1C_381/2023 11.08.2023
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
1C_381/2023  
 
 
Urteil vom 11. August 2023  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Kneubühler, Präsident, 
Bundesrichter Chaix, Haag, 
Gerichtsschreiber Dold. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Ueli Vogel-Etienne, 
 
gegen  
 
Bundesamt für Justiz, Fachbereich Auslieferung, Bundesrain 20, 3003 Bern. 
 
Gegenstand 
Auslieferung an Kroatien; Auslieferungsentscheid, unentgeltliche Rechtspflege, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Bundesstrafgerichts, Beschwerdekammer, 
vom 26. Juli 2023 (RR.2023.85). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Gestützt auf eine von den kroatischen Behörden veranlasste Ausschreibung im Schengener Informationssystem wurde A.________ am 28. Januar 2023 in der Schweiz verhaftet und in der Folge in Auslieferungshaft versetzt. Mit Schreiben vom 13. Februar 2023 verlangte Kroatien seine Auslieferung zwecks Vollstreckung einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 7 Monaten wegen schweren Diebstahls. 
Nachdem das Bundesamt für Justiz (BJ) A.________ zum Auslieferungsersuchen angehört hatte, holte es von den kroatischen Behörden Auskünfte zur anwaltlichen Vertretung des Beschuldigten im kroatischen Strafverfahren und zur Eröffnung des Berufungsurteils ein. Am 22. Mai 2023 bewilligte es die Auslieferung. 
Mit Entscheid vom 26. Juli 2023 wies das Bundesstrafgericht eine gegen den Auslieferungsentscheid gerichtete Beschwerde von A.________ ab. Dessen Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wies es wegen Aussichtslosigkeit ebenfalls ab und auferlegte ihm die Gerichtsgebühren. 
 
B.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ans Bundesgericht vom 7. August 2023 beantragt A.________, der Entscheid des Bundesstrafgerichts und der Auslieferungsentscheid seien aufzuheben und die Auslieferung zu verweigern. 
Es wurde kein Schriftenwechsel durchgeführt. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Gegen einen Entscheid auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten unter den in Art. 84 BGG genannten Voraussetzungen zulässig. Im vorliegenden Fall geht es um eine Auslieferung und damit um ein Sachgebiet, bei dem die Beschwerde nach Art. 84 Abs. 1 BGG insoweit möglich ist. Weiter ist erforderlich, dass es sich um einen besonders bedeutenden Fall handelt. Ein besonders bedeutender Fall liegt insbesondere vor, wenn Gründe für die Annahme bestehen, dass elementare Verfahrensgrundsätze verletzt worden sind oder das Verfahren im Ausland schwere Mängel aufweist (Art. 84 Abs. 2 BGG; BGE 145 IV 99 E. 1 mit Hinweisen).  
Art. 84 BGG bezweckt die wirksame Begrenzung des Zugangs zum Bundesgericht im Bereich der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen. Ein besonders bedeutender Fall ist deshalb mit Zurückhaltung anzunehmen. Dem Bundesgericht steht insofern ein weiter Ermessensspielraum zu (BGE 145 IV 99 E. 1.2 mit Hinweisen). Ein besonders bedeutender Fall kann auch bei einer Auslieferung nur ausnahmsweise angenommen werden. In der Regel stellen sich insoweit keine Rechtsfragen, die der Klärung durch das Bundesgericht bedürfen, und kommt den Fällen auch sonst wie keine besondere Tragweite zu (BGE 134 IV 156 E. 1.3.4). 
Gemäss Art. 42 Abs. 2 BGG ist in der Begründung der Rechtsschrift in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt. Ist eine Beschwerde nur unter der Voraussetzung zulässig, dass ein besonders bedeutender Fall nach Art. 84 BGG vorliegt, so ist auch auszuführen, warum diese Voraussetzung erfüllt ist (BGE 145 IV 99 E. 1.5 mit Hinweisen). 
Nach Art. 109 BGG entscheidet die Abteilung in Dreierbesetzung über Nichteintreten auf Beschwerden, bei denen kein besonders bedeutender Fall vorliegt (Abs. 1). Der Entscheid wird summarisch begründet und es kann ganz oder teilweise auf den angefochtenen Entscheid verwiesen werden (Abs. 3).  
 
1.2. Der Beschwerdeführer macht geltend, er sei im erstinstanzlichen Strafverfahren in Kroatien angesichts der Mandatsniederlegung durch zwei aufeinanderfolgende Verteidiger zeitweise nicht anwaltlich vertreten gewesen. Selbst wenn diese Behauptung zuträfe, wäre sie im Rechtshilfeverfahren nicht zu hören. Gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung sind Mängel des ausländischen Verfahrens primär im ersuchenden Staat geltend zu machen (Urteile 1C_82/2021 vom 16. Februar 2021 E. 1.2; 1C_431/2008 vom 22. Januar 2009 E. 4.3; vgl. auch das zur Publ. bestimmte Urteil 1C_624/2022 vom 21. April 2023 E. 3.4; je mit Hinweisen). Der Beschwerdeführer, vertreten durch einen neuen Verteidiger, legte jedoch gemäss der unbestritten gebliebenen Feststellung der Vorinstanz Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil ein, ohne dabei die angeblich unzureichende Verteidigung zu rügen.  
Entsprechendes gilt für die Rüge des Beschwerdeführers, das Berufungsurteil vom 28. Januar 2022 sei ihm nicht zugestellt worden. Das Bundesstrafgericht verliess sich diesbezüglich auf die Auskunft der kroatischen Behörden, dass dieses Urteil am 30. Juni 2022 von der Mutter des Beschwerdeführers in Empfang genommen worden sei, wobei der Beschwerdeführer dies bestreitet und vorbringt, eine Zustellbescheinigung fehle. Von Bedeutung ist insoweit nicht nur die umstrittene Frage der ordentlichen Zustellung, sondern auch die tatsächliche Kenntnis des Urteils bzw. die Möglichkeit des Beschwerdeführers, sich nach dessen Verbleib zu erkundigen. Der Verteidiger des Beschwerdeführers war an der Gerichtsverhandlung vom 28. Januar 2022 anwesend gewesen und musste deshalb vom an diesem Tag gefällten Urteil Kenntnis haben. Weder legt der Beschwerdeführer dar, er habe sich beim Berufungsgericht nach dem Urteil erkundigt, noch macht er geltend, er habe dieses auch nicht tatsächlich (unbesehen einer formgerechten Eröffnung) zur Kenntnis genommen. Dass er versucht hätte, gegen das Urteil ein Rechtsmittel einzulegen oder dass ein solches Unterfangen von vornherein aussichtslos gewesen wäre, macht er ebenfalls nicht substanziiert geltend (vgl. Urteil 1C_82/2021 vom 16. Februar 2021 E. 1.2). Eine schwerwiegende Verletzung der Menschenrechte im ersuchenden Staat ist damit nicht hinreichend dargetan (vgl. Art. 42 Abs. 2 BGG und das zur Publ. bestimmte Urteil 1C_624/2022 vom 21. April 2023 E. 3.4 mit Hinweisen). 
Vor diesem Hintergrund ist schliesslich nicht erkennbar, dass das Bundesstrafgericht elementare Verfahrensgrundsätze verletzt hätte, indem es die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege wegen Aussichtslosigkeit verweigerte (vgl. Art. 39 Abs. 2 lit. b StBOG [SR 173.71] i.V.m. Art. 65 VwVG). 
Inwiefern aus einem anderen Grund ein besonders bedeutender Fall gegeben wäre, legt der Beschwerdeführer nicht dar und ist auch nicht ersichtlich. Für das Bundesgericht besteht deshalb kein Anlass, die Sache an die Hand zu nehmen. 
 
2.  
Nach dem Ausgeführten ist auf die Beschwerde nicht einzutreten. 
Das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege kann wegen Aussichtslosigkeit nicht bewilligt werden (Art. 64 BGG). Unter den gegebenen Umständen erscheint es indessen gerechtfertigt, dem Beschwerdeführer keine Gerichtskosten aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2.  
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.  
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
4.  
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Bundesamt für Justiz, Fachbereich Auslieferung, und dem Bundesstrafgericht, Beschwerdekammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 11. August 2023 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Kneubühler 
 
Der Gerichtsschreiber: Dold