2C_695/2023 18.01.2024
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
2C_695/2023  
 
 
Urteil vom 18. Januar 2024  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Aubry Girardin, Präsidentin, 
Gerichtsschreiberin Ivanov. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK), 
Generalsekretariat, Rechtsdienst, 3003 Bern. 
 
Gegenstand 
Änderung der Jagdverordnung (JSV, SR 922.01) vom 1. November 2023; superprovisorische Massnahmen, 
 
Beschwerde gegen die Verfügung des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung I, 
vom 29. November 2023 (A-6585/2023). 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Mit Schreiben vom 15. November 2023 ersuchte A.________ das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) um Erlass einer Feststellungsverfügung gemäss Art. 25 und Art. 25a VwVG (SR 172.021) im Zusammenhang mit der Änderung vom 1. November 2023 der Verordnung über die Jagd und den Schutz wildlebender Säugetiere und Vögel (Jagdverordnung, JSV; SR 922.01; in Kraft getreten am 1. Dezember 2023 [AS 2023 662]), die insbesondere die Regulierung von Wölfen und Steinböcken zum Gegenstand hat. Sie beantragte unter anderem, es sei festzustellen, dass bei der Teilrevision der Jagdverordnung zur Regulierung von Wölfen und Steinböcken kein ordnungsgemässes Vernehmlassungsverfahren stattgefunden habe und dass der präventive Abschuss von Wölfen zur Verhütung zukünftiger Schäden auf der Basis von Schwellenwerten unverhältnismässig in ihre Grundrechte und verfassungsmässigen Ansprüche eingreife. Zudem sei ihr die Möglichkeit zu geben, sich vor Inkrafttreten der neuen Bestimmungen im Rahmen eines ordnungsgemässen Vernehmlassungsverfahrens zur Teilrevision der Jagdverordnung zu äussern (Art. 105 Abs. 2 BGG).  
Mit Schreiben vom 22. November 2023 teilte das Generalsekretariat des UVEK (GS-UVEK) A.________ im Wesentlichen mit, dass ihrem Gesuch nicht entsprochen werden könne (Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
1.2. Dagegen erhob A.________ am 28. November 2023 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Prozessual beantragte sie unter anderem im Sinne einer superprovisorischen Massnahme, es sei unverzüglich eine Zwischenverfügung zu erlassen, mit welcher namentlich das GS-UVEK bzw. die dafür zuständige Behörde angewiesen werde, die geplante Inkraftsetzung der Teilrevision der Jagdverordnung zur Regulierung von Wölfen und Steinböcken auf den 1. Dezember 2023 auszusetzen.  
Mit Zwischenverfügung des Instruktionsrichters vom 29. November 2023 trat das Bundesverwaltungsgericht, Abteilung I, auf das Gesuch um Erlass superprovisorischer Massnahmen nicht ein. 
Mit Zwischenverfügung vom 1. Dezember 2023 forderte der Instruktionsrichter am Bundesverwaltungsgericht A.________ sodann auf, unter Androhung des Nichteintretens, einen Kostenvorschuss in der Höhe von Fr. 1'000.-- zu bezahlen. 
 
1.3. Am 21. Dezember 2023 erhebt A.________ in einer einzigen Eingabe Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen die Verfügungen vom 29. November 2023 und vom 1. Dezember 2023.  
Das Bundesgericht eröffnete daraufhin das vorliegende Verfahren 2C_695/2023 betreffend die Verfügung vom 29. November 2023 sowie das Parallelverfahren 2C_694/2023 betreffend die Verfügung vom 1. Dezember 2023. Letzteres ist derzeit noch hängig. 
 
1.4. Im vorliegenden Verfahren beantragt die Beschwerdeführerin im Wesentlichen, es sei die Zwischenverfügung vom 29. November 2023 aufzuheben und an die Vorinstanz im Sinne der Erwägungen zurückzuweisen. Prozessual ersucht sie um Erteilung der aufschiebenden Wirkung bzw. Anordnung vorsorglicher Massnahmen. Damit will sie wohl erreichen, dass die hier strittigen Bestimmungen der Jagdverordnung, die am 1. Dezember 2023 in Kraft getreten sind, während der Dauer des bundesgerichtlichen Verfahrens ausser Kraft gesetzt werden. Ferner beantragt sie, es sei auf die Erhebung von Verfahrenskosten zu verzichten; eventualiter sei ihr die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren.  
Mit Eingabe vom 3. Januar 2024 hat sie eine Beschwerdeergänzung eingereicht. Am 8. Januar 2024 ist beim Bundesgericht ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege eingegangen. 
Das Bundesgericht hat die vorinstanzlichen Akten sowie Vernehmlassungen des UVEK und des Bundesverwaltungsgerichts zum Gesuch um aufschiebende Wirkung bzw. vorsorgliche Massnahmen eingeholt. 
 
2.  
 
2.1. Angefochten ist ein Zwischenentscheid des Bundesverwaltungsgerichts über vorsorgliche Massnahmen im Sinne von Art. 93 BGG. Nach dem Grundsatz der Einheit des Verfahrens (vgl. BGE 143 II 425 E. 1.3; 138 II 501 E. 1.1) folgt der Rechtsweg bei Zwischenentscheiden demjenigen der Hauptsache (vgl. BGE 137 III 380 E. 1.1; Urteile 2C_477/2021 vom 24. Juni 2021 E. 1.2; 2C_1062/2020 vom 25. März 2021 E. 1.1).  
In der Sache geht es - soweit ersichtlich - primär um die Frage, ob die Beschwerdeführerin Anspruch auf Erlass einer Feststellungsverfügung sowie auf Teilnahme am Vernehmlassungsverfahren im Zusammenhang mit der Teilrevision der Jagdverordnung des Bundes hat. Ob die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten zulässig ist, lässt sich aufgrund des aktuellen Standes des vorinstanzlichen Verfahrens nicht eindeutig sagen. Die Frage kann aber angesichts des Ausgangs des vorliegenden Verfahrens offenbleiben. 
 
2.2. Gegen selbständig eröffnete Zwischenentscheide, die weder die Zuständigkeit noch den Ausstand betreffen (Art. 92 BGG), ist die Beschwerde - abgesehen vom hier nicht massgebenden Fall gemäss Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG - nur zulässig, wenn der angefochtene Entscheid einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (vgl. Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG). Praxisgemäss muss der Nachteil, der dem Beschwerdeführer droht, rechtlicher Natur sein und auch durch einen für den Beschwerdeführer günstigen Entscheid in der Zukunft nicht mehr behoben werden können (BGE 143 III 416 E. 1.3; 141 III 80 E. 1.2). Rein tatsächliche Nachteile reichen grundsätzlich nicht aus (BGE 142 III 798 E. 2.2; 141 III 80 E. 1.2). Dass im konkreten Fall ein nicht wieder gutzumachender Nachteil droht, ist in der Beschwerdebegründung aufzuzeigen, soweit ein solcher nicht ohne Weiteres ins Auge springt. Andernfalls ist auf die Beschwerde nicht einzutreten (BGE 144 III 475 E. 1.2; 142 III 798 E. 2.2; 141 III 80 E. 1.2; Urteile 2C_708/2022 vom 26. September 2022 E. 2.2; 5A_822/2021 vom 12. Oktober 2021 E. 2 und 3).  
 
3.  
Die Beschwerdeführerin weist auf verschiedene Nachteile politischer, finanzieller, ökologischer und beruflicher Natur hin, die ihrer Auffassung nach auch durch eine spätere Gutheissung ihrer Beschwerde in der Sache nicht mehr wieder gutgemacht werden könnten. 
 
3.1. Zunächst bringt sie vor, sie könnte im Rahmen eines nachträglichen ordnungsgemässen Vernehmlassungsverfahrens keine adäquate Konfliktlösungsstrategie zum besseren Umgang mit dem Wolf präsentieren. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, bis zu jenem Zeitpunkt würden keine Wölfe mehr da sein bzw. die genetische Vielfalt würde unwiederbringlich zerstört. Ihre Vorbringen stellen indessen blosse Behauptungen bzw. Vermutungen über mögliche künftige Entwicklungen dar. Damit vermag sie nicht rechtsgenüglich darzutun, dass und inwiefern der angefochtene Zwischenentscheid geeignet sei, einen - auch durch eine spätere Gutheissung ihrer Beschwerde - nicht wieder gutzumachenden Nachteil rechtlicher Natur zu bewirken.  
In diesem Zusammenhang ist auch auf die Stellungnahme der Vorinstanz im vorliegenden Verfahren hinzuweisen, wonach das Bundesverwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der bei ihm hängigen Beschwerden betreffend die proaktive Regulierung von Wolfsrudeln in den Kantonen Wallis und Graubünden bestätigt habe und die entsprechenden Entscheide von den Kantonen nicht angefochten worden seien. Folglich ist davon auszugehen, dass derzeit (zumindest) in diesen beiden Kantonen keine präventiven Abschüsse von Wölfen erfolgen werden. 
 
3.2. Sodann führt die Beschwerdeführerin aus, durch die Reduzierung der Wolfsbestände finde keine dem Klimawandel entgegenwirkende Waldverjüngung mehr statt. Zudem habe sie ein grosses Interesse daran, dass ihre Steuergelder, mit welchen sie unter anderem Herdenschutzmassnahmen mitfinanziert habe, ordnungsgemäss eingesetzt würden. Diese Vorbringen, mit welchen in erster Linie öffentliche Interessen bzw. Interessen der Allgemeinheit geltend gemacht werden, reichen nicht aus, um darzutun, dass ihr persönlich ein nicht wieder gutzumachender Nachteil im Sinne der Rechtsprechung drohen könnte.  
Ferner ist nicht ersichtlich, weshalb die angefochtene Zwischenverfügung ihrem beruflichen Projekt, einen Verein zur Förderung von biodiversitäts- und klimafreundlichen Geschäftsmodellen in der Schweiz zu gründen, entgegenstehen sollte. Ihre Ausführungen, wonach der Wirtschaftsstandort Schweiz aufgrund der hier strittigen Bestimmungen der Jagdverordnung für Investoren im Umweltbereich und potentielle Mitglieder weniger attraktiv sei, weil bei Rechtsetzungsprojekten die gesetzlich verankerten Verfahrensgarantien der Öffentlichkeitsbeteiligung nicht eingehalten würden, gehen einmal mehr über blosse Vermutungen nicht hinaus und genügen nicht, um konkrete nicht wieder gutzumachende Nachteile darzutun. 
 
3.3. Schliesslich ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin in Bezug auf die von der strittigen Verordnungsänderung ebenfalls betroffenen Steinböcke selbst angibt, dass sie derzeit über keine konkreten Informationen verfüge. Ein allfälliger nicht wieder gutzumachender Nachteil wird auch diesbezüglich nicht aufgezeigt.  
 
3.4. Im Ergebnis gelingt es der Beschwerdeführerin nicht darzutun, dass ihr durch die Nichtgewährung der von ihr beantragten superprovisorischen vorsorglichen Massnahmen ein nicht wieder gutzumachender Nachteil im Sinne der Rechtsprechung (vgl. E. 2.2 hiervor) droht. Ein solcher Nachteil ist auch nicht offensichtlich. Damit ist die Voraussetzung von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG nicht erfüllt. Die Beschwerde erweist sich als offensichtlich unzulässig.  
 
4.  
 
4.1. Auf die offensichtlich unzulässige Beschwerde ist mit Urteil der Abteilungspräsidentin als Einzelrichterin im Verfahren nach Art. 108 Abs. 1 (lit. a) nicht einzutreten. Mit diesem Entscheid wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung bzw. vorsorgliche Massnahmen für das vorliegende bundesgerichtliche Verfahren gegenstandslos. Angesichts des Verfahrensausgangs fallen die dem UVEK und dem Bundesverwaltungsgericht angesetzten Fristen für die Einreichung einer Vernehmlassung in der Sache dahin.  
 
4.2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren wird zufolge Aussichtslosigkeit des Rechtsmittels abgewiesen (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Umständehalber wird auf die Erhebung von Gerichtskosten jedoch verzichtet (Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BGG). Es sind keine Parteientschädigungen geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG).  
 
 
Demnach erkennt die Präsidentin:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.  
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Bundesverwaltungsgericht, Abteilung I, mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 18. Januar 2024 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: F. Aubry Girardin 
 
Die Gerichtsschreiberin: D. Ivanov