Lebensvorgänge oder Taten im prozessualen Sinn zu beurteilen seien, die einer separaten Erledigung zugänglich seien. Soweit es sich hingegen lediglich um eine andere rechtliche Würdigung ein und desselben Lebensvorgangs handle, scheide eine teilweise Verfahrenseinstellung aus. Wegen ein und derselben Tat im prozessualen Sinn könne nicht aus einem rechtlichen Gesichtspunkt verurteilt und aus einem anderen das Verfahren eingestellt werden, sondern es müsse darüber einheitlich entschieden werden. Vorliegend würden beide Vorwürfe, sowohl der zur Anklage gebrachte Vorwurf des Betrugs zum Nachteil von C.________ resp. dessen Kanzlei wie auch "der implizit eingestellte Vorwurf des Betrugs zum Nachteil der Klienten" denselben Lebenssachverhalt betreffen, nämlich dass der Beschwerdeführer Rechnungen erstellt, jedoch nicht versandt haben soll, um sie in der Folge unter eigenem Namen erneut zu stellen. Dies gehe auch aus der Anklageschrift unmissverständlich hervor, in welcher auch das angebliche Verhalten des Beschwerdeführers gegenüber seinen ehemaligen Klienten minutiös umschrieben werde. Die Geltendmachung der Honorarforderungen gegenüber den Klienten sei somit - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - Teil des Anklagesachverhalts, weshalb kein Raum für eine Teileinstellung der Strafuntersuchung bleibe.  
 
2.2. Der Beschwerdeführer legt in seiner Beschwerde zunächst weitschweifig dar, weshalb seines Erachtens die Staatsanwaltschaft und mit ihr die Vorinstanz zu Unrecht von einem einheitlichen Lebenssachverhalt ausgegangen seien. Weiter bringt er vor, die Einstellungsverfügung und der ihr zugrundeliegende Erledigungsgrundsatz würden sich nicht auf Straftatbestände, sondern könnten sich einzig auf Straftaten bzw. auf eigenständige Lebenssachverhalte beziehen. Eine Einstellung, auch eine implizite Teileinstellung, wegen bestimmter Straftatbestände könne nicht erfolgen. Der Entscheid der Vorinstanz sei diesbezüglich widersprüchlich. Einerseits erwäge sie, dass ein einheitlicher Lebenssachverhalt vorliege und die Geltendmachung der Honorarforderungen gegenüber den ehemaligen Klienten Teil des Anklagesachverhalts sei. Andererseits halte sie fest, dass die Staatsanwaltschaft den Vorwurf des "Betrugs zum Nachteil der Klienten" implizit eingestellt habe. Wenn das Obergericht aber auf eine implizite Einstellung erkenne, dann sei diese unzulässig und müsse die Rechtsfolge zwingend in der Rückweisung der Sache an die Staatsanwaltschaft zwecks Erlass einer Einstellungsverfügung bestehen.  
 
2.3. Richtig ist, dass nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung eine teilweise Einstellung des Strafverfahrens nur in Betracht kommt, wenn mehrere Lebensvorgänge oder Taten im prozessualen Sinn zu beurteilen sind, die einer separaten Würdigung zugänglich sind. Eine teilweise Verfahrenseinstellung scheidet daher grundsätzlich aus, wenn es sich lediglich um eine andere rechtliche Würdigung ein und desselben Lebensvorgangs handelt (BGE 144 IV 362 E. 1.3.1 mit Hinweisen). Das Bundesgericht hat diese Rechtsprechung jedoch dahingehend präzisiert, dass Teileinstellungen, die nicht den ganzen Lebenssachverhalt, sondern lediglich einzelne erschwerende Tatvorwürfe betreffen, unter gewissen Voraussetzungen nicht nur möglich sind, sondern zur Wahrung der Rechte der Privatklägerschaft erforderlich sein können (BGE 148 IV 124 E. 2.6.5).  
 
2.4. Die Kritik des Beschwerdeführers verfängt nicht:  
Die Staatsanwaltschaft geht unstreitig davon aus, dass die Geltendmachung der Honorarforderungen gegenüber den ehemaligen Klienten des Beschwerdeführers Teil des rechtserheblichen Gesamtsachverhalts ist, und sie hat ihn entsprechend ausdrücklich in den Anklagesachverhalt aufgenommen. Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, entgegen der Annahme der Staatsanwaltschaft würde die Geltendmachung der Honorarforderungen gegenüber seinen Klienten nicht im Zusammenhang mit seiner angeblich strafbaren Handlungen gegenüber C.________ resp. dessen Kanzlei stehen, kritisiert er damit letztlich die Art und Weise der Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft. Dabei verkennt er, dass die Anklageerhebung nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers nicht anfechtbar ist (Art. 324 Abs. 2 StPO). Entsprechend ist auf seine diesbezüglichen Rügen nicht weiter einzugehen. 
Den erschwerenden Tatvorwurf, wonach die Geltendmachung der Honorarforderungen (auch) die Klienten geschädigt habe, hat die Staatsanwaltschaft demgegenüber fallengelassen und nicht zur Anklage gebracht. Da die ehemaligen Klienten des Beschwerdeführers sich ihrerseits jedoch nicht als Privatkläger konstituiert haben - worauf er selbst ausdrücklich hinweist - erübrigt sich diesbezüglich der Erlass einer Teileinstellungsverfügung, zumal mit einer solchen auch keine Entschädigungspflicht im Sinne von Art. 429 StPO einhergeht (BGE 148 IV 124 E. 2.6.5).  
Unter diesen Voraussetzungen hat die Vorinstanz kein Bundesrecht verletzt, wenn sie dem Beschwerdeführer keinen Anspruch auf Erlass einer Teileinstellungsverfügung zuerkannt hat. 
 
3.  
Der Beschwerdeführer beantragte vor der Vorinstanz weiter, das Verfahren betreffend den Tatvorwurf auf Betrug zum Nachteil seiner (ehemaligen) Klienten abzutrennen und diesbezüglich die Nichtzulassung des Anzeigeerstatters zu verfügen. 
 
3.1. Die Vorinstanz hat dazu zusammengefasst festgehalten, die Staatsanwaltschaft habe durchaus über den Antrag des Beschwerdeführers auf Abtrennung des Verfahrens befunden, weshalb eine Rechtsverweigerung zu verneinen sei. Da die Staatsanwaltschaft von einem einheitlichen Sachverhaltskomplex ausgehe, bleibe kein Raum für eine Abtrennung des Verfahrens und habe sie den entsprechenden Antrag zu Recht abgewiesen.  
 
3.2. Der Beschwerdeführer begnügt sich im Wesentlichen damit, erneut vorzubringen, dass es sich um zwei unterschiedliche Lebenssachverhalte handle und daher eine Verfahrensabtrennung unabdinglich sei. Dieses Argument verfängt auch im vorliegenden Zusammenhang nicht (vgl. E. 2.3 hiervor).  
 
4.  
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen und keine Parteientschädigungen zuzusprechen (Art. 66 und Art. 68 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten wird. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl und dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 24. Juli 2023 
 
Im Namen der II. strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Abrecht 
 
Der Gerichtsschreiber: Schurtenberger