6B_707/2023 22.04.2024
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
6B_707/2023  
 
 
Urteil vom 22. April 2024  
 
I. strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, Präsidentin, 
Bundesrichter Denys, 
Bundesrichter Muschietti, 
Bundesrichterin van de Graaf, 
Bundesrichter von Felten, 
Gerichtsschreiber Roux-Serret. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Maurin Schmidt, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Güterstrasse 33, Postfach, 8010 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Berufung, Rückzugsfiktion (unbekannte Zustelladresse der beschuldigten Person), 
 
Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Strafkammer, vom 18. April 2023 (SB220413-O/U/cwo). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Mit Eingabe vom 2. Mai 2022 meldete A.________ Berufung gegen ein Urteil des Bezirksgerichts Uster vom 20. April 2022 an. Die Staatsanwaltschaft verzichtete auf Anschlussberufung. 
 
B.  
Das Obergericht des Kantons Zürich lud nach erfolgter Terminabsprache mit Verfügung vom 23. März 2023 zur Berufungsverhandlung auf den 29. Juni 2023 vor. 
Die Vorladung konnte A.________ an seiner letzten bekannten Adresse in Dübendorf nicht zugestellt werden. Sein Berufsbeistand teilte auf Nachfrage mit, dass dieser in Italien sei und ihm die Vorladung nicht zugestellt werden könne. 
 
C.  
Mit Beschluss vom 18. April 2023 schrieb das Obergericht das Berufungsverfahren als durch Rückzug erledigt ab. 
 
D.  
A.________ gelangt gegen den Beschluss vom 18. April 2023 mit Beschwerde in Strafsachen ans Bundesgericht. Er beantragt, der obergerichtliche Entscheid sei aufzuheben und die Sache sei zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Zudem ersucht er für das bundesgerichtliche Verfahren um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung. 
Das Obergericht verzichtete auf Vernehmlassung, mit dem Hinweis, dass A.________ auch in der Beschwerdeschrift keine Wohnadresse angegeben habe. Die Oberstaatsanwaltschaft liess sich ebenfalls nicht vernehmen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe keine (gültige) Fristansetzung zur Bezeichnung eines Zustelldomizils vorgenommen.  
 
1.2. Der Vorinstanz zufolge habe die Vorladung für die Berufungsverhandlung dem Beschwerdeführer (und vorinstanzlichen Berufungskläger) an seine letzte bekannte Adresse in Dübendorf nicht zugestellt werden können. In der Folge sei die Vorladung an den Berufsbeistand des Beschwerdeführers erfolgt, dieser habe der Vorinstanz aber mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer in Italien weile und ihm die Vorladung nicht zugestellt werden könne. Daraufhin sei der Verteidiger des Beschwerdeführers telefonisch kontaktiert worden. Er habe erklärt, dass er diesem die Vorladung elektronisch zugestellt habe und Letzterer bald wieder in die Schweiz zurückkehren werde. Er wisse aber nicht, ob der Beschwerdeführer in der Schweiz eine neue Adresse habe. Dem Verteidiger sei sodann am 3. April 2023 eine richterliche Frist bis zum 12. April 2023 angesetzt worden, um eine Postanschrift des Beschwerdeführers mitzuteilen, damit ihm die Vorladung zugestellt werden könne. Diese Frist sei unbenutzt verstrichen. Bis heute habe weder die Verteidigung noch der Beschwerdeführer der Vorinstanz dessen aktuelle Postanschrift mitgeteilt.  
Die Vorinstanz habe trotz zumutbarer Nachforschungen keine gültige Zustelladresse des Beschwerdeführers ausfindig machen können. Die Vorladung könne auch nicht rechtsgültig an den Verteidiger zugestellt werden. Gemäss Bundesgericht trete nach dem klaren Wortlaut von Art. 407 Abs. 1 lit. c StPO die Rückzugsfiktion sofort ein. Das Berufungsverfahren sei als durch Rückzug der Berufung abzuschreiben, da der Beschwerdeführer mangels bekannter Zustelladresse nicht ordnungsgemäss vorgeladen werden könne. 
 
1.3.  
 
1.3.1. Der Verteidiger des Beschwerdeführers bringt vor, er habe am 28. März 2023 mit dem Beschwerdeführer telefoniert, den Verhandlungstermin vom 29. Juni 2023 bestätigt und einen Besprechungstermin für den 27. Juni 2023 vereinbart. Zudem habe er diesem eine Bestätigung per WhatsApp geschickt.  
Am 3. April 2023 habe er (der Verteidiger) sodann zwei Telefonanrufe von der für den Fall zuständigen Gerichtsschreiberin erhalten. 
Dem Verteidiger zufolge habe diese ihm mitgeteilt, dass man dem Beschwerdeführer die Vorladung nicht habe zustellen können und ihn gefragt, ob er dessen aktuelle Adresse kenne. Er habe erwidert, dass der Beschwerdeführer gerade obdachlos geworden sei und sich deshalb kurzfristig in Italien bei Verwandten aufhalte. Dieser habe jedoch angekündigt, dass er ungefähr um Ostern herum wieder in die Schweiz zurückkommen werde. Das Ganze sei kein Problem, da er (der Verteidiger) den Beschwerdeführer bereits über den Termin für die Berufungsverhandlung informiert und dieser sein Kommen zugesichert habe. Er könne dies der Vorinstanz gerne schriftlich bestätigen oder ihr die neue Adresse mitteilen, sobald der Beschwerdeführer zurück in der Schweiz sei. 
Beim zweiten Anruf habe ihm die Gerichtsschreiberin mitgeteilt, dass dies für die Vorinstanz nicht ausreichend sei, woraufhin eine kurze Diskussion entbrannt sei, die gemäss dem Verteidiger unter anderem beinhaltet habe, "dass die Vorinstanz schauen müsse, wie man die Vorladung zustelle, sie sich beim Berufsbeistand erkundigen werde und sich der Verteidiger bemühen solle, die Adresse mitzuteilen und man sonst schauen müsse, was man mache". Der Verteidiger habe während der kurzen Diskussion nochmals ausgeführt, dass er die Adresse nicht kenne, die Vorinstanz aber die Verfahrensleitung habe und er es der Verfahrensleitung überlassen müsse, was sie mache. Er sei seiner Erinnerung nach davon ausgegangen, dass ihn die Vorinstanz noch einmal (schriftlich) um Mitteilung der Adresse ersuchen würde, wenn sie die Adresse beim Berufsbeistand des Beschwerdeführers nicht in Erfahrung bringen könne. Er habe weiter mitgeteilt, dass er sich aber ohnehin (d.h. auch ohne schriftliche Verfügung) bemühen werde, die neue Adresse des Beschwerdeführers der Vorinstanz mitzuteilen, sobald diese bekannt sei. 
 
1.3.2. Am 19. April 2023 habe der Verteidiger eine Mitteilung der Vorinstanz vom 18. April 2023 erhalten, wonach " die Berufungsverhandlung [habe] verschoben werden " müssen. Bis zu diesem Zeitpunkt habe er die Adresse des Beschwerdeführers nicht in Erfahrung gebracht.  
Als er sich telefonisch für den Grund der Verschiebung erkundigt habe, habe ihm die Gerichtsschreiberin eröffnet, die Vorinstanz sei davon ausgegangen, dass sie ihm anlässlich der Telefonate vom 3. April 2023 eine Frist zur Mitteilung der Adresse angesetzt habe, mit dem Hinweis, dass " man sonst schauen müsse, wie man die Vorladung sonst zustelle oder was man mache ". Da diese Frist verstrichen sei und man die Adresse auch beim Berufsbeistand nicht habe ausfindig machen können, habe die Vorinstanz, gestützt auf einen neueren Bundesgerichtsentscheid, entschieden, von einer Rückzugsfiktion auszugehen und das Verfahren gestützt auf Art. 407 StPO als erledigt abzuschreiben. Dies sei zum Zeitpunkt der Telefongespräche vom 3. April 2023 noch nicht klar gewesen, weshalb die Gerichtsschreiberin auch nicht auf die drohenden Nachteile der Säumnis hingewiesen habe.  
 
1.3.3. Der Verteidiger macht geltend, er habe eine solche Fristansetzung nicht gehört. Aufgrund der am Telefon entbrannten Diskussion, bei der kurzzeitig beide Gesprächsteilnehmer gleichzeitig geredet hätten, sei es möglich, dass er die Fristansetzung überhört habe. Denkbar sei auch ein technisches Problem, oder, dass er und die Gerichtsschreiberin sich missverstanden hätten. Er sei nach dem Telefonat vom 3. April 2023 davon ausgegangen, die Vorinstanz würde sich an den Berufsbeistand wenden und danach allenfalls eine schriftliche Aufforderung zur Mitteilung der Adresse erlassen. Dabei sei es nicht ausgeschlossen, dass die Vorinstanz gleichzeitig davon ausgegangen sei, dass er (der Verteidiger) die Anfrage um Mitteilung der Adresse als fristbewehrte Verfügung verstanden habe. Das betreffende Datum (12. April 2023) habe er aber weder gehört noch notiert. Aus den bei den Akten liegenden Telefonnotizen könne ebenfalls nicht abgeleitet werden, dass er die angeblich mündlich angesetzte Frist tatsächlich gehört und empfangen habe.  
 
1.3.4. Gerade wenn die Behörde eine Frist ansetze, deren Verstreichen Rechtsverlust zur Folge habe, sei es aus Gründen der Rechtssicherheit zentral, dass der Inhalt der Mitteilung sowie der damit verbundene Wille der Behörde klar, deutlich und vollständig zum Ausdruck gebracht werde. Dies gelte vorliegend umso mehr, als die Vorinstanz zu Recht nicht festgehalten habe, dass sie den Verteidiger auf die Säumnis- bzw. Rechtsfolgen hingewiesen habe. Durch den fehlenden Hinweis auf die Säumnisfolgen habe sich der Beschwerdeführer auch nicht gegen diese wehren können. Es sei ihm damit der Rechtsweg abgeschnitten und das rechtliche Gehör verletzt worden. Es sei ihm dadurch des Weiteren verunmöglicht worden, gestützt auf Art. 87 Abs. 2 StPO ein Zustelldomizil zu bezeichnen. Schliesslich hätte die Frist nicht nur schriftlich, sondern auch durch die Verfahrensleitung angeordnet werden müssen. Eine schriftliche Verfügung wäre nicht durch die Gerichtsschreiberin unterzeichnet worden. Die angebliche mündliche Fristansetzung durch die Gerichtsschreiberin hätte damit strafprozessual ohnehin nicht genügt.  
Gerade um gravierende Folgen für die Rechtssuchenden zu vermeiden, lege Art. 85 Abs. 1 StPO fest, dass sich Strafbehörden für ihre Mitteilungen grundsätzlich der Schriftform bedienten. Die Vorschriften über die Eröffnung und Zustellung würden auch im Rechtsmittelverfahren gelten, d.h. diese hätten grundsätzlich schriftlich zu ergehen. Es sei nicht ersichtlich, dass für die von der Vorinstanz angesetzte Frist etwas anderes als die strafprozessuale Grundregel der Schriftlichkeit i.S.v. Art. 85 StPO gelten solle. Dies müsse umso mehr gelten, wenn die Behörde damit eine Fristansetzung verknüpfe, deren Verstreichen Rechtsverlust zur Folge habe. 
 
1.4.  
 
1.4.1. Die Vorschriften über die Eröffnung und Zustellung von Entscheiden sind in Art. 84 ff. StPO geregelt. Mitteilungen ergehen grundsätzlich schriftlich (Art. 85 Abs. 1 StPO). Für Vorladungen der Staatsanwaltschaft, von Übertretungsstrafbehörden sowie Gerichten ergibt sich das Schriftlichkeitserfordernis ausdrücklich aus Art. 201 Abs. 1 StPO.  
Die Zustellung erfolgt durch eingeschriebene Postsendung oder auf andere Weise gegen Empfangsbestätigung, insbesondere durch die Polizei (Art. 85 Abs. 2 StPO; vgl. zur elektronischen Zustellung: Art. 86 StPO). Ungeachtet der Verletzung von Art. 85 Abs. 2 StPO ist eine Zustellung grundsätzlich auch dann gültig erfolgt, wenn die Kenntnisnahme des Empfängers auf andere Weise bewiesen werden kann und die zu schützenden Interessen des Empfängers (Informationsrecht) gewahrt werden (vgl. BGE 145 IV 252 E. 1.3.2; 144 IV 57 E. 2.3.2; 142 IV 125 E. 4.3; Urteil 6B_271/2021 vom 12. Mai 2021 E. 4.1; je mit Hinweisen). 
Mitteilungen sind den Adressatinnen und Adressaten an ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort oder an ihren Sitz zuzustellen (Art. 87 Abs. 1 StPO). Parteien und Rechtsbeistände mit Wohnsitz, gewöhnlichem Aufenthaltsort oder Sitz im Ausland haben in der Schweiz ein Zustellungsdomizil zu bezeichnen; vorbehalten bleiben staatsvertragliche Vereinbarungen, wonach Mitteilungen direkt zugestellt werden können (Art. 87 Abs. 2 StPO). Mitteilungen an Parteien, die einen Rechtsbeistand bestellt haben, werden rechtsgültig an diesen zugestellt (Art. 87 Abs. 3 StPO). 
Hat eine Partei persönlich zu einer Verhandlung zu erscheinen oder Verfahrenshandlungen selbst vorzunehmen, so wird ihr die Mitteilung direkt zugestellt. Dem Rechtsbeistand wird eine Kopie zugestellt (Art. 87 Abs. 4 StPO). Die persönliche Vorladung rechtfertigt sich, weil die vorzuladende Person persönlich zum Erscheinen verpflichtet ist, sie sich mithin nicht vertreten lassen kann, die Säumnisfolgen allein sie treffen und ihr persönlich das Recht auf ein faires Verfahren zusteht. Wer verpflichtet ist einer Vorladung unter Androhung von Säumnisfolgen persönlich Folge zu leisten, hat ein Recht auf persönliche Zustellung der Vorladung (vgl. Urteil 6B_328/2020 vom 20. Mai 2021 E. 2.2.3 mit Hinweisen). 
Gemäss Art. 88 Abs. 1 StPO erfolgt die Zustellung durch Veröffentlichung in dem durch den Bund oder den Kanton bezeichneten Amtsblatt, wenn der Aufenthaltsort der Adressatin oder des Adressaten unbekannt ist und trotz zumutbarer Nachforschungen nicht ermittelt werden kann (lit. a), eine Zustellung unmöglich ist oder mit ausserordentlichen Umtrieben verbunden wäre (lit. b), oder eine Partei oder ihr Rechtsbeistand mit Wohnsitz, gewöhnlichem Aufenthaltsort oder Sitz im Ausland kein Zustellungsdomizil in der Schweiz bezeichnet hat (lit. c). 
Die gesetzlich vorgeschriebenen Zustellformen tragen dem Umstand Rechnung, dass Verfügungen oder Entscheide, die der betroffenen Person nicht eröffnet worden sind, grundsätzlich keine Rechtswirkungen entfalten (BGE 122 I 97 E. 3a/bb; Urteil 6B_271/2021 vom 12. Mai 2021 E. 4.1 mit Hinweisen). Der Beweis ordnungsgemässer Zustellung bzw. Eröffnung sowie deren Datums obliegt der Behörde, die daraus rechtliche Konsequenzen ableiten will (BGE 144 IV 57 E. 2.3; 142 IV 125 E. 4; Urteil 6B_271/2021 vom 12. Mai 2021 E. 4.1; je mit Hinweisen). 
 
1.4.2. Für bestimmte Mitteilungen sieht das Gesetz eine Ausnahme vom Schriftlichkeitserfordernis vor. Gemäss Art. 80 Abs. 3 StPO brauchen einfache verfahrensleitende Beschlüsse und Verfügungen weder besonders ausgefertigt noch begründet zu werden; sie werden im Protokoll vermerkt und den Parteien in geeigneter Weise eröffnet. In Wiederholung dieser Bestimmung statuiert Art. 84 Abs. 5 StPO, dass die Strafbehörde einfache verfahrensleitende Beschlüsse oder Verfügungen den Parteien schriftlich oder mündlich eröffnet.  
Bundesgerichtlicher Rechtsprechung zufolge kann ein Beschluss respektive eine Verfügung nicht mehr als einfacher verfahrensleitender Entscheid angesehen werden, wenn er für einen Verfahrensbeteiligten unmittelbar nachteilig sein kann, mithin in dessen Rechtsstellung eingreift (Urteil 1B_150/2017 vom 4. Oktober 2017 E. 2.2 mit Hinweisen). Gleich äussert sich auch die Lehre, wonach als "einfache verfahrensleitende" Entscheide Anordnungen zu betrachten sind, die nur das Verfahren selbst betreffen, ohne in die verfahrensrechtliche Stellung der Parteien einzugreifen bzw. bei denen es mit Blick auf den Anspruch auf das rechtliche Gehör der Parteien weder sinnvoll noch erforderlich ist, dass sie begründet und/oder gesondert ausgefertigt werden (Jositsch/Schmid, Handbuch des Schweizerischen Strafprozessrechts, 4. Aufl. 2023, N. 598; Jositsch/Schmid, Schweizerische Strafprozessordnung, Praxiskommentar, 4. Auflage 2023, N. 5 zu Art. 80). Entscheide, welche für die Verfahrensbeteiligten unmittelbar nachteilig sein können, mithin in deren Rechtsstellung eingreifen, könnten demgegenüber nicht mehr als einfach und verfahrensleitend im Sinne des Gesetzes qualifiziert werden (Nils Stohner, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung, 3. Auflage 2023, N. 17 zu Art. 80 sowie mit Bezug auf das Begründungserfordernis Macaluso/ Toffel, in: Commentaire romand, Code de procédure pénale suisse, 2. Auflage 2019, N. 17 zu Art. 80; Camille Perrier Depeursinge, CPP annoté, 2. Auflage 2020, S. 119). 
 
1.4.3. Die Vorschriften über die Eröffnung und Zustellung von Entscheiden (Art. 84 ff. StPO) gelten auch im Rechtsmittelverfahren (BGE 148 IV 362 E. 1.2; Urteile 6B_876/2013 vom 6. März 2014 E. 2.4.2; 6B_652/2013 vom 26. November 2013 E. 1.4.2). Art. 407 Abs. 1 lit. c StPO stellt jedoch eine Spezialbestimmung für das Rechtsmittelverfahren dar, die Art. 88 Abs. 1 StPO verdrängt. Gemäss besagter Norm gilt die Berufung oder Anschlussberufung als zurückgezogen, wenn die Partei, die sie erklärt hat, nicht vorgeladen werden kann. Somit ist im Berufungsverfahren keine Publikation der Vorladung erforderlich. Wenn die Partei, welche Berufung erklärt hat, nicht vorgeladen werden kann, dann tritt die Rückzugsfiktion nach dem klaren Wortlaut von Art. 407 Abs. 1 lit. c StPO sofort ein. Dies gilt für sämtliche Konstellationen, die in Art. 88 Abs. 1 StPO beschrieben werden (BGE 148 IV 362 E. 1.6.).  
Darüber hinaus kann auch die fehlende Mitwirkung durch die beschuldigte Person zur Annahme eines Rückzugs der Berufung führen. Das Berufungsverfahren unterscheidet sich wesentlich vom erstinstanzlichen Verfahren, das vornehmlich auf ein materielles Urteil ausgerichtet ist. Dagegen unterliegt das Rechtsmittelverfahren weitgehend der Disposition der Parteien (vgl. BGE 149 IV 259 E. 2.4.2; 148 IV 362 E. 1.1). Es reicht nicht aus, wenn die beschuldigte Person der Verteidigung nach Kenntnis des erstinstanzlichen Urteils mitteilt, dass sie damit nicht einverstanden ist. Vielmehr muss der Wille, dass eine Überprüfung durch das Berufungsgericht erfolgt, während des Rechtsmittelverfahrens fortlaufend gegeben sein (vgl. BGE 149 IV 259 E. 2.4.2; 148 IV 362 E. 1.9.2). Die beschuldigte Person kann nicht die Durchführung eines Berufungsverfahrens verlangen und gleichzeitig die Mitwirkung daran verweigern. Ein solches Verhalten verdient keinen Rechtsschutz (vgl. BGE 149 IV 259 E. 2.4.1; 148 IV 362 E. 1; vgl. auch Urteil 6B_193/2023 vom 16. August 2023 E. 5.1 betreffend die Mitwirkung einer beschuldigten Person anlässlich der Hauptverhandlung). 
 
1.5.  
 
1.5.1. Dem Beschwerdeführer konnte vorliegend die Vorladung für die Berufungsverhandlung nicht direkt an seine letzte bekannte Adresse zugestellt werden. Auch eine Weiterleitung durch seinen Beistand scheiterte mangels Kenntnis des Aufenthaltsorts des Beschwerdeführers.  
Zwar unterliess es der Beschwerdeführer, der Vorinstanz oder seinem Vertreter spontan seine aktuelle Adresse mitzuteilen; im Gegensatz zum BGE 148 IV 362 zugrundeliegenden Sachverhalt war diesbezüglich jedoch keine ausdrückliche Weigerung - die weitere Zustellungsversuche obsolet gemacht hätte - bekannt. Dem Beschwerdeführer war auch das rechtliche Gehör in Bezug auf Art. 407 Abs. 1 lit. c StPO nicht gewährt worden. Die Berufungsverhandlung war sodann auf Ende Juni 2023 anberaumt und sowohl der Vertreter wie auch der Beistand stellten eine baldige Rückkehr des Beschwerdeführers in die Schweiz in Aussicht. Im Gegensatz zum Sachverhalt in BGE 149 IV 259 stand der Vertreter ausserdem in Kontakt mit dem Beschwerdeführer und hatte diesem die Vorladung elektronisch zugestellt, wobei Letzterer ihm seine Rückkehr in die Schweiz zugesichert habe. Somit waren bis zum 3. April 2023 weder alle zumutbaren Möglichkeiten zur Zustellung der Vorladung ausgeschöpft worden, noch liess das sonstige Verhalten des Beschwerdeführers auf ein grundsätzliches Desinteresse am Berufungsverfahren schliessen. Vor diesem Hintergrund erwies sich die gerichtsseitige Ansetzung einer Frist zwecks Bezeichnung eines Zustelldomizils als angebracht. Allerdings erfolgte die Fristansetzung formungültig. 
 
1.5.2. Der Vorinstanz zufolge wurde dem Vertreter des Beschwerdeführers anlässlich eines Telefonats mit der zuständigen Gerichtsschreiberin am 3. April 2023 Frist bis zum 12. April 2023 zwecks Bezeichnung einer Zustelladresse für die Vorladung zur Berufungsverhandlung angesetzt.  
Da Säumnis den Rückzug der Berufung - und mithin einen vollständigen und definitiven Rechtsverlust in Form der Rechtskraft des angefochtenen Urteils - zur Folge gehabt hätte, konnte sich besagte Verfügung für den Beschwerdeführer in höchstem Masse nachteilig auswirken und zu einem erheblichen Eingriff in seine Rechtsstellung führen. Angesichts der Tragweite dieser (drohenden) Rechtsfolgen handelte es sich bei der Aufforderung zur Bezeichnung eines Zustelldomizils in casu nicht bloss um einen "einfachen" verfahrensleitenden Entscheid im Sinne der Art. 80 Abs. 3 StPO respektive Art. 84 Abs. 5 StPO. Mithin hätte die Verfügung in Anwendung der einschlägigen Vorschriften von Art. 80 Abs. 2 StPO respektive Art. 85 Abs. 1 StPO schriftlich erfolgen müssen. Die mündliche Mitteilung am Telefon genügt den gesetzlichen Formvorschriften nicht. 
 
1.5.3. Ferner lässt sich auch keine tatsächliche Kenntnisnahme der Frist durch den Beschwerdeführer respektive seinen Vertreter beweisen.  
Die Gerichtsschreiberin erstellte zwar eine Aktennotiz der betreffenden Gespräche; wie vom Beschwerdeführer aber zu Recht geltend gemacht, kann es anlässlich eines Telefonats aus diversen Gründen zu Missverständnissen kommen. Gerade im Rahmen eines Austauschs oder eines längeren Gesprächs besteht die Möglichkeit, dass beide Teilnehmer in guten Treuen einen teilweise abweichenden oder unvollständigen Gesprächsinhalt in Erinnerung behalten. Die Aktennotiz der Vorinstanz, wonach die Gerichtsschreiberin dem Vertreter des Beschwerdeführers am 3. April 2023 mündlich Frist bis zum 12. April 2023 zur Mitteilung einer Zustelladresse angesetzt habe, ist daher nicht geeignet, die (zur Wahrung der Rechte des Beschwerdeführers unerlässliche) tatsächliche Kenntnisnahme der Frist sowie deren Tragweite durch den Vertreter des Beschwerdeführers zu beweisen. Dies umso weniger, als die Aktennotiz eine eher unverbindliche Reaktion des Vertreters wiedergibt, wonach dieser sich "bemühen [werde] bis dahin eine Anschrift mitzuteilen". Lediglich unscharf hält auch die vorinstanzliche Aktennotiz betreffend das Telefonat vom 20. April 2023 fest, die Gerichtsschreiberin habe dem Vertreter am 3. April 2023 für den Fall der Säumnis in Aussicht gestellt, dass das Gericht die Folgen "dann beraten müsse". 
Die Vorinstanz vermag somit nicht darzutun, dass der Vertreter des Beschwerdeführers tatsächlich Kenntnis von der angesetzten Frist erlangt hat und sich über deren Verbindlichkeit im Klaren sein musste. 
 
1.6. Die von der Vorinstanz mündlich am Telefon angesetzte Frist zur Mitteilung einer Zustelladresse erfolgte formungültig und hat keine Wirkung entfaltet. Entsprechend war der Beschwerdeführer nicht säumig und die Vorinstanz ging zu Unrecht von einem Rückzug der Berufung i.S.v. Art. 407 Abs. 1 lit. c StPO aus.  
Damit erübrigt sich ein Eingehen auf die weiteren Rügen des Beschwerdeführers. 
 
2.  
Die Beschwerde ist gutzuheissen. Der angefochtene Beschluss ist aufzuheben und die Sache der Vorinstanz zur Wiederaufnahme des Berufungsverfahrens zurückzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Der Kanton Zürich hat den Beschwerdeführer für seine Aufwendungen im bundesgerichtlichen Verfahren angemessen zu entschädigen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). Die Entschädigung ist praxisgemäss seinem Rechtsvertreter auszurichten. Das Gesuch des Beschwerdeführers um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung wird gegenstandslos. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich vom 18. April 2023 wird aufgehoben und die Sache der Vorinstanz im Sinne der Erwägungen zurückgewiesen. 
 
2.  
Es werden keine Kosten erhoben. 
 
3.  
Der Kanton Zürich hat Rechtsanwalt Dr. Maurin Schmidt für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 3'000.-- zu entschädigen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 22. April 2024 
 
Im Namen der I. strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Jacquemoud-Rossari 
 
Der Gerichtsschreiber: Roux-Serret