H 252/99 28.02.2000
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[AZA] 
H 252/99 Vr 
 
IV. Kammer  
 
Bundesrichter Borella, Rüedi und Bundesrichterin Leuzinger; 
Gerichtsschreiber Hadorn 
 
Urteil vom 28. Februar 2000  
 
in Sachen 
 
Bundesamt für Sozialversicherung, Effingerstrasse 33, Bern, 
Beschwerdeführer, 
gegen 
 
1.H.________, 
2.P.________, 
3.M.________, 
4.U.________, 
Beschwerdegegner, alle vertreten durch Fürsprecher Hannes 
Tanner, Kirchgasse 9, Langnau im Emmental, 
 
und 
 
Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Bern 
 
    A.- Mit vier Verfügungen vom 23. September 1997 ver- 
pflichtete die Ausgleichskasse Schweizerischer Baumeister- 
verband H.________, P.________, M.________ und U.________, 
Verwaltungsräte der in Konkurs gefallenen Firma J.________ 
AG, und Bauunternehmung, in solidarischer Haftung Schaden- 
ersatz für nicht entrichtete Sozialversicherungsbeiträge 
zuzüglich Verzugszinsen und Mahngebühren im Ausmass von 
Fr. 69'001.65 zu leisten. 
 
    B.- Auf Einspruch aller Belangten hin erhob die Kasse 
vier Klagen auf Bezahlung des erwähnten Betrages. Mit Ent- 
scheid vom 11. Juni 1999 vereinigte das Verwaltungsgericht 
des Kantons Bern die Verfahren und hiess die Klagen inso- 
fern teilweise gut, als es die vier Verwaltungsräte in 
solidarischer Haftbarkeit verurteilte, im Sinne der Erwä- 
gungen den der Kasse ab Juni 1995 erwachsenen Schaden zu 
ersetzen. 
 
    C.- Das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) führt 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, der kantonale 
Entscheid sei aufzuheben, und die Klagen der Kasse seien 
vollumfänglich gutzuheissen. 
    Die vier Verwaltungsräte lassen auf Abweisung der Ver- 
waltungsgerichtsbeschwerde schliessen, während die Aus- 
gleichskasse den Ausführungen des BSV beipflichtet, ohne 
einen Antrag zu stellen. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:  
 
    1.- Da es sich bei der angefochtenen Verfügung nicht 
um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungs- 
leistungen handelt, hat das Eidgenössische Versicherungs- 
gericht nur zu prüfen, ob der vorinstanzliche Richter 
Bundesrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung 
oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche 
Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder 
unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen fest- 
gestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 
lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG). 
    2.- Das kantonale Verwaltungsgericht hat unter Hinweis 
auf Gesetz (Art. 52 AHVG) und Rechtsprechung (vgl. statt 
vieler BGE 123 V 15 Erw. 5b) die Voraussetzungen zutreffend 
dargelegt, unter welchen Organe juristischer Personen den 
der Ausgleichskasse wegen Missachtung der Vorschriften über 
die Beitragsabrechnung und -zahlung (Art. 14 Abs. 1 AHVG
Art. 34 ff. AHVV) schuldhaft verursachten Schaden zu er- 
setzen haben. Darauf kann verwiesen werden. 
 
    3.- a) Die Vorinstanz hat erwogen, die in Konkurs ge- 
fallene Firma habe ihre Beitragspflichten bis November 1994 
termingerecht erfüllt. In der Folge habe sie bis Mai 1995 
nur noch Pauschalabrechnungen bezahlt. Die Beschwerdegegner 
hätten im Februar und März 1995 erhebliche Eigenmittel in 
den Betrieb gesteckt und deshalb bei objektiver und subjek- 
tiver Betrachtungsweise damit rechnen dürfen, die Ausstände 
von Dezember 1994 bis Februar 1995 im Betrag von 
Fr. 20'500.- zwar nicht fristgerecht, aber doch innert 
vernünftiger Zeit bezahlen zu können. Diesbezüglich ent- 
falle daher eine Haftung nach Art. 52 AHVG. Ab Juni 1995 
hingegen seien durchgehend keine Beiträge mehr bezahlt wor- 
den. Ab diesem Zeitpunkt hätten die Beschwerdegegner für 
die fehlenden Abgaben einzustehen. 
 
    b) Demgegenüber macht das BSV geltend, trotz der ein- 
gebrachten Mittel sei keine Rechtfertigung ersichtlich, die 
ausstehenden Beiträge nicht zu bezahlen. Es sei nicht dar- 
getan, inwiefern die Beschwerdegegner an Stelle der ge- 
schuldeten Beiträge andere, für das Überleben der Firma 
notwendige Forderungen beglichen hätten. Angesichts der 
anhaltend schlechten Konjunktur auf dem Bausektor habe von 
den erwähnten Fr. 20'500.- keine Rettung der Firma erwartet 
werden können. 
    Die Beschwerdegegner lassen einwenden, ihr Verhalten 
während der hier streitigen Zeitspanne sei differenziert zu 
würdigen. Anfangs hätten die objektiven Gegebenheiten er- 
laubt, ernsthaft an eine Rettung der Firma zu glauben, wes- 
halb keine Haftung für die Fr. 20'500.- bestehe. Erst ab 
Juni 1995 könne eine grobe Fahrlässigkeit bejaht werden. 
 
    4.- a) Nach dem Gesagten ist umstritten, ob die Be- 
schwerdegegner von Dezember 1994 bis Februar 1995 aufgrund 
der objektiven Umstände und einer seriösen Beurteilung der 
Lage damit rechnen durften, die Forderung der Ausgleichs- 
kasse von Fr. 20'500.- innert nützlicher Frist befriedigen 
zu können (ZAK 1992 S. 248 Erw. 4b). 
 
    b) Die in Konkurs gefallene Firma war in der Bau- 
branche tätig, welche anfangs der 90er-Jahre in eine 
anhaltende Krise geriet. Die entsprechende Rezession führte 
gemäss Bericht des ausserordentlichen Konkursverwalters vom 
26. Februar 1997 zu sinkenden Erträgen bei nahezu gleich 
bleibenden Betriebskosten, weshalb die Jahresrechnung 1993 
erstmals negativ abgeschlossen habe. Weder der Verkauf 
firmeneigenen Landes noch der Einschuss privater Mittel 
seitens der Beschwerdegegner habe die weitere Verschuldung 
aufzuhalten vermocht. Überdies sei die Liegenschaft 
X.________ gemäss Revisionsbericht 1994 überbewertet 
gewesen. Auch der Wertzusammenbruch der Immobilien habe zum 
Untergang der Firma beigetragen. 
 
    c) Angesichts der andauernden Krise im Baugewerbe und 
des Wertzusammenbruchs auf dem Liegenschaftsmarkt sowie der 
1994 und 1995 unverändert schlechten Perspektiven in diesen 
Bereichen konnte objektiv betrachtet nicht ernsthaft damit 
gerechnet werden, der Untergang der Firma lasse sich ver- 
meiden. Der Einschuss eigener Mittel, welcher zudem pra- 
xixgemäss nicht ausreicht, um von der Haftung nach Art. 62 
AHVG zu befreien, konnte den Konkurs wohl verzögern, nicht 
aber verhindern. Ende 1994 und anfangs 1995 durfte objektiv 
nicht damit gerechnet werden, dass das Einbehalten von So- 
zialversicherungsbeiträgen im Ausmass von Fr. 20'500.- der 
Firma reelle Überlebenschancen verschaffe. Die Beschwerde- 
gegner hätten daher bereits in dieser Periode den Betrieb 
schliessen oder allenfalls andere energische Massnahmen 
ergreifen müssen, statt die Verschuldung weiter anwachsen 
zu lassen. Sie belegen sodann nicht, inwiefern sie mit den 
zurückbehaltenen Beiträgen anderweitige, für das Überleben 
der Firma notwendige Forderungen beglichen hätten. Dass 
dank der Liegenschaftsverkäufe und der Auflösung stiller 
Reserven 1993 und 1994 buchhalterisch kleine Gesamtgewinne 
ausgewiesen wurden, durfte die Beschwerdegegner nicht da- 
rüber hinweg täuschen, dass der Geschäftsgang der Firma 
keine Aussichten auf Rettung bot. Unter diesen Umständen 
haben diese sich auch hinsichtlich der Ausstände von De- 
zember 1994/Februar 1995 im Sinne von Art. 52 AHVG haftbar 
gemacht. 
 
    d) Masslich ist der Schaden nicht bestritten. Die auf 
Bundesrecht beruhenden Ausstände zuzüglich Verzugszinsen 
und Mahngebühren betragen gemäss der Aufstellung in den 
Schadenersatzverfügungen Fr. 69'001.65. 
 
    5.- Da es vorliegend nicht um die Bewilligung oder 
Verweigerung von Versicherungsleistungen geht (Erw. 1 
hievor), ist das Verfahren kostenpflichtig (Art. 134 OG
contrario). Die unterliegenden Beschwerdegegner haben die 
Gerichtskosten zu tragen (Art. 156 Abs. 1 OG). 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:  
 
I.In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird 
    der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern 
    vom 11. Juni 1996 aufgehoben, und die Beschwerdegegner 
    werden verpflichtet, der Ausgleichskasse Schweizeri- 
    scher Baumeisterverband unter solidarischer Haftbar- 
    keit Schadenersatz im Betrag von Fr. 69'001.65 zu be- 
    zahlen. 
 
II.Die Gerichtskosten von total Fr. 1000.- werden den 
    Beschwerdegegnern auferlegt. 
 
III.Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsge- 
    richt des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche 
    Abteilung, und der Ausgleichskasse Schweizerischer 
    Baumeisterverband zugestellt. 
 
 
Luzern, 28. Februar 2000 
 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der IV. Kammer: 
 
Der Gerichtsschreiber: