5A_964/2023 18.03.2024
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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
5A_964/2023  
 
 
Urteil vom 18. März 2024  
 
II. zivilrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Herrmann, Präsident, 
Gerichtsschreiber Möckli. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Myrjana Niedrist, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
B.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Sibylle Würsch-Müller, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Aufschiebende Wirkung (Obhutszuteilung), 
 
Beschwerde gegen die Verfügung des Obergerichts des Kantons Nidwalden, Zivilabteilung, vom 23. November 2023 (P 23 14, ZA 23 19). 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
Die Parteien heirateten im Jahr 2013 und haben zwei Kinder (geb. 2011 und 2015). Am 12. September 2019 stellte die Mutter ein Eheschutzgesuch. Mit Urteil vom 7. Mai 2020 stellte das Kantonsgericht Nidwalden die Kinder unter die alternierende Obhut der Eltern. 
 
B.  
Mit Eingabe vom 19. November 2020 ersuchte die Mutter um Zuteilung der alleinigen Obhut. Am 18. Juni 2021 und 7. Juli 2022 wurden kinderpsychiatrische Gutachten erstattet. Ferner wurden diverse Berichte eingeholt sowie zwei Hauptverhandlungen und eine Kindesanhörung durchgeführt. Mit Teilentscheid vom 30. August 2023 stellte das Kantonsgericht die Kinder unter die alleinige Obhut der Mutter. 
Dagegen erhob der Vater eine Berufung und verlangte für das Berufungsverfahren die Erteilung der aufschiebenden Wirkung. 
Mit Verfügung vom 23. November 2023 wies das Obergericht des Kantons Nidwalden das Gesuch um aufschiebende Wirkung ab. 
 
C.  
Dagegen hat der Vater am 18. Dezember 2023 eine Beschwerde eingereicht mit den Begehren um Aufhebung der angefochtenen Verfügung und Erteilung der aufschiebenden Wirkung im Berufungsverfahren. Ferner verlangte er auch für das bundesgerichtliche Verfahren die aufschiebende Wirkung sowie die unentgeltliche Rechtspflege. 
Am 29. Dezember 2023 erstattete die Mutter ihre Vernehmlassung zum Gesuch um aufschiebende Wirkung sowie zur Beschwerde. Ferner stellte sie ihrerseits ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege. 
Mit Verfügung vom 17. Januar 2024 ordnete das Bundesgericht an, dass zur Aufrechterhaltung des bestehenden Zustandes in Bezug auf die Kinder bis zum Vorliegen des bundesgerichtlichen Urteils oder des obergerichtlichen Sachurteils weiterhin die alternierende Obhut und die Regelung gemäss dem kantonsgerichtlichen Eheschutzentscheid vom 7. Mai 2020 gilt. 
Am 22. Januar 2024 reichte der Vater eine Replik und am 1. Februar 2024 die Mutter eine Duplik ein. 
Mit Urteil vom 22. Februar 2024 hiess das Obergericht die Berufung des Vaters gut, hob den Teilentscheid des Kantonsgerichtes auf und wies die Sache zur neuen Beurteilung an das Kantonsgericht zurück. Zur Begründung führte es an, das Kantonsgericht habe gar nicht erst abgeklärt, ob eine veränderte Situation vorliege, welche eine Neuregelung der Obhut gegenüber dem Eheschutzentscheid rechtfertige. 
Mit Verfügung vom 29. Februar 2024 teilte das Bundesgericht den Parteien mit, dass damit die Beschwerde gegenstandslos geworden sein dürfte, und gab ihnen Gelegenheit, sich hierzu sowie zu den Kostenfolgen zu äussern. 
Mit Stellungnahme vom 8. März 2024 verlangte der Vater, dass die Kosten vollumfänglich der Gegenpartei aufzuerlegen seien und ihm eine angemessene Parteientschädigung zuzusprechen sei, welche angesichts der offensichtlichen Uneinbringlichkeit durch den Staat zu tragen sei. 
Mit Stellungnahme vom 11. März 2024 verlangte die Mutter, dass die Gerichtskosten den Parteien hälftig aufzuerlegen und die Parteikosten wettzuschlagen seien. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
Nachdem das Obergericht im Berufungsverfahren in der Sache selbst entschieden hat, ist die Frage der aufschiebenden Wirkung im Berufungsverfahren und damit die Beschwerde gegenstandslos geworden. Beide Parteien erklären sich denn auch mit der Abschreibung des Beschwerdeverfahren 5A_964/2023 einverstanden. 
 
2.  
Für die Verfahrensabschreibung zufolge Gegenstandslosigkeit ist der Abteilungspräsident zuständig (Art. 32 Abs. 2 BGG). Es ist mit summarischer Begründung über die Prozesskosten aufgrund der Sachlage vor Eintritt des Erledigungsgrundes zu entscheiden (Art. 71 BGG i.V.m. Art. 72 BZP). 
 
3.  
Angefochten war ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid über die aufschiebende Wirkung. Dabei handelt es sich zum einen um einen Zwischenentscheid, der nur unter den besonderen Voraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 BGG mit Beschwerde beim Bundesgericht angefochten werden kann, wobei diese in der Beschwerde darzutun sind (BGE 137 III 324 E. 1.1; 141 IV 289 E. 1.3). Sodann ist der Entscheid über die aufschiebende Wirkung eine vorsorgliche Massnahme im Sinn von Art. 98 BGG (BGE 134 II 192 E. 1.5; 137 III 475 E. 2), weshalb nur verfassungsmässige Rechte als verletzt gerügt werden können. In der Beschwerde wurden sowohl die Eintretensvoraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 BGG dargelegt als auch verschiedene Verfassungsnormen als verletzt gerügt. Die Beschwerde wäre materiell zu behandeln gewesen. 
Soweit die Obhut geteilt war und die Kinder zwei Hauptbezugspersonen hatten, ist diese im Sinn des Kontinuitätsprinzips und zur Vermeidung einer Präjudizierung des Sachentscheides während eines Rechtsmittelverfahrens grundsätzlich aufrechtzuerhalten, soweit nicht besondere Gründe etwas anderes gebieten (vgl. BGE 138 III 565 E. 4.3.2; 144 III 469 E. 4.1 und 4.2.1). Das erstinstanzliche Verfahren war seit dem Jahr 2020 hängig und in der angefochtenen Verfügung wurde nirgends eine besondere Dringlichkeit erwähnt; insbesondere waren keine Gründe ersichtlich, welche eine sofortige Umteilung zwingend geboten hätten, wird doch in der angefochtenen Verfügung festgehalten, dass an sich beide Elternteile erziehungsfähig seien. 
Die Beschwerde war diesbezüglich gut begründet und die Beschwerdegegnerin machte in ihrer Vernehmlassung primär geltend, der Beschwerdeführers habe am Wochenende vom 8. bis 10. Dezember 2023 und an Weihnachten das Besuchsrecht nicht wahrgenommen (was der Beschwerdeführer in seiner Replik bestritt und die Beschwerdegegnerin in der Duplik wiederum beteuerte). Dabei handelt es sich um ein echtes Novum, welches im bundesgerichtlichen Verfahren unzulässig ist und von vornherein keine Berücksichtigung hätte finden können (Art. 99 Abs. 1 BGG; BGE 139 III 120 E. 3.1.2; 148 V 174 E. 2.2). Dem rechtlichen Vorbringen in der Vernehmlassung, angesichts des destruktiven Verhaltens des Beschwerdeführers könnten die normalen Grundsätze für die aufschiebende Wirkung in Obhutsfragen nicht gelten, hätte es deshalb an der tatsächlichen Basis gefehlt. 
Vor diesem Hintergrund wäre die Beschwerde mutmasslich gutzuheissen gewesen, weil das Obergericht ohne sachlichen Gründe und damit willkürlich von den massgeblichen Grundsätzen bei der Regelung der aufschiebenden Wirkung im Zusammenhang mit der Obhut abgewichen ist. 
 
4.  
Bei einer Gutheissung wäre die Beschwerdegegnerin kosten- und entschädigungspflichtig gewesen (Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 2 BGG) und sie ist es demnach auch bei Gegenstandslosigkeit des Beschwerdeverfahrens (vgl. E. 2). Sie ist offenkundig prozessarm und war im Übrigen im Beschwerdeverfahren einlassungspflichtig, was die Frage der Gewinnchancen tendenziell in den Hintergrund rücken lässt; ihr ist mithin die unentgeltliche Rechtspflege zu erteilen und sie ist durch die sie vertretende Anwältin zu verbeiständen (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Nicht von ihrer unentgeltlichen Rechtspflege erfasst ist die Entschädigungspflicht gegenüber dem Beschwerdeführer gemäss Art. 68 Abs. 2 BGG. Weil die Eintreibung der Entschädigung nach aller Voraussicht scheitern wird und sie somit Leerlauf bedeuten würde, rechtfertigt es sich, dem Beschwerdeführer sofort die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren, unter Verbeiständung durch die ihn vertretende Anwältin, und die Entschädigung an diese aus der Bundesgerichtskasse zu leisten, unter Vorbehalt des gesetzlichen Nachforderungsrechts gegenüber der Beschwerdegegnerin gemäss Art. 64 Abs. 4 BGG
 
 
Demnach erkennt der Präsident:  
 
1.  
Das Beschwerdeverfahren 5A_964/2023 wird als gegenstandslos geworden abgeschrieben. 
 
2.  
Beiden Parteien wird die unentgeltliche Rechtspflege erteilt und sie werden je durch die sie vertretende Anwältin verbeiständet. 
 
3.  
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt, jedoch einstweilen auf die Bundesgerichtskasse genommen. 
 
4.  
Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 3'000.-- zu entschädigen. Die Entschädigung wird Rechtsanwältin Myrjana Niedrist vorschussweise aus der Bundesgerichtskasse entrichtet. 
 
5.  
Rechtsanwältin Sibylle Würsch-Müller wird aus der Bundesgerichtskasse mit Fr. 2'000.-- entschädigt. 
 
6.  
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Nidwalden, Zivilabteilung, mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 18. März 2024 
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Herrmann 
 
Der Gerichtsschreiber: Möckli