7B_487/2023 25.09.2023
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
7B_487/2023  
 
 
Urteil vom 25. September 2023  
 
II. strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Hurni, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter Kölz, Hofmann, 
Gerichtsschreiberin Sauthier. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Alexandra Baur, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland, 
Hermann-Götz-Strasse 24, Postfach, 8401 Winterthur. 
 
Gegenstand 
Entsiegelung und Durchsuchung, 
 
Beschwerde gegen die Verfügung des Zwangsmassnahmengerichts, Bezirksgericht Uster, 
vom 19. Juli 2023 (GT230015-V/Be/U01/ff/ig). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich führt eine Strafuntersuchung gegen A.________ wegen des Verdachts des Diebstahls etc. Sie wirft ihm vor, zusammen mit Mitbeschuldigten am 8. Juni 2023 an einem Einbruchdiebstahl beteiligt gewesen zu sein. Dabei sei an einem Fenster sowie an einem Waffenschrank ein Sachschaden im Betrag von total Fr. 1'400.-- verursacht worden. Weiter seien diverse Schmuckstücke entwendet worden. A.________ wurde am 13. Juni 2023 verhaftet. Anlässlich einer gleichentags stattfindenden Hausdurchsuchung in dessen Wohnung wurde ein Mobiltelefon der Marke Samsung sichergestellt. Dieses wurde auf Antrag von A.________ gesiegelt. Mit Eingabe vom 22. Juni 2023 stellte die Staatsanwaltschaft ein Entsiegelungsgesuch, welches das Zwangsmassnahmengericht des Bezirks Uster am 19. Juli 2023 guthiess. Das Zwangsmassnahmengericht ermächtigte die Staatsanwaltschaft, das am 13. Juni 2023 sichergestellte Mobiltelefon zu entsiegeln und zu durchsuchen. 
 
B.  
Mit Eingabe vom 29. August 2023 führt A.________ Beschwerde in Strafsachen gegen den Entsiegelungsentscheid vom 19. Juli 2023. Er beantragt, die Verfügung des Zwangsmassnahmengerichts vom 19. Juli 2023 sei aufzuheben und der Antrag der Staatsanwaltschaft vom 22. Juni 2023 auf Entsiegelung des versiegelten Mobiltelefons sei lediglich teilweise unter der Voraussetzung einer zuvor erfolgten Aussonderung der Anwaltskorrespondenz gutzuheissen. Die Vorinstanz sei entsprechend anzuweisen, die auf dem Mobiltelefon gespeicherten Anwaltskorrespondenzen unter Beizug eines Sachverständigen auszusondern und das Mobiltelefon der Staatsanwaltschaft erst nach erfolgter Aussonderung der Anwaltskorrespondenz zur Durchsuchung freizugeben. 
Das Zwangsmassnahmengericht und die Staatsanwaltschaft liessen sich nicht zur Sache vernehmen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Angefochten ist ein Entscheid über die Entsiegelung von einem Datenträger, der in einem strafprozessualen Untersuchungsverfahren in Anwendung von Art. 246 ff. StPO sichergestellt wurde. Die Vorinstanz hat gemäss Art. 248 Abs. 3 lit. a i.V.m. Art. 380 StPO als einzige kantonale Instanz entschieden, weshalb die Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht nach Art. 78 ff. BGG grundsätzlich offensteht. Der Beschwerdeführer ist als beschuldigte Person zur Beschwerde legitimiert (Art. 81 Abs. 1 lit. a und b Ziff. 1 BGG).  
 
1.2. Der angefochtene Entscheid schliesst das Strafverfahren nicht ab. Er kann deshalb nur unter den Voraussetzungen von Art. 92 und 93 BGG angefochten werden. Danach ist die Beschwerde insbesondere zulässig, wenn der angefochtene selbstständig eröffnete Zwischenentscheid einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG). Wird im Entsiegelungsverfahren schlüssig behauptet, dass einer Entsiegelung geschützte Geheimhaltungsrechte entgegenstehen, droht nach der Praxis des Bundesgerichts ein nicht wieder gutzumachender Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG (BGE 143 IV 462 E. 1; Urteil 1B_611/2021 vom 12. Mai 2022 E. 1.2). Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt. Die weiteren Eintretensvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Auf die Beschwerde ist einzutreten.  
 
2.  
Die Vorinstanz hat in ihrem Entscheid sowohl das Vorliegen eines hinreichenden Tatverdachts, einen Deliktskonnex als auch die Verhältnismässigkeit der durch die Staatsanwaltschaft beantragten Durchsuchung des sichergestellten Mobiltelefons bejaht. Sodann hat sie festgehalten, mangels eines vorbestehenden Mandatsverhältnisses sei auf die Aussonderung der Anwaltskorrespondenz der Verteidigerin des Beschwerdeführers zu verzichten, weshalb das versiegelte Mobiltelefon ohne Einschränkungen zur Durchsuchung freizugeben sei. 
Der Beschwerdeführer bestreitet die grundsätzlich Zulässigkeit der Durchsuchung seines Mobiltelefons vor Bundesgericht nicht. Er wendet sich einzig insofern gegen den angefochtenen Entscheid, als darauf verzichtet wurde, die von ihm geltend gemachte Anwaltskorrespondenz vorgängig auszusondern. Er rügt, er sei seiner diesbezüglichen Substanziierungspflicht hinreichend nachgekommen, weshalb der angefochtene Entscheid Art. 248 StPO verletze. Mit Schreiben vom 24. August 2023 hält er überdies fest, dass selbst die Staatsanwaltschaft sich mit einer Aussonderung der geltend gemachten Anwaltskorrespondenz einverstanden zeige und umso weniger sei der Entscheid des Zwangsmassnahmengerichts nachvollziehbar. 
 
3.  
 
3.1. Nach der bundesgerichtlichen Praxis trifft den Inhaber von zu Durchsuchungszwecken sichergestellten Aufzeichnungen und Gegenständen, der ein Siegelungsbegehren gestellt hat, die prozessuale Obliegenheit, die von ihm angerufenen Geheimhaltungsinteressen (im Sinne von Art. 248 Abs. 1 StPO) ausreichend zu substanziieren. Dies gilt besonders bei grossen Datenmengen. Kommt der Betroffene seiner Mitwirkungs- und Substanziierungsobliegenheit im Entsiegelungsverfahren nicht nach, ist das Zwangsmassnahmengericht nicht gehalten, von Amtes wegen nach allfälligen materiellen Durchsuchungshindernissen zu forschen. Tangierte Geheimnisinteressen sind wenigstens kurz zu umschreiben und glaubhaft zu machen. Auch sind diejenigen Aufzeichnungen und Dateien zu benennen, die dem Geheimnisschutz unterliegen. Dabei ist der Betroffene nicht gehalten, die angerufenen Geheimnisrechte bereits inhaltlich offenzulegen (zum Ganzen: Urteil 1B_369/2022 vom 10. Oktober 2022 E. 4.2; mit Hinweisen). Dies gilt auch im Zusammenhang mit der Anrufung des Anwaltsgeheimnisses als gesetzliches Entsiegelungshindernis (Urteil 1B_563/2022 vom 19. Januar 2023 E. 3.1 mit Hinweisen).  
 
3.2. Der Beschwerdeführer hat im vorinstanzlichen Verfahren klar zum Ausdruck gebracht, dass geschützte Anwaltskorrespondenz per E-Mail geführt worden sei und die fragliche E-Mail-Adresse ("xxx") angegeben. Damit hat er plausibel vorgebracht, dass bereits vor seiner Verhaftung ein Mandatsverhältnis bestand und Korrespondenz erfolgte, welche einem absoluten Beschlagnahme- und Entsiegelungsverbot unterliegt (vgl. BGE 147 IV 385 E. 2.5; 141 IV 77 E. 5.2; 138 IV 225 E. 6.1). Einer weiteren Substanziierung bedurften die Ausführungen des Beschwerdeführers nicht. Damit steht fest, dass die geschützte Anwaltskorrespondenz, entgegen der Auffassung der Vorinstanz, auszusondern ist. Die Beschwerde erweist sich als offensichtlich begründet. Die Vorinstanz wird vor der Freigabe des sichergestellten Mobiltelefons zur Durchsuchung allfällige sich darauf befindliche Anwaltskorrespondenz auszusondern haben.  
 
4.  
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. b BGG gutzuheissen. Der angefochtene Entscheid ist aufzuheben und die Entsiegelungssache zur Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückzuweisen. Das Gesuch um aufschiebende Wirkung wird damit gegenstandslos. 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Der Beschwerdeführer hat Anspruch auf eine angemessene Entschädigung für das bundesgerichtliche Verfahren (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). Diese ist praxisgemäss seiner Verteidigerin auszurichten. Damit wird das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gegenstandslos. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird gutgeheissen, der angefochtene Entscheid des Zwangsmassnahmengerichts des Bezirks Uster vom 19. Juli 2023 aufgehoben und die Sache zur Neubeurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen. 
 
2.  
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.  
Der Kanton Zürich hat Rechtsanwältin Alexandra Baur für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 2'000.-- auszurichten. 
 
4.  
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft Winterthur/Unterland und dem Zwangsmassnahmengericht, Bezirksgericht Uster, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 25. September 2023 
 
Im Namen der II. strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Hurni 
 
Die Gerichtsschreiberin: Sauthier