9C_293/2023 21.06.2023
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
9C_293/2023  
 
 
Urteil vom 21. Juni 2023  
 
III. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Parrino, Präsident, 
Bundesrichter Stadelmann, 
Bundesrichterin Scherrer Reber, 
Gerichtsschreiber Nabold. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Ausgleichskasse des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
A.________ GmbH, 
vertreten durch Rechtsanwalt Reto Gygax, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Alters- und Hinterlassenenversicherung, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 20. Februar 2023 (AB.2021.00092). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die A.________ GmbH betreibt Kinderkrippen, Kinderhorte, Kindergärten und Tagesschulen. Sie ist als Arbeitgeberin der Ausgleichskasse des Kantons Zürich angeschlossen. Im Nachgang einer am 18. April 2018 stattgefundenen Arbeitgeberkontrolle forderte die Ausgleichskasse von der A.________ GmbH mit Verfügung vom 26. November 2020 für die Jahre 2015 bis 2017 zusätzliche Lohnbeiträge (inkl. Verwaltungskosten) in der Höhe von insgesamt Fr. 77'885.20 nach. Zudem setzte sie mit drei Verfügungen vom 25. November 2020 die von der Gesellschaft geschuldeten Verzugszinsen auf insgesamt Fr. 12'627.75 fest. Eine von der Gesellschaft gegen diese Verfügungen erhobene Einsprache wies dies Ausgleichskasse mit Einspracheentscheid vom 24. September 2021 ab. 
 
B.  
Die von der A.________ GmbH hiegegen erhobene Beschwerde hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Urteil vom 20. Februar 2023 gut und hob den angefochtenen Einspracheentscheid ersatzlos auf. 
 
C.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt die Ausgleichskasse das Kantons Zürich, es sei unter Aufhebung des kantonalen Gerichtsurteils ihr Einspracheentscheid zu bestätigen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (BGE 134 V 250 E. 1.2 mit Hinweisen; 133 III 545 E. 2.2; 130 III 136 E. 1.4). Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der  
allgemeinen Begründungspflicht der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 mit Hinweisen). 
 
1.2. Das Bundesgericht kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). Überdies muss die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein (Art. 97 Abs. 1 BGG).  
Die beschwerdeführende Partei, welche die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz anfechten will, muss substanziiert darlegen, inwiefern die Voraussetzungen einer Ausnahme gemäss Art. 105 Abs. 2 BGG gegeben sind und das Verfahren bei rechtskonformer Ermittlung des Sachverhalts anders ausgegangen wäre; andernfalls kann ein Sachverhalt, der vom im angefochtenen Entscheid festgestellten abweicht, nicht berücksichtigt werden (BGE 140 III 16 E. 1.3.1 mit Hinweisen). 
 
2.  
Streitig sind die Lohnbeiträge der Beschwerdegegnerin für die Jahre 2015 bis 2017. Zu prüfen ist in diesem Zusammenhang einzig, ob das kantonale Gericht Bundesrecht verletzte, als es im Zusammenhang mit der Mittagsverpflegung der Angestellten der Beschwerdegegnerin nicht von einem (zusätzlichen) beitragspflichtigen Naturaleinkommen ausging. 
 
3.  
 
3.1. Die Beiträge der erwerbstätigen Versicherten werden nach Art. 4 Abs. 1 AHVG in Prozenten des Einkommens aus unselbständiger und selbständiger Erwerbstätigkeit festgesetzt. Als massgebender Lohn gilt grundsätzlich jedes Entgelt für in unselbstständiger Stellung auf bestimmte oder unbestimmte Zeit geleistete Arbeit (Art. 5 Abs. 2 Satz 1 AHVG). Der massgebende Lohn umfasst auch Teuerungs- und andere Lohnzulagen, Provisionen, Gratifikationen, Naturalleistungen, Ferien- und Feiertagsentschädigungen und ähnliche Bezüge, ferner Trinkgelder, soweit diese einen wesentlichen Bestandteil des Arbeitsentgeltes darstellen (Art. 5 Abs. 2 Satz 2 AHVG). Dazu gehören mithin begrifflich sämtliche Bezüge der Arbeitnehmerin und des Arbeitnehmers, die wirtschaftlich mit dem Arbeitsverhältnis zusammenhängen, gleichgültig, ob dieses Verhältnis fortbesteht oder gelöst worden ist und ob die Leistungen geschuldet werden oder freiwillig erfolgen. Als beitragspflichtiges Einkommen aus unselbstständiger Erwerbstätigkeit gilt somit nicht nur unmittelbares Entgelt für geleistete Arbeit, sondern grundsätzlich jede Entschädigung oder Zuwendung, die sonst wie aus dem Arbeitsverhältnis bezogen wird, soweit sie nicht kraft ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift von der Beitragspflicht ausgenommen ist. Erfasst werden grundsätzlich alle Einkünfte, die im Zusammenhang mit einem Arbeits- oder Dienstverhältnis stehen und ohne dieses nicht geflossen wären. Umgekehrt unterliegen grundsätzlich nur Einkünfte, die tatsächlich geflossen sind, der Beitragspflicht (BGE 138 V 463 E. 6.1 mit weiteren Hinweisen).  
 
3.2. Zu dem für die Berechnung der Beiträge massgebenden Lohn gehören insbesondere regelmässige Naturalbezüge (Art. 7 lit. f AHVV). Verpflegung und Unterkunft der Arbeitnehmer im Betrieb und im Hausdienst werden nach Art. 11 Abs. 1 AHVV - unter Vorbehalt der Beiträge der mitarbeitenden Familienmitgliedern - mit Fr. 33.- im Tag bewertet. Gewährt der Arbeitgeber nicht volle Verpflegung und Unterkunft, so beträgt der Ansatz gemäss Art. 11 Abs. 2 AHVV Fr. 3.50 für ein Frühstück, Fr. 10.- für ein Mittagessen, Fr. 8.- für ein Abendessen und Fr. 11.50 für Unterkunft.  
Der Wert anders gearteten Naturaleinkommens ist nach Art. 13 AHVV von Fall zu Fall den Umständen entsprechend von der Ausgleichskasse zu schätzen, (vgl. Wegleitung des Bundesamts für Sozialversicherung über den massgebenden Lohn in der AHV, IV und EO, WML [Stand 1. Januar 2015] Rz. 2063), wobei der Verwaltung hierbei ein grosser Ermessensspielraum zukommt (AHI 1996 S. 154 ff., H 61/95). 
 
4.  
 
4.1. Es steht fest und ist unbestritten, dass die Beschwerdegegnerin von den deklarierten Einkommen ihrer angestellten Kinderbetreuerinnen und -betreuer pro Arbeitstag Fr. 5.- einbehält zur Finanzierung der von diesen während des Tags in der Einrichtung konsumierten Speisen und Getränke. Dabei steht aufgrund der für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlichen vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen fest, dass um die Mittagszeit für die Kinder ein kindergerechtes Menü zubereitet wird. Die Angestellten betreuen die Kinder auch während des Essens und essen aus pädagogischen Gründen (Vorbildfunktion) auch einige Bissen mit, wobei dieses Mittagessen mit den Kindern zur Arbeitszeit (und nicht zur Pausenzeit) zählt. Die Portionen sind indessen nicht so berechnet, dass die Erwachsenen satt werden; es ist vielmehr üblich, dass diese während ihrer Mittagspause von ihnen selber organisierte und finanzierte Speisen einnehmen (E. 4.1 und 4.2 des vorinstanzlichen Urteils).  
Die beschwerdeführende Ausgleichskasse bestreitet diese Feststellungen nicht, macht jedoch geltend, gestützt auf Art. 11 Abs. 2 AHVV müsse für ein Mittagessen mindestens Fr. 10.- zum massgebenden Lohn hinzugerechnet werden. Aus Rechtsgleichheits- und Praktikabilitätsgründen könne es dabei nicht darauf ankommen, wie umfangreich ein vom Arbeitgeber gewährtes Mittagessen ausfalle - wesentlich sei alleine, dass ein vom Arbeitgeber finanziertes Mittagessen eingenommen werde. 
 
4.2. Art. 11 AHVV sieht für die verschiedenen Arten von Verpflegung und Unterkunft der Arbeitnehmer in Betrieb verschiedene Pauschalbeträge vor. Damit soll offenkundig vermieden werden, dass der Wert dieser Leistungen des Arbeitgebers im Einzelfall ermittelt werden müsste. Die Aufrechnung der Pauschale von Art. 11 Abs. 2 AHVV für ein Mittagessen unter dem Titel "Naturaleinkommen" rechtfertigt sich - auch mit Blick auf das von der Beschwerdeführerin angerufene Rechtsgleichheitsgebot (vgl. Art. 8 Abs. 1 BV) - indessen nur dann, wenn vom Arbeitgeber tatsächlich auch ein (vollwertiges) Mittagessen abgegeben wird. Nicht jede Verpflegung, die zur Mittagszeit eingenommen wird, stellt indessen ein solches vollwertiges Mittagessen dar. Von einem solchen ist vielmehr erst dann auszugehen, wenn durch die abgegebene Portion eine durchschnittliche, erwachsene Person hinreichend satt wird, so dass sie sich die Ausgaben für eine selbst organisierte Mahlzeit sparen kann. Ist eine Sättigung der Arbeitnehmer durch die Mittagsverpflegung weder bezweckt noch erstellt, so stellt diese kein Mittagessen im Sinne von Art. 11 Abs. 2 AHVV dar. Der Wert der abgegebenen Speisen und Getränke ist diesfalls in Anwendung von Art. 13 AHVV von Fall zu Fall den Umständen entsprechend von der Ausgleichskasse zu schätzen. Dass den Ausgleichskassen durch diese pflichtgemäss vorzunehmende Schätzung ein gewisser Aufwand entsteht, lässt diese Auslegung der einschlägigen Verordnungsbestimmungen (E. 3.2 hiervor) nicht als unpraktikabel erscheinen.  
 
4.3. Vorliegend steht fest, dass das gemeinsame "Mittagessen" des Betreuungspersonals mit den Kindern nicht die Sättigung des Betreuungspersonals bezweckte und dieses sich regelmässig noch selbstfinanziert zusätzlich verpflegte (Art. 105 Abs. 1 BGG). Somit verletzte das kantonale Gericht kein Bundesrecht, als es zur Ermittlung des Wertes des Nautraleinkommens nicht den Pauschalbetrag für ein Mittagessen nach Art. 11 Abs. 2 AHVV einsetzte, sondern diesen unter Berücksichtigung der Gesamtausgaben der Beschwerdegegnerin für Speisen und Getränke (für Betreuungspersonal und Kinder) schätzte. Dass diese Schätzung unhaltbar wäre, wird von der Beschwerdeführerin nicht dargetan. Ihre Beschwerde ist somit abzuweisen.  
 
5.  
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Da die Beschwerde ohne Durchführung eines Schriftenwechsels erledigt wird (vgl. Art. 102 Abs. 1 BGG e contrario) und der Beschwerdegegnerin damit kein entschädigungspflichtiger Aufwand entstanden ist, ist von der Zusprache einer Parteientschädigung abzusehen (vgl. Urteil 9C_508/2022 vom 15. Mai 2023 E. 6). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 4'500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 21. Juni 2023 
 
Im Namen der III. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Parrino 
 
Der Gerichtsschreiber: Nabold