4A_322/2022 16.08.2022
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
4A_322/2022  
 
 
Urteil vom 16. August 2022  
 
I. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Hohl, Präsidentin, 
Gerichtsschreiber Widmer. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________ AG, 
vertreten durch Rechtsanwalt Daniel U. Walder, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
B.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Claudia Trösch-Ziegler, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Mietvertrag; Ausweisung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Solothurn, Zivilkammer, vom 4. Juli 2022 (ZKBER.2022.46). 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Zwischen der A.________ AG und B.________ bestand (bzw. besteht nach dem Standpunkt der A.________ AG) ein Mietverhältnis über ein Geschäftshaus mit Garten/Wohnung an der U.________gasse in V.________. Am 12. Juni 2019 einigten sich die Parteien vor der Schlichtungsbehörde für Miete und Pacht Olten-Gösgen auf eine Auflösung des Mietverhältnisses per 31. Januar 2022 (im Folgenden: Vergleich).  
Am 2. Februar 2022 stellte B.________ beim Richteramt Olten-Gösgen ein Exmissionsgesuch nach Art. 257 ZPO gegen die A.________ AG. Mit Urteil vom 17. Mai 2022 wies die Amtsgerichtspräsidentin von Olten-Gösgen diese an, das Mietobjekt bis spätestens 3. Juni 2022 zu verlassen und B.________ in ordnungsgemässem, geräumtem Zustand zu übergeben. 
Zuvor, am 10. März 2022, hatte die A.________ AG bei der Schlichtungsbehörde für Miete und Pacht Olten-Gösgen ein Revisionsgesuch eingereicht und beantragt, der Vergleich sei infolge Grundlagenirrtums bzw. absichtlicher Täuschung aufzuheben. Die Schlichtungsbehörde für Miete und Pacht Olten-Gösgen wies dieses Gesuch mit Entscheid vom 6. Mai 2022 ab, wogegen offenbar noch ein Rechtsmittel hängig ist. 
 
1.2. Am 2. Juni 2022 erhob die A.________ AG beim Obergericht des Kantons Solothurn Berufung gegen das Urteil der Amtsgerichtspräsidentin vom 17. Mai 2022. Mit Verfügung vom 3. Juni 2022 wies das Obergericht u.a. den Antrag der A.________ AG ab, wonach das Verfahren bis zur rechtskräftigen Erledigung des Revisionsverfahrens gegen den Vergleich vom 12. Juni 2019 zu sistieren sei. Mit Urteil vom 4. Juli 2022 wies es sodann die Berufung ab und verpflichtete die A.________ AG, das Mietobjekt bis spätestens Freitag, 22. Juli 2022, zu verlassen und in ordnungsgemässem, geräumtem Zustand an B.________ zu übergeben.  
 
1.3. Die A.________ AG (im Folgenden: Beschwerdeführerin) erhob gegen das Urteil vom 4. Juli 2022 mit Eingabe vom 20. Juli 2022 Beschwerde in Zivilsachen. Gleichzeitig stellte sie die Gesuche, der Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung zu erteilen und das bundesgerichtliche Verfahren sei bis zum Abschluss des Verfahrens betreffend Revision bzw. Anfechtung des Vergleichs wegen Willensmängeln zu sistieren.  
Das Sistierungsgesuch wurde mit Verfügung des präsidierenden Mitglieds der ersten zivilrechtlichen Abteilung vom 22. Juli 2022 abgewiesen. 
Die Vorinstanz verzichtete mit Schreiben vom 25. Juli 2022 auf eine Stellungnahme zum Gesuch um aufschiebende Wirkung. B.________ (Beschwerdegegner) schliesst mit Stellungnahme vom 27. Juli 2021 auf Abweisung dieses Gesuchs. 
Das Schreiben vom 25. Juli 2022 und die Stellungnahme vom 27. Juli 2022 wurden der Beschwerdeführerin mit Verfügung vom 29. Juli 2022 zur Kenntnisnahme zugestellt. Diese nahm dazu bis zum heutigen Zeitpunkt keine Stellung. 
 
2.  
Der Anspruch auf rechtliches Gehör umfasst das Recht, von den beim Gericht eingereichten Stellungnahmen Kenntnis zu erhalten und sich dazu äussern zu können. Die Wahrnehmung des Rechts auf Replik setzt voraus, dass die von den übrigen Verfahrensbeteiligten eingereichten Eingaben der Partei zugestellt werden, damit sie entscheiden kann, ob sie sich dazu äussern will oder nicht (BGE 146 III 97 E. 3.4.1; 139 I 189 E. 3.2). Dabei wird erwartet, dass eine Partei, die eine Eingabe ohne Fristansetzung erhält und dazu Stellung nehmen will, dies umgehend tut oder zumindest beantragt; ansonsten wird angenommen, sie habe auf eine weitere Eingabe verzichtet (BGE 138 I 484 E. 2.2; 133 I 100 E. 4.8 S. 105 mit Hinweisen). Es obliegt dem Gericht, in jedem Einzelfall ein effektives Replikrecht zu gewähren. Hierfür kann es den Parteien eine Frist setzen. Es kann die Eingabe aber auch lediglich zur Kenntnisnahme zustellen, wenn von den Parteien, namentlich von anwaltlich Vertretenen oder Rechtskundigen, erwartet werden kann, dass sie umgehend unaufgefordert Stellung nehmen oder eine Stellungnahme beantragen (BGE 142 III 48 E. 4.1.1; 138 I 484 E. 2.4). 
Die Stellungnahme des Beschwerdegegners vom 27. Juli 2022 zum Gesuch um aufschiebende Wirkung wurde der anwaltlich vertretenen Beschwerdeführerin mit Verfügung vom 29. Juli 2022 zur Kenntnisnahme zugestellt und von deren Rechtsvertreter am 2. August 2022 in Empfang genommen. Sie replizierte dazu bis zum heutigen Tag nicht. Mangels umgehender Reaktion im Sinn der zitierten Rechtsprechung ist daher Verzicht auf Stellungnahme anzunehmen. 
 
3.  
Der Beschwerdegegner machte in seiner Stellungnahme zum Gesuch um aufschiebende Wirkung vom 27. Juli 2022 geltend, sein Interesse an der sofortigen Vollstreckung des angefochtenen Urteils sei höher zu gewichten als das Interesse der Beschwerdeführerin, noch weiter in der Liegenschaft verbleiben zu können. Er brachte dazu u.a. vor, ihm wachse mit jedem Tag, an dem das vorinstanzliche Urteil nicht vollstreckt werde, ein höherer Schaden an. Die Beschwerdeführerin bezahle bereits seit April 2020 weder Mietzinse noch Nebenkosten. Die Ausstände seien betrieben worden, wogegen Rechtsvorschlag erhoben worden sei. Bis heute sei für die verweigerten Zahlungen allerdings kein Grund angegeben worden. Für den Beschwerdegegner sei es schlicht unzumutbar, diesen Zustand weiter ertragen und den immer weiter anwachsenden Schaden hinnehmen zu müssen. Es werde ihm verwehrt, über seine Liegenschaft zu verfügen, obwohl die Beschwerdeführerin für den weiteren Verbleib in der Liegenschaft offensichtlich keinen gültigen Rechtsgrund mehr habe. Deren Prozessverhalten sei rechtsmissbräuchlich und entspreche einer mutwilligen Prozessführung. 
Mangels Bestreitung dieser Vorbringen ist davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin ohne Grundangabe seit April 2020 weder Mietzinse noch Nebenkosten für das Mietobjekt entrichtet. Sie hat damit seit mehr als zwei Jahren aufgehört, ihre grundlegende Pflicht zur Bezahlung des Mietzinses aus dem Mietvertrag zu erfüllen, der jedoch nach ihrem Standpunkt, die Parteien nach wie vor binden soll, da der Vergleich über dessen Beendigung an einem Willensmangel leide. Unter diesen Umständen springt ins Auge, dass die von der Beschwerdeführerin betriebene Prozessführung rein trölerisch und missbräuchlich erfolgt und einzig zum Ziel hat, seine Ausweisung aus der Wohnung so lange wie möglich hinauszuzögern. Die vorliegende Beschwerde ist damit unzulässig und es ist darauf im vereinfachten Verfahren nicht einzutreten (Art. 42 Abs. 7 und Art. 108 Abs. 1 lit. c BGG; s. dazu die Urteile 4A_343/2021 vom 27. Juli 2021 E. 4 und 4A_60/2019 vom 6. März 2019 E. 4, in denen ähnlich gelagerte Fälle zu beurteilen waren.). 
Mit diesem Entscheid in der Sache selbst, wird das von der Beschwerdeführerin gestellte Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos. 
 
4.  
Die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens sind diesem Ausgang entsprechend der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Diese hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren angemessen zu entschädigen (Art. 68 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt die Präsidentin:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 500.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Die Beschwerdeführerin hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 600.-- zu entschädigen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Solothurn, Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 16. August 2022 
 
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Hohl 
 
Der Gerichtsschreiber: Widmer