1B_465/2022 28.06.2023
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
1B_465/2022  
 
 
Urteil vom 28. Juni 2023  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Müller, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter Merz, Kölz, 
Gerichtsschreiber Hahn. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Daniel U. Walder, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl, 
Büro F-6, Postfach, 8036 Zürich. 
 
Gegenstand 
Strafverfahren; Entsiegelung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Bezirksgerichts Zürich, Zwangsmassnahmengericht, vom 6. Juli 2022 (GT210114-L/U). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl führt eine Strafuntersuchung gegen A.________ wegen Veruntreuung und allenfalls weiteren Delikten. Ihm wird vorgeworfen, im Zeitraum vom 14. Oktober 2014 bis am 13. März 2020 Bargeldbeträge im Umfang von Fr. 1'384'000.-- ab den Bankkonten der am 16. März 2020 verstorbenen B.________ bezogen und diese Gelder zumindest teilweise treu-/pflichtwidrig in eigenem Nutzen verwendet zu haben. Anlässlich der am 14. September 2021 am Wohn- und Arbeitsort von A.________ durchgeführten Hausdurchsuchungen liess die Staatsanwaltschaft diverse physische Gegenstände und auf zwei DVDs abgespeicherte Daten des Arbeitscomputers von A.________ sicherstellen. Dieser verlangte gleichentags die Siegelung der sichergestellten Asservate. Die Staatsanwaltschaft stellte am 1. Oktober 2021 ein Gesuch um Entsiegelung. Mit Urteil vom 6. Juli 2022 hiess das Bezirksgericht Zürich als zuständiges Zwangsmassnahmengericht (ZMG) das Entsiegelungsgesuch gut und gab die sichergestellten Asservate zur Durchsuchung und weiteren Verwendung in der Strafuntersuchung frei. 
 
B.  
Gegen das Urteil des ZMG vom 6. Juli 2022 gelangt A.________ mit Beschwerde in Strafsachen vom 7. September 2022 an das Bundesgericht. Er beantragt die Aufhebung des Urteils und die vollumfängliche Abweisung des Entsiegelungsgesuchs der Staatsanwaltschaft. Eventuell sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. In prozessualer Hinsicht ersucht er um die Erteilung der aufschiebenden Wirkung, den Beizug der kantonalen Akten und um Anordnung eines doppelten Schriftenwechsels. 
Die Staatsanwaltschaft beantragt die Abweisung der Beschwerde. Das ZMG hat auf eine Vernehmlassung verzichtet. Der Beschwerdeführer hat repliziert und an seinen Anträgen festgehalten. 
Mit Verfügung vom 29. September 2022 hat das präsidierende Mitglied der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichts der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Angefochten ist ein nach Art. 248 Abs. 3 lit. a StPO kantonal letzt-instanzlicher Entscheid eines Zwangsmassnahmengerichts. Dagegen steht gemäss Art. 80 Abs. 2 Satz 3 BGG die Beschwerde in Straf-sachen an das Bundesgericht nach Art. 78 ff. BGG grundsätzlich offen. Der Beschwerdeführer ist als beschuldigte Person zur Beschwerde legitimiert (Art. 81 Abs. 1 lit. a und b Ziff. 1 BGG).  
 
1.2. Der angefochtene Entsiegelungsentscheid schliesst das gegen den Beschwerdeführer geführte Strafverfahren nicht ab und betrifft weder die Zuständigkeit noch ein Ausstandsbegehren im Sinne von Art. 92 BGG. Demnach ist er gemäss Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG nur dann unmittelbar mit Beschwerde an das Bundesgericht anfechtbar, wenn er einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann. Beim drohenden nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne dieser Bestimmung muss es sich um einen solchen rechtlicher Natur handeln. Nicht wieder gutzumachend bedeutet, dass er auch mit einem für die beschwerdeführende Person günstigen Endentscheid nicht oder nicht vollständig behoben werden kann. Ein lediglich tatsächlicher Nachteil wie die Verteuerung oder Verlängerung des Verfahrens genügt nicht (BGE 148 IV 155 E. 1.1; 144 IV 321 E. 2.3; je mit Hinweisen). Wird im Entsiegelungsverfahren geltend gemacht, dass einer Entsiegelung geschützte Geheimhaltungsrechte entgegenstehen, droht nach der Praxis des Bundesgerichts ein nicht wieder gutzumachender Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG, weil die Offenbarung eines Geheimnisses nicht rückgängig gemacht werden kann. Werden dagegen (lediglich) andere Beschlagnahmehindernisse wie insbesondere ein fehlender hinreichender Tatverdacht oder ein mangelnder Deliktskonnex geltend gemacht, fehlt es grundsätzlich am nicht wieder gutzumachenden Nachteil (Urteile 1B_155/2023 vom 10. Mai 2023 E. 1.2; 1B_591/2022 vom 21. Dezember 2022 E. 4.1; 1B_40/2022 vom 1. Dezember 2022 E. 2.1; je mit weiteren Hinweisen). Woraus sich der nicht wieder gutzumachende Nachteil ergeben soll, ist in der Beschwerdeschrift darzulegen, sofern dies nicht offensichtlich ist (BGE 141 IV 284 E. 2.3, 289 E. 1.3, je mit Hinweisen).  
 
1.3.  
 
1.3.1. Im Verfahren vor dem ZMG führte der Beschwerdeführer nach der verbindlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil (Art. 105 Abs. 1 BGG) pauschal aus, dass die sichergestellten Unterlagen und Daten dem Anwaltsgeheimnis unterliegen würden. Weiter habe es in den sichergestellten Dokumenten zahlreiche persönliche Aufzeichnungen und Korrespondenz von ihm. Das ZMG befand, mit derart vagen Hinweisen auf durch die private Geheimsphäre geschützte persönliche Aufzeichnungen komme der Beschwerdeführer den ihm im Entsiegelungsverfahren obliegenden Begründungs- und Substanziierungspflichten nicht nach. In Bezug auf das angerufene Anwaltsgeheimnis gelangte das ZMG zum gleichen Schluss und hielt fest, dass nicht automatisch alle der in der Anwaltskanzlei des Beschwerdeführers sichergestellten Unterlagen zwangsläufig vom Anwaltsgeheimnis erfasst seien. Gerade, was das Verhältnis zur verstorbenen B.________ betreffe, erscheine dieses, wie der Beschwerdeführer selber geltend mache, freundschaftlicher und nicht anwaltsrechtlicher Natur gewesen zu sein. Infolgedessen hätte er näher darlegen müssen, in welchen der sichergestellten Unterlagen, die ausschliesslich in einem Zusammenhang mit B.________ zu stehen schienen, sich die Anwaltskorrespondenz befinde. Da er dies unterlassen habe, sei er seiner Substanziierungsobliegenheit auch insoweit nicht nachgekommen.  
 
1.3.2. Der Beschwerdeführer nimmt keinerlei Bezug auf diese Erwägungen des ZMG und macht insbesondere nicht mehr geltend, dass sich in den sichergestellten Unterlagen Dokumente befinden, die dem Anwaltsgeheimnis unterliegen. Vor Bundesgericht bringt er vielmehr einzig vor, die bewilligte Entsiegelung und Durchsuchung der sichergestellten Asservate stelle einen unzulässigen Eingriff in seine Privatsphäre dar. Derart pauschale Hinweise auf private Dokumente begründen rechtsprechungsgemäss keine schutzwürdigen Geheimnisinteressen im Sinne von Art. 248 Abs. 1 StPO (Urteile 1B_155/2023 vom 10. Mai 2023 E. 1.3; 1B_40/2022 vom 1. Dezember 2022 E. 2.2; 1B_427/2021 vom 21. Januar 2022 E. 6.5; 1B_78/2021 vom 11. November 2021 E. 3.2; 1B_564/2019 vom 17. Juni 2020 E 6.2). Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unzulässig.  
 
1.3.3. Soweit sich die Beschwerde im Hauptpunkt gegen den vom ZMG bejahten hinreichenden Tatverdacht richtet, macht der Beschwerdeführer lediglich andere, allgemeine Beschlagnahmehindernisse geltend, die zwar ebenfalls von der Vorinstanz zu prüfen waren (und geprüft wurden), aber für sich alleine nicht zur Anrufung des Bundesgerichts berechtigen (Urteile 1B_591/2022 vom 21. Dezember 2022 E. 4.2; 1B_40/2022 vom 1. Dezember 2022 E. 2.2; 1B_401/2021 vom 19. April 2022 E. 1.2; 1B_260/2019 vom 17. Oktober 2019 E. 1; je mit Hinweisen).  
 
1.4. Zusammengefasst kann mangels der ausreichend substanziierten Anrufung rechtlich geschützter Geheimnisinteressen kein nicht wieder gutzumachender Nachteil gemäss Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG angenommen und damit auf die Beschwerde nicht eingetreten werden. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass der Beschwerdeführer (auch) eine Verletzung der Begründungspflicht durch die Vorinstanz und damit seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) geltend macht. Anders als bei Rügen hinsichtlich einer formellen Rechtsverweigerung (Art. 29 Abs. 1 BV) rechtfertigt sich diesfalls kein Verzicht auf das Erfordernis des nicht wieder gutzumachenden Nachteils (Urteile 1B_591/2022 vom 21. Dezember 2022 E. 4.3; 1B_2/2021 vom 7. April 2021 E. 1.4; 1B_18/2021 vom 23. Februar 2021 E. 1.4; je mit Hinweisen). Der guten Ordnung halber ist zudem festzuhalten, dass die Akten des vorinstanzlichen Verfahrens beigezogen wurden, womit dem entsprechenden Verfahrensantrag Genüge getan ist. Zudem wurde dem Beschwerdeführer wie beantragt das Replikrecht eingeräumt und kam ihm damit in der Sache das letzte Wort zu.  
 
2.  
Die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens sind dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 BGG). Eine Parteientschädigung ist nicht zuzusprechen (Art. 68 Abs. 1-3 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1'500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl und dem Bezirksgericht Zürich, Zwangsmassnahmen-gericht, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 28. Juni 2023 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Müller 
 
Der Gerichtsschreiber: Hahn