6B_857/2023 29.11.2023
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
6B_857/2023  
 
 
Urteil vom 29. November 2023  
 
I. strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, Präsidentin, 
Bundesrichter Muschietti, 
Bundesrichterin van de Graaf, 
Gerichtsschreiberin Arquint Hill. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Staats- und Jugendanwaltschaft des Kantons Glarus, Postgasse 29, 8750 Glarus, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Landesverweisung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Glarus vom 24. Mai 2023 (OG.2022.00088). 
 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:  
 
1.  
Das Obergericht des Kantons Glarus stellte mit Urteil vom 24. Mai 2023 die teilweise Rechtskraft des Urteils des Kantonsgerichts Glarus vom 16. November 2022 fest. Es verurteilte den Beschwerdeführer wegen falscher Anschuldigung, gewerbsmässigen Betrugs, mehrfachen unbefugten Eindringens in ein Datenverarbeitungssystem, Urkundenfälschung und Betrugs zu einer Freiheitsstrafe von 40 Monaten und verwies ihn für 5 Jahre des Landes. Es regelte die Aufhebung der Beschlagnahme, die Herausgabe von Gegenständen sowie die Kosten- und Entschädigungsfolgen und nahm Vormerk von der per 15. Februar 2023 erfolgten bedingten Entlassung des Beschwerdeführers aus dem Strafvollzug. 
Der Beschwerdeführer wendet sich mit einer sinngemässen Beschwerde an das Bundesgericht, beschränkt auf die Frage der Landesverweisung. 
 
2.  
Gemäss Art. 42 Abs. 2 BGG ist in der Beschwerdebegründung in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt. Die beschwerdeführende Partei kann in der Beschwerdeschrift nicht bloss erneut die Rechtsstandpunkte bekräftigen, die sie im kantonalen Verfahren eingenommen hat, sondern muss mit ihrer Kritik an den als rechtsfehlerhaft erachteten Erwägungen der Vorinstanz ansetzen (BGE 148 IV 205 E. 2.6 mit Hinweis). Die Bestimmungen von Art. 95 ff. BGG nennen die vor Bundesgericht zulässigen Beschwerdegründe. Hinsichtlich der Verletzung von Grundrechten (einschliesslich der Anfechtung des Sachverhalts wegen Willkür; vgl. Art. 97 Abs. 1 BGG) besteht eine qualifizierte Rügepflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG). Auf ungenügend begründete Rügen tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 147 IV 73 E. 4.1.2). 
 
3.  
Das Gericht verweist einen Ausländer, der wegen einer der in Art. 66a Abs. 1 StGB genannten Katalogtaten verurteilt wird, unabhängig von der Höhe der Strafe, für 5 bis 15 Jahre aus der Schweiz. Von der Anordnung der Landesverweisung kann nur "ausnahmsweise" unter den kumulativen Voraussetzungen abgesehen werden, dass sie (1.) einen schweren persönlichen Härtefall bewirken würde und (2.) die öffentlichen Interessen an der Landesverweisung gegenüber den privaten Interessen des Ausländers am Verbleib in der Schweiz nicht überwiegen. Dabei ist der besonderen Situation von Ausländern Rechnung zu tragen, die in der Schweiz geboren oder aufgewachsen sind (Art. 66a Abs. 2 StGB; sog. Härtefallklausel). Die Härtefallklausel von Art. 66a Abs. 2 StGB dient der Umsetzung des Verhältnismässigkeitsprinzips (Art. 5 Abs. 2 BV; BGE 146 IV 105 E. 3.4.2; 144 IV 332 E. 3.1.2 und 3.3.1). Sie ist restriktiv anzuwenden (BGE 146 IV 105 E. 3.4.2; 144 IV 332 E. 3.3.1 mit Hinweis). 
 
4.  
 
4.1. Die Vorinstanz geht richtig davon aus, dass die Verurteilung wegen gewerbsmässigen Betrugs im Sinne von Art. 146 Abs. 2 StGB eine Katalogtat darstellt (Art. 66a Abs. 1 lit c StGB). In der Folge prüft sie die Situation des Beschwerdeführers umfassend unter Einbezug aller massgeblichen Gesichtspunkte und gelangt zum Schluss, es liege kein schwerer persönlicher Härtefall gemäss Art. 66a Abs. 2 StGB vor. Was der Beschwerdeführer dagegen in seiner Eingabe an das Bundesgericht einwendet, vermag die gesetzlichen Anforderungen an die Begründung einer Beschwerde nicht zu erfüllen (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG). Seine pauschalen Hinweise auf seine Integrationsbemühungen mit aktuell eingetretenen Neuerungen betreffend seine Lebenssituation in der Schweiz (wonach er seit dem 1. Juni 2023 als Elektroplaner arbeite, eine Weiterbildung im nächsten Jahr plane, seinen finanziellen Verpflichtungen inkl. Wiedergutmachungszahlungen nachkomme, ein solides soziales Umfeld aus Freunden und Familie aufgebaut und sich von negativen Einflüssen distanziert habe) erschöpfen sich ebenso wie seine Behauptungen zu seiner Situation in Spanien (wonach er die spanische Sprache nicht beherrsche, Kultur und Gepflogenheiten nicht kenne, in Spanien keinerlei Kontakte habe und dort nicht werde arbeiten können) in appellatorischer und zum Teil novenrechtlich unzulässiger Kritik, ohne dass er dabei Bezug auf die vorinstanzlichen Urteilserwägungen nehmen, geschweige denn sich damit in einer den Formerfordernissen genügenden Weise auseinandersetzen würde, um anhand dieser darzulegen, dass und weshalb die Vorinstanz bei der Beweiswürdigung bzw. Sachverhaltsfeststellung in Willkür verfallen wäre oder bei der Würdigung des von ihr festgestellten Sachverhalts Recht verletzt hätte.  
 
4.2. Selbst wenn die Beschwerde hinreichend begründet wäre und darauf eingetreten werden könnte, wäre die ausgesprochene Landesverweisung nicht zu beanstanden, da die Vorinstanz das Vorliegen eines schweren persönlichen Härtefalls ohne Willkür und ohne Rechtsverletzung verneint. Hinsichtlich der rechtlichen Voraussetzungen für die Anordnung einer Landesverweisung wie auch deren Anwendung auf den konkreten Fall kann grundsätzlich auf die Begründung der Vorinstanz verwiesen werden (Art. 109 Abs. 3 BGG).  
 
4.2.1. Der Beschwerdeführer ist am 31. März 1992 in Spanien geboren und dort zunächst aufgewachsen. Seit seinem vierten Lebensjahr verbrachte er die Ferien, seinen eigenen Angaben zufolge, regelmässig in der Schweiz, weil sein Vater hier arbeitete. Im Jahr 2003 im Alter von elf Jahren kam er definitiv hierher, besuchte die 5. Primarklasse sowie die Realschule und schloss eine Berufslehre als Elektroinstallateur ab. Er spricht fliessend Deutsch und Schweizerdeutsch. Die Vorinstanz erwägt, die in der Schweiz verbrachte Zeit sei für den Beschwerdeführer prägend gewesen; sie hält aber gleichsam fest, dasselbe gelte auch für die bis zur Einreise in die Schweiz verbrachte (Schul-) Zeit in Spanien. Zudem weist sie darauf hin, dass der Beschwerdeführer - um sich der hiesigen Strafverfolgung zu entziehen - im April 2017 nach Spanien flüchtete und bis im Sommer 2020, folglich rund drei Jahre, dort gelebt hat.  
 
4.2.2. Die Vorinstanz beleuchtet in der Folge die Familienverhältnisse und die Integration des Beschwerdeführers und führt aus, dessen Mutter und Bruder lebten in der Schweiz, über weitere Verwandte sei nichts bekannt und im Übrigen scheine er nur wenige Sozialkontakte zu pflegen, so dass insgesamt von einer hiesig unterdurchschnittlichen sozialen Einbettung auszugehen sei. Bindungen in Spanien sind nach der Vorinstanz allem Anschein nach vorhanden. Noch im Dezember 2016 habe der Beschwerdeführer mit seinen Eltern dort Ferien gemacht; während seines rund dreijährigen Spanienaufenthalts ab April 2017 habe er zudem zunächst bei einer Bekannten aus Deutschland gewohnt, um dann bei seiner Grossmutter unterzukommen, die nunmehr in einem Altersheim lebe. Neben diesem stärksten familiären Bezug hat er nach der Vorinstanz noch weitere Verwandte in Spanien, mit denen er gemäss seinen Aussagen jedoch seit Jahrzehnten keinen Kontakt mehr habe. Allerdings soll er gegenüber der Bewährungshelferin den Besuch eines Cousins aus Spanien angekündigt haben, was nach der Vorinstanz auf bisher nicht erwähnte familiäre Bindungen schliessen lasse. Zudem würde die Mutter des Beschwerdeführers laut seinen Aussagen im Falle eines Landesverweises allenfalls "auch nach Spanien kommen oder ev. pendeln". Die Vorinstanz erachtet einen Landesverweis aufgrund der Familienverhältnisse daher als grundsätzlich zumutbar.  
 
 
4.2.3. Im Rahmen des wirtschaftlichen Integrationskriteriums übersieht die Vorinstanz die fast siebenjährige Nichterwerbstätigkeit des Beschwerdeführers nicht; sie weist aber darauf hin, dass während des Berufungsverfahrens verschiedene Bewerbungen pendent waren, sich unterdessen ein Vertragsabschluss konkretisiert hat und der Beschwerdeführer voraussichtlich per 1. Juni 2023 wird arbeiten können. Die Chancen auf eine Anstellung sind nach der Vorinstanz indessen nicht nur in der Schweiz, sondern ebenfalls in Spanien intakt, da der Beschwerdeführer auch Spanisch spreche. Entsprechend hoch sei die Möglichkeit einer Wiedereingliederung auch im Herkunftsland. Dass er seine schriftlichen Fähigkeiten im Spanischen (allenfalls) nachbessern müsse, stellt nach der Rechtsprechung kein Hindernis dar (BGE 146 IV 105 E. 3.5). Mit der Vorinstanz ist davon auszugehen, dass der zweisprachige Beschwerdeführer auf dem spanischen Arbeitsmarkt Fuss fassen und (wohl) auf seinem erlernten Beruf als Elektroinstallateur und/oder als Stromer wird arbeiten können. Sein Argument, seine Ausbildung in der Schweiz zähle in Spanien nicht bzw. es sei höchst unsicher, ob er dort überhaupt werde arbeiten können, verwirft die Vorinstanz ohne Willkür als zumindest fragwürdig. Dass die Wirtschaftslage in Spanien allenfalls schwieriger als in der Schweiz sein könnte, steht einem Landesverweis praxisgemäss nicht entgegen (Urteil 6B_1299/2019 vom 28. Januar 2020 E. 3.4.2). Mit Blick insbesondere auf seine "Arbeit/Anstellung" in einer "Gaming Bar" während seines Aufenthalts in Spanien erwägt die Vorinstanz zudem, es sei denkbar, dass der Beschwerdeführer eine Existenz auch ausserhalb seines erlernten Berufs aufbauen könnte.  
 
4.2.4. Gesundheitliche Probleme, die ebenfalls zu beachten wären, bestehen laut der Vorinstanz, die auf die Aussagen des Beschwerdeführers abstellt, nicht bzw. nicht mehr.  
 
4.3. Zusammenfassend hat die Vorinstanz die Situation des Beschwerdeführers ganzheitlich gewürdigt. Unter Hinweis auf die vergleichsweise stärkeren familiären und beruflichen Bindungen in der Schweiz verkennt sie nicht, dass ein Landesverweis für den Beschwerdeführer eine nicht unerhebliche Härte bedeutet. Diese Härte geht allerdings nicht über das Mass hinaus, dass der Verfassungs- und Gesetzgeber mit der Einführung der obligatorischen Landesverweisung in Kauf nahm oder sogar wollte. Es ist folglich nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz erwägt, die mit der Landesverweisung für den Beschwerdeführer verbundenen Nachteile hielten sich in den zumutbaren Grenzen. Damit verneint sie das Vorliegen eines schweren persönlichen Härtefalls ohne Rechtsverletzung. Eine Abwägung der privaten Interessen am Verbleib in der Schweiz und der öffentlichen Interessen an einer Landesverweisung erübrigt sich. Im Weiteren hat die Vorinstanz zu Recht erkannt, dass weder Art. 8 Ziff. 1 EMRK noch das FZA einer Landesverweisung entgegenstehen. Auf ihre Erwägungen kann verwiesen werden (Art. 109 Abs. 3 BGG).  
 
5.  
Die Beschwerde ist im Verfahren nach Art. 109 BGG abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Ausgangsgemäss sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). In Berücksichtigung des relativ geringen Aufwands ist eine reduzierte Entscheidgebühr angemessen (Art. 65 Abs. 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Glarus schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 29. November 2023 
 
Im Namen der I. strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Jacquemoud-Rossari 
 
Die Gerichtsschreiberin: Arquint Hill