2C_193/2022 16.08.2022
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
2C_193/2022  
 
 
Urteil vom 16. August 2022  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Aubry Girardin, Präsidentin, 
Bundesrichter Beusch, Hartmann, 
Gerichtsschreiber Matter. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Marco M. Jauner, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Amt für Migration und Integration des 
Kantons Aargau, Rechtsdienst, 
Bahnhofplatz 3C, 5001 Aarau. 
 
Gegenstand 
Widerruf bzw. Nichtverlängerung der 
Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA und Wegweisung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts 
des Kantons Aargau, 2. Kammer, vom 19. Januar 2022 
(WBE.2021.348). 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. A.________ heiratete am 23. Juni 2016 in seinem Heimatland Nordmazedonien eine in der Schweiz aufenthaltsberechtigte Staatsangehörige der Tschechischen Republik. Er reiste am 15. Juli 2016 in die Schweiz ein und erhielt am 12. April 2017 im Rahmen des Familiennachzugs eine Aufenthaltsbewilligung, deren Gültigkeitsdauer am 30. Juni 2021 abgelaufen ist.  
 
1.2. Nachdem A.________ und seine Ehefrau je mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich vom 12. bzw. 6. Februar 2019 unter anderem wegen Widerhandlung gegen das Bundesgesetz vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer und über die Integration (Ausländer- und Integrationsgesetz, AIG, SR 142.20) durch Eingehen einer rein ausländerrechtlich motivierten Ehe (Scheinehe) verurteilt worden und die Strafbefehle in Rechtskraft erwachsen waren, verfügte das Amt für Migration und Integration des Kantons Aargau (Migrationsamt) am 20. November 2020 den Widerruf der Aufenthaltsbewilligung von A.________ und seine Wegweisung aus der Schweiz. Gegen diese Verfügung erhob er am 18. Dezember 2020 Einsprache, welche der Rechtsdienst des Migrationsamtes mit Entscheid vom 18. August 2021 und folgender Präzisierung abwies: Da die Aufenthaltsbewilligung inzwischen abgelaufen sei, sei nicht mehr der Widerruf, sondern die Nichtverlängerung der Aufenthaltsbewilligung zu prüfen. Das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau wies am 19. Januar 2022 die hiergegen gerichtete Beschwerde kantonal letztinstanzlich ab.  
 
1.3. A.________ beantragt mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten bzw. subsidiärer Verfassungsbeschwerde vor Bundesgericht im Wesentlichen, das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau aufzuheben.  
Das Migrationsamt sowie das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau schliessen auf Abweisung der Beschwerde. Das Staatssekretariat für Migration hat sich nicht vernehmen lassen. 
 
1.4. Am 1. März 2022 hat die Präsidentin der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkannt.  
 
2.  
 
2.1. Gemäss Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten auf dem Gebiet des Ausländerrechts unzulässig gegen Entscheide betreffend Bewilligungen, auf die weder das Bundesrecht noch das Völkerrecht einen Anspruch einräumen. Ein bundes- oder völkerrechtlicher Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung besteht grundsätzlich nur dann, wenn sich der Ausländer oder seine in der Schweiz lebenden Angehörigen auf eine Sondernorm des Bundesrechts oder eines Staatsvertrags berufen können (BGE 130 II 281 E. 2.1; 128 II 145 E. 1.1.1; Urteile 2C_202/2018 vom 19. Juli 2019 E. 1.1; 2C_381/2018 vom 29. November 2018 E. 1.2).  
Der Beschwerdeführer macht in vertretbarer Weise geltend, u.a. gestützt auf Art. 50 AIG einen Anspruch auf die beantragte Aufenthaltsbewilligung zu haben (Urteil 2C_653/2021 vom 4. Februar 2019 E. 1.2). Ob der Bewilligungsanspruch tatsächlich besteht, ist praxisgemäss eine Frage der materiellen Beurteilung und keine solche des Eintretens (BGE 139 I 330 E. 1.1; 137 II 305 E. 1.1; 136 II 177 E. 1.1). 
 
2.2. Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten einzutreten (Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2, Art. 89 Abs. 1, Art. 90 und Art. 100 Abs. 1 BGG). Auf die gleichzeitig eingereichte subsidiäre Verfassungsbeschwerde ist dementsprechend nicht einzutreten (vgl. Art. 113 BGG).  
 
2.3. Nicht einzutreten ist auf den Antrag, die Verfügung des Migrationsamts vom 20. November 2020 und dessen Einspracheentscheid vom 18. August 2021 seien aufzuheben. Diese sind durch das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 19. Januar 2022 ersetzt worden (Devolutiveffekt); sie gelten lediglich als mitangefochten und können im bundesgerichtlichen Verfahren nicht in eigenständiger Weise infrage gestellt werden, da die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nur gegen Urteile letzter kantonaler Instanzen zulässig ist (vgl. Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG; BGE 134 II 142 E. 1.4).  
 
2.4. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann insbesondere die Verletzung von Bundes- und Völkerrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a und b BGG). Bei der Prüfung wendet das Bundesgericht das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG; BGE 142 I 155 E. 4.4.5) und verfügt es über volle Kognition (Art. 95 BGG; BGE 141 V 234 E. 2). In Bezug auf die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem Recht gilt eine qualifizierte Rüge- und Substanziierungspflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 147 I 73 E. 1.2; 142 I 99 E. 1.7.2; 139 I 229 E. 2.2).  
 
2.5. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Von den tatsächlichen Grundlagen des vorinstanzlichen Urteils weicht es nur ab, wenn diese offensichtlich unrichtig, unvollständig oder in Verletzung wesentlicher Verfahrensrechte ermittelt wurden und die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG; BGE 147 I 73 E. 2.2; 142 I 135 E. 1.6). Eine entsprechende Rüge ist substanziiert vorzubringen; auf rein appellatorische Kritik an der Sachverhaltsfeststellung bzw. Beweiswürdigung geht das Gericht nicht ein (BGE 140 III 264 E. 2.3; 139 II 404 E. 10.1).  
 
3.  
 
3.1. Die Vorinstanz hat vorab erwogen, dass die Ehegemeinschaft zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Ehefrau spätestens seit der Scheidungsklage der Ehefrau vom 22. Juni 2021 als definitiv gescheitert und aufgelöst zu betrachten war. Eine Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung EU/EFTA des Beschwerdeführers gestützt auf das Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit vom 21. Juni 1999 (FZA; SR 0.142.112.681) kommt deshalb nicht mehr in Frage (Urteil 2C_653/2021 vom 4. Februar 2022 E. 1.2, vgl. E. II.1.1 u. II./3 des angefochtenen Urteils). Damit kann der Beschwerdeführer auch keine Verletzung der Verordnung über den freien Personenverkehr (VFP, SR 142.203) geltend machen.  
 
3.2. Zutreffend wird im angefochtenen Urteil sodann festgestellt, dass der Beschwerdeführer keinen Anspruch auf Erteilung einer eigenständigen Aufenthaltsbewilligung gestützt auf Art. 50 Abs. 1 lit. a AIG hat, weil die Eheleute nicht während drei Jahren in einer echten ehelichen Gemeinschaft zusammengelebt haben.  
 
3.2.1. So gestand der Beschwerdeführer anlässlich seiner Einvernahme durch die Staatsanwaltschaft vom 22. Januar 2019 ausdrücklich, dass es sich bei der Ehe mit seiner - ebenfalls geständigen - tschechischen Ehefrau um eine rein ausländerrechtlich motivierte Ehe (Scheinehe) handelte, was zur Verurteilung beider Eheleute wegen Widerhandlung gegen das AIG per Strafbefehl führte. Dass mittlerweile gleichwohl eine echte Beziehung zwischen ihnen bestehen würde, machte er im Rahmen der damaligen Einvernahme nicht geltend, sondern gab lediglich an, er habe weiterhin Kontakt mit seiner Ehefrau. Damit steht fest, dass bis jedenfalls 22. Januar 2019 keine echte Ehegemeinschaft zwischen den Eheleuten bestand. Selbst wenn mit dem Beschwerdeführer angenommen werden wollte, dass sich aus der eingestandenen Scheinehe zwischenzeitlich doch noch eine echte Ehegemeinschaft entwickelt hätte, bevor die Ehefrau am 22. Juni 2021 auf Scheidung klagte, hätte diese somit weniger als drei Jahre gedauert (vgl. E. II.1.2 des angefochtenen Urteils).  
 
3.2.2. Wie die Vorinstanz weiter festgehalten hat, muss sich der Beschwerdeführer seine im Strafverfahren betreffend Eingehen einer Scheinehe gemachten Aussagen vollumfänglich entgegenhalten lassen. Seine Argumente, wonach er das Eingehen einer Scheinehe im Strafverfahren lediglich deshalb zugegeben habe, um aus der Untersuchungshaft entlassen zu werden, sind zu Recht als unglaubhaft eingestuft worden; sie stehen auch nicht im Einklang damit, dass er sich gegen den ergangenen Strafbefehl nicht zur Wehr setzte und ihn stattdessen in Rechtskraft erwachsen liess. Sodann ist es ihm auch im vorinstanzlichen Verfahren nicht gelungen, auch nur annährend rechtsgenügend zu belegen, dass sich die eingestandene Scheinehe zwischenzeitlich zu einer echten ehelichen Gemeinschaft gewandelt hätte; dem strengen Beweismass, welches rechtsprechungsgemäss für den Nachweis einer solchen "amor superveniens'' gilt (vgl. etwa Urteil 2C_1134/2016 vom 23. Dezember 2016 E. 4.1), ist er in keiner Weise gerecht geworden (vgl. zum Ganzen E. II.2 des angefochtenen Urteils). Auf weitere Beweisabnahmen, insbesondere die Befragung des ehemaligen Hausmeisters oder eines Freundes des Beschwerdeführers, hat die Vorinstanz in antizipierter Beweiswürdigung ohne weiteres verzichten dürfen (vgl. dazu ausführlich E. II.4 des angefochtenen Urteils).  
 
3.2.3. Was der Beschwerdeführer gegen die (für die Beurteilung im Rahmen von Art. 50 Abs. 1 lit. a AIG massgebenden) vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen einwendet, erschöpft sich in nicht zu hörender appellatorischer Kritik am angefochtenen Entscheid (E. 2.5). So ist namentlich im Zusammenhang mit dem scheinehelichen Verhältnis zu seiner Ehefrau und dem diesbezüglichen Strafverfahren - entgegen dem, was der Beschwerdeführer geltend macht (vgl. S. 9-15 Ziff. 25-45 der Beschwerdeschrift) - nicht ersichtlich, wie die Feststellung des Sachverhalts durch die Vorinstanz als krass unrichtig und ungenügend zu bezeichnen wäre. Ebenso wenig sind unzureichende und rechtswidrige Abklärungen insoweit erkennbar, als es um die Ehedauer oder die Integration des Beschwerdeführers (vgl. S. 15-21 Ziff. 46-64 der Beschwerdeschrift) geht. Letztere ist im Übrigen aufgrund des kumulativen Erfordernisses von Ehedauer und Integration in Art. 50 Abs. 1 lit. a AIG vorliegend ohne Bedeutung.  
 
3.3. Die Vorinstanz hat weiter erkannt, dass beim Beschwerdeführer weder ein nachehelicher Härtefall im Sinne vom Art. 50 Abs. 1 lit. b AIG noch ein schwerwiegender persönlicher Härtefall im Sinne von Art. 30 Abs. 1 lit. b AIG vorliegt (vgl. E. II. 1.3 u. 3 des angefochtenen Urteils). Während eine Überprüfung der letzten Frage dem Bundesgericht aufgrund von Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG ohnehin verwehrt bleibt, sind die Grundlagen für einen nachehelichen Härtefall nicht ansatzweise dargetan oder gar erstellt. Damit hat es auch diesbezüglich mit den Erwägungen der Vorinstanz sein Bewenden.  
 
3.4. Mit der Vorinstanz können auch keine Zweifel an der Verhältnismässigkeit einer Aufenthaltsbeendigung bestehen, sofern diese nach dem eben Ausgeführten noch separat zu prüfen sein sollten. Nichts ableiten kann der Beschwerdeführer sodann aus Art. 8 EMRK (BGE 144 I 266 E. 3.9 [betreffend Anspruch aus dem Recht auf Privatleben]; BGE 144 II 1 E. 6.1 [betreffend Beziehung zu den in der Schweiz lebenden Eltern]). Ungenügend substanziiert sind schliesslich auch die übrigen Verfassungsrügen (betreffend rechtliches Gehör und wirksame Beschwerde; E. 2.4).  
 
4.  
 
4.1. Die mit Blick auf das Gesagte offensichtlich unbegründete Beschwerde ist im vereinfachten Verfahren nach Art. 109 Abs. 2 lit. a BGG - mit summarischer Begründung und unter Verweis auf den kantonalen Entscheid (Art. 102 Abs. 1 und Art. 109 Abs. 3 BGG) - abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann (vgl. oben E. 2.2 u. 2.3). Auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde ist nicht einzutreten (vgl. oben E. 2.2).  
 
4.2. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (vgl. Art. 65 f. BGG). Es sind keine Parteientschädigungen geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG).  
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.  
 
1.2. Auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde wird nicht eingetreten.  
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Amt für Migration und Integration des Kantons Aargau, dem Verwaltungsgericht des Kantons Aargau, 2. Kammer, und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 16. August 2022 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: F. Aubry Girardin 
 
Der Gerichtsschreiber: Matter