8C_198/2023 16.10.2023
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
8C_198/2023  
 
 
Urteil vom 16. Oktober 2023  
 
IV. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Wirthlin, Präsident, 
Bundesrichterinnen Heine, Viscione, 
Gerichtsschreiber Hochuli. 
 
Verfahrensbeteiligte 
IV-Stelle des Kantons St. Gallen, Brauerstrasse 54, 9016 St. Gallen, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Karin Herzog, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Invalidenrente, prozessuale Revision), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 16. Februar 2023 (IV 2022/12). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. A.________, geboren 1979, arbeitete zuletzt als Hilfsgipser. Am 3. Juni 2006 erlitt er als Beifahrer erhebliche Verletzungen, als der von seinem Cousin gelenkte Personenwagen von der Strasse abkam und gegen mehrere Bäume prallte. Auf der Rücksitzbank wurden dabei seine am 8. Dezember 2005 geheiratete zweite Ehegattin und die Ehegattin seines Cousins sowie dessen dreijähriger Sohn getötet. Auf Wunsch von A.________ wurde er am 29. Juni 2007 vorzeitig bereits nach drei - statt der geplanten vier - Wochen aus der stationären Rehabilitation in der Klinik B.________ entlassen. Laut Austrittsbericht der Klinik B.________ vom 10. Juli 2007 war er damals aus psychiatrischer Sicht voll arbeitsunfähig, wobei ihm jedoch aus funktionell-somatischer Sicht mindestens mittelschwere Tätigkeiten wieder ganztags zumutbar waren. Nach der Heirat seiner dritten Ehefrau vom 30. November 2007 gebar ihm diese am 27. Mai 2009 eine Tochter. Mit Wirkung ab 1. Juni 2007 sprach ihm die IV-Stelle des Kantons St. Gallen (fortan: IV-Stelle oder Beschwerdeführerin) bei einem Invaliditätsgrad von 50% eine halbe Invalidenrente zu (Verfügung vom 3. April 2009). Die dagegen erhobene Beschwerde des A.________ hiess das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 27. Mai 2011 teilweise gut, indem es die Verfügung vom 3. April 2009 aufhob und die Sache zur weiteren Abklärung und Neuverfügung an die IV-Stelle zurückwies.  
 
A.b. Nach ergänzenden Abklärungen verneinte die IV-Stelle einen Rentenanspruch bei einem Invaliditätsgrad von 1% und kündigte an, die seit 1. Juni 2007 ausgerichtete halbe Invalidenrente per sofort einzustellen und auf eine Rückforderung der zu Unrecht erbrachten Rentenleistungen zu verzichten (Verfügung vom 22. Januar 2013).  
Die hiergegen erhobene Beschwerde des A.________ hiess das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen im Verfahren IV 2013/90 gut, indem es die Verfügung vom 22. Januar 2013 aufhob und dem Versicherten ab 1. Juni 2007 eine ganze und ab 1. August 2012 eine Dreiviertelsrente der Invalidenversicherung zusprach (Entscheid vom 13. Mai 2015). 
 
A.c. Zwischen Juni 2017 und Februar 2018 liess die zuständige Haftpflichtversicherung, die Zürich Versicherungs-Gesellschaft AG (fortan: Zürich), A.________ während dreier Perioden observieren, worüber sie im Anschluss die IV-Stelle in Kenntnis setzte. Daraufhin leitete Letztere ein Revisionsverfahren ein.  
Mit Zwischenverfügung vom 15. März 2019 hielt die IV-Stelle daran fest, A.________ bidisziplinär begutachten zu lassen, den Experten das vollständige IV-Dossier samt Observationsmaterial vorzulegen und ihnen den beabsichtigten Fragenkatalog zu unterbreiten. A.________ erhob hiergegen Beschwerde. In der Folge beendete die IV-Stelle ihre Rentenleistungen vorsorglich mit sofortiger Wirkung (Verfügung vom 21. Juni 2019). Auch dagegen liess A.________ Beschwerde erheben. Mit separaten Entscheiden vom 15. und 31. Januar 2020 wies das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen beide Beschwerden ab. 
 
B.  
Gestützt auf das bidisziplinäre, orthopädisch-psychiatrische Gutachten der ZVMB GmbH in Bern vom 11. Oktober 2021 (fortan: ZVMB-Gutachten) ersuchte die IV-Stelle am 27. Januar 2022 das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen um Wiederaufnahme des Verfahrens IV 2013/90. Der Gerichtsentscheid vom 13. Mai 2015 sei im Rahmen einer prozessualen Revision anzupassen, die Verfügung vom 22. Januar 2013 zu bestätigen und die Sache zur Berechnung der Rückforderung an die IV-Stelle zurückzuweisen. Mit Entscheid vom 16. Februar 2023 trat das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen auf das Wiederaufnahmegesuch der IV-Stelle nicht ein. 
 
C.  
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt die IV-Stelle, der angefochtene Gerichtsentscheid sei aufzuheben und die Sache zur materiellen Beurteilung des Wiederaufnahmegesuchs an die Vorinstanz zurückzuweisen. Mit unaufgefordert eingereichter Eingabe vom 10. Mai 2023 verweist die IV-Stelle auf den Stand des gegen A.________ eingeleiteten und von der zuständigen Staatsanwaltschaft eröffneten Strafverfahrens wegen des Verdachts auf Betrug. A.________ schliesst auf Beschwerdeabweisung und ersucht um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung. Die Vorinstanz und das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) verzichten auf eine Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss den Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG) und legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG) prüft es grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 147 I 73 E. 2.1; 145 V 304 E. 1.1; Urteil 8C_624/2022 vom 24. Februar 2023 E. 1.1).  
 
1.2. Sachverhaltsrügen unterliegen dem qualifizierten Rügeprinzip, soweit damit offensichtliche Unrichtigkeit, mithin Willkür dargetan werden soll (vgl. Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 148 V 366 E. 3.3). Einen von den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz abweichenden Sachverhalt zu behaupten oder die eigene Beweiswürdigung zu erläutern, genügt nicht (vgl. BGE 137 II 353 E. 5.1). Es belegt keine Willkür, dass die Schlüsse der Vorinstanz nicht mit der eigenen Darstellung der beschwerdeführenden Partei übereinstimmen (vgl. BGE 142 II 433 E. 4.4). Das Bundesgericht prüft die Rüge der offensichtlich unrichtigen Feststellung des Sachverhalts gemäss Art. 106 Abs. 2 BGG nur, soweit sie in der Beschwerde explizit vorgebracht und substanziiert begründet worden ist. Auf eine rein appellatorische Kritik am angefochtenen Urteil geht es nicht ein (vgl. BGE 147 IV 74 E. 4.1.2 i.f. mit Hinweisen).  
 
1.3. Die Beweiswürdigung im Allgemeinen einschliesslich die Würdigung von Indizien und fallbezogene Wahrscheinlichkeitsüberlegungen betrifft Tatfragen, die das Bundesgericht lediglich auf offensichtliche Unrichtigkeit und Rechtsfehlerhaftigkeit hin zu überprüfen befugt ist (Art. 105 Abs. 2 BGG; vgl. E. 1.2 hiervor). Blosse Zweifel an der Richtigkeit der vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellung ändern an deren Verbindlichkeitswirkung gemäss Art. 105 Abs. 1 BGG nichts (ARV 2013 S. 356, 8C_334/2013 vom E. 1.3; vgl. zudem die Hinweise in Urteil 8C_431/2012 vom 12. Dezember 2012 E. 1.2).  
 
2.  
 
2.1. Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen vor Bundesgericht nur so weit vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG), was in der Beschwerde näher darzulegen ist. Der vorinstanzliche Verfahrensausgang allein bildet noch keinen hinreichenden Anlass im Sinne von Art. 99 Abs. 1 BGG für die Zulässigkeit von unechten Noven, die bereits im kantonalen Verfahren ohne Weiteres hätten vorgebracht werden können. Tatsachen, die sich erst nach dem angefochtenen Entscheid ereigneten oder Urkunden, die erst nach diesem entstanden sind, können als echte Noven vom Bundesgericht nicht berücksichtigt werden (zum Ganzen: BGE 143 V 19 E. 1.2 mit Hinweisen; SVR 2021 UV Nr. 36 S. 162, 8C_624/2020 E. 2.1).  
 
2.2. Erstmals vor Bundesgericht macht die IV-Stelle neu geltend, gegen den Beschwerdegegner eine Strafanzeige eingereicht zu haben. Ungeachtet dessen, dass sie sich dabei unter anderem auf echte, vor Bundesgericht unzulässige Noven bezieht (vgl. Telefonnotiz vom 9. Mai 2023), vermag die Beschwerdeführerin daraus nichts zu ihren Gunsten abzuleiten, da sie nicht darlegt, inwiefern die Vorinstanz das Willkürverbot verletzte, indem sie mit Blick auf die Ausführungen der IV-Stelle den erfolgreichen Nachweis einer strafbaren Handlung verneinte (vgl. auch E. 5.2.3 hiernach). Denn der beschwerdeführenden IV-Stelle blieb es im vorinstanzlichen Verfahren unbenommen, sämtliche Argumente im Zusammenhang mit den zur Anzeige gebrachten Verbrechen und Vergehen auch ausserhalb des eingeleiteten Strafverfahrens (vgl. BGE 148 V 195 E. 4.1 f. mit Hinweisen) zwecks Geltendmachung prozessualer Revisionsgründe (vgl. dazu E. 4.2 hiernach) vorzubringen.  
 
3.  
Strittig und zu prüfen ist einzig die prozessuale Frage, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie auf das Wiederaufnahmegesuch der IV-Stelle vom 27. Januar 2022 hinsichtlich des mit kantonalem Gerichtsentscheid vom 13. Mai 2015 rechtskräftig abgeschlossenen Beschwerdeverfahrens IV 2013/90 nicht eintrat (vgl. BGE 135 II 38 E. 1.2 und Urteil 8C_197/2020 vom 11. Mai 2020 E. 2 mit Hinweisen). 
 
4.  
 
4.1. Laut Art. 61 lit. i ATSG i.V.m. Art. 81 Abs. 1 lit. c des st. gallischen Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege vom 16. Mai 1965 (VRP/SG; sGS 951.1) muss die Revision von Entscheiden der kantonalen Versicherungsgerichte u.a. wegen Entdeckung neuer Tatsachen oder Beweismittel, die im früheren Verfahren nicht beigebracht werden konnten, gewährleistet sein (Urteil 8C_107/2022 vom 31. März 2023 E. 4.1). Die sichere Kenntnis vom Revisionsgrund ist nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung nicht erst dann gegeben, wenn der Revisionskläger die neue erhebliche Tatsache sicher beweisen kann, sondern es genügt ein auf sicheren Grundlagen fussendes Wissen darüber (BGE 143 V 105 E. 2.4 mit Hinweisen). Über die Wiederaufnahme eines Verfahrens entscheidet jene Instanz, die den Entscheid getroffen hat (vgl. Urteil 8C_481/2016 vom 22. September 2016 E. 3 mit Hinweis auf Art. 82 Abs. 1 VRP/SG).  
 
4.2. Der Begriff "neue Tatsachen oder Beweismittel" ist gleich auszulegen wie bei der Revision formell rechtskräftiger Verfügungen und Einspracheentscheide nach Art. 53 Abs. 1 ATSG (SVR 2010 IV Nr. 55 S. 169, 9C_764/2009 E. 3.1; Urteil 8C_714/2016 vom 16. Dezember 2016 E. 2; vgl. BGE 144 V 245 E. 5.1 mit Hinweisen).  
 
4.2.1. Neu sind Tatsachen, die sich bis zum Zeitpunkt, da im Hauptverfahren noch tatsächliche Vorbringen prozessual zulässig waren, verwirklicht haben, jedoch trotz hinreichender Sorgfalt nicht bekannt waren. Die neuen Tatsachen müssen ferner erheblich sein, das heisst, sie müssen geeignet sein, die tatbeständliche Grundlage des zur Revision beantragten Entscheids zu verändern und bei zutreffender rechtlicher Würdigung zu einer anderen Entscheidung zu führen. Neue Beweismittel haben entweder dem Beweis der die Revision begründenden neuen erheblichen Tatsachen oder dem Beweis von Tatsachen zu dienen, die zwar im früheren Verfahren bekannt gewesen, aber zum Nachteil des Gesuchstellers unbewiesen geblieben sind. Erheblich ist ein Beweismittel, wenn anzunehmen ist, es hätte zu einem anderen Urteil geführt, falls das Gericht bzw. die Verwaltung im Hauptverfahren davon Kenntnis gehabt hätte. Ausschlaggebend ist, dass das Beweismittel nicht bloss der Sachverhaltswürdigung, sondern der Sachverhaltsfeststellung dient. Es bedarf dazu neuer Elemente tatsächlicher Natur, welche die Entscheidungsgrundlagen als objektiv mangelhaft erscheinen lassen (BGE 143 V 105 E. 2.3; SVR 2022 IV Nr. 17 S. 53, 9C_12/2021 E. 2.1 mit Hinweisen).  
 
4.2.2. Betrifft der Revisionsgrund eine materielle Anspruchsvoraussetzung, deren Beurteilung massgeblich auf Schätzung oder Beweiswürdigung beruht, auf Elementen also, die notwendigerweise Ermessenszüge aufweisen, so ist eine vorgebrachte neue Tatsache als solche in der Regel nicht erheblich. Ein (prozessrechtlicher) Revisionsgrund fällt demnach überhaupt nur in Betracht, wenn bereits im ursprünglichen Verfahren der untersuchende Arzt und die entscheidende Behörde das Ermessen wegen eines neu erhobenen Befundes zwingend anders hätten ausüben und infolgedessen zu einem anderen Ergebnis hätten gelangen müssen. An diesem prozessualrevisionsrechtlich verlangten Erfordernis fehlt es, wenn sich das Neue im Wesentlichen in (differenzial-) diagnostischen Überlegungen erschöpft, also auf der Ebene der medizinischen Beurteilung anzusiedeln ist (BGE 144 V 245 E. 5.3 mit Hinweisen).  
 
4.2.3. Neue medizinische Expertisen, die im Verfahren, das zur früheren Verfügung geführt hat, keine gravierende und unvertretbare Fehldiagnose feststellen, erfüllen das Kriterium der Erheblichkeit nicht. Aufgrund der Symptome lassen sich Krankheiten oft nicht klar voneinander abgrenzen. Es wäre nicht sinnvoll, wenn jede im Nachhinein korrigierte Diagnose eine Revision begründen könnte, zumal der erhobene Krankheitsbefund nicht grundlegend für das Mass der Arbeits (un) fähigkeit und damit die Beurteilung des Invaliditätsgrades ist (BGE 144 V 245 E. 5.4 mit Hinweis).  
 
5.  
 
5.1. Das kantonale Gericht liess offen, ob das Wiederaufnahmebegehren überhaupt fristgerecht eingereicht wurde und das ZVMB-Gutachten beweiskräftig sei. Es gelangte jedoch zur Auffassung, dass sich aus dem Observationsmaterial, dem ZVMB-Gutachten und dessen Würdigung gemäss RAD-ärztlicher Beurteilung vom 23. November 2021 in Bezug auf den Sachverhalt, wie er sich bis zum 22. Januar 2013 verwirklicht hatte und für den Ausgang des Verfahren IV 2013/90 entscheidwesentlich war, offenkundig keine relevanten neuen Tatsachen zeigten, welche eine Wiederaufnahme dieses Verfahrens rechtfertigen würden. Mit dem Beschwerdegegner wäre es der Beschwerdeführerin bei der ihr zumutbaren Sorgfalt möglich gewesen, die von ihr vorgebrachten Mängel an der medizinischen Sachverhaltsfeststellung gemäss kantonalem Entscheid vom 13. Mai 2015 damals mit einem ordentlichen Rechtsmittel geltend zu machen. Denn die Rechtsfragen, ob eine Aggravation oder Simulation oder andere ärztliche Feststellungen eine Invalidität ausschlössen, hätte das Bundesgericht mit voller Kognition geprüft (Art. 95 lit. a BGG). Infolge offenkundig nicht erfüllter Voraussetzungen für eine prozessuale Revision im Sinne von Art. 61 lit. i ATSG in Verbindung mit Art. 81 Abs. 1 lit. c VRP/SG (E. 4) trat die Vorinstanz auf das Wiederaufnahmegesuch nicht ein.  
 
5.2. Die Beschwerdeführerin beanstandet im Wesentlichen die vorinstanzliche Beweiswürdigung und Sachverhaltsfeststellung.  
 
5.2.1. Gemäss angefochtenem Entscheid stellte schon Dr. med. C.________ in seinem neurologischen und psychiatrischen Gutachten vom 3. April 2012 Inkonsistenzen, Aggravation oder Simulation fest. Dementsprechend schätzte er die Restarbeitsfähigkeit auf 35%. Gestützt auf die damalige medizinische Aktenlage begründete die IV-Stelle den von ihr auf 1% ermittelten Invaliditätsgrad bereits mit Verfügung vom 22. Januar 2013 ausdrücklich unter Verweis auf Inkonsistenzen, Verdeutlichung oder gar Simulation von Symptomen einer psychischen Beeinträchtigung. Die Neurologin Dr. med. D.________, Mitarbeiterin der IV-Stelle, wies mit Blick auf das Observationsmaterial und die Stellungnahme vom 9. März 2018 des Psychiaters Dr. med. E.________ schon in ihrem Bericht vom 18. Dezember 2018 einerseits auf eine überwiegend wahrscheinliche signifikante Verbesserung des Gesundheitszustandes nach dem Referenzzeitpunkt hin. Andererseits hielt sie ausdrücklich fest, dass die von Dr. med. E.________ beschriebenen "zahlreichen Inkonsistenzen hinsichtlich der monierten Einschränkungen und des Aktivitätsniveaus [...] schon im früheren Verlauf aufgefallen" waren. Daraus schloss die Vorinstanz, offenkundig zeigten sich gestützt auf das ZVMB-Gutachten keine neuen relevanten Tatsachen, welche eine Wiederaufnahme des kantonalen Beschwerdeverfahrens IV 2013/90 rechtfertigen würden. Die unbestrittene Tatsache, dass schon vor Erlass der Verfügung vom 22. Januar 2013 "zahlreiche Ungereimtheiten [und] mehr oder weniger eindeutige Hinweise auf eine mangelnde Anstrengungsbereitschaft" nicht nur Dr. med. C.________, sondern auch der Vorinstanz bei Abschluss des Beschwerdeverfahrens IV 2013/90 bekannt waren, reduziert - entgegen der Beschwerdeführerin - die Bedeutung des Informationsgewinnes durch die Observation. Die IV-Stelle zeigt nicht in der geforderten Weise auf, inwiefern das kantonale Gericht mit angefochtenem Entscheid willkürlich verneinte, dass bereits im ursprünglichen Verfahren der untersuchende Arzt und die entscheidende Behörde das Ermessen wegen der neuen Erkenntnisse aus der Observation zwingend anders hätten ausüben und infolgedessen zu einem anderen Ergebnis hätten gelangen müssen (E. 4.2.2).  
 
5.2.2. Zu Recht stellte die Vorinstanz klar, dass der von der IV-Stelle im Verfahren IV 2013/90 vertretene Standpunkt mit Blick auf den diametral davon abweichenden kantonalen Gerichtsentscheid vom 13. Mai 2015 damals mit einem ordentlichen Rechtsmittel vor Bundesgericht hätte geltend gemacht werden können. Demgegenüber ist die Revision ein ausserordentliches Rechtsmittel und dient nicht einfach der Weiterführung des Verfahrens. Sie bezweckt insbesondere nicht, nachträglich Fehler und Unterlassungen der Prozessparteien zu korrigieren (vgl. Urteil 8F_9/2013 vom 15. Oktober 2013 E. 1.1 mit Hinweisen). Es obliegt den Prozessparteien, rechtzeitig und prozesskonform zur Klärung des Sachverhalts entsprechend ihrer Beweispflicht beizutragen. Dass es ihnen unmöglich war, Tatsachen und Beweismittel bereits im früheren Verfahren beizubringen, ist nur mit Zurückhaltung anzunehmen. Dies gilt ganz besonders, wenn im Revisionsverfahren mit angeblich neu entdeckten Beweismitteln bereits im Hauptverfahren aufgestellte Behauptungen belegt werden sollen, die vom Gericht resp. der Verwaltung als unzutreffend erachtet wurden (vgl. ARV 2013 S. 356, 8C_334/2013 E. 3.3 mit Hinweisen; vgl. auch BGE 138 II 386 E. 5.1; SVR 2012 UV Nr. 17 S. 63, 8C_434/2011 E. 7.1; Urteil 8C_107/2022 vom 31. März 2023 E. 4.2.4). Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, dass es vielleicht Argumente gegeben hätte, den vorinstanzlichen Entscheid vom 13. Mai 2015 vor Bundesgericht anzufechten. Sie behauptet jedoch rein appellatorisch, dass sie "den Entscheid nicht akzeptiert" habe. Darauf ist nicht weiter einzugehen (E. 1.2 i.f.).  
 
5.2.3. Das kantonale Gericht verneinte auch die Voraussetzungen für die Anerkennung eines Revisionsgrundes im Sinne von Art. 81 Abs. 1 lit. a VRP/SG, jedoch auch diesbezüglich ohne materielle Prüfung, weil es andernfalls im Ergebnis das Wiederaufnahmebegehren hätte abweisen oder gutheissen müssen (vgl. demgegenüber Dispositiv-Ziffer 1 des angefochtenen Entscheids). Laut Vorinstanz legte die IV-Stelle keine konkreten Anhaltspunkte dar, welche aufzeigen, dass der in Revision zu ziehende vorinstanzliche Entscheid vom 13. Mai 2015 durch Arglist oder eine strafbare Handlung seitens des Beschwerdegegners beeinflusst wurde (vgl. zu den beweisrechtlichen Anforderungen an den Nachweis einer strafbaren Handlung BGE 148 V 195 E. 4.3 mit Hinweisen). Die hiergegen erhobenen Einwände der Beschwerdeführerin sind nicht geeignet, die dem angefochtenen Entscheid zu Grunde liegenden Sachverhaltsfeststellungen als willkürlich erscheinen zu lassen.  
 
5.2.4. Was die Beschwerdeführerin im Übrigen gegen den angefochtenen Nichteintretensentscheid vorbringt, beschränkt sich im Wesentlichen auf appellatorische Kritik, worauf nicht weiter einzugehen ist. Insbesondere legt sie nicht in einer dem qualifizierten Rügeprinzip genügenden Weise dar (E. 1.2), inwiefern das kantonale Gericht bei der Beweiswürdigung und Sachverhaltsfeststellung das Willkürverbot verletzt habe.  
 
5.3. Nach dem Gesagten ist die Beschwerde unbegründet und folglich abzuweisen.  
 
6.  
Dem Verfahrensausgang entsprechend hat die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 erster Satz BGG). Diese hat dem Beschwerdegegner überdies eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). Das Gesuch des Beschwerdegegners um unentgeltliche Rechtspflege wird damit gegenstandslos. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.  
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.  
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3.  
Die Beschwerdeführerin hat die Rechtsvertreterin des Beschwerdegegners für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen. 
 
4.  
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 16. Oktober 2023 
 
Im Namen der IV. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Wirthlin 
 
Der Gerichtsschreiber: Hochuli