6B_664/2023 05.10.2023
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
6B_664/2023  
 
 
Urteil vom 5. Oktober 2023  
 
I. strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, Präsidentin, 
Bundesrichter Denys, 
Bundesrichter Muschietti, 
Gerichtsschreiberin Andres. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
1. Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern, Nordring 8, Postfach, 3001 Bern, 
2. D.________ AG, 
Beschwerdegegnerinnen. 
 
Gegenstand 
Strafzumessung (versuchter Betrug, Irreführung der Rechtspflege); Landesverweisung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Bern, 1. Strafkammer, vom 24. Juni 2022 
(SK 21 205). 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Das Obergericht des Kantons Bern sprach A.________ am 24. Juni 2022 zweitinstanzlich des versuchten Betrugs und der mehrfachen Gehilfenschaft zu Irreführung der Rechtspflege schuldig. Es verurteilte ihn in Berücksichtigung des rechtskräftigen erstinstanzlichen Schuldspruchs wegen Betrugs zu einer Freiheitsstrafe von 26 Monaten, verwies ihn für fünf Jahre des Landes und auferlegte ihm Verfahrenskosten von insgesamt Fr. 22'888.10. 
Dagegen führt A.________ Beschwerde in Strafsachen, mit der er sich insbesondere gegen die Höhe der Strafe sowie die Landesverweisung wendet (siehe auch die separaten Verfahren 6B_665/2023 und 6B_699/2023). 
 
2.  
Nach Art. 54 Abs. 1 BGG wird das Verfahren vor dem Bundesgericht in einer der Amtssprachen geführt; in der Regel in der Sprache des angefochtenen Entscheids. Rechtsschriften sind ebenfalls in einer Amtssprache abzufassen (Art. 42 Abs. 1 BGG). Diese müssen jedoch nicht mit der Sprache des vorinstanzlichen Verfahrens übereinstimmen. Der Beschwerdeführer verfasste seine Beschwerdeeingabe zulässigerweise in französischer Sprache. Das Verfahren wird jedoch in der Sprache des angefochtenen Entscheids und somit auf Deutsch durchgeführt (Art. 54 Abs. 1 BGG). 
 
3.  
Gemäss Art. 42 Abs. 1 BGG hat die Beschwerde an das Bundesgericht ein Begehren und deren Begründung zu enthalten. In der Beschwerdebegründung ist laut Art. 42 Abs. 2 BGG in gedrängter Form unter Bezugnahme auf den angefochtenen Entscheid darzulegen, inwiefern dieser Recht verletzt. Die beschwerdeführende Partei kann in der Beschwerdeschrift nicht bloss erneut die Rechtsstandpunkte bekräftigen, die sie im kantonalen Verfahren eingenommen hat, sondern muss mit ihrer Kritik an den als rechtsfehlerhaft erachteten Erwägungen der Vorinstanz ansetzen (BGE 148 IV 205 E. 2.6 mit Hinweisen). Für die Anfechtung des von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalts gelten erhöhte Begründungsanforderungen (Art. 106 Abs. 2 BGG). Das Bundesgericht greift in die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung nur ein, wenn diese sich als offensichtlich unrichtig bzw. willkürlich im Sinne von Art. 9 BV erweist (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Willkürrüge muss explizit vorgebracht und substanziiert begründet werden. Auf ungenügend begründete Rügen oder allgemeine appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 148 IV 39 E. 2.3.5; 147 IV 73 E. 4.1.2; je mit Hinweisen). 
 
4.  
 
4.1. Der Beschwerdeführer kritisiert die Strafzumessung und verlangt eine mildere Strafe.  
 
4.2. Gemäss Art. 47 Abs. 1 StGB misst der Richter die Strafe nach dem Verschulden des Täters zu. Er berücksichtigt das Vorleben, die persönlichen Verhältnisse und die Wirkung der Strafe auf das Leben des Täters. Die Bewertung des Verschuldens wird in Art. 47 Abs. 2 StGB dahingehend präzisiert, dass es nach der Schwere der Verletzung oder Gefährdung des betroffenen Rechtsgutes, nach der Verwerflichkeit des Handelns, den Beweggründen und Zielen des Täters sowie danach bestimmt wird, wie weit der Täter nach den inneren und äusseren Umständen in der Lage war, die Gefährdung oder Verletzung zu vermeiden.  
Das Bundesgericht hat die Grundsätze der Strafzumessung nach Art. 47 ff. StGB wiederholt dargelegt (BGE 144 IV 313 E. 1.2; 136 IV 55 E. 5.4 ff.; je mit Hinweisen). Darauf kann verwiesen werden. Das Sachgericht verfügt bei der Strafzumessung über einen Ermessensspielraum. Das Bundesgericht greift nur ein, wenn die Vorinstanz den gesetzlichen Strafrahmen über- oder unterschritten hat, wenn sie von rechtlich nicht massgebenden Kriterien ausgegangen ist oder wesentliche Gesichtspunkte ausser Acht gelassen beziehungsweise in Überschreitung oder Missbrauch ihres Ermessens falsch gewichtet hat (BGE 144 IV 313 E. 1.2). 
 
4.3. Die Vorinstanz misst zunächst die Einsatzstrafe für das schwerste Delikt, den versuchten Betrug zu. Sie bewertet das objektive Tatverschulden des Beschwerdeführers insgesamt als mittelschwer (Urteil S. 64 f.). Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang geltend macht, er habe die Höhe der Deliktssumme von fast Fr. 13 Mio. nicht gekannt, weicht er von den vorinstanzlichen Feststellungen, wonach er sich die angestrebte Schadenssumme gegenüber der Versicherung in der Höhe von rund Fr. 13 Mio. anrechnen lassen müsse (Urteil S. 39), ab, ohne sich mit der diesbezüglichen vorinstanzlichen Begründung (Urteil S. 36 ff.) auseinanderzusetzen, geschweige denn aufzuzeigen, dass diese willkürlich ist. Auf seine rein appellatorische Kritik ist daher nicht einzutreten. Kommt hinzu, dass die Vorinstanz im Rahmen der Strafzumessung erwägt, der Beschwerdeführer habe sich die Deliktssumme von fast Fr. 13 Mio. zufolge Mittäterschaft zwar entgegenhalten zu lassen, es sei ihm aber grundsätzlich egal gewesen, welcher Betrag mit dem Versicherungsbetrug angestrebt würde, weshalb für die Beurteilung der Schwere der Verletzung bzw. die Gefährdung des betroffenen Rechtsguts nicht lediglich auf die Deliktssumme abgestellt werden könne, zumal diese nicht das primäre Ziel des Beschwerdeführers dargestellt habe (Urteil S. 64). Daraus folgt, dass die Vorinstanz die Höhe der angestrebten Deliktssumme bei der Strafzumessung zwar miteinbezieht, ihr jedoch nicht massgebendes Gewicht beimisst.  
Auch die vorinstanzliche Beurteilung der persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers als neutral liegt entgegen dessen Einwand innerhalb des sachrichterlichen Ermessens. Dabei berücksichtigt die Vorinstanz, dass sich der Beschwerdeführer in psychiatrischer Behandlung befindet, mit Depressionen und Diabetes kämpft und eine IV- und SUVA-Rente bezieht (Urteil S. 69). Ebenso wenig ist zu beanstanden, dass die Vorinstanz aufgrund des angespannten Gesundheitszustands des Beschwerdeführers nicht auf eine besondere Strafempfindlichkeit schliesst. Eine solche fällt nach der Rechtsprechung als strafmindernder Faktor nur bei aussergewöhnlichen Umständen in Betracht, namentlich wenn Abweichungen vom Grundsatz einer einheitlichen Leidempfindlichkeit geboten sind, wie etwa bei Gehirnverletzungen, Schwerkranken oder Taubstummen (Urteile 6B_1001/2021 vom 16. Dezember 2021 E. 1.2.4; 6B_460/2020 vom 10. März 2021 E. 8.4.3; 6B_744/2012 vom 9. April 2013 E. 3.3; je mit Hinweisen). Solche Umstände sind hier nicht erkennbar. 
Die Vorinstanz berücksichtigt die Vorstrafen des Beschwerdeführers im Umfang von fünf Monaten straferhöhend, was ebenfalls innerhalb ihres sachrichterlichen Ermessens liegt. Mit der Vorinstanz und dem Beschwerdeführer ist festhalten, dass die Vorstrafen des Beschwerdeführers grösstenteils länger zurückliegen, jedoch können diese entgegen seiner Einschätzung nicht als "Jugendsünden" abgetan werden. Es handelt sich um vier, teilweise einschlägige Vorstrafen, die zum Teil schwere Delikte betreffen (vgl. Urteil S. 68). 
Der Beschwerdeführer vertritt die Ansicht, dass die Strafreduktion für sein Geständnis höher hätte ausfallen müssen. Soweit er geltend macht, auch die Vorinstanz halte fest, er habe ein Geständnis abgelegt und damit massgeblich zur Wahrheitsfindung beigetragen, gibt er die vorinstanzlichen Ausführungen nur unvollständig wieder. Die Vorinstanz führt ferner aus, es sei auch zu berücksichtigen, dass das Geständnis sehr spät und vor allem deshalb erfolgt sei, weil der Beschwerdeführer aufgrund familiärer Probleme aus dem Gefängnis gewollt habe. Er sei zudem auch nicht vollumfänglich geständig gewesen, sondern habe wesentliche Sachverhaltselemente bis zuletzt bestritten (Urteil S. 69). Angesichts dieser Ausführungen, mit welchen sich der Beschwerdeführer nicht auseinandersetzt, ist nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz die Strafe aufgrund des (teilweisen) Geständnisses des Beschwerdeführers um fünfeinhalb Monate reduziert. 
 
4.4. Zusammenfassend erweist sich die vorinstanzliche Strafzumessung als nachvollziehbar und bundesrechtskonform. Es ist weder dargelegt noch ersichtlich, dass sich die Vorinstanz von sachfremden Kriterien leiten lässt oder das ihr zustehende Ermessen überschreitet.  
 
5.  
Soweit sich der Beschwerdeführer gegen die Anordnung der (nicht obligatorischen) Landesverweisung wendet bzw. geltend macht, deren Dauer sei auf das gesetzliche Minimum von drei Jahren zu beschränken, vermag die Beschwerde den (qualifizierten) Begründungsanforderungen nicht zu genügen. Der Beschwerdeführer beschränkt sich darauf, dem Bundesgericht seine Sicht der Dinge zu unterbreiten und insbesondere sinngemäss aufzuzeigen, dass er in der Schweiz integriert sei und nicht mehr als einige Wochen pro Jahr in Italien leben könne, ohne dabei Bezug auf die vorinstanzlichen Urteilserwägungen zu nehmen, geschweige denn sich damit in einer den Formerfordernissen genügenden Weise auseinanderzusetzen, um anhand dieser darzulegen, dass und weshalb die Vorinstanz bei der Beweiswürdigung und Sachverhaltsfeststellung in Willkür verfallen wäre oder bei der Würdigung des von ihr festgestellten Sachverhalts Recht verletzt hätte. 
Selbst wenn die Beschwerde in diesem Punkt hinreichend begründet wäre, wäre die ausgesprochene Landesverweisung für die Dauer von fünf Jahren nicht zu beanstanden, da die Vorinstanz zutreffend zum Schluss gelangt, dass die öffentlichen Interessen an der Landesverweisung die privaten Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib in der Schweiz überwiegen. Hinsichtlich der rechtlichen Voraussetzungen für die Anordnung einer nicht obligatorischen Landesverweisung gemäss Art. 66a bis StGB wie auch deren Anwendung auf den konkreten Fall kann grundsätzlich auf die Begründung der Vorinstanz verwiesen werden (Urteil S. 77 ff.). 
Der Beschwerdeführer ist in der Schweiz geboren und lebt zum Zeitpunkt des vorinstanzlichen Urteils seit 33 Jahren in der Schweiz, die prägenden Kinder- und Jugendjahre sowie auch die gesamte obligatorische Schulzeit hat er jedoch in seinem Heimatland Italien verbracht. Er lebt zurückgezogen mit seiner Mutter und seinen Schwestern zusammen und pflegt keine Kontakte zur einheimischen Bevölkerung. Zum Zeitpunkt des vorinstanzlichen Urteils hat er keine Mitgliedschaften in einem Verein etc. mehr. Gemäss den verbindlichen vorinstanzlichen Feststellungen spricht der Beschwerdeführer fliessend Italienisch, jedoch nur gebrochen Französisch und gar kein Deutsch. Seit der Beschwerdeführer (wieder) in der Schweiz lebt, geht er keiner Arbeit nach. Aufgrund seiner psychischen Probleme wurde er für arbeitsunfähig erklärt und erhält seither eine IV- und SUVA-Rente. Seine drei volljährigen Kinder leben in Italien (Urteil S. 83 f.). Der Beschwerdeführer verfügt in der Schweiz über keine eigene Kernfamilie. Daraus ergibt sich, dass der Beschwerdeführer in sozialer, beruflicher, wirtschaftlicher und familiärer Hinsicht nur ungenügend in der Schweiz integriert ist. Mit der Vorinstanz ist eine Wiedereingliederung in seinem Heimatland Italien ohne Weiteres möglich. Der Beschwerdeführer spricht fliessend Italienisch und reiste in der Vergangenheit immer wieder in sein Heimatland zu seiner Familie. Auch besitzt seine Mutter in Italien ein Haus. Zudem vermittelt er gemäss den vorinstanzlichen Feststellungen in Italien Immobilien (Urteil S. 85). Daraus ergibt sich, dass der Beschwerdeführer immer noch einen (engen) Bezug zu seinem Heimatland, insbesondere ein Domizil und auch eine Beschäftigung in Italien zu haben scheint. Auch wenn er vor Bundesgericht angibt, er halte es in Italien nicht mehr als einige Wochen pro Jahr aus, ist von intakten Reintegrationsmöglichkeiten auszugehen. In Bezug auf die psychische Erkrankung des Beschwerdeführers hält die Vorinstanz zutreffend fest, dass seine medizinische Betreuung in Form von therapeutischen Gesprächen in seinem Heimatland gewährleistet werden kann. Dass er dabei nicht mehr von seiner langjährigen Ärztin des Vertrauens behandelt werden wird, ist hinzunehmen und steht einem Landesverweis keineswegs entgegen (vgl. Urteil S. 86). 
Den eher geringen persönlichen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib in der Schweiz stehen aufgrund seiner wiederholten Straffälligkeit, der Schwere der begangenen Delikte und der hohen Rückfallgefahr gewichtige öffentliche Interessen an der nicht obligatorischen Landesverweisung gegenüber (vgl. Urteil S. 82 f.), womit diese überwiegen. Mit der Vorinstanz steht auch das FZA einer Landesverweisung des Beschwerdeführers nicht entgegen (vgl. Urteil S. 87 f.). Schliesslich erweist sich auch die vorinstanzlich angeordnete Dauer der nicht obligatorischen Landesverweisung von fünf Jahren angesichts der konkreten Verhältnisse als rechtskonform. 
 
6.  
Die Beschwerde ist im Verfahren nach Art. 109 BGG als unbegründet abzuweisen, soweit sie überhaupt die Begründungsanforderungen erfüllt und darauf eingetreten werden kann. 
Ausgangsgemäss sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1'500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, 1. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 5. Oktober 2023 
 
Im Namen der I. strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Jacquemoud-Rossari 
 
Die Gerichtsschreiberin: Andres