8C_13/2023 28.06.2023
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
8C_13/2023  
 
 
Urteil vom 28. Juni 2023  
 
IV. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Wirthlin, Präsident, 
Bundesrichterinnen Heine, Viscione, 
Gerichtsschreiber Hochuli. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Philip Stolkin, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
IV-Stelle des Kantons Zürich, 
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Invalidenrente), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich 
vom 4. Oktober 2022 (IV.2021.00484). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
A.________, geboren 1975, ist Diplom-Biologe und arbeitete seit Mai 2011 als Projektleiter in der B.________ AG. Wegen eines Erschöpfungssyndroms meldete er sich am 18. Mai 2015 bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Nach erwerblichen und medizinischen Abklärungen - insbesondere gestützt auf das psychiatrische Gutachten vom 25. März 2019 des Facharztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. med. C.________ (fortan: psychiatrisches Gutachten) und dessen ergänzende Stellungnahme vom 7. März 2021 - verneinte die IV-Stelle einen Rentenanspruch (Verfügung vom 15. Juni 2021). 
 
B.  
Die hiergegen erhobene Beschwerde des A.________ hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich insoweit teilweise gut, als es die Verfügung vom 15. Juni 2021 aufhob und dem Versicherten für die befristete Dauer vom 1. Januar 2016 bis 31. Januar 2019 eine ganze Invalidenrente zusprach. Im Übrigen wies es die Beschwerde ab (Urteil vom 4. Oktober 2022). 
 
C.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt A.________ beantragen, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und die Invalidenversicherung zu verpflichten, ihm über den 31. Januar 2019 hinaus bei einem Invaliditätsgrad von 100% eine ganze Invalidenrente auszurichten. Zudem seien die vorinstanzlichen Gerichtskosten zu 100% der IV-Stelle aufzuerlegen und dem Beschwerdeführer zu Lasten der Beschwerdegegnerin eine volle Parteientschädigung zuzusprechen. Eventualiter sei das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur weiteren Abklärung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Schliesslich sei ein zweiter Schriftenwechsel durchzuführen. 
Die vorinstanzlichen Akten wurden eingeholt. Ein Schriftenwechsel wurde nicht durchgeführt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss den Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG) und legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), es sei denn, dieser sei offensichtlich unrichtig oder in Verletzung von Bundesrecht festgestellt worden (Art. 105 Abs. 2 BGG). Unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG) prüft es grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 147 I 73 E. 2.1; 145 V 304 E. 1.1; Urteil 8C_624/2022 vom 24. Februar 2023 E. 1.1).  
 
1.2. Eine Sachverhaltsfeststellung ist nicht schon dann offensichtlich unrichtig, wenn sich Zweifel anmelden, sondern erst, wenn sie eindeutig und augenfällig unzutreffend ist. Es liegt noch keine offensichtliche Unrichtigkeit vor, nur weil eine andere Lösung ebenfalls in Betracht fällt, selbst wenn diese als die plausiblere erscheint. Diese Grundsätze gelten auch in Bezug auf die konkrete Beweiswürdigung; in diese greift das Bundesgericht auf Beschwerde hin nur bei Willkür ein (siehe zum Willkürbegriff: BGE 147 V 194 E. 6.3.1), insbesondere wenn die Vorinstanz offensichtlich unhaltbare Schlüsse zieht, erhebliche Beweise übersieht oder solche grundlos ausser Acht lässt. Derartige Mängel sind in der Beschwerde aufgrund des strengen Rügeprinzips (Art. 106 Abs. 2 BGG) klar und detailliert aufzuzeigen (vgl. BGE 144 V 50 E. 4.2). Dazu genügt es nicht, einen von den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz abweichenden Sachverhalt zu behaupten oder die eigene Beweiswürdigung zu erläutern. Dass die von der Vorinstanz gezogenen Schlüsse nicht mit der Darstellung der beschwerdeführenden Partei übereinstimmen, belegt keine Willkür (BGE 142 II 433 E. 4.4; Urteil 8C_404/2022 vom 13. September 2022 E. 1.3).  
 
1.3. Der Vorinstanz steht als Sachgericht im Bereich der Beweiswürdigung ein erheblicher Ermessensspielraum zu (vgl. BGE 144 V 50 E. 4.1 i.f. mit Hinweisen; Urteil 9C_109/2013 vom 9. April 2013 E. 1). Das Bundesgericht greift auf Beschwerde hin nur ein, wenn das Sachgericht diesen missbraucht, insbesondere offensichtlich unhaltbare Schlüsse zieht, erhebliche Beweise übersieht oder solche willkürlich ausser Acht lässt (BGE 132 III 209 E. 2.1; zum Begriff der Willkür: vgl. E. 1.2 hiervor). Inwiefern das Gericht sein Ermessen missbraucht haben soll, ist in der Beschwerde klar und detailliert aufzuzeigen (BGE 130 I 258 E. 1.3; Urteil 8C_548/2021 vom 25. Februar 2022 E. 7.2.1 i.f. mit Hinweis). Auf ungenügend begründete Rügen oder bloss allgemein gehaltene appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid geht das Bundesgericht nicht ein (BGE 144 V 50 E. 4.2 i.f. mit Hinweis; vgl. auch BGE 148 IV 205 E. 2.6; Urteil 8C_660/2022 vom 25. Mai 2023 E. 1.4 mit Hinweis).  
 
2.  
 
2.1. Streitig ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie dem Beschwerdeführer abweichend von der Verfügung der IV-Stelle vom 15. Juni 2021 nur für die befristete Dauer vom 1. Januar 2016 bis 31. Januar 2019 eine ganze Invalidenrente zusprach.  
 
2.2. Das kantonale Gericht hat die für die Beurteilung des Leistungsanspruchs massgebenden Grundlagen richtig dargelegt. Darauf wird verwiesen (Art. 109 Abs. 3 BGG).  
 
3.  
Am 1. Januar 2022 trat das revidierte Bundesgesetz über die Invalidenversicherung (IVG; SR 831.20) in Kraft (Weiterentwicklung der IV [WEIV]; Änderung vom 19. Juni 2020, AS 2021 705, BBl 2017 2535). Die dem angefochtenen Entscheid zugrunde liegende Verfügung erging vor dem 1. Januar 2022. Nach den allgemeinen Grundsätzen des intertemporalen Rechts und des zeitlich massgebenden Sachverhalts (statt vieler: BGE 144 V 210 E. 4.3.1; 129 V 354 E. 1 mit Hinweisen) sind daher die Bestimmungen des IVG und diejenigen der Verordnung über die Invalidenversicherung (IVV; SR 831.201) in der bis 31. Dezember 2021 gültig gewesenen Fassung anwendbar (BGE 148 V 174 E. 4.1; Urteil 8C_37/2022 vom 7. September 2022 E. 3). 
 
4.  
 
4.1. Das kantonale Gericht hat nach einlässlicher Beweiswürdigung mit in allen Teilen zutreffender Begründung, worauf verwiesen wird (Art. 109 Abs. 3 BGG), dem im Verfahren nach Art. 44 ATSG eingeholten psychiatrischen Gutachten sowie der ergänzenden Stellungnahme des Dr. med. C.________ volle Beweiskraft zuerkannt. Der Beschwerdeführer legt nicht dar und es ist nicht ersichtlich, inwiefern die Vorinstanz in Verletzung des Willkürverbots konkrete Indizien übersehen hätte, welche gegen die Zuverlässigkeit der Expertise sprechen könnten (BGE 137 V 210 E. 1.3.4; 135 V 465 E. 4.4; SVR 2022 UV Nr. 43 S. 172, 8C_528/2021 E. 4.2.1). Insbesondere hat sich das kantonale Gericht mit den - vor Bundesgericht im Wesentlichen wiederholten - Einwänden des Beschwerdeführers auseinander gesetzt. Von einer Verletzung der Begründungspflicht (vgl. dazu BGE 143 III 65 E. 5.2 mit Hinweisen) kann keine Rede sein. Eine sachgerechte Anfechtung des vorinstanzlichen Urteils war dem Beschwerdeführer ohne Weiteres möglich (vgl. BGE 142 III 433 E. 4.3.2 mit Hinweisen).  
 
4.2. Gemäss angefochtenem Urteil weilte der Beschwerdeführer zwecks stationärer Behandlung seiner psychischen Beschwerden vom 30. November 2015 bis 7. Februar 2016 und vom 14. November 2016 bis 14. Januar 2017 in der Clinica D.________. Abgesehen vom Schweregrad der rezidivierenden depressiven Störung, welche der Gutachter anlässlich der Exploration vom 9. Januar 2019 nicht mehr als mittelgradig, sondern nur noch als leichtgradig ausgeprägt erheben konnte, diagnostizierte auch er zusätzlich einzig eine Persönlichkeitsakzentuierung mit emotional-instabilen, zwanghaft perfektionistischen und narzisstischen Zügen. Die bis vor einigen Jahren sehr erfolgreiche berufliche Laufbahn und unauffällige äussere Biographie seien nicht mit der Diagnose einer Persönlichkeitsstörung vereinbar. Zwar schloss auch Dr. med. C.________ auf eine volle Arbeitsunfähigkeit in der angestammten Tätigkeit als Projektleiter/Biologe. Eine angepasste, weit unter dem bisherigen intellektuellen und beruflichen Niveau liegende einfache Tätigkeit (z.B. leichte handwerkliche oder leichtere kaufmännisch-administrative Beschäftigung) sei ihm nunmehr im Begutachtungszeitpunkt jedoch vollschichtig zumutbar.  
 
4.3. Soweit das kantonale Gericht nach bundesrechtskonformer Beweiswürdigung (vgl. E. 1.3 hiervor) auf die Beurteilung des Dr. med. C.________ abstellte, ist zu beachten, dass die psychiatrische Exploration von der Natur der Sache her nicht ermessensfrei erfolgen kann. Sie eröffnet dem begutachtenden Psychiater bzw. der begutachtenden Psychiaterin daher praktisch immer einen gewissen Spielraum, innerhalb dessen verschiedene medizinisch-psychiatrische Interpretationen möglich, zulässig und zu respektieren sind, sofern der Experte lege artis vorgegangen ist (Urteil 8C_660/2022 vom 25. Mai 2023 E. 4.2 mit Hinweisen; vgl. auch BGE 145 V 361 E. 4.1.2 und SVR 2017 IV Nr. 5 S. 10, 9C_634/2015 E. 6.1 i.f., je Hinweisen). Dr. med. C.________ schloss entgegen der aktuell behandelnden Psychiaterin med. pract. E.________ und der Psychotherapeutin F.________ die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung aus, weil er die erhobenen Symptome und Defizite nicht als gravierend genug einschätzte. Dabei ist rechtsprechungsgemäss der Erfahrungstatsache Rechnung zu tragen, dass behandelnde Ärzte im Hinblick auf ihre auftragsrechtliche Vertrauensstellung in Zweifelsfällen mitunter eher zugunsten ihrer Patienten aussagen. Dies gilt grundsätzlich nicht nur für Hausärzte (vgl. BGE 135 V 465 E. 4.5; 125 V 351 E. 3a/cc), sondern auch für spezialärztlich behandelnde Medizinalpersonen (Urteil 8C_660/2022 vom 25. Mai 2023 E. 5.4 mit Hinweis).  
 
4.4. Der Beschwerdeführer zeigt nicht auf, und es ist auch nicht ersichtlich, inwiefern das im Verfahren nach Art. 44 ATSG eingeholte psychiatrische Gutachten den praxisgemässen Anforderungen an eine Expertise nicht genüge, nicht lege artis erstellt worden sei oder konkrete Indizien gegen dessen Zuverlässigkeit sprächen (vgl. BGE 135 V 465 E. 4.4 mit Hinweisen). Zudem ist, wie bereits erwähnt (vgl. E. 4.3), dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die medizinische Folgenabschätzung notgedrungen eine hohe Variabilität aufweist und unausweichlich Ermessenszüge trägt (BGE 145 V 361 E. 4.1.2 mit Hinweisen). Der Beschwerdeführer legt nicht substanziiert dar (vgl. E. 1.2) und es ist nicht ersichtlich, inwiefern die Vorinstanz das ihr als Sachgericht im Rahmen der Beweiswürdigung zustehende Ermessen (E. 1.3) in Verletzung des Willkürverbots missbraucht haben soll. Was er gegen die vorinstanzliche Ermittlung der für die Invaliditätsgradbemessung ausschlaggebenden Vergleichseinkommen vorbringt, beschränkt sich im Wesentlichen auf appellatorische Kritik am angefochtenen Urteil, worauf nicht weiter einzugehen ist (vgl. E. 1.3 i.f.). Demnach hat es bei der auf einem Invaliditätsgrad von 30% basierenden Verneinung eines Rentenanspruch ab 1. Februar 2019 sein Bewenden.  
 
5.  
Da die Beschwerde offensichtlich unbegründet ist, wird sie im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG mit summarischer Begründung und unter Hinweis auf die Erwägungen im angefochtenen Entscheid (Art. 109 Abs. 3 BGG) erledigt. 
 
6.  
Der unterliegende Beschwerdeführer hat die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 28. Juni 2023 
 
Im Namen der IV. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Wirthlin 
 
Der Gerichtsschreiber: Hochuli